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Statt Verlag: Karriere bei Game-Publishern?

Begonnen von Schreinhüter, 24. März 2013, 15:11:58

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Schreinhüter

Als, hoffentlich, angehender Magister der Kunstgeschichte komme ich logischerweise an den Punkt wo ich mich frage: Sollte ich nicht für einen Spieleentwickler arbeiten? Die Fakten sprechen für sich. Historische Landschaften sind gefragter denn je. Detailwissen wird gefragt, sowohl am Bau, der Kunst, als auch gesellschaftlich und somit menschlich. Als Fantasyautor könnte man doch ebenfalls punkten, oder nicht? Games haben ein hochinteressantes wirtschaftliches Potenzial entwickelt, das man sich vor fünfzehn Jahren noch nicht vorstellen konnte. Ungleich der Filmbranche, die sich sofort durch ihr leicht verständliches Medium nicht behaupten musste, hatten der PC und seine Konsolengeschwister von Beginn an einen schweren Stand. Nun stehen mit der Personalisierung des Gamer-Alltags auf beinahe allen Oberflächen tägliche Millionen-Deals vor der Tür. Man ist bereit auf kickstarter den ein oder anderen Dollar zu spenden, um seinen Lieblingstitel zum Leben zu erwecken. Sci-Fi, First Person Shooter und Fantasy sind die Zugpferde dieser emotionalen Angelegenheit - was mich auf diesen Thread brachte.

Schreiben für einen Game-Publisher. Wie sieht das aus? Was muss man können? Meine bisherige Recherche ist, wenn auch unsauber, ernüchternd. Man ist Quereinsteiger, oder bereits verlegter Autor. Wenige bewerben sich auf diese Stelle. Wieso? Sie wird beinahe nie ausgeschrieben. Um eine Geschichte zu beleben, die vielleicht nur als Konzept, oder gar als Anschlussprojekt, im Hinterkopf existiert, muss man viel Feingefühl aufbringen, um dem bisherigen Image des Publishers gerecht zu werden. Das führt dazu, dass sich die Publisher andersherum umschauen, wer denn die richtige Stimmung transportiert. Wie bei der Ausführung von allen anderen Arbeiten im Kreativbereich, werden Frauen und Männer nach ihren bisherigen Leistungen sortiert und im Entscheidungsprozess für Interviews eingeladen. Oder man ist die Tochter von Terry Pratchett, dann macht man das so nebenbei. Also Vitamin B? Wie überall, ja. Eine Menge davon. Praktika, wochenlange Quängelei nachdem man sich auf Messen kennen gelernt hat, die ewige Litanei des strebsamen Autoren. Dabei könnte sich der Markt durchaus für solche Dinge noch sensibilisieren. Es wäre nicht abwegig in den kommenden Jahren von Agenturen zu hören, die sich lediglich auf die Design- und Storyinhalte von Games spezialisiert haben. Diese könnten ungeahnt viel Potenzial von Autoren einfangen, die vielleicht "zu" cinematisch schreiben, die "zu" sehr in Abläufen eines Spiels denken. Got rejected? Get connected!

Was sind eure Erfahrungen zu dem Thema. Habt ihr euch bereits in dem Feld umgeschaut, oder sogar darin eine handfeste Arbeit vorzuweisen? Ich gehe davon aus, dass nicht nur ich mich über eure Einsicht und Meinung zum Thema sehr freuen würde.  ;)

Kaeptn

Der Autor Falko Löffler ist im Games-Bereich ziemlich aktiv, das vorab.

