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Wenn der eigene Schreibstil je nach Lektüre variiert

Begonnen von Siara, 21. März 2014, 12:36:04

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Siara

Hallo zusammen,

ich hoffe einfach mal, dass das Thema hier richtig ist und noch nicht angesprochen wurde. Die Suche hat jedenfalls nichts ausgespuckt  ;D

Ich stecke gerade mitten in der Überarbeitung eines ziemlich langen Romans und dabei ist mir etwas aufgefallen: Ich merke in meinem Schreibstil, was ich gerade gelesen habe, während ich in der Schreibarbeit steckte. Vielleicht (hoffentlich) fällt es nur mir so deutlich auf, weil ich meinen eigenen Stil gut kenne und die Stellen immer wieder durchgehe. Bei der Überarbeitung habe ich auch versucht, es weitestgehend anzugleichen.

Trotzdem kann ich für mich nicht vermeiden, dass mein Stil sich verändert, wenn ich etwas anderes lese. Es bleibt immer mein Stil, aber er schwankt zu verschiedenen Seiten. Inzwischen habe ich mir angewöhnt, vor dem Schreiben unabhängig von meiner aktuellen Lektüre immer einige Seiten aus demselben Buch (in meinem Fall die von Patrick Rothfuss) zu lesen, um diese Schwankungen so weit wie möglich zu vermeiden. Ich fürchte aber, vollkommen klappt das nicht. Im Grunde ist das ja auch nicht nur negativ, schließlich ist Lesen ein wichtiger Lernvorgang und man kann sich als Anfänger einiges abgucken.

Trotzdem ist es, sollte es auch anderen Lesern auffallen, natürlich störend. Ist das ein Zeichen von Unvermögen? Zu wenig Übung? Braucht man mehr Zeit, um seinen Stil zu stärken? (Immerhin schreibe ich ja erst seit... 12 Jahren  :hmmm: ) Habt ihr auch solche Probleme oder seid ihr in eurem Stil unerschütterlich? Und falls ihr das Phänomen kennt, was tut ihr dagegen? Erst mal einfach schreiben und Brüche im Stil bei der Überarbeitung glatt bügeln? Oder schon während des Schreibens streng drauf achten? (Das klappt bei mir überhaupt nicht). Wurde bei euch so etwas schon einmal negativ angemerkt? Bin auf alle Tipps und Ideen gespannt, wie sich so ein unsteter Stil vermindern lässt. 

Edit: Wenn ich nochmal daüber nachdenke, hätte es vielleicht eher ins Sprachbastelbord gepasst. 'Tschuldigung  :versteck:
I'm going to stand outside. So if anyone asks, I'm outstanding.

Debbie

#1
Das ist ein ganz normaler Prozess (bis zu einem gewissen Grad), den Ludwig Reiners schon in seiner Stilfibel erwähnt. Er rät dazu, genau das zu tun, was du jetzt machst: immer eine halbe Stunde vor dem Schreiben in einem Buch lesen, dessen Stil man anstrebt/wirklich gut ist. Und m. E. ist es erst einmal auch ein Zeichen von "Können", wenn man mehrere Stile schreiben kann. Viele Leute können entweder sachlich gut oder dramatisch oder witzig oder spannend, etc..

Ich denke, es gibt eher nicht so viele Leute, die jeden Stil "beherrschen" und im Kopf diesen Schalter umlegen können (von Paragraphendeutsch auf Prosa, von Prosa auf Lyrik, von Lyrik auf Sachbuch, etc.). Aber gerade das macht m. E. einen fähigen, talentierten Schriftsteller aus - das Gefühl für Sprache und das Wahrnehmen ihrer Muster in Texten, selbst wenn es nur unterbewusst passiert.

Insofern würde ich dir einfach raten: Lies während des Überarbeitens kein anderes Buch als das, dessen Stil du magst/anstrebst. Dann bist du während des Überarbeitens immer im gleichen Sprachmodus und kannst vorherige Schnitzer gut erkennen und ausbessern.


