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Preiskalkulation bei Kleinverlagen

Begonnen von Franziska, 09. Oktober 2015, 19:25:46

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Franziska

Das Thema beschäftigt mich immer wieder. Schon öfter haben hier Kleinverleger erklärt, dass man ebook-Preise nicht beliebig senken kann. Mir ist klar, dass bei ebooks genauso Kosten entstehen wie bei Print, Cover, Lektorat, Satz etc. bleibt gleich. Aber irgendwie verstehe ich da was immer noch nicht, vielleicht habe ich einen Knoten in meinen Gedanken.
Was ich bisher mitbekommen habe: An HC wird prozentual am meisten verdient, am ebook am wenigsten. Richtig? Viele Kleinverlage die Fantasy verlegen, verkaufen viel auf Messen etc. Es ist richtig schwer, auf ebook-Plattformen wahrgenommen zu werden.
Was ich aber nicht ganz verstehe ist: werden nicht trotzdem noch mehr ebooks als Print verkauft? Wenn ein ebook 4 Euro statt 8 kostet, verkauft man dann nicht auch mehr und nimmt so insgesamt mehr ein? Ich gebe ehrlich gesagt selbst nicht mehr als 7 Euro für ein ebook aus, was nicht heißt, dass ich finde, man sollte Preisdumping betreiben. Zwischen 4 und 7 Euro finde ich angemessen. Große Verlage nehmen oft mehr, weil sie wollen, dass man Print kauft, weil sie damit mehr verdienen, richtig?
Einige Verlage veröffentlichen erst nur Print und später ebook, andere machen es umgekehrt. Was ist der Grund dafür?

Der Cursed Verlag hatte mal diese Kalkulationen veröffentlicht.
https://cursedverlag.wordpress.com/2015/04/14/warum-machen-wir-unseren-job-eigentlich/

treogen

#1
Zitat von: Franziska am 09. Oktober 2015, 19:25:46Was ich aber nicht ganz verstehe ist: werden nicht trotzdem noch mehr ebooks als Print verkauft?

Bei uns beispielsweise machen EBooks nicht einmal 3% unseres Gesamtumsatzes aus.
Und NEIN - der Preis hat anscheinend nicht das geringste zu tun.
Wir haben ein Ebook für 9,99 Euro - das rennt wie Sau. Da haben wir mittlerweile mehr Ebooks als Bücher verkauft. Und das, obwohl das EBook 2 Jahre nach dem Roman rauskam (!)
Und wir haben einen Roman, der verkauft sich als Print absolut gut, die Ebooks kann ich an drei Händen abzählen. Das EBook kam 1 Monat nach dem Roman raus. Und ist mit 8,99 Euro immerhin fast 5 Euro günstiger, als die Printfassung (und zwar um die Druckkosten und den Anteil der Händlerprovision auf die eingesparten Druckkosten) - trotzdem wird da eher zum TB gegriffen.

Zitat von: Franziska am 09. Oktober 2015, 19:25:46Wenn ein ebook 4 Euro statt 8 kostet, verkauft man dann nicht auch mehr und nimmt so insgesamt mehr ein?

Unser Experiment mit 3,99 Euro waren bis jetzt auch nicht sonderlich überzeugend und hat auch nicht sonderlich mehr Umsatz gebracht, so dass ich für die Zukunft sagen muss: Der Preis tut nach meinen Erkenntnissen überhaupt nichts an den Verkäufen ändern.
Das heißt, ich sehe definitiv nicht, dass die Bücher, die günstiger sind, sich besser verkaufen, als die, die teurer sind. Es ist ausgeglichen.
Auf gut Deutsch: Wenn ein Ebook 4 Euro statt 8 kostet, dann mache ich mit jedem Ebook 4 Euro Verlust. Und zwar nicht nur auf dem Papier, sondern in echt, weil ich mMn das Ebook auch für 8 hätte verkaufen können, ohne nennenswerte Einbußen zu haben.

Zitat von: Franziska am 09. Oktober 2015, 19:25:46Große Verlage nehmen oft mehr, weil sie wollen, dass man Print kauft, weil sie damit mehr verdienen, richtig?

