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Muss ein guter Schriftsteller zwingend gute Deutschnoten haben?

Begonnen von ShainaMartel, 22. Juli 2011, 02:09:34

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Schommes

Nochmal zum Lehrerbashing, weil das Wort hier so einen Wirbel verursacht hat: Ich hatte einfach zu dem Zeitpunkt, als ich das geschrieben habe, das Gefühl der Thread bekommt diesbezüglich Schlagseite und wird damit immer mehr OT. Schließlich war die Ausgangsfrage ja: "Kann ich mit schlechten Deutschnoten ein guter Schriftsteller sein" und nicht: "Sind bei schlechten Deutschnoten die Lehrer schuld oder der Schüler". Da fühlte ich mich versucht auch mal die Partei der anderen Seite zu ergreifen, die sich hier nicht verteidigen kann, wobei ich da sicherlich als quasi-Lehrer nicht frei von Bias bin. Und ich habe gerade sechzig Juraklausuren korrigiert und mich bei nicht wenigen gefragt, wer den Leuten eigentlich ein Deutschabi geschenkt hat und vor allem: Wofür? Da kommen dann aber bestimmt mehrere Faktoren zusammen. Ich vermute, dass geht schon in der Familie los, wo die Eltern ihre Kids lieber vors TV setzen, als mit Ihnen zu kommunizieren und dann können Lehrer oft auch nicht alles retten, was da verbockt wurde.
Das es auch Monsterlehrer gibt, denen man mitunter schutzlos ausgeliefert ist, habe ich bis an den Rand der gefährlichen Körperverletzung am eigenen Leib erfahren. Aber ich finde, man sollte sich hüten, jedes mal, wenn man eine schlechte Note kassiert, dahinter eine unfaire Aggression des Lehrers zu vermuten. Das wäre meiner Meinung nach mit Verlaub keine sehr reife Sichtweise.
Was Meinungsäußerungen von Lehrern über Schüler angeht, sollte man differenzieren: Wenn der Lehrer mich immer wieder auf grammatische Mängel aufmerksam macht, schildert er eine Tatsache, wenn er meine Lyrik oder Prosa schlecht findet, äußert er seine eigene Meinung. Phänomene wie Legasthenie gehören meiner Meinung nach gar nicht in diese Diskussion, weil man dagegen eben machtlos ist. Ich bin Dyskalkuliker und weiß wovon ich rede (wäre allerdings auch im Traum nicht darauf gekommen ein Studium anzustreben, in dem ich rechnen muss ;-).
Deutsch und Schreiben: Sauberes Deutsch ist sicherlich nur eine von vielen Fähigkeiten, die im Gesamtbild einen guten Schriftsteller ausmachen können und im Zweifelsfall kann man sicherlich auch mit mangelhaftem Deutsch ein Bestsellerautor sein, wenn man in den anderen Bereichen entsprechende Stärken aufzuweisen hat. Aber ich denke, es ist eine Binsenweisheit, dass ein mit Fehlern übersähtes Manuskript bei Agenten oder Verlagen schonmal schlechtere Chancen hat, auch wenn es ansonsten den Anforderungen entspricht.
Ein Aspekt der hier immer zu kurz kommt, ist der, dass das Leben nach der Schule weitergeht. Wer in der Schule mit Deutsch wirklich schlecht bedient war, kann ja ins Auge fassen, hieran aktiv etwas zu ändern. Schließlich gibt es Volkshochschulen, Universitäten, private Schreibkurse, Lehrbücher usw. Dass mein Deutsch immer noch stark verbesserungsfähig ist, habe ich im Zuge des Lektorats meines Buches gemerkt und deswegen gnadenlos alles im Duden nachgeguckt, was mir da an den Rand geschrieben wurde. Leben ist lernen.
Haltet die Ohren steif. Meine Posts dünnen sich leider etwas aus, da wir doch in zwei Wochen unser erstes Kind erwarten und ich davon immer mehr beansprucht bin.

