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Piratenpartei - Runder Tisch für Schriftsteller

Begonnen von Schommes, 05. Juni 2012, 10:03:49

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Schommes

Zitat von: TheaEvanda am 05. Juni 2012, 11:37:33
Schommes: Hut ab, dass du dich da reinhängst. Ich denke immer nur darüber nach, weil ich so in Termindruck bin ...

Mein großes Problem mit den bisherigen Verlagsverträgen (Artikel, Heft und Buch) waren immer die so schön genannten "Total Buy-Out" - Klauseln, nach der ich im Prinzip neben dem Garantiehonorar lebenslänglich nichts mehr für meine Tätigkeit erwarten konnte. Meine Erben auch nicht, wenn wir schon dabei sind.

Das höre ich jetzt häufiger und wir von den Verlagen gerne als Argument für eine Reform benutzt. Ich dachte bisher immer ganz naiv, das gäbe es nur im Journalismus, weil mein Vertrag einen Rechterückfall nach zehn Jahren vorsieht.
Ist Total Buy Out bei uns häufig? Hat es evtl. etwas damit zu tun, ob man sich von einem Agenten vertreten lässt?

Danke @FeeamPC Das Diagramm ist ganz groß und vielen Dank für die weiteren Hinweise. Alles sehr wertvolle Info.

Danke auch für die Meinungen zur Schutzfrist. Ich meine auch dass die 70 Jahre, die jüngst auf EU-Ebene eingeführt wurden evtl. etwas zu viel des Guten sind. Die Orientierung an der Waisenpension finde ich gut. Das ergibt sehr viel Sinn.

@Nadine: Die Piraten unterscheiden nicht zwischen Schriftstellerei als Handwerk und Kunst.

@Alle: Die Kulturflatrate als Ausgleich für die Legalisierung von Filesharing wird von den Piraten schon länger nicht mehr als Position vertreten, sondern nur noch von Teilen der Grünen und der Linken. Die Piraten haben sich diesbezüglich noch nicht eindeutig positioniert. Z.T. wird vertreten das bedingungslose Grundeinkommen sei auch eine gute Kompensation für Filesharing, da die Piraten aber einsehen, dass ihnen das politische Gewicht fehlt, dieses bald durchzusetzen, wird auch noch das Modell einer Kulturwertmark, wie es der CCC vorschlägt, diskutiert.
Im Übrigen wollen die Piraten die Künstler allgemein ermutigen, ihre Werke durch alternative Geschäftsmodelle wie Crowdfunding, freiwillige Bezahlsysteme (Spendenbutton) oder eine Art modernes Mäzenatentum zu finanzieren.


Volker

Moin!

Ich pack dann mal kurz den Piraten aus:  ;)

Bei den Piraten gibt es viele Ideen zum Urheberrecht. Konkret wurde als ersten Schritt eine pragmatische Lösung erarbeitet und auf dem Bundesparteitag 2011.2 ein Gesetzesvorschlag (http://wiki.piratenpartei.de/Bundesparteitag_2011.2/Antragsportal/PA149) beschlossen, die die aktuellen Auswüchse im Urheberrecht auf ein erträgliches Maß zurückstutzt. Leider wird das so nicht deutlich genug kommuniziert.

Im Wesentlichen betreffen die Änderungen eine Stärkung des Urhebers (kein Total-Buy-Out mehr, Wiederverhandlungsfrist: Rechte fallen nach 5 bzw. 25 Jahren zurück an den Autor), die Befreiung der Bildung von Vergütungen, Vereinfachungen bei der Weiterentwicklung von Werken und Nutzung von Wissen sowie die Reduzierung aller Schutzfristen auf ein sinnvolles Maß, so dass u.a. Werke nicht mehr verschollen gehen. Im Detail ausgearbeitet ist der beschlossene Vorschlag als Kurzfassung auf 21 Seiten verfügbar unter http://wiki.piratenpartei.de/wiki/images/0/07/UrhG_Arguments_FassungBPT2011-2.pdf.

