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Ideenfindung und -aufbereitung

Begonnen von Linda, 06. Dezember 2012, 13:15:10

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Linda

Da anderenorts Interesse an so einem Thread bekundet wurde, fange ich einfach mal an.

Ist natürlich alles meine ganz persönliche Meinung.
Kann man Ideen finden? Nein. Man kann Ideen haben (manche klauen sie auch), aber aus den Fingern saugen, das geht nicht unbedingt.
Und doch liegen sie auf der Straße und in der Luft. Ich bin davon überzeugt, jeder hat Ideen, auch Nicht-Kreative. Und zwar eine Menge davon. Die wenigsten Menschen erkennen so einen Gedankensplitter aber als Idee und potentielles Werk. Und das ist die Krux. Wobei man diesen Teil der Kreativität lernen kann.

Manche Ideen kommen im Sonntagstaat und sind fertig aufgeputzt. Die sind mir die liebsten.
Andere lassen sich bitten und wollen vorher auch noch gewaschen und angezogen werden. Wie geht das?

Szenario 1: Von einem Buch /Film zu Thema x gehört, sich drauf gefreut und viele Vorstellungen gemacht. Nach dem Lesen enttäuscht, weil die Erwartungen nicht erfüllt wurden und vermeintliches Potential verschenkt wurde. Oder auch nur die Lieblingsfigur zu früh sterben musste.
Man kann sich ärgern, einen Verriss schreiben, oder den Frust als Steigbügel für eine eigene Variante des Ausgangskonzeptes nutzen, das man sich vorab irgendwie schon ausgemalt hat, sonst gäbe es ja keine Enttäuschung. Nicht klauen, keinen Abklatsch, sondern eine Variante verfassen bzw entwerfen.

Szenario 2: Was man schon immer mal ...
Einfach machen. Ist eine Fantasy-Ausschreibung mit Drachen, aber du wolltest immer schon mal einen Western oder Krimi schreiben ... also Konstellationen und Klischees entlehnen. So wird der Drache zum Bad Guy der Prärie, Gangsterboss oder dem weisen Medizinmann bzw seinem Totem
Der Kommissar, Revolverheld, Sheriff zum Barbaren, Assassinen etc... .
Und so was kann dabei rauskommen:
Die 'Siedler' wollen den Totemdrachen der 'Indianer' (nennen wir sie doch die Elfen vom Stamm der Yindiander) töten, weil sie deren Land möchten. Der Medizinmann Schwingende Rassel heuert aber den 'Revolverheld' an, um seinerseits die Siedler zu vertreiben und dieser schlägt über die Stränge. Am Ende frisst der Drache den Revolvermann und die Siedler sind ihm so dankbar, dass sie weiterziehen  ;D

Szenario 3: Idee zu kurz
Einfach mehrere Teile/Ideen zu einem Plot vereinen.

Szenario 4: Thema ist einem etwas fremd.
Einfach mal intensiv auf die Zielgruppe einlassen. Viele Werke aus dem Bereich lesen, um das Genre kennenzulernen. Den eigenen Geigerzähler ausschalten und ganz bewusst mit den Konventionen des Genres spielen. Die Idee maßschneidern und alles anders machen, als man es sonst täte.  Es ist anstregend, gegen den eigenen Strich zu schreiben, liefert aber im festen Rahmen durchaus gute Ergebnisse.

Ganz wichtig ist meiner Ansicht nach allerdings das bewusste Hineinhorchen in den inneren Monolog und der Spaß und das Spielen mit Möglichkeiten.
Auf die kleinen Dinge achten. "Der sieht ja aus wie ein .... mit ...." oder "Am liebsten würde ich den nervigen Typen an der Kasse vor mir jetzt ...."
  Dinge die man (halb) im Scherz ausspricht, können grandiose Einstiege in einen Plot ergeben. Der Anfang meiner Schauergeschichte Herz aus Stein, (ein fiktiver Romantiktext um einen üblen Mord und den Fluch der bösen Tat, die von aufs Grab gepflanzten Singenden Rosen enthüllt wird) entstand vor über zehn Jahren aus einer Flaxerei bei einem Geburtstag. Und dann mussten die Fragen gelöst werden: Wieso können die Rosen singen? Na, weil der Lieblingskanarienvogel der ermordeten Frau mit ihr begraben wurde. Schräg, aber lustig - und führte zu einer Story die erfolgreich in Druck und als CD veröffentlicht wurde.

Thaliope

Ach, gestern hab ich noch an diesen Thread gedacht ... Danke fürs Eröffnen, Linda! Und danke auch für die tollen Tipps und Anregungen, das ist äußerst inspirierend. Bin sehr gespannt, welche Tipps, Tricks und Erfahrungen die anderen so auf Lager haben :)

Serafina

Was für ein toller Thread! Und danke für die vielen Anregungen Linda, da sind wirklich interessante Sachen dabei.  :jau:

Ich vereine meistens auch mehrere kleinere Ideen zu einem Plot. Wenn ich eine Idee habe, schreibe ich sie in meine "Ideensammlung", egal wie klein sie auch ist. Dann spiele ich mit verschiedenen Kombinationsmöglichkeiten, wobei wirklich die interessantesten Sachen rauskommen können.