Runaway

Zitat von: Schommes am 27. Juli 2011, 07:51:48
Phänomene wie Legasthenie gehören meiner Meinung nach gar nicht in diese Diskussion, weil man dagegen eben machtlos ist. Ich bin Dyskalkuliker und weiß wovon ich rede (wäre allerdings auch im Traum nicht darauf gekommen ein Studium anzustreben, in dem ich rechnen muss ;-).
Und wieder muß ich widersprechen. Man ist weder der Legasthenie noch der Dyskalkulie hilflos ausgeliefert. Das klingt - sorry - für mich so, als würde man sich drauf ausruhen. "Ich bin Legastheniker/rechenschwach, ich kann das einfach nicht."
Ich würde jetzt gern das Wort Bullsh* dafür benutzen, wie ich das finde ;) Eine gute Freundin von mir hat im 3. Schuljahr eine Lerntherapie gegen die Legasthenie begonnen, die 2 oder 3 Jahre gemacht und kann seitdem lesen und schreiben wie der Durchschnitt.
Ich hab vor einem halben Jahr eine Dyskalkulietherapie begonnen und mit Nachteilsausgleich (den muß man da natürlich berücksichtigen) gerade eine 1 vorm Komma in meiner Matheprüfung gehabt.
Also erzähl mir nix von machtlos ;) Das ist schlicht und ergreifend falsch.

Zit

@Shaina

Oh, also dann, wenn sie Fantasy und Histos liest, wird es wohl nicht so schlimm sein, wenn du ihr irgendwann etwas zeigst. Ich denke, solange du das mit einer konkreten Anforderung verknüpfst (Sind die Charaktere zu schwach? Ist irgendwo etwas am Stil krumm? Ist die Perspektivenverteilung gut so?) wird das schon; ist wie im Beta-Board "Sagt mir mal, wie es euch gefällt." ist ziemlich schwammig und führt im Endeffekt zu keinen Ergebnissen. (Und dann siehts auch nicht so aus, als wenn du dich profilieren wolltest. ;) )

Schlechter als 2,5 ... Auch auf Gymnasien gibt es Leute, die es dann doch nicht packen und dann sogar zurück auf die Realschule gehen; das war bei uns meist so in der achten/neunten. Wobei ich ja damals noch auf einer Realschule war. Also, klarer: Ab der 5ten/6ten, weiß nicht mehr genau, wurde ausgesiebt, wer aufs Gymnasium geht und wer nicht, das wurde nicht bereits nach der Grundschule entschieden. Wer es nicht packte, kam, wie gesagt, zurück. Nachdem ich meine Mittlere Reife hatte, machte ich aufm Gymnasium weiter (3 Jahre) und hatte am Ende eine 2,8 (weil ich die letzten mündl. Prüfungen völlig in den Sand gesetzt hatte mit unter 5Pkt. :-\). Aber es gab auch ein/zwei Schüler, die das Abitur letztlich nicht geschafft haben. Natürlich sind zwei von 60 sehr wenig -- aber es stimmt einfach nicht, dass jeder Gymnasiast einfach so sein Abitur bekommt. Da gibt es auch bessere und schlechtere Schüler und wir hatten auch einige, die es gerade so geschafft haben. Und nicht jeder Gymnasiast liest auch viel, das ist das nächste. Da gibt es genauso faule Socken oder die, die es langweilig finden. (Um mal beim Deutschunterricht zu bleiben.)

Fühl dich nicht schlecht, weil du kein Abitur machst. Mit einer super-guten Mittleren Reife kann man in alle möglichen Berufe einsteigen und wenn du eh nicht studieren willst, ist es sowieso gehüpft wie gesprungen. Aber auch ohne Abi kann man auf die Uni/FH, da gibt es dann spezielle Tests, die feststellen, ob dein bspw. mathematisches Wissen ausreichend ist, um problemlos damit an den Uni-Stoff anknüpfen zu können. Wobei jede Hochschule da nochmal ganz eigene Regeln hat, aber ohne Abitur verbaut man sich nicht automatisch alles. Aber ich drifte gerade ab.
"I think therefore I am
getting a headache."
Unbekannt

Simara

Also ich habe seit meiner neuen Deutschlehrerin dieses Jahr auch keine Eins mehr. Sie hat ihre Notengebung sehr nett begründet: Ich wäre ein Freigeist, der sich nicht in den Käfig einer vorgegeben Aufgabestellung zwängen kann, wenn ihm diese missfällt, denn daran würde ich ersticken. Lieb gesagt, aber die Zwei die sie mir reingedrückt hat mach das auch nicht wett...

Zum Thema Leghastenie: Laut dem offizielen Test habe ich LRS. (Obwohl Leseschwäche Schwachsinn ist, Vorlesen gehört zu meinen Stärken.) Daran glauben tun weder Ich noch meine Lehrer und nach dem ich mir ein halbes Jahr lang die sogenannte "LRS-Förderung" angetan habe (Die bestand aus Aufgaben wie [ich zittiere]: Welches Wort passt nicht in diese Reihe: glauben, hoffen, denken, Kerze.) gab ich den Schutz freiwillig wider ab, da meine Deutschlehrerin mir bestätigt hat was wir "LRS-Förderschüler" alle wussten: Ein Großteil von uns hat kein LRS und die Aufgaben sind Schrott.