Da in der aktuellen Debatte auf beiden Seiten alle möglichen Positionen - darunter auch unhaltbare - durch die Gegend fliegen, wurde zu einem Runden Tisch eingeladen. Eine komplette Abschaffung des Urheberrechts ist dabei genau so wenig haltbar wie Totalüberwachung des Netzes oder das Ersetzen des Urheberrechts durch ein Leistungsschutzrecht (wo nur noch der Verlag die Rechte und Vergütungen hält, der Autor aber gar nicht mehr).

Und deshalb der Runde Tisch - damit man miteinander redet, nicht übereinander.
:)

Schommes

Lieber Volker,

das weiß ich schon alles. Sorry, der Sinn des Threads war nicht Werbung für das Urheberrechtskonzept der Piratenpartei zu machen, sondern den Mitgliedern des TiZi Gelegenheit zu geben, sich über mich als menschlichen Proxy in die Diskussion einzumischen.

Dein Post ist leider wie alle Verlautbarungen der PP zu diesem Thema auch nur halbwahr.

Auch auf Urheberseite ist mittlerweile völlig klar, dass die PP das Urheberrecht weder abschaffen will noch kann. Gleichwohl rufen die geplanten Veränderungen deutliche Zweifel hervor und wirken bei allen mittlerweile erfolgten Anpassungen an den Streitstand immer noch arg nutzerlastig.

Die Verkürzung der Schutzfristen wird praktisch kaum wirklich verwaiste Werke betreffen, da einerseits die wenigsten Werke bereits während der 70-Jahre postmortem Schutzdauer wirklich verwaisen und andererseits die meisten tatsächlich verwaisten Werke für die Öffentlichkeit völlig uninteressant sind. Das ist m.E. reine Symbolpolitik.

Die geplante Legalisierung nichtkommerziellen Filesharings ist eine faktische Enteignung, da zumindest die theoretische Möglichkeit besteht, dass ein Autor dadurch überhaupt kein Geld mehr für seine Bücher bekommt. Das dies sicherlich praktisch unwahrscheinlich ist, ist für die juristische Betrachtung völlig irrelevant, sagt Dir der Professor für öffentliches Recht ;)

Alle anderen Programmpunkte sind zumeist starkt Musikmarktlastig, z.B. die so genannten alternativen Geschäftsmodelle. Crowdsourcing ist für ein Buch insbesondere das eines Debütanten kein gangbarer Weg. Das gilt genauso für modernes Mäzenatentum, die Finanzierung über Drittleistungen wie Lesungen etc. pp. Wo es angeblich um die Stärkung der Urheber geht, bleibt alles so vage, dass kein Autor genau weiß, was ihm das alles bringen soll.

Ob der automatische Rechterückfall an den Autor wirklich ein genereller Vorteil ist, darf zumindest bezweifelt werden, da er die Ware Manuskript im Verhandlungsverhältnis Autor-Verlag deutlich entwertet.
Schwierig ist auch immer noch, dass im Konzert der Piratenstimmen mitunter eine schrille Kakophonie herrscht. Da tummeln sich Kommunisten, die die Künstler auf das BGE beschränken wollen, Neoliberale, die finden, dass das was unendlich kopierbar ist, auch nichts wert sein kann oder zwiespältige Charaktere wie die stellvertretende Bundesvorsitzende Julia Schramm, die geistiges Eigentum einerseits "ekelhaft" findet und meint, dass Künstler sowieso nur aus dem bereits Bekannten schöpfen ("standing on the shoulders of giants"-Argument) und andererseits für einen Vorschuss von 100 T Euro ein Buch bei Deutschlands größtem Verwerter unterbringt und auf die Frage, ob man es dann bald gratis runterladen kann, antwortet: "Das müssen sie meinen Verlag fragen."

