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Pilztee = Drogen??

Begonnen von Hoellenpfau, 27. August 2011, 10:00:58

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Mulle

Liebe Termi,

ich will besagte Bücher nicht nur veröffentlichen, ich tue es auch. (Das Ding erscheint 2013 bei Loewe.)
Eine gewisse Verantwortung ist schon richtig, ebenfalls stimmt es, dass jüngere Leser oft eine Art Vorbild in den Hauptfiguren sehen.
Das bedeutet aber - auch und GERADE im Jugendbuch - NICHT, dass die Figuren nicht dieselben Fehler und Versuche machen und in dieselben Fettnäpfchen treten dürfen wie realistische Kinder und Jugendliche. Dazu gehört u.U. auch, dass sie mal mit Drogen konfrontiert werden, sei es, weil sie sie ausprobieren oder weil sie ihnen - warum auch immer - untergejubelt werden.

Der Umgang damit ist entscheidend. Führt das Suchtmittel dazu, dass die Figur endlich über ihren Schatten springt, und dem Gegenüber die Gefühle gesteht, und ansonsten zu nichts, dann ist das sicherlich bedenklich.
Führt das Suchtmittel dazu, dass die Figur über ihren Schatten tritt, sich dabei aber schrecklich blamiert und kurz darauf kotzend überm Klo hängt, ist das eine ganz andere Aussage.

Wir dürfen GERADE im Kinder- und Jugendbuchbereich nicht moralisieren - das durchschauen die jungen Leser - und sie hassen es! Sie wollen keinen erhobenen Zeigefinger, aber sie sind durchaus neugierig darauf, was passiert, wenn man Grenzen überschreitet.

LG Jenny

Termi

#16
ZitatWir dürfen GERADE im Kinder- und Jugendbuchbereich nicht moralisieren - das durchschauen die jungen Leser - und sie hassen es! Sie wollen keinen erhobenen Zeigefinger, aber sie sind durchaus neugierig darauf, was passiert, wenn man Grenzen überschreitet.

Nun von moralisieren habe ich auch nicht gesprochen. Auch bin ich vehement gegen den sogenannten pädagogischen Zeigefinger. Und natürlich sollen die Kids ihre Erfahrungen im Leben machen. Und Gerade hier ist das Umfeld gefragt. Elternhaus, Schule, Freundeskreis usw. Ich habe einen heute erwachsenen Sohn und glaube mir, wenn ich dir sage, dass ich fast alles mit ihm durch habe. Alkohol, Kiffen und an das, was ich nie erfahren habe, will ich gar nicht denken. Ich finde also, dass die Realität, wo Kinder und Jugendliche mal eben abchecken, was passiert, wenn man seine Grenzen überschreitet, erschreckend genug ist. Hier mal eine kleine Statistik allein zum Thema Alkohol.

ZitatZitat aus Wiki:
Die Zahl der Jugendlichen, die wegen Alkoholmissbrauchs in Kliniken kommen, hat sich in Deutschland seit 1990 mindestens verdoppelt. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes sind 2005 rund 19.400 Jugendliche zwischen 10 und 20 Jahren mit der Diagnose ,,akute Alkoholintoxikation" stationär im Krankenhaus behandelt worden. Dies waren mehr als doppelt so viele wie im Jahr 2000, entspricht aber nicht einmal einem halben Prozent dieser Bevölkerungsgruppen. 3.500 der Patienten waren unter 16 Jahre alt.[1] Das durchschnittliche Alter des Erstkonsums liegt bei etwa 14 Jahren und liegt somit deutlich niedriger als der Erstkonsum von Tabak. Das Durchschnittsalter für den ersten Alkoholrausch liegt bei 15,5 Jahren. Im Jahr 2004 gaben zehn Prozent der Befragten 12- bis 15-Jährigen an, in den letzten drei Monaten mindestens einen Alkoholrausch gehabt zu haben. Bei den 16- bis 19-Jährigen waren es 30 Prozent.