Runaway

#49
@ Simara: Das klingt ja krude. Und nach Schrott ;) Und nicht nach dem, was ich damals bei meiner Freundin beobachtet habe. Die Beispielaufgabe ist ja für Legastheniker total sinnfrei. Da geht's doch eher um Semantik und darum, daß man da zwei verschiedene Wortarten vor sich hat.
Aber im Bereich Teilleistungsstörungen ist auch eine Menge Nicht- oder Halbwissen in der Welt unterwegs. Als ich letztes Jahr wissen wollte, ob ich Dyskalkulie habe oder nicht, hat mein Freund durch Zufall im Internet den Namen einer Professorin an meiner Uni entdeckt, die fit in dem Thema ist und dazu auch schon publiziert hat. Also hab ich mal hingemailt und gefragt, was ich machen kann und zur Antwort erhalten: Bei Erwachsenen kann man Dyskalkulie nicht feststellen.
???
Und warum nicht? Ist das ab einem bestimmten Alter nicht mehr sichtbar? ;D
Meine Lerntherapeutin hat 10 Minuten gebraucht, um es zu wissen. Es scheint also irgendwie auch damit zusammenzuhängen, mit wem man zu tun hat. Nicht jeder Mensch, der beim Schreiben Fehler macht, ist ein Legastheniker... zumal per Hand schreiben und Tippen noch was anderes ist, allein wegen der Tippfehler.

zDatze

#50
Aus eigener Erfahrung, als ich mit dem kleinen Cousin von meinem Freund bissl Musik gelernt habe: Er liest Wörter, ohne sie zu verstehen. Du kannst ihn fragen "Was ist ein Metronom?" und er weiß es einfach nicht, obwohl er es kennt. Da fehlt die Verbindung zwischen Wort und dem real anzufassendem Ding. Möglicherweise ist er auch ein ganz harter Fall, was diese Lernschwäche betrifft, aber die "Lehrer" haben auch an die sieben Jahre gebraucht um überhaupt eine Lernschwäche festzustellen. (Und nein, das soll kein Lehrerbashing sein. Die Mutter war in der Hinsicht genauso blind, was mich fast noch trauriger macht.) Ich bezweifle aber irgendwie, dass er dieses "sinnfreie Beispiel" alleine richtig lösen kann.

Schommes

Zitat von: Dani am 27. Juli 2011, 11:30:27
Und wieder muß ich widersprechen. Man ist weder der Legasthenie noch der Dyskalkulie hilflos ausgeliefert. Das klingt - sorry - für mich so, als würde man sich drauf ausruhen. "Ich bin Legastheniker/rechenschwach, ich kann das einfach nicht."
So war das natürlich nicht gemeint. Aber für mich persönlich kann ich sagen, dass ich mich mittlerweile in meiner mathefreien Nische relativ gut eingerichtet habe. Das hat sicherlich auch was mit Bequemlichkeit zu tun, aber wozu soll ich mich jetzt noch quälen.
Zitat von: Dani am 27. Juli 2011, 11:30:27
Ich hab vor einem halben Jahr eine Dyskalkulietherapie begonnen und mit Nachteilsausgleich (den muß man da natürlich berücksichtigen) gerade eine 1 vorm Komma in meiner Matheprüfung gehabt.
Also erzähl mir nix von machtlos ;) Das ist schlicht und ergreifend falsch.
Hört sich jedenfalls interessant an. Vor ca. zehn Jahren befiel mich mal der Wahnsinn, ich müsste nun auch noch BWL studieren. Da ich Mathe schon nach der zwölf abgewählt habe (in Nds ging das damals) habe ich ein Propädeutikum gemacht, um zumindest den Oberstufenstoff drauf zu haben. Dabei habe ich immerhin festgestellt, dass ich mit einiger Mühe (während sprachliche Dinge mir eher zufliegen) die abstrakten Konzepte (Trigonometrie, Kurvendiskussion, Matrizenrechnung etc.) verstehe und beherrsche. Das ändert aber leider nichts daran, dass ich mich häufig schon bei simpelsten Grundrechenaufgaben voll verhaue. Aber ich merke gerade, ich drifte ab.

Runaway

zDatze, das beweist aber auch, daß diese Problematik sehr individuell ist. Die Aufgaben, die ich kenne, sehen halt völlig anders aus, aber die sind natürlich auch für einen anderen Menschen. Simara kann ja offensichtlich Buchstaben lesen, deuten und benutzen, was der Cousin wohl nicht kann. Bei ihm besteht also kein Zweifel, daß er da ein Problem hat und für ihn mag die Aufgabe passen, aber für andere eben nicht. LRS ist ja nicht nur "gar nicht lesen", sondern auch "falsch lesen". Was mich an dieser Beispielaufgabe so stört, ist, daß ich da nicht sehe, wie das helfen soll.