Die größte Inspirationsquelle für mich ist die "Was gefällt mir daran?"-Frage. Wenn ich zum Beispiel total beigeistert von einem Buch/Film bin, überlege ich ganz genau, was mich daran so angesprochen hat. Das können mehrere Aspekte sein, die zusammenspielen, oder einfach eine einzelne Person, eine bestimmte Szene oder das Setting. Meistens habe ich dann das Bedürfnis, etwas ähnliches (also eine eigene Version, keine Kopie davon) zu Schreiben und mit eigenen Elementen zu kombinieren.
Aber ich nehme mal an, dass die meisten nach so einer Methode arbeiten - allerdings ist es nochmal etwas anderes, wenn man sich wirklich bewusst darüber ist und dadurch gezielter nach Ideen suchen kann.

Tintenweberin

Ich finde die Basis für meine Plots für gewöhnlich im echten Leben. Ich ertappe mich oft bei dem Gedanken, dass es doch viel schöner, interessanter, spannender, romantischer, aufregender oder was auch immer wäre, wenn ...

Aus diesen "Wenns" sind schon viele Geschichten geworden ...   ;)

Churke

Extremisten, Revolutionäre, Weltverbesserer und andere Spinner. Man findet im Internet lauter bekloppte Ideen als Steilvorlagen.
Und dann überlege ich mir: Wie müsste oder würde die Welt dann aussehen?

Bianca Jones

Wirklich interessantes Thema, Linda! Vielen Dank für die tollen Anregungen!

Ich finde ja, dass man "Ideenfindung" auch trainieren kann - mir hat schon immer geholfen, "Geschichten nach..." zu schreiben, also nach Zeitungsüberschriften, nach Bildern/Fotos/Gemälden - was ist vorher passiert, oder ist es ein Teil mitten aus der Geschichte oder deren Ende? Das kombiniert mit den Methoden des freien Schreibens, also Wecker auf 10 Minuten stellen und dann gehts los... So hab ich auch mein jetztiges Projekt gefunden.

Auch diese Faszinationsfrage, wie du sie beschrieben hast, Serafina, kenne ich von mir selbst auch gut. Das wird ja auch oftmals in Ratgebern empfohlen und man erfährt dabei viel über sich - ich denke auch, das man vielleicht so ein oder zwei "Lebensthemen" hat, die einen immer faszinieren.

Bin ja mal gespannt, was sonst noch so komm!

Grüßle,
Bianca

zDatze

Lindas Szenario1 kommt mir wirklich sehr bekannt vor. Meist habe ich einen Ideenflash wenn ich ein (in meinen Augen) schlechtes Buch lese oder einen schlechten Film sehe. Wenn das vorhandene Potential schlicht und einfach nicht genutzt wird oder durch ein altbackenes Schema auf der Strecke bleibt. Da nistet sich von alleine die Frage ein: Was würde ich anders machen? Welche Figuren/Motivationen haben mich am meisten genervt? Stück für Stück ergibt sich dann eine andere Geschichte, die oft gar nicht mehr viel mit der Ausgangsbasis zu tun hat. Wobei sich der Prozess über einige Zeit hinstrecken kann.

Worauf ich auch immer achte ist, dass zwischen den Figuren Reibungsfläche vorhanden ist. Dazu greife ich auch mal gerne auf klassische Figurenkonstellationen zurück. Es kommt eben immer auch auf den Plot an, welche "Rollen" sich anbieten oder unterbringen lassen. Von liebevollem Necken bis zu bitterböser Feindschaft darf da alles dabei sein.
Ich finde es eben auch wichtig, dass Figuren (auch wenn sie nur fiktiv sind) über Gesprächsthemen verfügen. Das macht sie so viel lebendiger.

Wie man das alles ausarbeitet? Ich tüftle gerne herum, wie sich Änderungen auf das Gesamtgefüge auswirken. Ist mir etwas zu langweilig, versuche ich einen interessanten Twist oder mehr Konflikte hinein zu basteln. Oder auch ein ungewöhnliches Magiesystem oder einen völlig durchgeknallten Charakter. Jede Geschichte sollte ein Element beinhalten, das ihr das gewisse Etwas gibt.

Fianna

Irgendwie hat sich in meinem Kopf der Leitspruch"Jedes Buch lässt sich auf Konflikt und Lösubg reduzieren" festgefressen. Meine Ideensplitter sind eigentlich immer die Grund-Konflikte einer Geschichte. Jeder Gedanke, z.b. "Man könnte doch mal ein Volk x erfinden oder einen Protagonisten y haben" - führt eigentlich sofort zu dem grundlegenden Konflikt der Geschichte, oder aber dem inneren Konflikt des Protagonisten.

chaosqueen

Interessantes Thema! Ich überlege schon beim Lesen die ganze Zeit, wie ich eigentlich meine Ideen finde.