Generell sehe ich bei der Suche nach Arbeit mehrere Probleme:
- Abgesehen von Browsergames und Adventures ist Deutschland in Sachen Spieleentwicklung weitgehend Entwicklungsland. Während in anderen Staaten fette Steuerrabatte gewährt werden und so z.B. Montreal zum Entwickler-Mekka wurde, gibt es hier gerade mal einen mickrigen Entwicklerpreis, dessen Dotierung auch nicht eben zu Höhenflügen einlädt.
Die großen Entwickler in Deutschland sind Crytek (mittlerweile auch sehr international aufgestellt), Blue Byte, Yager und Piranha Bytes, die zweite Garde bilden dann Truppen wie Daedalic, Deck 13, KingArt Games, Kalypso usuwusf, die aber schon einen schweren Stand haben und eher Nischenprodukte machen.
- Die Spieleindustrie ist immer noch nicht wirklich erwachsen geworden. Viele Spiele haben nach wie vor 08/15 Geschichten a la "Nur du kannst die Welt vor Terroristen/Aliens... retten, mach alles platt" - und verkaufen sich trotzdem. Ausnahmen sind im wesentlichen das Adventure- und das RPG-Genre.
- Die Posten sind besetzt: Will man DER Story-Writer sein, der DIE Idee für das Spiel liefert? Das kann man kaum erreichen, diese "MasterMind"-Stellungen sind fest vergeben. Ob Ken Levine (BioShock 1-3), David Cage (Heavy Rain, Beyond...), Hideo Kojima (Metal Gear) oder die Hauser Brüder (GTA) oder in Deutschland z.B. Jan Müller-Michaelis (Edna bricht aus ...), die Firmen haben meist ihre Schreiber die NOCH DAZU dann auch noch meist das Game Design übernehmen oder auch noch Programmierer/Grafiker sind.

Was man sicher erreichen kann ist, irgendwo als Quest- oder Background-Autor eine Stelle zu bekommen - ob es einem dann Spaß macht, in einem engen Welten- und Storyarch-Gerüst zu schreiben, müsste man selbst entscheiden. Ansonsten holen die Publisher sich ggf. lieber einen namhaften Autor dazu, z.B. zuletzt RA Salvatore bei Kingdoms of Amalur.

Wer ernsthaft einen Einstieg sucht, sollte es über Indie- oder Mod-Projekte versuchen, ich denke sich einfach so als Autor bei den großen Machern zu bewerben hat eher wenig Sinn, vor allem, wenn man von Game-Design bzw Game-Entwicklung ansonsten keine Ahnung hat.

Adam_Charvelll

Wow, danke für das Fachwissen Kaeptn, wirklich interessant.

Mir persönlich würde es durchaus gefallen, für Games Plots zu entwickeln, da ich selbst langjähriger Zocker bin und immer schon Spiele mitentwickeln wollte. Meine Programmierfähigkeiten reichen für den eigentlichen Entstehungsprozess jedoch nicht aus.  :(
Das mit den engen Gerüsten, in denen man arbeiten muss, ist sicher eine Sache, die nicht jedem gefällt. Allerdings sehe ich gerade darin die Herausforderung, aus einem vorgegebenen Setting das Bestmöglichste zu machen.

Ich denke aber, dass gerade in Deutschland eher wenig Autoren beauftragt werden. Die meisten Plots werden wohl vom Entwicklerteam selbst ausgedacht. Die Idee für das Grundkonzept steht ja am Anfang und meistens bleibt es dann bei dieser groben Handlung, da meistens kaum Wert auf eine komplexe Story, sondern eher auf die Umsetzung gelegt wird. So kommt es mir jedenfalls vor.

Zit

ZitatDie Idee für das Grundkonzept steht ja am Anfang und meistens bleibt es dann bei dieser groben Handlung, da meistens kaum Wert auf eine komplexe Story, sondern eher auf die Umsetzung gelegt wird.

Ah, das würde ich nicht sagen. Das Ding ist einfach, dass gerade Schmieden wie Deadalic (die im Übrigen sehr schöne Spiele machen) mit relativ wenig Geld auskommen müssen verglichen mit, meinetwegen, dem US-Spielemarkt. Da aber trotzdem alle ein geiles Spiel machen wollen, müssen irgendwo Abstriche gemacht werden. Ich finde es dann legitim, die Story kleiner zu schnüren und dafür dann ein tolles Leveldesign zu haben anstatt 80er-Jahre-Optik und ein vertrackte Story. (Wobei Retro ja auch seinen Charme hat. :D)

Ich denke, wenn man als Storyschreiber arbeiten will, ist es einfacher, sich Gleichgesinnte zu suchen und selbst so ein Projekt ins Rollen zu bringen als zu versuchen, irgendwo reinzukommen.
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Unbekannt