Große Verlage nehmen mehr, weil sie höhere Kosten für das Gesamtprojekt haben und sie ALLE Kosten für ALLE verschiedenen Ausgaben (HC, TB, Ebook) gegen ALLE Einnahmen für ALLE Ausgaben (HC, TB, Ebook) gegenrechnen müssen und am Ende muss mindestens eine fette schwarze Null stehen.
In so einem Projekt gehen bei einem großen Verlag locker mal 20.000 Euro über den Tisch.
Und das muss nunmal über alles gegenfinanziert werden.
Dazu kommt noch, dass Bestseller schlechter laufende Bücher finanzieren müssen.
Das nennt sich Mischkalkulation und ist für jeden hier in diesem Forum so was von wichtig.
Denn ganz ehrlich - ohne diese "Mischkalkulation" hätte keiner hier jemals eine reale Chance, bei einem großen Verlag zu landen. Ein Erstling ist immer ein Flop. Das wissen auch Lektoren und Verleger - trotzdem nehmen sie das Risiko in Kauf, bauen einen Autoren auf und investieren das Geld.

Zitat von: Franziska am 09. Oktober 2015, 19:25:46
Einige Verlage veröffentlichen erst nur Print und später ebook, andere machen es umgekehrt. Was ist der Grund dafür?

Ich veröffentliche erst Print, dann Ebook.
Dafür habe ich hauptsächlich 3 Gründe.

1.) Ich möchte schöne Bücher machen. Das ist mit Ebooks einfach nicht drin. Ein Buch wie die Bibliotheken mit detailierten Comics oder das Ungeziefer als Ebook umzusetzen ... vergiss es. Es käme ein Krüppel dabei raus.
Genauso die Sache mit den Download-Codes für Bonus-Musik, wie wir sie in den Metamorphosen und den Verbotenen Büchern haben ... ich kann keine Ebooks mit sich selbst anpassenden Codes erstellen - wüsste nicht, wie so etwas gehen sollte, dass jeder Code nur einmal vergeben wird.
Ergo: Wieder ein Krüppel.
Ebooks sind für alles in die Richtung einfach nicht zu gebrauchen.
2.) Ich möchte schöne Bücher machen. Dafür brauche ich viel Zeit. Ein Ebook zu erstellen KOSTET Zeit. Und wenn man die nicht nehmen will, dann kostet es Geld. Und das für popelige 3%, an denen sich auf absehbare Zeit auch nichts ändern wird? Da lass ich das Ebook-Thema lieber liegen und mach was vernünftiges. Ein neues Buch zum Beispiel.
3.) Ich ging davon aus, dass das Ebook die Printausgabe teilkanibalisiert. Bei zwei Titeln hat sich das nicht bewahrheitet - da hat das Ebook tatsächlich neue Kunden generiert. Bei einem dritten Titel hat es sich ebenfalls nicht bewahrheitet - da hat sich das Ebook so wenig verkauft (siehe oben), dass ich der Zeit für die Generierung nachgetrauert habe und mich gefragt habe, wieso ich für dieses EBook mehr als eine einzige Minute investiert habe (wohlgemerkt ... bei unserem Print-Bestseller).
Bei allen anderen Titel hatte ich exakt ab dem Moment, ab dem das Ebook draußen war, Verkaufseinbrüche in genau derselben Höhe, in der sich die Ebook-Verkäufe bewegen. Was beweist, dass an der Kannibalisierungstheorie was dran ist.
www.verlag-torsten-low.de

Phantastik vom Feinsten

FeeamPC

ZitatAn HC wird prozentual am meisten verdient, am ebook am wenigsten.

Das stimmt so nicht. Prozentual verdient man am Ebook am meisten, weil dort die (zumindest in Kleinverlagen) teuren Herstellungskosten entfallen.
In absoluten Zahlen dagegen verdient man am Hardcover am meisten.

Und ich stimmte Treogen zu: Bei Ebooks ist nicht der (billige) Preis ein Verkaufsargument. Keine Ahnung, was tatsächlich die Käufer zu einem Kauf bewegt (außer natürlich Empfehlungen von anderen Lesern im Bekanntenkreis). EBooks sind schlicht unberechenbar.
Experimente mit Preisen haben jedenfalls auch bei mir gezeigt, dass ein Buch nicht mehr gekauft wird, nur weil es billiger ist. Das mehr kaufen weil billiger klappt nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen:
1. Das Buch muss stark beworben sein (z.B: als Amazon Kindle-Deal des Monats), oder
2. es muss der Einstiegsband zu einer Serie sein.

