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Überarbeitung – der Weg hinein

Begonnen von Elona, 10. November 2016, 07:48:18

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Elona

Ich habe die Suche bemüht, aber nichts gefunden, dass ich als passend angesehen habe. Daher der neue Thread. Falls ich etwas übersehen habe, sorry und bitte zusammenlegen.  :)

Speziell geht es mir nicht darum was alles beachtet werden muss, sondern um folgendes Problem:
Ich setzte mich an den Text, weiß, dass da Dinge sind, die ich ändern muss, also wirklich konkrete Stellen, die ich sehe(!), finde aber einfach nicht hinein. Oder es klappt ein paar Minuten und dann springt mein Gehirn auf Autopilot und geht die Geschichte parallel schon weiter durch, obwohl ich da aber noch nicht bin!

Das erste was mir dazu einfiele wäre Abstand, aber das Projekt lag bereits mehrere Wochen und streng genommen sogar ein paar Monate. Danach habe ich ganze Szenen schon rausgestrichen, was auch super funktioniert hat. Nur das Überarbeiten im Text selbst, will nicht so recht.

Zweite Überlegung war neuschreiben ... aber davon bin ich ehrlich gesagt nicht sonderlich überzeugt.


Was mich jetzt interessiert: Kennt ihr das Problem auch? Vielleicht auch nur von einzelnen Szenen oder möglicherweise Projektbezogen. Wenn ja, was macht ihr dagegen?

Araluen

Also ich lasse tatsächlich vor einer Überarbeitung immer etwas Zeit verstreichen mindestens eine Woche. In dieser Zeit muss ich erst einmal ein kleines Gefühlschaos bezüglich des Textes verarbeiten und kann danach rationaler an die Arbeit gehen. Da mich Riesenberge an Arbeit immer demotivieren und für Scheuklappen sorgen, habe ich mir angewöhnt die Arbeit in kleine Häppchen zu teilen. Da war die Ausbildung doch mal zu irgendwas gut. Wenn man an einem Tag knapp 30k Schaltungen sichtet, fängt man irgendwann automatisch an, sich das in Häppchen aufzuteilen um Teilerfolge feiern zu können, Pausen einzuplanen und den Überblick zu behalten und vor allem und ganz wichtig: Nicht in den Flow zu kommen und gar nicht mehr richtig hinzuschauen. Auf die Textarbeit lässt sich das für mich ziemlich gut übertragen. Mein erster Schritt sieht immer vor, mir den Fließtext optisch in kleine Häppchen aufzuteilen. Je nachdem, was besser greift, sind das Szenen oder Wortblöcke mit festgezählter festgelegter Wortzahl, die 500 aber nicht übersteigt. Dazu lege ich mir ein zweites Dokument an oder auch mehrere, je kleiner die großen Häppchen sind desto besser. Bei einem Roman kann das gerne ein Dokument pro Kapitel sein.

Nehmen wir das Dokument für Kapitel eins. Hier kommt nur der Text von Kapitel eins rein. Meine Bearbeitungsblöcke kopiere ich hier einzeln rein mit mindestens drei Leerzeilen zwischen den Blöcken, um sie wirklich optisch zu trennen. Ich mach das direkt im Vorfeld so und kopiere nicht immer nur beim Bearbeiten den aktuellen Text rein, damit ich zum einen nicht während des Bearbeitens ständig zwischen irgendwelcehn Dokumenten hin und her hüpfe und zum anderen braucht man auch nicht selten den Zusammenhang zwischen mehreren Blöcken. Wichtig ist eigentlich nur die optische Trennung. Wenn ich keinen Fließeext mehr habe, kann ich auch nicht in den Flow kommen, sodass ich entweder gar nicht mehr überarbeite, sondern nur lese oder an Stellen arbeite, die noch gar nicht dran sind. Außerdem kann ich mich über jeden fertig bearbeiteten Textblock freuen und gezielt kleine Pausen einbauen. Wenn mir Dinge auffallen, die im Gesamtbild angeglichen werden müssen, mache ich mir dafür auf einem Notizblock Notizen, damit ich daran denke, wenn der entsprechende Textblock dran ist. (Warum aht meine Prota am Anfang rote Schue und beginnt ihre Reise zur Mittagszeit, wenn sie doch ein Kapitel weiter, blaue Schuhe hat und es später Abend ist? An einer der beiden Stellen muss dann angepasst werden). So arbeite ich mich dann durch meine Textblöcke und freue mich dann, wenn ich das Ende des Kapitels erreicht habe und das Dokument an seinem Ende angekommen ist. Die überarbeiteten Textblöcke werden dann natürlich wieder zusammengeführt im Dokument "Second Draft" oder so ähnlich.

So gehe ich beim überarbeiten vor. Für mich ist das Arbeit und die will organisiert sein, also mache ich das. Durch das Aufteilend es Textes in kleine Häppchen umgehe ich den Autopilot, in den ich auch gerne umschalte. Neuschreiben könnte ich gar nicht. Manche setzen sich ja hin, am besten mit zwei Bildschirmen udn schreiben den kompletten Text noch einmal neu mit dem alten als Referenz. Ich bewundere Leute, die dafür die Muße aufbringen.

zDatze

Mir hilft es immer sehr, wenn ich den Text bevor ich die Übearbeitung starte umformatiere. Meistens verändere ich die Seitenbreite und auch die Schriftart, damit kann ich meinem Hirn ganz gut vorgaukeln, dass es sich um einen anderen Text handelt und für mich persönlich bedeutet das auch immer ein bewusstes Umschalten vom Schreiben auf Überarbeiten.

