• Willkommen im Forum „Tintenzirkel - das Fantasyautor:innenforum“.
 

Sich auf politische Konflikte vorbereiten

Begonnen von Sanjani, 26. Oktober 2010, 10:39:08

« vorheriges - nächstes »

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

Sanjani

Hallo zusammen,

zu diesem Thema habe ich hier noch nichts gefunden, deshalb eröffne ich mal eins. Mich interessiert, wie ihr euch auf politische Konflikte vorbereitet. Zwischenmenschliche finde ich leichter, das kennt man ja, aber so größere politische Sachen sind für mich persönlich schwer zu fassen, zumal ich nicht so der politische Denker bin.
Bei mir geht es z. B. um die Frage, ob Frauen den Schwertkampf erlernen sollten, bisher war das eine reine Männerdomäne. Ich hatte jetzt die Idee mich über ähnliche Konflikte zu informieren, die wirklich stattgefunden haben, z. B. die Frage, ob es weibliche Soldaten geben sollte. Dazu gab es ja bestimmt auch Positionen und gegenpositionen. Ich möchte das Ganze eben auf eine solide Grundlage stellen und das gilt für alle Konflikte, nicht nur für diesen, ich habe mit dem Schreiben solcher Sachen aber null Erfahrung.

Nun gibt es ja sicher Leute, die haben ein Gespür für so etwas, aber eben bestimmt auch solche wie mich, die das erst ein bisschen lernen mussten. Daher die Frage: Wie stellt man das am besten an? Ist mein Ansatz mich über bekannte Konflikte zu informieren gut oder eher unsinnig?

Danke und Grüße,

Sanjani
Die einzige blinde Kuh im Tintenzirkel :)

Steffi

Mein NaNo-Roman lehnt sich sehr an die Zeit der  englischen Renaissance an, und weil ich viele politische Intrigen usw. wollte hab ich angefangen, mich über die Tudors zu informieren, hab einiges zur Geschichte gelesen und mich mit einigen Biografien vertraut gemacht. Dadurch bin ich auf Sachen gestoßen, die mir entweder nicht bewusst waren, oder die ich einfach als nicht relevant abgetan hätte. Ich habe angefangen darüber nachzudenken, wie ich was für meinen Plot übernehmen könnte (Teile einer Figur basieren z.B. auf der Biografie von Mary, Queen of Scots), was ich abändern würde und dadurch ist das Ding ziemlich rund geworden.

Deinen Ansatz finde ich daher völlig legitim und gut  :jau: Schließlich spiegelt jede Fantasywelt irgendwo unsere wieder :)

Sic parvis magna

Gwendelyn

Ich halte es auch nicht für unsinnig über ähnliche Konflikte zu recherchieren. Wie heißt es doch so schön? Wissen ist Macht.

Ich persönlich (und mein politische Gespür ist quasi nicht existent) mache es immer folgendermaßen:

Nachdem ich die zentrale Streitfrage (ich nehme als Beispiel jetzt einfach mal das Frauen-Schwertkampf-Dilemma) und die politsche Ausgangslage (Wer hat im Staat die Entscheidungsgewalt? Gibt es eine Art Parlament? etc.) festgelegt habe, fange ich damit an eine Liste der beteiligten Gruppierungen zu erstellen und ihren Standpunkt festzuhalten. (z.B. Gruppe A ist dafür, Gruppe B total dagegen und Gruppe C ist unentschlossen und will erst einmal abwarten)
Als nachstes notiere ich mir die Argumente, die die einzelnen Gruppen vortragen würden um ihre Seite zu vertreten und/oder die Argumente ihrer Gegner auszuhebeln. (Sozusagen eine stichwortartige Erörterung des Problems aus verschiedenen Standpunkten)
Und zum Schluss gibt es noch für jede Gruppierung eine Liste der wichtigsten beteiligten Person mit folgenden Informationen: Wo steht die Person gesellschaftlich? Warum vertritt sie diese Meinung, aus Überzeugung oder praktischen Gründen? Ist sie bestechlich? Ein guter Redner? Wie weit würde sie gehen um ihre Interessen durchzusetzen? Hat sie irgendwelche Schwachpunkte an denen ein Gegner angreifen kann?
Wenn ich das gemacht habe und die Listen der einzelnen Parteien vergleiche ergibt sich der Konflikt meistens von ganz alleine.

Zum Beispiel: Gruppe A möchte erreichen, dass auch Frauen den Schwertkampf erlernen dürfen, und ihr Wortführer argumentiert u.a. mit dem Mangel an Soldaten im Heer und der nahen Bedrohung durch eine Feidliche Armee. Seine Argumente sind viel besser als die des Wortführers von Gruppe B, der vielleicht einfach nur dagegen ist weil er ein Problem mit Frauen und Angst um seine militärische Machtposition hat und nur mit leeren Phrasen um sich wirft. Gruppe C, der das Thema eigentlich herzlich egal neigt dazu sich Gruppe A anzuschließen. Führer B ist aber ein skrupelloser Mistkerl und fängt an die Anhänger von Führer A mit diversen Affären mit bärtigen Prostituierten (oder etwas ähnlich Peinlichem... ) in Misskredit zu bringen, sie zu erpressen (entführte Familienmitglieder machen sich immer gut  ;)) und die Mitglieder von Gruppe C zu bestechen. Führer A ist jetzt gezwungen zu reagieren, wenn er seinen Standpunkt durchsetzen will und... Schwuppdiwupp, da ist der Konflikt.