Franziska

#3
Danke für die Erklärungen. Das macht es schon mal etwas klarer. Das bei euch der Preis keine Auswirkungen hatte wunder mich aber. Ich habe mal bei dem Amazon-Ranking der Selfpublisherbibel einige Bücher angeguckt, wenn das da stimmt, sieht man bei einigen Büchern ziemlich genau, wie der Verkauf einfällt, wenn der Preis teurer wird.  Interessant, dass es da einen Unterschiede bei Reihen gibt.
Habt ihr es denn schon mal mit dem gleichen Buch mit unterschiedlichen Preisen versucht, verschiedene Bücher zu vergleichen, da weiß man dann ja nicht wirklich, woran es liegt.
Ich denke mal, dass es auch viel auf das Genre ankommt, vielleicht ist das bei Fantasy anders als bei Romance, wo denke ich eher niedrigere Preise ziehen.

edit: bei der spbibel gabs eine Analyse, dass Preise generell steigen, am besten verkaufen sich ebooks zwischen 2,99 und 5 Euro, zwschen 5 und 9 am schlechtesten. Vielleicht weil welche über 9 in  den charts schon Bestseller sind. Es würde mich interessieren, ob da wirklich bei Kleinverlagsbüchern so anders ist, als bei den Bestsellern.

treogen

Zitat von: Franziska am 10. Oktober 2015, 14:27:49
Das bei euch der Preis keine Auswirkungen hatte wunder mich aber. Ich habe mal bei dem Amazon-Ranking der Selfpublisherbibel einige Bücher angeguckt, wenn das da stimmt, sieht man bei einigen Büchern ziemlich genau, wie der Verkauf einfällt, wenn der Preis teurer wird. Aber z.B. bei Alanas Buch war das auch der erste Teil einer Reihe. Interessant, dass es da einen Unterschied gibt.

Naja - die Zahlen von Kleinverlagen mit Selfpublishern zu vergleichen ist ähnlich sinnvoll, wie die Zahlen von Kleinverlagen mit Großverlagen zu vergleichen. Das funktioniert einfach nicht.

Punkt 1: Ein Kleinverlag hat meist ein Buch mit 300-500 Seiten, welches in Printform herauskommt. Und dieses gibt er dann als EBook heraus. Schaut mal bitte auf die erfolgreichen Selfpublisher-EBook-Werke. Die wenigsten würden über 150 Printseiten drüberwegkommen. Klar, dass die dann nur bis max. 5 Euro verlangen - haben ja auch nur ein halbes oder ein drittel Buch geschrieben.
Rein Marketingtechnisch ist das allerdings Klasse. Während ein Verlagsautor ein Jahr braucht, um nachzulegen, splittet ein SP-Autor seinen Roman einfach in 3 Teile, lerklärt das Ding als Reihe, legt alle 4 Monate, verkauft es für kleines Geld als Fortsetzungsserie - und bleibt damit werbetechnisch in aller Munde.
:hmhm?:
:wums:
:rofl:
Kacke - ja!
Ich habs. Ich splitte in Zukunft die Romane auch in 100-Seiten-Dinger auf und gebe sie im 2-Monate-Zyklus als Fortsetzungsserie für kleines Geld heraus.
Man wird mir dann zwar das vorwerfen, was man Verlagen grundsätzlich vorwirft, wenn sie aus wirtschaftlichen Gründen Bücher teilen - Geldschneiderei.
Aber das Konzept funktioniert ja anscheinend bei SPlern - und dann wären natürlich die EBooks auch allgemein günstiger.
Das klingt echt toll - aber nicht weitersagen  :psssst:

Zitat von: Franziska am 10. Oktober 2015, 14:27:49Ich denke mal, dass es auch viel auf das Genre ankommt, vielleicht ist das bei Fantasy anders als bei Romance, wo denke ich eher niedrigere Preise ziehen.

Da bin ich mir ganz sicher.
Meine Erfahrung ist, dass Horror und Endzeit anscheinend NICHT als Ebook angenommen wird, Paranormals und Urban Fantasy jedoch extrem gut.
Deutet auch daraufhin, was in "Buch und Buchhandel in Zahlen 2015" veröffentlicht wurde. Es kaufen schon bei Büchern Frauen viel mehr als Männer (Faktor 1,2). Bei Ebooks ist es noch viel mehr (Faktor 1,4).
Wie Kurzgeschichten laufen, werde ich demnächst mal ausprobieren.
www.verlag-torsten-low.de

Phantastik vom Feinsten

Franziska

Das war ein Missverständnis, die Bücher die analysiert wurden waren SP und Verlag gemischt.
http://www.selfpublisherbibel.de/datenanalyse-teil-3-wie-der-preis-eines-ebooks-seine-verweildauer-in-den-charts-bestimmt/

Soweit ich das beobachtet habe laufen längere Bücher besser, (also 200-300 Seiten) aufgesplittete Romane gehen überhaupt nicht. Da fühlen sich die Leser verarscht.