Wenn ich nur grob drüberlesen mag, dann wechsel ich auch gerne das Medium. Also, Dokument in ein pdf konvertieren und auf den eReader packen funktioniert da bei mir am besten. Hat den Vorteil, dass man wirklich nur lesen kann, aber auch den Nachteil, dass man ständig über Kleinigkeiten wie Tippfehler und fehlende Wörter stolpert, die ich dann gerne beheben möchte, aber schlicht und einfach nicht kann.

@Aurora Bei deinem konkreten Autopilot-Problem könnte dir das Umformatieren helfen. Ich kenne den Autopiloten auch sehr gut, und bei mir tritt er meistens ein, wenn ich Text schon zu oft gelesen habe und schon zu gut kenne. Nicht nur vom Inhalt her, sondern auch von der Struktur (Absätze, Satzlänge usw) her.

Trippelschritt

Ich muss gestehen, dass ich dieses Problem nicht kenne. Ich weiß nur, dass ich immer in unterschiedlichen Schritten überarbeiten muss. Alles auf einmal geht nicht.
Ich arbeite von groß nach klein, was heißt, dass ich zunächst Plotlöcher stopfe, lose oder vermeintlich lose Enden verknüpfe, die Reihenfolge der Szenen überprüfe, etc.
Wenn ich damit durch bin, kümmere ich mich um die einzelnen Szenen. Welche Funkrion sie, welche atmospärische Stimmung sie tragen. Ob die Reihenfolge der Saätze der inneren Logik folgt. Und so was.
Und im dritten Schritt geht es um Stil, Ausdruck .

Liebe Grüße
Trippelschritt

Elona

Es ist schon mal beruhigend zu hören, dass ich mit dem Problem nicht ganz alleine bin und vielen lieben Dank für eure Antworten und Anregungen.

@Araluen Nach so viel weniger Arbeit, als neu neuschreiben hört sich das jetzt auch nicht gerade an.  :rofl:

Zitat von: zDatzeIch kenne den Autopiloten auch sehr gut, und bei mir tritt er meistens ein, wenn ich Text schon zu oft gelesen habe und schon zu gut kenne. Nicht nur vom Inhalt her, sondern auch von der Struktur (Absätze, Satzlänge usw) her. 
Ich fürchte, dass genau das auch mein Problem ist.

canis lupus niger

#5
Mir hilft Folgendes:

Zeitlicher Abstand. Mehrere Monate sind besser als wenige Wochen.

Innere Distanz anstreben, als wäre es der Text von jemand anderem.

Ausdrucken. Am besten kann ich auf Papier überarbeiten. (Machen Andreas Eschbach und Stephen King übrigends auch) Das E-Book ist eine Alternative, erschwert aber Randbemerkungen und Anstreichungen.

Nicht zu viel Text auf einmal vornehmen. Müde Augen und Gehirne werden unaufmerksamer und auch gleichgültiger.

Eventuell in mehreren Durchgängen arbeiten und immer auf nur ein bestimmtes Kriterium achten. Hat ebenfalls mit der Müdigkeit zu tun.

Mit weiterem Abstand den überarbeiteten Text nochmals überarbeiten. Du findest garantiert noch was. Meist beim dritten und vierten Mal auch.


Neu schreiben halte ich für ungünstig, es sei denn, die Änderungen wären sehr umfangreich und komplex. Beim Neu Schreiben entstehen neue Fehler.



Falls Du den noch nicht kennst, versuch mal den 10-Punkte-Text-ÜV (http://www.andreaseschbach.com/schreiben/10punkte/10punkte.html) von Andreas Eschbach auf seiner Autoren-HP. Aus meiner Sicht ein kennenswerter Ansatz für gründliches sprachlich-stilistisches Überarbeiten. Echte Profi-Tips.
Inhaltlich finde ich die Hinweise von Stephen King in seinem "Über das Leben und Schreiben" sehr nützlich. Vielleicht kannst Du das Buch irgendwo leihen.


Elona

Sorry, für meine späte Antwort und vielen Dank auch für deine Hinweise @canis lupus niger. Der Link ist definitiv kennenswert. Danke dafür!

In meinem einen Projekt sind die Änderungen zum Teil tatsächlich sehr umfangreich, weshalb ich manche Szenen komplett neu oder zumindest umschreiben muss. Das dabei neue Fehler entstehen ist klar und leider unvermeidbar. Was jedoch fein daran ist, die Geschichte verändert sich gerade und damit stecke ich auch nicht mehr so drinnen, wie zuvor.  :)

Mir hat tatsächlich folgendes geholfen, um reinzufinden: Ich bearbeite zwei Projekte gleichzeitig. Wenn ich merke, dass ich bei A auf Autopilot gehe, Wechsel ich zu B und umgekehrt. Mit vielen Pausen zwischendrin klappt das aktuell ganz gut. Zumindest komme ich wieder voran.