• Willkommen im Forum „Tintenzirkel - das Fantasyautor:innenforum“.
 

[Jura/Geschichte] Erbrecht ohne Testament: Wer vertritt die Interessen der Krone

Begonnen von Maja, 28. Januar 2012, 04:08:38

« vorheriges - nächstes »

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

Maja

Ort und Zeit: Wales, Großbritannien, 1921

Ich habe ein Problem mit meinen Mohnkindern. Der Großvater ist gestorben, und die Zwillinge müssen nachweisen, dass sie die rechtnmäßigen Erben sind, sonst fällt das Haus ihrer Familie an die Krone. Soweit ist der Plot geplant, aber was ich nicht weiß: Wer kümmert sich um so etwas? Steht da der Friedensrichter vor der Tür und will Geburtsurkunden, Trauschein und Testament sehen? Oder kommt die Polizei?

Was die Mädchen angeht, die werden nichts unternehmen, weil sie gar nicht auf die Idee kommen, dass da ein Testament vollstreckt werden muss, sie gehen davon aus, dass sie als einzige Nachkommen auch automatisch erben. Aber so automatisch geht das sicher nicht. Percy jagt schon ihren Geburtsurkunden und dem Trauschein ihrer Eltern nach, damit sie erben können, aber er ist bis jetzt der einzige, der sich darüber Gedanken macht. Dabei ist es sicher Zeit, dass jemand an der Tür klingelt und sagt "Guten Tag, ich bin der ? ? ?, und wenn ihr mir nicht beweist, dass dieses Haus rechtmäßig euch gehört, fällt es an der Krone".

Aber ich finde partout nicht heraus, wer das ist, und wie das geht, und wie lange es dauert. Der Arzt war da und hat den Totenschein ausgefüllt, und ich weiß, dass der als Durchschrift an das General Register Office in London geht. Die Behörden haben also schon von dem Todesfall gehört. Aber wie geht es jetzt weiter? Und kommt da jemand Überregionales, oder gibt es so einen (Friedensrichter, vermute ich) in jedem Dorf?

Über jede Art von Hilfe bin ich dankbar!
Niemand hantiert gern ungesichert mit kritischen Massen.
Robert Gernhardt

Nirathina

Hallo Maja  :winke:

Ich hab jetzt mal nachgeschaut, aber es ist schwer, etwas Genaues zu finden. Allerdings bin ich auf eine Seite gestoßen, wo eventuell etwas zu finden sein könnte: http://www.institut-fuer-internationales-erbrecht.de/grosbritannien/erbrecht-in-grosbritannien-allgemeines.html
Da hat man sogar die nette Option, sich via E-Mail an Experten zu wenden  ;)

Lieben Gruß,
Nirathina

Maran

http://www.dr-hoek.de/beitrag.asp?t=englisches-erbrecht bietet eine gute Grundzusammenfassung bezüglich Erblasser, Erbfolge, Testament und Unterschiede zum deutschen Recht. Vielleicht hilft Dir das weiter.

Die wichtigste Frage ist zunächst, wann Deine Geschichte spielt. Das britische Erbrecht wurde mehrmals geändert. (Ich finde gerade die Quelle nicht wieder, aber es bestehen teils gravierende Unterschiede.)
In Bezug auf Landbesitz und Immobilien ist es wichtig zu wissen, ob es sich bei dem Erblasser um "Otto-Normal-Bürger", Adel oder Erbtitelträger handelt.

Soweit ich das verstanden habe, fällt der Besitz des Erblassers nur dann an die Krone zurück (vorausgesetzt, es handelt sich um "Otto-Normal-Bürger"), wenn 1. kein Testament und 2. keine gesetzlichen Erben vorhanden sind (und zwar in dieser Reihenfolge), wobei im ersteren Falle eventuelle "gesetzliche Erben" vom Erbe ausgeschlossen sein können.

