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Gedanken: Aussagesatz vs. wörtliche Rede

Begonnen von Spinnenkind, 02. März 2011, 11:32:05

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Churke

Zitat von: Spinnenkind am 03. März 2011, 12:24:10
Aber die Grenze zwischen erlebter Rede und der Meinung des Autors, also der zweiten Variante, ist sehr fließend, kann das sein?

Im Gegenteil. Die erlebte Rede heißt auch "freie indirekte Rede", weil sie immer einen Gedanken des Protagonisten wieder gibt. Es ist also gerade nicht die Meinung des nun, nennen wir ihn des Erzählers.

Ich gebe zu, dass das im Einzelfall schwer zu unterscheiden sein kann, zumal man ja oft bekannte Konstruktionen und Ausdrucksweisen übernimmt und verwendet, ohne sie groß zu reflektieren. In deinem zweiten Eingangsbeispiel ("Er hatte unglaublichen Hunger") ist nicht klar und letztlich auslegungsbedürftig, wer diese Wertung vornimmt. Bei einem auktorial(eren) Erzählstil wäre dies wohl als Wertung des Autors zu verstehen, wohingegen die erlebte Rede immer dem Perspektivträger zuzuordnen ist.

Kommen wir nun zu "Ich sollte lieber verschwinden": Hier beschreibst oder wertest du keinen Zustand (im Eingangsbeispiel war immerhin noch von Hunger die Rede), sondern gibst einen originären Gedanken der Figur wieder. Indem du schreibst "Er sollte lieber verschwinden" wird aus diesem Gedanken die erlebte Rede, zumal du dich hier sogar noch im epischen Präterium bewegst.
Um diese Empfehlung dem allwissenden Autor zuzuordnen, müsstest du zumindest die Zeit wechseln. "Er wäre besser verschwunden."

Ich mache diese Dinge auch aus dem Bauch heraus, aber in Zweifelsfällen ist es manchmal recht hilfreich zu wissen, was man tut.

Spinnenkind

Ach, so meinst du das ;) Jetzt hab ich 's auch verstanden. Klar, bei einem auktorialen Erzähler ist das nochmal etwas anderes, da wird die Wertung des Autors natürlich deutlicher.

Valaé

Als ich den ersten Post hier gelesen habe, war mein erster Gedanke *Gar nichts von beidem, sondern erlebte Rede*. Sie ist einfach meiner Meinung nach definitiv die beste Methode, um Gefühle eines Perspektivtrögers darzustellen, nah bei ihm zu sein, ohne dass irgendjemand die Gedanken als wörtliche Rede oder Erzählerwertung verstehen könnte. Denn es sollte auch immer klar sein: Selbst ein personaler Erzähler ist ein Erzähler. Er gibt zwar weitestgehend die Gedanken der Figur wieder - aber nie so unverfänglich und direkt wie es die Figur selber könnte. Selbst ein personaler Erzähler ist eine vermittelnde Instanz zwischen dem Charakter und dem Leser - wenn ich aber dicht beim Charakter sein möchte, dann muss diese vermittelnde Instanz weg, das kann ich aber nur mit innerem Monolog oder direkter Rede erreichen. Von innerem Monolog rate ich bei solchen kurzen Einschüben ab, es wird zu unübersichtlich dauernd zwischen Ich und Er, sowie Präsenz und Präteritum zu wechseln. Innere Monologe sollten länger sein, wenn sie vorkommen.
Natürlich nutze ich manchmal auch direkte Gedanken oder schildere sie durch den Erzähler. Allerdings das nur an Stellen, in denen ich der Figur noch nicht sehr nahe komme. Wenn es persönlicher wird, gerade auch an sehr emotionalen Stellen, wirkt der einfache Erzählbericht zu kalt und distanziert.
Ich selbst schreibe das auch meistens aus dem Bauch heraus, aber gerade wenn man es dann überarbeitet, sollte man darauf achten und wissen, welche Variante welche Wirkung hat, damit man sie zielsicher einsetzen kann.