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Helden von - bis

Begonnen von Maja, 30. März 2010, 17:17:25

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Linda

Hallo,

die Beschädigungen und Charakterzüge einer (haupt-)Figur müssen für mich mit dem Plot zusammenhängen, damit sie am besten dafür ausgeschlachtet   eingespannt werden können und nicht bloß für sich genommen schräg sind.
Da sich die Hauptfigur idealerweise ja im Buch und durch die Geschehnisse ändern sollte, lässt das einen gewissen Spielraum.

Extrem schräge Vögel aus Prinzip (Humorvolles mal ausgenommen) sind mir als Autorin fremd und ich finde sie persönlich häufig aufgesetzt. Das ist vielleicht reine Geschmackssache...

Gruß,
Linda




Grey

In meinem neuen Projekt sind zwei meiner Helden gleichzeitig die Antagonisten. Deswegen habe ich mich in den letzten Tagen auch ein wenig eingehender mit dieser Frage beschäftig und bin zu folgendem Schluss gekommen: Ich denke, die Grenze liegt da, wo die "verdrehten" Charaktere nicht mehr fähig sind, mit den normaleren Figuren sinnvoll zu interagieren, zumindest dann, wenn sie wirklich aktive Helden sein sollen. Etwas "Menschlichkeit" braucht ein Held, finde ich. Nebenfiguren stehen sicher noch einmal auf einem anderen Blatt. Beliar und Keren sind definitiv psychisch und emotional schwer gestört. Trotzdem sind sie in der Lage, sozial kompatibles Verhalten zu mimen, und deswegen werde ich sie genau so lassen, wie ich sie geplant habe.

Ansonsten stimme ich Linda definitiv zu: Solche Störungen sollten bestenfalls plotrelevant sein - sonst ist das vermutlich wirklich verschenktes Potential.

caity

Hallo,

jetzt muss ich aber doch noch einmal nachhaken, da Lomax' Kommentar mich stutzig gemacht hat:
Was für Charaktere meinst du, Maja?
Meinst du vielschichte Protagonisten, mit Stärken und Schwächen oder Protagonisten, die an psychischen Krankheiten leiden, also wirklich daran leiden, nicht nur eine Schwäche haben? Und ich würde Schwul-Sein nicht als eine Krankheit ansehen. Charaktere, die von der Norm abweichen, sind nicht zwangsläufig ein Zeichen von abnormalen Geschichten. Für mich muss die Mischung stimmen. Und vermutlich bin ich dann sogar eher ein Leser, der gerne auf die "platten" Figuren ausweicht. Zu platt dürfen sie nicht sein, doch zu ausgefallen ... ich mag Geschichten von psychisch-Kranken nicht sooo sehr, aber es ist wirklich Geschmackssache XD

Bye
caity
Wenn ein Autor behauptet, sein Leserkreis habe sich verdoppelt, liegt der Verdacht nahe, daß der Mann geheiratet hat. - William Beaverbrook (1879-1964)

Lomax

Zitat von: caity am 04. April 2010, 10:28:32Meinst du vielschichte Protagonisten, mit Stärken und Schwächen oder Protagonisten, die an psychischen Krankheiten leiden, also wirklich daran leiden, nicht nur eine Schwäche haben?
Ich glaube nicht, dass es wirklich um "psychische Krankheiten" geht. Darum hatte ich ja bewusst von "beschädigten Figuren" gesprochen, was eher ein dramaturgischer Fachbegriff ist - es geht um Eigenschaften von Figuren, die ihre Akzeptanz beim Publikum gefährden können.
  Psychische Krankheiten können solche Eigenschaften sein, sind aber nur ein Teil des Ganzen. Eine Figur beispielsweise, die notorisch fremdgeht, könnte in dramaturgischer Hinsicht beispielsweise "beschädigt" wirken, auch wenn das wohl noch nicht als psychische Krankheit zählt. Umgekehrt muss eine bloße "Schwäche" eine Figur noch lange nicht beschädigen; das kann auch einfach nur wie ein "Schönheitsfleck" aufgetragen sein, wenn diese "Schwäche" beispielsweise nur etwas belangloses wie "Höhenangst" ist, oder eine "sympathische Ungeschicklichkeit". ;)

Kolibri

Charakter ohne Schwächen will doch keiner sehen!
Sowas lesen vielleicht Teenager deren Lieblingsbuch Bis(s) zum Morgengrauen ist gerne, aber kein anspruchsvoller Leser. Ein bisschen Macken gehören doch dazu, dass man sich überhaupt mit dem Protagonisten identifizieren kann! Denn keiner wird wohl behaupten er sei makellos, oder?
Ich bin ja ein total er Fan von Snape aus den Harry Potter Büchern. Kein guter Vergleich, aber trotzdem.. der Mann ist von oben bis unten unsympathisch aber wie man am Schluss erfährt (Achtung, Spoiler!) doch ein Mensch der liebt & ein Herz hat!
Und jeder Mensch hat irgendwo ein Herz.. Also, blos keine langweiligen flachen Charaktere erfinden! Vielschichtigkeit ist wichtig.