@ Schommes
Was du beschreibst, klingt für mich bekannt ;) Probleme verstehen ja, aber dann mit Zahlen hantieren und ausrechnen nein. Aber von wegen quälen: Mir hat die Lerntherapie die Angst vor Zahlen genommen. Ich weiß jetzt, wie ich die Sachen machen muß, die ich nie konnte und wenn ich nicht grad nervös bin, weil ich geprüft werde, geht das mittlerweile auch. Von Qual keine Spur!

zDatze

ZitatWas mich an dieser Beispielaufgabe so stört, ist, daß ich da nicht sehe, wie das helfen soll.
Du verstehst die Wörter aber auch. Wenn jemandem die Verbindung zwischen Wort und Bedeutung fehlt, dann können solche Aufgaben durchaus helfen, denjenigen dazu zu bringen nachzudenken. Auch wenn für die Menschen ohne eine solche Schwäche die Lösung offensichtlich ist. Simaras LRS-Förderung war vielleicht auch weiter gefächert und nicht individuell zugeschnitten. Und da sie selber festgestellt hat, dass LRS bei ihr anscheinend nicht vorhanden ist, wundert es mich nicht, dass die Aufgaben in ihren Augen sinnfrei und Schrott waren.

Tintenweberin

#54
Es wurde ja an früherer Stelle schon einmal gesagt: Die Schule und das Leben haben nicht notwendigerweise viel miteinander zu tun. Ich war im Schulsport eine Niete und habe als Erwachsene gut genug reiten und fechten gelernt um als Double auf einer Freiluftbühne aufzutreten. Ich habe mich auch in Englisch oft genug nur mit knapper Not (und vielen Nachhilfestunden) auf eine Vier retten können und durch meine Mitarbeit im Orgateam einer amerikanischen Lehrerin gut genug Englisch gelernt, um sie in ihren Seminaren zu übersetzen.

Außerdem ist es bedauerlicherweise so, dass die meisten Lehrer Menschen sind. Menschen haben ihre Stärken und ihre Schwächen, ihre Vorlieben, Abneigungen und Empfindlichkeiten. Ich halte es für einen Fehler in allgemeinbildenden Schulen immer noch Fachlehrer unterrichten zu lassen. Normalerweise studiert jeder angehende Fachlehrer sein Lieblingsfach und das ist nur selten das Fach, für das er sich anstrengen musste um gut abzuschneiden. In unserer Schulform unterrichte ich fast alle Fächer (außer Sport, Musik und Kunst) und ich weiß, dass mein Deutschunterricht schlechter ist, als mein Mathe- oder Physikunterricht, weil ich mir einfach nicht vorstellen kann, wieso man mit der Sprache oder einem Text Schwierigkeiten haben kann. Die Schwierigkeiten mit Rechenoperationen oder physikalischen Zusammenhängen kann im Gegensatz dazu sehr gut nachvollziehen.

Zum Thema Legasthenie möchte ich noch anfügen, dass die Forschung in den letzten Jahren in den Bereichen der Teilleistungsschwächen oder Inselbegabungen große Fortschritte gemacht hat. Es gibt ganz unterschiedliche Gründe für eine Lese-Rechtschreib-Schwäche. In manchen Fällen sind sogenannte Teilleistungsschwächen die Folgen eines posttraumatischen Belastungssyndroms. Wenn es z.B. in einer kritischen Phase des Spracherwerbs durch Unfall, Krankheit oder unglückliche äußere Umstände zu Entwicklungsverzögerungen kommt, kann es durchaus passieren, dass ein Kind sehr viel später beim Erwerb von Lese- und Schreibfertigkeiten blockiert ist weil es den Zugang zur Grundlagenkompetenz für den Erwerb dieser Fertigkeiten zusammen mit dem traumatisierenden Ereignis "abgespalten" hat.

Bei Texterkennungsproblemen hilft es mitunter, das Medium (vom Buch zum Computerbildschirm) oder die Schrift zu wechseln. Ich habe (eher zufällig) festgestellt, dass meine leseschwachen Schüler signifikant besser lesen können, wenn ich Arbeitsblätter in der Word-Schrift "Comic Sans" erstelle. Meine Idee ist die, dass das "offene A" leichter zu erkennen ist als das "Buchdrucker-A" weil es dem handschriftlichen "A" ähnlicher ist.