Was mir bis jetzt vor allem fehlt ist eine fundierte verfassungsrechtliche Analyse der geplanten Veränderungen. M.E. oder imho - wie es bei der PP immer so schön denglisch heißt - stellen fast alle Veränderungen Grundrechtsverletzungen dar, insbes. der Berufs- und Gewerbefreiheit, des Eigentumsgrundrechts (und hier bitte nicht diese lästige Debatte über den Begriff des geistigen Eigentums, denn auch Immaterialgüterrechte sind vom Schutzbereich des Art. 14 GG erfasst), der Privatautonomie, der Kunstfreiheit sowie der allgemeinen Handlungsfreiheit, ohne dass diese Veränderungen durch die Schranken der jeweiligen Grundrechte auch nur im mindesten gedeckt werden. Anders als die PP suggeriert lässt sich aus dem Menschenrecht auf kulturelle Teilhabe kein generelles Recht auf freien Zugang zu jeder beliebigen Kulturleistung konstruieren.

Lass den Piraten also ruhig unausgepackt  ;)

Dein Thomas

Maria

Was mich interessiert, wie stehen die Piraten zu den Angriffen auf jene Autoren, die sich für die Stärkung des Urheberrechts eingesetzt haben?
Haben sie sich öffentlich davon distanziert? Heißen sie diese Angriffe gut?

Naudiz

Ohne etwas Konstruktives beitragen zu können (das noch nicht genannt worden ist): Auch von mir Chapeau, dass du dich so engagierst, Schommes. Ich finde das richtig gut.

Volker

Zitat von: Maria am 07. Juni 2012, 05:20:45
Was mich interessiert, wie stehen die Piraten zu den Angriffen auf jene Autoren, die sich für die Stärkung des Urheberrechts eingesetzt haben? Haben sie sich öffentlich davon distanziert? Heißen sie diese Angriffe gut?
(Persönliche) Angriffe gegen Personen - oder (sachliche) gegen deren Meinung? Welche Vorfälle meinst Du?
Ersteres wäre nicht gut und wird nicht gutgeheißen.

Ein Problem ist, dass es viele verschiedene Ansichten gibt - und jeder Pirat nach Meinung der Presse oft genug "die Piratenmeinung" vertritt. Aktueller Konsens ist aber z.B. das oben von mir verlinkte, recht zahmen und IMHO vernünftige Papier.

Es geht zudem meist nicht um das Urheberrecht - das soll auch nach Piratenmeinung so weitestgehend bestehen bleiben oder gar gestärkt werden, sondern um die Verwertungsrechte.

Wenn Du diese "Tatort-Autoren gegen Piraten" Aktion meinst: da haben sich die Autoren vor einen Karren spannen lassen. Denn gerade diese haben oft genug Total-Buy-Out unterschrieben und würden von den Änderungen profitieren.

Lomax

Es geht wohl eher um die Veröffentlichung von Adressen von Unterzeichner-Autoren durch Hacker von "Anonymous" - was ich persönlich für einen ziemlich aufgebauschten Fall halte.

Schommes

Zitat von: Lomax am 07. Juni 2012, 10:08:00
Es geht wohl eher um die Veröffentlichung von Adressen von Unterzeichner-Autoren durch Hacker von "Anonymous" - was ich persönlich für einen ziemlich aufgebauschten Fall halte.
Ich hätte zu dieser Geschichte sicher einiges zu sagen, aber fände es toll, wenn wir diesen Thread auf mein Anliegen beschränken könnten.

Volker

Zitat von: Schommes am 05. Juni 2012, 15:46:07
Ich dachte bisher immer ganz naiv, das gäbe es nur im Journalismus, weil mein Vertrag einen Rechterückfall nach zehn Jahren vorsieht. Ist Total Buy Out bei uns häufig?
Ich kenne das vor allem aus den Bereichen Journalismus und Film, wo das Standard ist, sowie teilweise auch aus der Musik, wo die GEMA Tantiemen dann nicht mehr an den Komponisten gehen, sondern nur noch an den Verlag.