Ich kenne den Inhalt deines Buches nicht, so dass ich mir kein Urteil erlauben kann. Ich will auch nicht den Eindruck erwecken, dass ich ein Moralapostel bin und viele die mich lange kennen (auch hier im Tintenzirkel), wissen das. Jedoch bleibe ich dabei, dass wir eine große Verantwortung tragen und wenn ich mir die derzeitigen Zahlen der o. a. Statistik anschaue, dann erst recht. Es gibt weitaus höhere Ziele im Leben, wobei man seine Grenzen ausloten kann. Respekt, Ehrlichkeit, Toleranz, Mut, Freundschaft und Zusammenhalt, dass sind die Werte, die ich meinen Lesern und Hörern vermitteln möchte. Und bisher habe ich von keinem meiner Leser gehört, das das uncool wäre.

Ich wollte dich nicht persönlich angreifen. Falls das so rüber kam, tut es mir Leid.  Ich fand nur deine Einstellung zu diesem, doch sehr heiklen Thema mit Verlaub, ein wenig erschreckend.

ZitatZitat Mulle:
schenk der Figur nen kleinen Tripp mit anschließender Übelkeit - was soll das denn?

************

LG
Termi

Sven

Zitat von: Mulle am 06. September 2011, 21:35:49
Wir dürfen GERADE im Kinder- und Jugendbuchbereich nicht moralisieren - das durchschauen die jungen Leser - und sie hassen es! Sie wollen keinen erhobenen Zeigefinger, aber sie sind durchaus neugierig darauf, was passiert, wenn man Grenzen überschreitet.

Das kann man so nicht sagen. Den erhobenen Zeigefinger will niemand haben, aber eine Moral sollte dennoch vermittelt werden. Dabei ist es sogar ganz wichtig, dass die Moral erziehungstechnisch vertretbar ist!
Was Termi schreibt ist absolut richtig. Gerade im Kinder/ Jugendbuchbereich ist die Moral, die man aus einer Szene zieht, wichtig.
Wenn sich die Figuren in einen Rauschzustand begeben, ohne dass es größere Konsequenzen hat, wird einem der Verlag die Szene um die Ohren hauen.
Beste Grüße,
Sven

Mulle

Du hast mich doch nicht angegriffen, keine Sorge.
Ich muss auch gestehen, dass ich wohl etwas vom Thema abgekommen bin - sorry.
Es wird nur so unglaublich häufig gefragt: "Darf man im Kinder-/ Jugendbuch Sex, Drugs, Rock'n'Roll usw. thematisieren?" Man darf, wenn man entsprechend damit umgeht, erst mal alles. Im Gegensatz zum amerikanischen Buchmarkt haben wir auf dem deutschen Buchmarkt keine grundsätzlichen Tabus, auch nicht im Jugendbuch (in Wahrheit sind die Grenzen dort sogar noch weiter gesteckt als im Adult-Bereich).
Es gibt natürlich persönliche Tabus, aber die sehen bei jedem anders aus und müssen individuell betrachtet werden. Dass man bestimmte Dinge *grundsätzlich nicht schreiben sollte* ist daher immer verkehrt.

LG Mulle

Mulle

#19
Zitat von: Sven am 07. September 2011, 13:02:44
Gerade im Kinder/ Jugendbuchbereich ist die Moral, die man aus einer Szene zieht, wichtig.
Wenn sich die Figuren in einen Rauschzustand begeben, ohne dass es größere Konsequenzen hat, wird einem der Verlag die Szene um die Ohren hauen.

Das stimmt so nicht. Gehen wir mal vom Jugendbuch aus, Zielgruppe etwa ab 12/14 (mit den jüngeren kenne ich mich nicht aus).
Was einem der Verlag um die Ohren haut, entscheidet jeder Verlag, bzw. jeder Lektor für sich. Es gibt ausreichend Beispiele im Jugendbuch, in denen Grenzüberschreitungen hinsichtlich Drogen oder Gewalt *keine* unmittelbaren Folgen haben - und die Verlage lieben diese Bücher, denn sie verkaufen sie gut  :winke:
Eine Szene sollte ein Motiv (= einen Grund) haben. Eine moralisierende Funktion ist nicht zwingend erforderlich.

LG Mulle

edit: Als Beispiel sei mal Kerstin Giers wahnsinnig erfolgreiche Rubinrot-Reihe genannt; empfohlen ab 12. Ihre Heldin Gwendolin kippt sich im (glaube ich) zweiten Teil sowas von die Birne mit Bowle voll und singt dann sternhagelvoll "Memories" aus Cats. Die Szene hat keine tiefergehende Moral hinsichtlich: Vorsicht, Alkohol ist böse (auch wenn Gwennie hinterher Kopfweh hat). Sie hat nur ein Motiv: Sie ist zum Schreien komisch.