Moa-Bella

Ich liebe Bücher mit kranken, verrückten, psychopatischen Charakteren, solche Details haben mich z.B. an Kai Meyers Alchimistin fasziniert. Ein Buch mit normalen Charakteren stößt mich eher ab, ich freue mich über jedes kranke Detail. Manchmal suche ich dieses sogar und wenn ich es dann gefunden habe kann ich sagen "So, jetzt finde ich den klasse." Mach ruhig das Buch wie du es vor hattest, mit den normalen Büchern kann man sich doch mittlerweile totschemißen, solche wie du es machen wollstest gibt es viel zu wenig.

Merrit

Was ist schon normal?
Selbst, wenn es den edelmütigen, ehrlichen, hilfsbereiten ... Recken beschreibt, kann der Autor ihn im Buch durch seine Naivität z. B. sehr tief fallen lassen. Ich schätze "echte" Helden. Personen, welche zwar viel leisten können, aber dadurch auch in der Lage sind, mehr zu ertragen, als der Durchschnitt!
Außerdem braucht ein Buch eine Person, Mann oder Frau, welche die Seiten lebendig werden lässt und das ist sicher nicht das nette Nachbarskind, ... obwohl man doch sagt, daß Serienmörder oft unauffällig ... ( und so weiter  :bittebittebitte:)
Was habe ich mich über Jon-Tom, Bannsänger und Geralt von Riva, Hexerzyklus, gefreut. Männer und mit ihnen Frauen welche ich fast fühlen konnte und das nicht durch ihren Glanz und ihre Perfektion. Nein, durch ihre tiefen, leidenden, freudigen Gefühle und Persönlichkeiten.

Und ja, ich bin auch eine Zielgruppe :vibes:

Lg Merrit

Maran

Manchmal denke ich, die "Helden" suchen uns, ihnen eine Stimme zu verleihen, ihre Geschichte zu erzählen, sie zum Leben zu erwecken. Wenn es über den Umweg einer "Ich schreibe jetzt mal eine klassische Fantasy-Geschichte" läuft, dann läuft es eben so. Jede Geschichte braucht irgendeinen Türöffner. Und Musen gehen manchmal wirklich seltsame Wege.

Tokanda


Zitat von: Maja am 30. März 2010, 17:17:25
Was ich mich jetzt frage, ist: Wollen die Leser das überhaupt? Wenn ihr die Zielgruppe seid, wollt ihr pflegeleichte Sympathieträger, mit denen sich jeder (außer mir) identifizieren kann, oder ist es für euch okay, auch mal von einem Helden abgestoßen zu werden, wenn er dafür interessanter erscheint? Oder bilde ich mir nur ein, daß das zwei verschiedene Dinge sind, die einander ausschließen, und liege falsch, normal und langweilig gleichzusetzen?
Möchte mich einem früheren Posting anschließen, ich glaube Churke sagte das schon: Normale Leute in einem normalen Setting wecken auch bei mir nichts als gähnende Langeweile.
Als Leser faszinieren mich die "beschädigten" Typen am meisten. Da möchte ich dann wissen, was zu dieser Beschädigung führte, wie leben, kämpfen und vor allem überleben sie damit? Macht diese Beschädigung sie zu eiskalten Monstern? Oder entwickeln sie gerade durch diese Beschädigung ein gewisses Maß an Menschlichkeit?