Zum einen lasse ich mich von meiner Umwelt inspirieren. Die ersten Geschichten, die ich als Kind geschrieben habe, handelten von Kindern und spielten entweder in der Schule oder im Ferienlager. Irgendwann kamen dann Teenie-Probleme dazu, und dann der allgemeine "Sinn des Lebens". Aber mich hat auch immer Fantasy fasziniert, und als ich mit dem Live-Rollenspiel anfing, kamen auch hier die Inspirationen. Sowohl das Weltenkonzept meiner wunderbaren, leider schon ewig nicht mehr existierenden Gruppe hat mich inspiriert (zu der noch immer brachliegenden "Nebelwelt", die ich irgendwann endlich plotten und neu schreiben muss), als auch Lieder. Filk-Songs erzählen ja meistens ganze Geschichten, und mein "Mädchen aus Stein" basiert auf dem gleichnamigen Lied von Britta van den Boom (mit ihrer Erlaubnis, natürlich), wobei ich nur die Idee übernommen habe und sie quasi mit mehr Handlung gefüllt habe.

Menschen inspirieren mich. Mein einer Exfreund war geradezu eine Muse, in seiner Nähe hatte ich ständig Ideen und habe geschrieben, geschrieben, geschrieben. Der Mann, den ich gerade nicht haben kann, war eine Zeitlang auch eine Muse (und ist es noch, wenn auch in Abwesenheit). Aber auch Menschen, die ich nur flüchtig kennenlerne, inspirieren mich und lassen mein Kopfkino laufen. Ich kann es nicht anders ausdrücken als damit, dass manche Menschen eine Aura haben, die Geschichten erzählt. Und hin und wieder versuche ich, diese Geschichten zu finden.

Es gab Zeiten, in denen ich nur schreiben konnte, wenn es mir seelisch schlecht ging. Das ist sehr anstrengend und nicht unbedingt zielführend. Inzwischen kann ich mich morgens mit einem Kaffee genauso gut ans Schreiben setzen wie abends mit einem Tee oder Wein oder Whisky. Manchmal reicht es, die richtige Atmosphäre zu schaffen, und die Ideen kommen zu mir, manchmal muss ich bereits eine vage Idee mitbringen, damit daraus etwas wird.

Bücher und Filme nehmen mich mit, aber sie inspirieren mich nicht direkt zu eigenen Ideen. Wobei - doch, teilweise schon, wobei es mir dann so geht, wie Linda beschrieben hat: Am Ende kommt etwas völlig Neues, Eigenes dabei heraus.

Und: Je mehr Ideen ich habe, desto mehr kommen hinzu. Das ist ein ziemlich spannender Prozess, denn vor anderthalb Jahren dachte ich noch, dass ich nicht mehr schreiben könne und meine Ideen ausgeschöpft hätte. Denkste! ;)

Linda

Zitat von: chaosqueen am 09. Dezember 2012, 18:52:31
Und: Je mehr Ideen ich habe, desto mehr kommen hinzu. Das ist ein ziemlich spannender Prozess, denn vor anderthalb Jahren dachte ich noch, dass ich nicht mehr schreiben könne und meine Ideen ausgeschöpft hätte. Denkste! ;)

es kann schon sein, dass man die großen Ideen seiner "Lebensphase" einfach aufgebraucht oder dargelegt hat (damit meine ich nicht die kleinen Alltagsideen, sondern eher die Themen, die einen beschäftigen).
Mit persönlicher oder äußerer Veränderung und neuen Erfahrungen oder Herausforderungen wie zB einem Genrewechsel kommen dann allerdings meist neue Ideen.
Und irgendwann gelangt man mit neuer Sichtweise wieder zu den alten Themen zurück - und meist mit einem schönen neuen Ansatz.

Faszinierend finde ich, dass dich Menschen inspirieren. Sowas kenne ich irgendwie gar nicht

FeeamPC

Ideen sind  Gedanken, die einem bei jedem noch so queren Thema durch den Kopf schießen. Schräge Gedanken meist. Otto Normalbürger und Ottilie Normalbürgerin vergessen solche komischen Ideen gleich wieder. Blödes Zeug, nicht zu verwirklichen.
Der Autor erkennt blitzartig, welche Chance sich ihm bietet, und notiert die Idee als Grundlage für einen neuen Plot.
Das ist wie mit Träumen (die übrigens auch sehr gute Ideen liefern können).
Wenn man sich aktiv um sie bemüht, morgens sofort aufschreibt, was man gerade geträumt hat, dann entfaltet sich eine bunte Traumwelt. Wenn man sie nicht beachtet, versinkt der Traum im Nirwana, und bereits eine Viertelstunde später erinnert man sich nur noch an winzige Bruchstücke, wenn überhaupt.

Ich glaube, die Ideenfindung ist ganz einfach wie ein Muskel, der trainiert werden muss. Nur dass man Ideen weniger direkt trainiert, sondern sie eher ermuntert, herzukommen, indem man sie festhält.
Der Notizblock ist der beste Freund des Autors. Die Grundlage für Ideenfindung.