Drachenkrieger

Zitat von: Siara am 21. März 2014, 12:36:04






Habt ihr auch solche Probleme oder seid ihr in eurem Stil unerschütterlich?


Als ich angefangen habe meine große Geschichte zu schreiben, hatte ich erst bedenken, überhaupt ein Buch zu lesen. Dachte, es würde mich sicher beeinflussen.
Dann habe ich mich doch getraut, Bücher zu lesen und war positiv überrascht. Es hat mich nicht beeinflusst. Denke, es lag daran, weil es nichts damit zu tun hatte, was ich schreibe.
Aber vielleicht mag es auch etwas damit zu tun haben, dass ich mich sehr schwer beeinflussen lasse, von was auch immer. Das ich einfach meinen eigenen Dickschädel habe!

Kraehe

Ich erinnere mich, das smir das auch einmal aufgefallen ist, vor drei Jahren oder so. Ja, was man liest färbt unter Umständen ab - aber was man gerade nebenher noch schreibt auch.
Als das aktuell war, habe ich mich versucht, mich beim Beginn des Schreibens noch einmal in die Erzählstimmen meiner Perspektiventräger herein zu versetzen und entweder genau über die Szene nachgedacht, die ich schreiben wollte - dann war ich auch wieder mehr in meiner Gefschichte und der Handlung drin und den Erzählern und ihrem Stil näher - oder einfach die letzten Seiten gelesen, die ich geschrieben hatte, und das hat einigermaßen geholfen. Zumindest bis zur Überarbeitung war das Resultat dann zufriedenstellend ;)
Mir ist aber auch aufgefallen, dass das Problem weniger auftritt, wenn ich aus der Perspektive eines starken, für mich eindrücklichen und mir nahe stehenden Charakters schreibe. Eher problematisch sind schwache Erzählstimmen, die sowieso nicht wirklich markant sind.

Inzwischen habe ich das Problem nicht mehr, weil ich momentan zeit- und konzentrationsmäßig nicht dazu komme, zu schreiben und nebenher zu lesen. In Phasen, in denen ich schreibe, lese ich keine anderen Bücher, andersrum schreibe ich in Phasen von Lesewahn so gut wie gar nicht. Insofern hat sich für mich das Problem erst einmal gelöst.

Siara

Auf jeden Fall bin ich schon mal froh, dass ich nicht ganz allein damit bin.  :d'oh:

Zitat von: Debbie am 21. März 2014, 14:31:41
Ich denke, es gibt eher nicht so viele Leute, die jeden Stil "beherrschen" und im Kopf diesen Schalter umlegen können (von Paragraphendeutsch auf Prosa, von Prosa auf Lyrik, von Lyrik auf Sachbuch, etc.).
Hey, das kann ich! Also nicht alles, sicher nicht. Aber je nach Gebiet, ob nun sachlich oder Prosa und auch dort verschiedene Facetten, das schon. Ein guter Anfang  :D

Zitat von: Drachenkrieger am 24. März 2014, 23:43:23
Es hat mich nicht beeinflusst. Denke, es lag daran, weil es nichts damit zu tun hatte, was ich schreibe.
Aber vielleicht mag es auch etwas damit zu tun haben, dass ich mich sehr schwer beeinflussen lasse, von was auch immer. Das ich einfach meinen eigenen Dickschädel habe!
Wenn du deinen eigenen Stil gefunden hast, ist das sicher gut. Ich habe mal irgendwo (aber frag mich nicht wo genau) gelesen, dass sich diese "Unsicherheit" des Stils gibt, wenn man erst mal seinen eigenen gefunden hat. Ich hoffe einfach mal, dass das so stimmt. Bis dahin bin ich im Grunde eigentlich ganz froh, dass ich unterbewusst ein wenig beeinflusst werde, denn ich will auf jeden Fall noch einiges lernen, auch was den Stil betrifft. Solange ich es schaffe, es bei der Überarbeitung rauszubügeln, ist es ja gut. Und vielleicht fällt es einem selbst auch mehr auf als anderen.