So hat beispielsweise Joe Abercrombie für seine "Klingen-Triologie" den - meiner Meinung nach - genialen Charakter mit dem Namen "Glokta" entwickelt. Als Inquisitor ist der ein ausgesprochen übler Typ, gnadenlos foltert er Menschen, um ihnen Geständnisse abzuringen. Er räumt bedenkenlos Leute aus dem Weg, die den Zielen der Inquisition im Wege stehen.
Dabei ist Glokta selbst ein versehrter "Kriegsheld", wurde gefoltert und dabei zum Krüppel gemacht. Ist körperlich so am Ende, dass sein größter Feind im Leben Treppen sind. Und er zweifelt. Einerseits gnaden- und skrupellos stellt er sich auf der anderen Seite immer wieder die Frage, warum er das eigentlich alles macht. Warum tötet und verstümmelt er Gefangene und vernichtet er die Existenz von Menschen?
Ich denke, dass Abercrombie es geschafft hat, diesen Charakter gerade durch das Zweifeln an sich selbst sympathisch zu machen - zumindest bei mir hat er das geschafft. Denn ich will Figuren mit Ecken und Kanten, sonst wird mir ganz schnell langweilig.
Und im Laufe der Triologie zeigt der gute Glokta ja auch noch ein wenig Herz. Nicht viel, aber immerhin.


Aber zurück zu deiner ursprünglichen Frage, was die Leser wollen. Ich persönlich denke, dass (kommerziell) erfolgreiche Bücher immer eine Mischung aus faszinierender Figur, spannendem Konflikt und interessantem Setting sind. Und authentischen Figuren, da stimme ich dir absolut zu.
Was ich nicht glaube ist, dass der Leser "normale" Figuren den etwas "ramponierten" oder "beschädigten" Charakteren vorzieht. Eine Figur kann meiner Meinung nach ziemlich beschädigt oder sonstwas sein, solange sie nur irgendwas hat, mit dem sich der Leser identifizieren kann.


In "Die Legenden der Albae" zeigt Markus Heitz beispielsweise, wie bösartig und grausam die Albae sind. Aber er stattet sie mit einem ausgeprägten Sinn für Kunst und Schönheit aus - natürlich in "menschlichen Augen" abartige Kunst und Schönheit, aber authentisch im Kontext der Geschichte - und nutzt diesen, um die Albae dem Leser nahezubringen, ihn für seine Figuren einzunehmen. Was ihm auch gelingt, finde ich.


Wenn deine Figuren also einen gewaltigen Hau wech haben, heißt das nicht zwangsläufig, dass sie dem Gros der Leserschaft gleich unsympathisch sein müssen. Ich denke, es kommt einfach drauf an, was der Leser sonst noch an deinen Figuren entdecken kann. Und da ist ja bestimmt jede Menge oder?  ;D





Moa-Bella

Das mit der Leseridentifikation ist ein schwieriges Thema. Sieht man sich einige kommerziell sehr erfolgreiche Bücher an (z.B. Twilight), sucht man originelle Charaktere vergeblich. Stephenie Meyer (in diesem Fall nicht zu verwechseln mit Kai Meyer, der kann das nämlich) versucht ihrem Edward noch ein wenig Tief zu geben, indem sie ihm eine dunkle, dunkle Vergangenheit andichtet, die aber nur lächerlich wirkt. Er ist perfekt, gibt es gerade hier vielleicht einen Zusammenhang zu der Tatsache, dass hauptsächlich Mädchen Twilight lesen?

Ein anderes Beispiel: Jodi Piccoult. Eigentlich ganz passable Werke, aber jeder und wirklich jeder ihrer Charaktere ist so durch und durch absolut herzensgut, dass es schon wehtut. Er ist Alkoholsüchtig - aber nur weil er sie so sehr liebt. Jede kleine Macke wird sofort hieb und stichfest begründet, sodass man sich im Grunde mit niemandem identifizieren kann. Ich will kein Buch über absolut perfekte Menschen lesen. Muss ich mir denn dann nicht jedes mal vor Augen führen, wie ich selbst einmal der dicken Frau die letzte Packung Schokolade vor der Nase weggeschnappt habe? Nein, das ist wirklich nicht schön.

Wenn ich mich mit einem schrulligen Charakter nicht ganz identifizieren kann, ist das dann schlimm? Also, für mich persönlich nicht, ich finde aber oft etwas, wenn auch nur eine Kleinigkeit. Das ist aber auf jeden Fall besser möglich, als bei Büchern mit normalen Charakteren. Wie kann ich die denn sonst alle unterscheiden? Ansonsten kann man die ja nur noch durchnummerieren, die Namen merkt man sich dann bestimmt nicht. Vielleicht ganz praktisch, wenn man über Bücher reden will, aber wenn ich an meine Lieblingsbücher zurückdenke, dann hat jeder Charakter immer etwas besonderes, meistens ist das skurril und das liebe ich dann an ihnen.