Luna

Ein interessanter Artikel, der leider nicht die komplette Realität überall wiederspiegeln kann, aber dennoch einen Einblick gibt.
Was ich momentan aus dem Artikel - und vielen anderen Dingen - mitnehmen kann, ist diese absolute "billig"-mentalität, die unsere Gesellschaft vergiftet.

Ich fass mir da auch ein wenig selber an die Nase: Für ein Buch gebe ich ungern mehr als 20 € aus, dabei wäre das ein Preis, bei dem man einem Autor (und vielen anderen in der Branche) ein Leben mit ermöglichen würde - dabei hat man von so einem Buch sehr viel länger etwas als von einer DVD zum Beispiel - wenn man da die Zeit hochrechnen würde in der einen ein Buch und eine DVD unterhält, kommt man oft auf ganz andere Preise.

Wir müssen uns angewöhnen wieder dazu bereit zu sein für Qualität faire Preise zu bezahlen - denn diejenigen, die ihren Job mit Herzblut machen, liefern einem oft etwas gutes, etwas an dem man merkt, dass sie das Lieben, was sie tun.

Alana

Das Problem ist eher, dass die Leser nicht mal 2 Euro für ein Buch ausgeben wollen. 20 wäre ja noch schön. Und ganz ehrlich, ich hatte lange genug richtig, richtig wenig Geld um zu wissen, dass 20 Euro oder schon 10 Euro echt viel Geld sein kann. Aber ich verstehe die Leute nicht, die nicht mal 2,99 ausgeben wollen. Oder sie geben lieber 3,99 für 250 Seiten aus, als 6,49 für 600 Seiten. :P Ich werde jedenfalls gelegentlich gefragt, ob es für mein Buch bald mal wieder eine Aktion gibt. Es kostet eben 6,49 für 600 Seiten. Das finde ich echt traurig. Und Amazon unterstützt diesen Preisverfall, denn sie zahlen den SPlern abartige Boni, wenn die Bücher bestimmte Plätze erreichen, so dass alle ihre Bücher für 0,99 Cent einstellen, weil der wahre Gewinn durch die Boni zustande kommt.
Alhambrana

Franziska

Das stimmt so aber nicht mehr, im Artikel stand ja auch, dass das mit den 99 Cent stark zurückgeht und das ist auch mein Eindruck. Die Bücher werden eher teurer. (gerade mal geguckt, bei den aktuellen Bestsellern, Top 100 sind davon doch noch 25 0,99-1,50). Ich denke es steht außer Frage, dass billige SP-Bücher sich eher verkaufen. Man muss halt auch sehen, dass eine Autor mit einem SP-Buch für 3 Euro mehr verdient als mit einem Verlagsbuch für 9 Euro. Was mich jetzt eigentlich interessiert hat ob Kleinverlage da keinen Unterschied sehen, ob sie die Bücher billiger oder teurer anbieten. Also bisher wurde ja gesagt, dass es keinen Unterschied macht, was mich etwas überrascht.

Alana

Echt? Mein Eindruck ist, dass jeder sein Buch jetzt dauerhaft für 99 Cent anbietet. Aber das kann auch täuschen.
Alhambrana

FeeamPC

Es kommt aufs Genre an, ob es keinen Unterschied macht. Bei Romanzen macht es einen, da verkauft sich billiger besser. Aber Romanzen habe ich nicht so fürchterlich viele im Programm. Für den ich-probier-den-Verlag-oder-den-Autor-mal-aus-Leser ist ebenfalls der Preis entscheidend, billig wird eher probiert.  Aber bei überzeugten Genre-Lesern ist eine nicht zu große Preisdifferenz sowohl nach oben als auch nach unten eher belanglos. Nur gegen 10 Euro und drüber wird es happig. Da braucht man bekannte Namen, Bestseller oder Sachbücher.