Zitat von: Krähe am 25. März 2014, 21:14:27
Inzwischen habe ich das Problem nicht mehr, weil ich momentan zeit- und konzentrationsmäßig nicht dazu komme, zu schreiben und nebenher zu lesen. In Phasen, in denen ich schreibe, lese ich keine anderen Bücher, andersrum schreibe ich in Phasen von Lesewahn so gut wie gar nicht. Insofern hat sich für mich das Problem erst einmal gelöst.
Das ist bei mir anders, weil ich momentan noch genug Zeit habe, jeden Tag sowohl zu schreiben als auch zu lesen. Deshalb ergibt sich dieses Problem vielleicht erst. Sich noch mal ein bisschen auf die eigene Geschichte zu berufen ist aber eine gute Idee. Bisher habe ich es wirklich eher mit ein und demselben Buch vor dem Schreiben versucht. Das werde ich mal ausprobieren, danke  ;D
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Vibulanius

Kenne das Problem auch extrem gut. Vor allem da ich früher ein wenig zu sehr versucht habe Stile anderer Autoren nachzuahmen, ist meine Schwelle, da beeinflussbar zu sein, offensichtlich verringert. Ich löse das Problem auf zweierlei Arten. Ich lese vor allem Bücher, die aktuell zu meinem Projekt passen. Im Moment möchte ich gerne einen einen Ton erzeugen, wie bei den klassischen hard-boiled/noir Romanen. Die Leseliste ist also voll mit Sachen wie Chandler und Hammett und auch Nachahmungen von denen, wie aktuell Butcher oder Tad Williams. Die zweite Variante kommt vom Theater her, das ich zu Schulzeiten recht intensiv betrieben habe. Mein Wohnzimmer muss also auch mal als Impro-Bühne herhalten, wo ich dann einen Part des Dialoges für mich allein wirklich spiele bzw funktioniert das auch gut bei 1. Person-Perspektiven. Außerdem gib's ja noch eine Überarbeitungsphase, wo man Inkonsistenzen ausgleichen und rausarbeiten kann. Ich denke auch das ist der Punkt, wo am besten, einfachsten und vor allem kontrolliertesten gegenzusteuern ist. Du hast ja selbst festgestellt, dass man das Stilgeschwanke, dann viel besser sieht. Und was man sieht, kann man verändern/verbessern.

Nycra

Hihihi, ich hab meinen ersten Roman verbrannt, weil ich ihn mehr oder weniger in Anwaltsdeutsch geschrieben hatte. Als ich das später mit einigem Abstand las, musste ich richtiggehend darüber lachen.

Generell merke ich das auch, dass ich die Stile der Romane übernehme, die ich gerade lese (gut, derzeit komm ich kaum zum Lesen). Wenn ich dann weiterschreibe, lese aber nicht aus Büchern desselben Stils, sondern ein paar Seiten meines aktuellen Projektes, dadurch komme ich in den Schreibfluss zurück und übernehme automatisch auch den passenden Stil. Ist für mich sogesehen einfacher.

Ansonsten handhabe ich es auch wie Vibulanius, dass ich den passenden Stil zu einem neuen Roman auch bei den Lesewerken mitnehme. Was mich komischerweise überhaupt nicht tangiert, sind Jugend- und Kinderbücher. Ich lese diese nicht so häufig, aber habe dannach auch nicht den Drang, den Stil nachzueifern.  :hmmm:

Sprotte

Das witzigste Ereignis dieser Art hatte ich bei der letzten Anschlußstörung. Kein Internet, kein Telefon. Also habe ich einen Shakespeare-Marathon eingelegt. Richard II, Henry IV Teil 1 und 2, Henry V in zwei Fassungen. Ich hab die DVDs natürlich auf Englisch geguckt. Trotzdem habe ich dann eine Kampfbeschreibung sehr shakespearig angehaucht auf Deutsch geschrieben ... Bin gespannt, was meine Betaleser sagen  :rofl:

Exilfranke

#8
Ich lese so gut wie keine Gegenwartsliteratur, das spiegelt sich natürlich auch ein Stück weit in meinen Texten wieder. Aber wenn ich bspw. Lovecraft lese, verspüre ich diesen seltsamen Drang, Wörter wie "blasphemisch", "zyklopisch", "stygisch" und "non-euklidisch" zu verwenden.

Saelle

Zitat von: Sprotte am 28. März 2014, 13:45:33
Also habe ich einen Shakespeare-Marathon eingelegt. Richard II, Henry IV Teil 1 und 2, Henry V in zwei Fassungen. Ich hab die DVDs natürlich auf Englisch geguckt. Trotzdem habe ich dann eine Kampfbeschreibung sehr shakespearig angehaucht auf Deutsch geschrieben

Oh ja, Shakespeare... Ich arbeite gerade an einer Hausarbeit zu King Lear und habe den halben Tag damit zugebracht, das Stück aufs Genaueste zu studieren. Und dann dachte ich, es wäre eine gute Idee, mal an meinem englischen Roman weiterzuschreiben. Als mein Hauptcharakter dann mit "Heavens be just!" ankam, habe ich entschieden, erst mal etwas Abstand zu Shakespeare zu gewinnen, bevor ich die Geschichte weiterschreibe.

Im Deutschen scheine ich mittlerweile so etwas wie einen eigenen Stil zu haben, jedenfalls kann ich anhand vom Geschriebenen nicht mehr sagen, welches Buch ich vorher gelesen habe. Nur wenn ich zu viel Wissenschaftliches vor dem Schreiben lese, schleichen sich gerne mal ein paar unnötig komplizierte Formulierungen ein.
Auf Englisch schreibe ich noch nicht so lange und merke es da ganz deutlich, dass sich mein Stil gerne mal an die Sachen anpasst, die ich gerade lese.

HauntingWitch

Bei mir ist es weniger der Sprachstil, der sich auf meine eigenen Skripte übeträgt, sondern gewisse Eigenschaften von den Charakteren. Der Protagonist meines Erstlings klang anfangs wie Lestat aus den Vampirchroniken von Anne Rice. Ich habe quasi meinen Protagonisten zu einer billigen Lestat-Kopie gemacht. Zum Glück habe ich das nach kurzer Zeit gemerkt, so dass ich es noch ohne Weiteres ändern konnte. Gelöst habe ich es, in dem ich erstmal das Rice-Buch zu Ende gelesen habe und dann erst mit ein bisschen Abstand wieder an mein Projekt herangegangen bin.

Gerade jetzt merke ich auch zwei Figuren aus anderen Werken, die ich nur schwer fassen kann und daher gewisse Szenen quasi auf meine Charaktere "umwälze". Aber wenn ich das vorher weiss, schreibe ich die entsprechende Szene in ein separates Dokument und dann kann ich später immer noch sehen, ob die tatsächlich etwas taugt oder nicht. Passiert es unbewusst in einem aktuellen Skript, mache ich mir meistens erst bei der Überarbeitung Gedanken darüber, weil ich es vorher gar nicht merke.

Was mir am meisten hilft, bei meinen eigenen Charakteren zu bleiben bzw. vom gelesenen Buch zu diesen zu wechseln, ist Musik. Bei mir hat jede Figur einen Charaktersong, der mir Zugang verschafft. Je nachdem ein bis dreimal hören vor dem Schreiben und die anderen sind meistens weg. Sonst gibt es Überarbeitung, siehe oben.  ;D