Zitat von: Schommes am 05. Juni 2012, 15:46:07
@Nadine: Die Piraten unterscheiden nicht zwischen Schriftstellerei als Handwerk und Kunst.
Hinsichtlich Verwertungsrechte gibt es da auch keinen Unterschied. Alles andere ist Geschmackssache.


Zitat von: Schommes am 05. Juni 2012, 15:46:07
das bedingungslose Grundeinkommen sei auch eine gute Kompensation für Filesharing
Nein, das BGE ist nicht als Kompensation gedacht. Da haben Leute das in den falschen Hals bekommen.


Volker

Zum langen Post könnte ich noch einiges schreiben, doch zurück zum Ursprung:

Zitat von: Schommes am 05. Juni 2012, 10:03:49
Ich sitze am kommenden Donnerstag, den 7.6. von 14 - 18 Uhr hier in Berlin an einem der Runden Tische der Piraten zum Urheberrecht http://www.piratenpartei.de/2012/05/21/urheberrechtsdebatte/ [...]
Ich sitze dort, weil [...] ich das Gefühl habe, dass die Piraten den Literaturmarkt nur sehr oberflächlich verstanden habe und ich etwas mehr Tiefe in die Debatte bringen will.

Auch wenn unsere Meinungen derzeit etwas divergieren: Deinen Einsatz finde ich klasse!
Meine eigenen Erfahrungen beschränken sich mehr auf den Musik- und Journalismus-Bereich - Fachwissen aus anderen Bereichen kann da sicher weiterhelfen.

Aphelion

Hallo,

auch ich finde das Engagement sehr gut! :)

Allerdings habe ich ein paar begründete Zweifel, ob es zu einem Ergebnis führen wird. Erst kürzlich habe ich mich wieder mit den "Offiziellen" der piratenpartei auseinander gesetzt und sehr konkrete, spezifische Punkte genannt - worauf ich nach einer Zeit x eine sehr pauschale und allgemeine Antwort bekam. Ich persönlich habe nicht den Eindruck, dass bei der Partei eine ernsthafte Auseinandersetzung stattfindet, die auch ein Umdenken zulassen würde. Mein rein subjektiver Eindruck ist vielmehr, dass es darum geht, das Konzept der piratenpartei zu verteidigen - nicht, es ggf. an die Realität anzupassen.

Trotzdem finde ich es wie gesagt lobenswert; und man soll ja nichts unversucht lassen. Insofern möchte ich auch nicht pauschal Negativieren. ;)

Ein paar Punkte, die ich persönlich wichtig finde: Eine korrekte Darstellung des "Geldflusses"; das wurde ja schon angesprochen, aber ich fände es zB wichtig, dass nicht Aufschläge dargestellt werden, sondern tatsächlich das, was die jeweilige Station (Verlag, Handel, ... ) wirklich auch behält - was ebenfalls schon anklang.

Ein Punkt, der mir persönlich sehr am Herzen liegt: Autoren, die sich für einen bestimmten Vertrag entscheiden, tun dies aus freien Stücken. Wenn ich mich als Autor dafür entscheide, einer bestimmten Vergütung zuzustimmen, dann sollte das nicht als "falsch" dargestellt werden.
Wenn ich um meiner Eitelkeit willen gedruckt werden will und deshalb auch "schlechtere" Konditionen akzeptiere, dann verfolge ich damit trotzdem mein Ziel. Wenn ich sehr viel Geld aus meinen Projekten herausholen möchte, dann lehne ich solche Verträge eben ab. Für beides gibt es Extremfälle - aber es ist immer noch meine Entscheidung als Autor, ob ich mich darauf einlasse. Wenn ich wiederum Verlage für gierige Monster halte und Zwischenhändler ja ohnehin nur reine Abzocker sind, dann lasse ich eben selbst drucken (wenn ich es mir leisten kann) oder publiziere als E-Book. Gerade heutzutage gibt es so viele Möglichkeiten. Ich finde es falsch, das alles in einen Topf zu werfen. Wer mit Verlagen nichts zu tun haben will, der kommt auch an ihnen vorbei.

