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Emotionen wecken

Begonnen von Coppelia, 10. Dezember 2007, 07:59:39

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Bisou

Das kommt bei mir total auf die erzählende Figur an.
In einer Geschichte, in der die Ich-Perspektive verwendet wird, beschreibe ich die Gefühle meist ausufernd, oftmals einen Ticken zu viel, eben so, wie man das als Person selbst empfindet. Man wird überhäuft von Gefühlen, jedenfalls in bestimmten Situationen. So versuche ich mich in die Situation hinein zu versetzen und mir zu überlegen: wie intensiv erlebt/fühlt die Figur das? Das hilft mir immer sehr gut.

Bei einem personalen Perspektiventräger mache ich es ähnlich, ich versetze mich bestmöglich in seine Lage und erzähle dann genauso, wie er es gerade empfindet. Beziehungsweise, nicht ganz genau so, ich beschränke das ein klein wenig, nehme also eher eine Schippe runter, im Gegensatz zum Ich-Erzähler. Das ist meines Erachtens wichtig, denn sonst könnte man gleich den Ich-Erzähler oder den personalen Er/Sie- Erzähler weglassen.

Ausnahmen bestätigen natürlich wie immer die Regel.  ;D Aber ich denke, jeder muss da sein Maß finden und wenn ausufernde Beschreibungen sonst gar nicht zum Stil des Autors passen, finde ich das an der Stelle sehr übertrieben. Mehr ist dann meines Erachtens weniger.

Lg,

Alex

Angelus Noctis

Ich versuche, einen Teil der Emotionen schon in der Beschreibung der Sprechweise unterzubringen, etwa in dieser Art:
,,Es ist besser, wenn ich jetzt gehe", sprach er schnell mit völlig veränderter Stimme, in der so etwas wie Hoffnungslosigkeit lag. Ohne ihre Antwort abzuwarten, stand er auf und ging mit müde wirkenden Schritten zu Tür.

Auch ich liebe ausschweifende Erklärungen, habe aber gelernt, dass die Kunst, beim leser das Kopfkino zu aktivieren, im Weglassen besteht.

Lavendel

Da es das Thema schon gab (es war nebenbei mit der praktischen Suchfunktion ganz leicht zu finden!), habe ich hier mal zusammengeklebt.

Vielleicht demnächst einfach mal die Suche bedienen.

Lucien

Zitat von: Angelus Noctis am 14. September 2009, 17:54:18
,,Es ist besser, wenn ich jetzt gehe", sprach er schnell mit völlig veränderter Stimme, in der so etwas wie Hoffnungslosigkeit lag. Ohne ihre Antwort abzuwarten, stand er auf und ging mit müde wirkenden Schritten zu Tür.
Ich habe mir erlaubt, mal ein wenig damit zu experimentieren. Vermittelt es so die gleiche Emotion, die du dir dabei gedacht hast?

"Es ist besser, wenn ich jetzt gehe", sagte er mit hohler Stimme. Ohne ihre Antwort abzuwarten, stand er auf und trottete zur Tür.
(wahlweise könntest du auch "sagte er tonlos" und "schlurfte" einsetzen)

Ich denke mal, dass es mit Schlüsselwörtern gut funktioniert. Mit "einsam" z.B. sollte ja eigentlich jeder gewisse Emotionen verbinden können.
Aber das ist jetzt klug dahergeredet, ich beschreibe auch gerne.  ::)  ;D Allerdings nicht nur die Gefühle der handelnden Charaktere, sondern auch recht ausführlich (fast sogar ausführlicher als die Gefühle) die Situation.
Z.B.: Baby bettelt bei der toten Mutter um Milch. Das noch ein wenig umschreiben, dass es jammert und zerrt usw. und ich es reicht meiner Meinung nach.

Angelus Noctis

Jenny, Dein Beispiel gefällt mir prinzipiell gut. "Schlurfen" und "trotten" sind nur Wörter, die ich nicht so gern mag. Das ist aber eben nur Geschmackssache. Auf jeden Fall ist es kürzer und daher beim Lektor vermutlich beliebter, grinnns! ;)

Feather

Ich persönlich liebe auch ausschweifende Erzählungen, obwohl sie bei mir meist kürzer werden als eigentlich gedacht.
Dabei bediene ich mich wie schon vorher genannt auch verschiedenen Wörtern die ich in die Dialoge mit einflechte. Aber ich finde auch die Gesten der Personen wichtig, also dazugehörige bestimmte Handlungen. So kann der Leser sich einen Wütenden besser vorstellen wenn er nicht nur "laut schreiend" das Zimmer verlässt, sondern auch mit "rotem Gesicht und sich laut stampfend"  zur Tür begiebt. Oder jemand der wartet und dann mit dem Fuß immer wieder gegen die Tür tritt.

Churke

Ich hasse ausufernde Gefühlsbeschreibungen. M.E. entsprechen sie auch nicht dem natürlichen Empfinden. Wenn ich durch die Stadt gehe, dann denke ich über - auch subjektive - Tatsachen nach und nicht über Gefühle. Was das Miststück (= zukünftige Ex-Frau) alles angerichtet hat, dass sie mich ruinieren will und ich den Dummen mache etc. - aber ganz gewiss nicht, wie sehr mich das alles mitnimmt.

Beim Lesen sehe ich das ähnlich: Der Leser identifiziert sich mit Gedanken - und den dadurch ausgelösten Gefühlen - abere nicht m ;)it den deskriptiven Beschreibungen dieser Gefühle. Show, don't tell oder so ähnlich...

Coppelia

ZitatWenn ich durch die Stadt gehe, dann denke ich über - auch subjektive - Tatsachen nach und nicht über Gefühle. Was das Miststück (= zukünftige Ex-Frau) alles angerichtet hat, dass sie mich ruinieren will und ich den Dummen mache etc. - aber ganz gewiss nicht, wie sehr mich das alles mitnimmt.
Genau diese Gedanken sind doch emotional und zeigen, wie sehr dich das mitnimmt. Wobei ich jetzt hoffe, dass das als Beispiel einer Figur gemeint war und nicht dich selbst betrifft, sonst wird's ja persönlich. ;)

Bisou

Zitat von: Coppelia am 16. September 2009, 11:26:46
Genau diese Gedanken sind doch emotional und zeigen, wie sehr dich das mitnimmt. Wobei ich jetzt hoffe, dass das als Beispiel einer Figur gemeint war und nicht dich selbst betrifft, sonst wird's ja persönlich. ;)

So in etwa meinte ich das auch. Man muss ja nicht sagen: ich hasste mich selbst dafür, sondern es umschreiben, quasi zeigen. Darin besteht für mich auch das 'Geheimnis' von Show, don't tell. Tell wäre -> ich hasste mich selbst dafür und das show entspräche dann dem, was du geschrieben hast.
Man muss dem Leser ja auch nicht alles auf die Nase binden. Ich gehe zumindest davon aus, dass er/sie auch ruhig mal mitdenken kann.  ;)