Rika

Hejhej Maja,

für den Anfänglichen Überblick sind diese beiden Seiten nicht schlecht, falls du sie nicht schon kennst:
http://en.wikipedia.org/wiki/Probate
http://en.wikipedia.org/wiki/Administration_of_an_estate_on_death

Normalerweise sind Coroners und Solicitors involviert - erstere für die Todesurkunde, letztere für die Verwaltung und Bearbeitung der Hinterlassenschaften. Deine Kinder müßten also bei einem Rechtsanwalt nachweisen, dass sie die nächsten Verwandten des Verstorbenen sind.
Zu beachten, im Unterschied zu heute ist auch (eben falls von Wikipedia):
ZitatThe Administration of Estates Act 1925 is a law passed in 1925 in England and Wales that changed the rule of inheritance from primogeniture to that of modern day norms.
Primogeniture - das Recht des erstgeborenen, alles allein zu Erben - relevant insbesondere falls kein Testament vorhanden ist.

Als Beispiel nochmal ein paar Probate info Seiten, vielleicht helfen die dir weiter
http://www.direct.gov.uk/en/Governmentcitizensandrights/Death/Preparation/DG_10029799
http://www.direct.gov.uk/en/MoneyTaxAndBenefits/ManagingMoney/Bonavacantia/DG_171068
http://www.probate1.com/
http://www.netprobate.co.uk/


xadhoom

Aloha!

Das Erbrecht des Vereinigten Königreichs weist zahllose Besonderheiten auf und es ist fraglich, ob man die wirklich alle berücksichtigen muss oder möchte, da dies auch Einheimischen größtenteils unbekannt ist. Damit ist auch die Frage, ob es etwas komplizierteres geben kann als das deutsche Erbrecht, sogleich beantwortet. ;)

Dennoch gibt es Ähnlichkeiten, die auf dem ursprünglichen System beruhen. Ein Testament hebt grundsätzlich den Charakter der gesetzlichen Erbfolge aus. Dieser Tage ist der Ausschluss der gesetzlichen Erbfolger nur mehr möglich, wenn dies ausdrücklich und begründet schriftlich festgelegt wird. Dies entspricht weitestgehend auch inländischem Recht.

Wenn das von entscheidender Bedeutung ist, rege ich an, sich mit einem der lokalen Gerichte (Pressestelle etc.) ins Benehmen zu setzen und ausdrücklich auf die Authentizität für den Roman abzuheben. Im Allgemeinen zeigen sich gerade öffentliche Einrichtungen da sehr hilfsbereit, wenn man darauf verweist, dass eine eigene Recherche ansonsten wenig zuverlässig ist oder möglicherweise gravierende Fehler aufweisen würde. Der Hint auf die Tatsache, dass hierdurch auch die Region als solche für den Tourismus förderlich sein dürfte, erwies sich immer als hilfreich.

shade & sweet water
>x<
Vor dem Wein sind alle gleich! Und das gilt insbesondere dann, wenn sich der Wein nicht mehr vor, sondern in einem befindet ...

Maja

Danke für die vielen Tipps!

@Rika
Das ist es, Probate. Danke! Da ich den Begriff nicht kannte, habe ich diesen Artikel nicht gefunden. Dann ist es also der High Court of Justice, der - per Vertreter - an die Tür klopft. Das Blöde ist, eigentlich ist diese ganze Erbrechtsgeschichte nur ein Nebenkriegsschauplatz, von dem ich fürchte, dass er mich immer weiter vom eigentlichen Plot wegbringt. Aber immerhin kann ich es jetzt richtig machen und nicht irgendwelchen Blödsinn schreiben.
Niemand hantiert gern ungesichert mit kritischen Massen.
Robert Gernhardt

Rika

Gern geschehen, Maja.  :knuddel:
Ich habe mich ja Ende letzten Jahres, wenn auch selber nicht offiziell beteiligt, damit ein wenig auseinandersetzen müssen. Also nicht direkt mit dem, wonach du fragst, aber die Basics von "intestate" und "probate" sind mir dabei halt begegnet.