Es geht mir hier nicht darum, ein Konzept über den grünen Klee zu loben - aber es *gibt* eben die Möglichkeiten. Autoren sind im Allgemeinen voll geschäftsfähig (bei Kindern und Jugendlichen ist ohnehin das elterliche Einverständnis erforderlich); deshalb stört es mich, dass an manchen Stellen der Politik, momentan vor allem bei der piratenpartei, so getan wird, als seien wir es nicht.

Schommes

#26
Nochmals Danke für die weiteren Beiträge.

@Volker: Sicher muss man da differenzieren. BGE als Kompensation für Filesharing ist allerdings durchaus eine Position, die in dem einschlägigen Piratendiskussionsforum diskutiert wird. Natürlich ist sie deswegen noch lange keine offizielle Parteiposition. Aber die kann sich per LiqDem ja jederzeit ändern.

@Aphelion: Da hast Du Recht. Die Tatsache, dass niemand gezwungen wird, zu einem Verwerter zu gehen, geht immer wieder unter.

Das ganze soll übrigens gestreamt werden. Leider weiß ich noch nicht wo. Falls es mitgeteilt wird, werde ich es twittern.

EDIT: http://piratorama.de

TheaEvanda

#27
Zitat von: AphelionEin Punkt, der mir persönlich sehr am Herzen liegt: Autoren, die sich für einen bestimmten Vertrag entscheiden, tun dies aus freien Stücken. Wenn ich mich als Autor dafür entscheide, einer bestimmten Vergütung zuzustimmen, dann sollte das nicht als "falsch" dargestellt werden.

Das ist etwas kurz gedacht. Als selbständige Vollzeit-Autorin unterliege ich wirtschaftlichen Zwängen. Ich muss Umsatz und Gewinn machen, um etwas zu Essen zu haben, meine Miete zu zahlen und meine Sozialversicherungsausgaben zu decken. Ich bin also nicht völlig frei in meinen Entscheidungen, und des Öfteren zwingt mich mein Bedürfnis, etwas zu Beißen zu haben, einen unvorteilhaften Vertrag anzunehmen. Denn lieber etwas Geld als gar keins.

Diese Situation wird und wurde gerne von den Verwertern im weiteren Sinne ausgenutzt: Sie haben die Knete und das Auswahlrecht, und ich als Urheber muss unterschreiben um die Knete zu bekommen. Das hat mit meiner Eitelkeit eher wenig zu tun.

Und das Argument, dass ich ja einen anderen Brotjob annehmen könnte, ist keins. Denn ich bin nicht für abhängige Arbeit geeignet und lande mit so einem Arbeitsvertrag genauso schnell an der Stütze wie in dem Fall, dass ich ein Vertragsangebot, das mich zwar langfristig ausnimmt, mir aber kurzfristig Geld gibt, nicht annehme.

Und dann ist da noch die Sache mit der Entwertung des Manuskripts durch einen vorprogrammierten Verfall der Rechteübergabe. Die meisten Verlage nutzen ihre Rechte am Manuskript nur für die erste Auflage, danach landen Manuskript/Buch und alle Nebenrechte auf dem großen Haufen der gehaltenen, aber nie genutzten "Backlist". Man sieht das ja recht einfach, wenn man ein Buch, das man vor einem Jahr im Laden gesehen hat, ein Jahr später kaufen möchte. Das ist dann vergriffen und verramscht und wird nicht wieder aufgelegt. Mehrauflagen erreichen nur wenige Autoren.

Weshalb steht dann also die Rechteübergabe "für die Dauer des gesetzlichen Urheberrechts" trotzdem in jedem Appel-und-Ei-Vertrag, den ich je gesehen habe? Für den Fall, dass es doch was wird?