Das ist jetzt dieschnelle 0-8-15-Version eines Konflikts, aber wenn du mit den Motiven der einzelnen Parteien und einigen realen Konflikten (Herrscher-Biographien machen sich da immer gut) vertraut bist, ist es recht einfach dem Ganzen etwas mehr Tiefe und Realität zu verleihen.

Ich hoffe es hilft wenigstens ein bisschen  :jau:

Simara

Also ich informiere mich auch immer zuerst um ein möglichst stabiles Grundgerüst für eigene Überlegungen zu haben. Schließlich hat die Weltgeschichte sehr viele inspirierende Ereignisse hervor gebracht. ;)

Tokanda

Meiner Meinung nach sind politische Konflikte nichts anderes als zwischenmenschliche Konflikte auf einer höheren Ebene.
Verschiedene Gruppen und Gruppierungen verfolgen unterschiedliche Interessen und Ziele. Bei den mehr oder weniger gewählten Politikern/Machthabern/Interessenvertretern kommt noch eine große Portion Machtstreben hinzu, gewürzt mit einem Schuss Egoismus, verfeinert mit einer Prise Niedertracht und garniert mit einem Scheibchen Vetternwirtschaft.


Ich komm aus Bayern, da kennt man sich mit sowas aus...   ;D   

Sanjani

Hallo ihr Lieben,

vielen Dank für euere Statements, ich denke, da bin ich schon mal auf dem richtigen Weg. Jetzt muss ich wirklich mal anfangen mir diverse Sachen aufzuschreiben ;-) Bisher kam ich ja ohne aus, aber das ist mir dann doch zu wackelig bei so einem Thema.

Danke v. a. an Gwendelyn für die anschauliche Darstellung :-)

LG Sanjani
Die einzige blinde Kuh im Tintenzirkel :)

Churke

Ich weiß nicht, ob die Frage, ob Frauen Schwertkampf erlernen sollen, überhaupt eine politische und nicht eher eine kulturelle oder soziale ist. Spezielle Probleme wie dieses lassen sich nicht lostgelöst vom sozioökonomischen Hintergrund betrachten.
Historische Konflikte taugen ganz gut, um Argumente zu finden. Für diese ganz spezielle Frage könnte Platons Politeia interessant sein. Dass Platon seine "Wächterinnen" in einem faschistischen Horrostaat plaziert, sagt natürlich einiges darüber aus, wie verrückt man diese Idee im patriarchalischen Griechenland finden musste.

Die Positionen und Argumente zu einer politischen Frage ergeben sich meines Erachtens aus der Frage nach Nutzen oder Schaden. Ein Stuttgarter Tiefbauunternehmern ist selbstverständlich für den Bahnhof. Ein Werftarbeiter vor dem 1. Weltkrieg will mehr deutsche Schlachtschiffe. Ein preußischer Großbürger findet, dass ohne Dreiklassenwahlrecht die Welt untergeht. Und wenn man sich erst einmal positioniert hat, ist einem kein Argument zu dumm. Nur die Wahrheit, die verschweigt man.  ;D
Die wirklich spannende Frage ist, wie man diese Dinge in Szene setzt. Shown, don't tell. Darüber mache ich mir mehr Gedanken als über die Argumente... 

Telas

Hallo Sanjani,

aus deinen Ausführungen schließe ich, dass du mit einem "politischen Konflikt" in diesem Fall Beispiel nichts anderes als einen Krieg meinst.
Die Vorbereitung darauf wird sich nicht völlig pauschalisieren lassen, sie hängt sicherlich von einigen Faktoren ab. Beispielsweise wie mächtig der Feind ist- ist er zahlenmäßig völlig überlegen, macht es doch durchaus Sinn, den Frauen das Schwertkämpfen beizubringen, Männerdomäne hin oder her. Da kann man jeden brauchen, der kämpfen kann.

Neben der Rekrutierung neuer Streitkräfte aus dem Volk wäre ja vielleicht auch noch eine bessere Ausrüstung derselben denkbar, indem neue Schwerter oder ähnliches ausgegeben werden.
Oder aber man leitet Verteidigungs- und Spionagemaßnahmen ein, indem man Mauern errichtet oder Agenten ins Feindeslager entsendet.

Sanjani

Hallo Churke und Telas,

danke auch euch für euere Gedanken zum Problem:

@Churke: Klar ist es auch ein soziokulturelles Problem, nur geht es erst mal darum, ob der Militärstab, der das Volk führt, das überhaupt genehmigt, wer die Frauen dann ausbildet usw. Wie das Volk dazu steht, ist wieder eine andere Sache.

@Telas: Ja, es geht in der Tat um einen Krieg und den Frauen den Schwertkampf beizubringen macht durchaus Sinn, zumal im ersten Band viele aus dem Volk getötet wurden. Allerdings geht es auch v. a. darum eine falsche Spur zu legen, da einer aus dem Volk dem Feind zuarbeitet und mein Prota erst mal denken soll, dass es vielleicht einer aus seinem Militärstab ist. Wenn er dann rausfindet, dass es ein ganz naher Angehöriger ist, ist das entsetzen dann umso größer :)

Aber fernab von diesem speziellen Beispiel möchte ich auch später in anderen Geschichten mal politische und/oder soziokulturelle Konflikte mit einbringen und brauche dafür einen guten Ansatz, den ich jetzt, denke ich, gefunden habe.

LG Sanjani
Die einzige blinde Kuh im Tintenzirkel :)