Sven

Zitat von: Mulle am 07. September 2011, 13:15:46
Ihre Heldin Gwendolin kippt sich im (glaube ich) zweiten Teil sowas von die Birne mit Bowle voll und singt dann sternhagelvoll "Memories" aus Cats.

Da muss man unterscheiden. Es ist etwas anderes, wenn sich jemand aus Pilzen einen Tee braut und einen Rausch bekommt, oder ob jemand Bowle trinkt und beschwipst ist.
Natürlich tickt nicht jeder Lektor gleich, aber beim Schreiben sollte man sich im Klaren sein, was man tut.
Dieses Moralproblem habe ich gerade ganz aktuell selbst, bin daher damit inzwischen etwas vorsichtiger.
Ich kann mich an eine Folge von Beaves und Budhead (schreiben die sich so?) erinnern, in der sie einen Frosch ablecken, um sich so zu berauschen. Diese Folge ist aus dem Programm genommen worden und hat viel Ärger gemacht.
Allerdings, und da gebe ich dir Recht, gibt es in der Literatur viele Gegenbeispiele. Man denke nur an den Wunschpunsch von Michael Ende, der das Wort LSD sogar im Text hat. Aber ob man damit heutzutage so durchkommt? Vor allem, wenn es unnötig ist?
Beste Grüße,
Sven

Mulle

Sven, ich habe mal gegoogelt und eine Bekannte gefragt, als wie gefährlich diese Pilze gelten. Die Aussagen sind widersprüchlich (meine Bekannte meint, die Pilze hätten nicht mehr Wirkung als ein Glas Bier), aber ich habe nun keine Hinweise darauf gefunden, dass man sich damit ernsthaft schaden kann, bzw. dass Todesfälle bekannt wären. Wohingegen Jugendliche, die sich bei der ersten Party ins Koma saufen, keine Seltenheit sind.
Man kann das also schon vergleichen.
Zumal in diesem Fall a) der Tee ja nicht mal absichtlich konsumiert wäre und b) es sich um Fantasy-Pilze handelt, deren Auswirkung und Gebräuchlichkeit der Autorin obliegen. Sollten berauschende Pilze dort Alltag sein, kann man die natürlich einbinden. Antje Barbendererde lässt mWn ihre jugendlichen Native Americans Kräuter rauchen, die für ihre deutschen Leser höchst illegal wären. Und zwar ganz selbstverständlich und ohne "dudu!", weil es zur Kultur gehört.
In Bettina Belitz Scherbenmond nutzt die wichtigste Nebenfigur Hasch und Koks, um es mit dem Antagonisten aufnehmen zu können. (Nun ist das aber auch ein YA-Roman und kein Jugendbuch)

Beavis & Butthead sind kein Vergleich =
1. amerikanisch (da ticken die Uhren anders - Rachel Ward war da auch ein kleiner Skandal, weil ihre 15 jährige Protagonistin Sex hatte! )
2. außerdem keine Serie, die sich an Kinder und Jugendliche richtet, sondern eine Gesellschaftsatire - und bei denen machen die schnell Wirbel, da versteht so mancher Amerikaner wenig Spaß. Ich meine mich zu erinnern, dass in den USA 50% aller B&B-Folgen nur zensiert gezeigt werden durften, wegen aller möglichen Kinkerlitzchen.

Ob man "damit durchkommt" hängt demnach an der Meinung des Lektors und daran, ob die Szene Berechtigung hat. "Es ist total lustig!" wäre ein Argument, Moral hin oder her. (Ob es jedem Lektor reicht ist die nächste Frage - Einzelfallentscheidung.)
Aber allgemein benötigen Bücher keinen Erziehungsauftrag, nicht einmal zwingend eine (moralische) Aussage.*
Das soll nicht heißen, dass sie keine solche haben sollen - aber es ist kein Muss und nichts, was das Buch per se besser oder leichtgängiger macht.

*) Und eine solche kann ja auch an diversen Stellen erfolgen und an anderen eben nicht.

LG Jenny

PS: Sorry fürs OT - aber ich finde das Thema zu interessant und diskussionswürdig. Kann jemand der Mods das vielleicht abschneiden und als neuen Thema starten?