Wenn die Rechte auch und besonders bei solchen nicht automatisch terminierten Verträgen nach einer gewissen Zeit an den Urheber zurückfallen, macht das das Manuskript vielleicht für den Verlag weniger wertvoll. Aber das glaube ich nicht. Denn der Verlag verliert nur eine meines Erachtens wirklich sittenwidrige Klausel und muss dann eventuell in fünf Jahren nachverhandeln. Sofern er den Mist, der sich in der ersten Auflage gar nicht verkauft hat, überhaupt noch haben will.

Hat der Urheber dagegen einen Bestseller gelandet, muss der Verleger damit rechnen, dass er diesmal etwas mehr abdrücken muss, um die Cash-Cow weiter melken zu dürfen. Aber bis dahin hat er das gewohnte Quasi-Monopolrecht und kann es voll ausnutzen. Und wenn fünf Jahre nach der Erstveröffentlichung das Geld noch nicht drinnen ist, kommen wir wieder zu Fall #1.

Es wird bei den Verträgen am Bodensatz der Schriftstellerei (und damit meine ich nicht Liebhaber- und Kleinstverlage sondern mittelständische Verlage, die auch ordentlich Gewinn abwerfen) immer noch den gleichen Hungerlohn geben wie vorher. Aber der Urheber hat die Möglichkeit, bei Erfolg noch einmal ordentlich nachzuverhandeln und auch etwas für sich herauszuholen, das über den Pauschalsatz geht.

Echte Unabhängigkeit und Vertragsfreiheit gibt es in einem vom Käufer beherrschten Markt nicht. Da muss der Verkäufer (aka. Urheber) schauen, wo er bleibt. Ihm per Gesetz etwas mehr Macht an die Hand zu geben, kann nur gut sein. Schließlich war es auch ein Gesetz, das aus 10% Vergütung pro Taschenbuch 5% Vergütung pro Taschenbuch gemacht hat. Wir werden als Autoren nämlich immer noch auf Grundlage der Notstandsgesetze von anno erster Weltkrieg bezahlt. Keine Autorenvereinigung war stark genug, diesen Mißstand je zu beheben. Auch nicht hundert Jahre danach.

--Thea
Herzogenaurach, Germany

ETA: @Schommes: Ein jeder Agent, der was auf sich hält, kippt die Buyout-Klausel noch bevor er den Vertrag weiterleitet. Als Einzelautor hat man eine schlechtere Verhandlungsposition. --TH

Farean

Interessant wäre in diesem Zusammenhang, wieviele Autoren eigentlich Mitglieder/Unterstützer der Piratenpartei sind und ob und wie sie sich in diese Diskussion einbringen.

Falls es nämlich noch keine bzw. zu wenige sind, wäre ein möglicher Ansatz durchaus, sich als Autor in der Piratenpartei zu engagieren und Einfluß auf die entsprechenden Positionen zu nehmen. Die Partei ist meiner Wahrnehmung nach noch klein genug, daß man da von innen etwas bewegen könnte. Noch hat sie nicht das Stadium der Volksparteien erreicht, daß eine kleine Führungsschicht entscheidet, was die Partei als Ganze zu meinen hat, was das Beste für den Pöbel das Volk ist.

Maja

#29
Zitat von: Schommes am 07. Juni 2012, 10:16:30
Ich hätte zu dieser Geschichte sicher einiges zu sagen, aber fände es toll, wenn wir diesen Thread auf mein Anliegen beschränken könnten.
Das klingt für mich ein wenig wie "Ich möchte hier meine Meinung darlegen können, nicht auf die Meinungen anderer eingehen müssen". Da wir hier das Glück haben, Vertreter beider Seiten anwesend zu haben - Volker ja nicht nur ein Piratensympathisant, sondern sitzt als solcher in der Bezirksverordnetenversammlung von Marzahn-Hellersdorf, ist also ein Teil genau jener Berliner Piraten, die den runden Tisch veranstalten -finde ich es wichtig, dass auch beide Seiten zu Wort kommen können.
Niemand hantiert gern ungesichert mit kritischen Massen.
Robert Gernhardt