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Grammatikfrage Imperfekt vs. Perfekt

Begonnen von Feuertraum, 06. Oktober 2008, 10:01:25

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Tenryu

Seit wann wird der Imperfekt/das Præteritum nicht mehr gesprochen?  :o Bin ich etwa der einzige, der seiner noch gebraucht? Oder ist das eine Frage des Milieus oder der geographischen Herkunft?
Vielleicht bin ich auch einfach hoffnungslos altmodisch...   :seufz:

Julia

#16
Da ich im allgemeinen mit Grammatik- und Tempusbegriffen auf Kriegsfuß stehe, ansonsten aber ein halbwegs ordentliches Bauchgefühl habe, habe ich mir die Zeiten bisher immer wie folgt gemerkt:

Präteritum (Imperfekt) ist die übliche Erzählform in einem Roman (aus Sicht des Erzählers, der von der Geschichte berichtet, nachdem sie bereits passiert ist). Ich ging, Ich las, Vor mir stand .... Will man in dieser Geschichte einen Vorfall beschreiben, der - zeitlich gesehen - noch vor dem roten Erzählfaden geschehen ist (z.B. bei Rückblenden), wird das Plusquamperfekt bemüht.

Bei wörtlicher Rede (also im normalen Leben oder auch im Roman) wird es etwas schwieriger, weil gerade im täglichen Leben nicht immer die zeitlich korrekten Formen verwendet werden (unter anderem, weil sie sich sehr gestelzt anhören, oder sie sich einfach eingeschliffen haben). Allerdings sehe ich genau aus diesem Grund die Zeitformen hier auch nicht so eng, denn da ich selbst nicht immer sauberstes Deutsch spreche, dürfen natürlich auch meine Romanfiguren ein wenig mit Zeit und Grammatik schludern. Statt also zu sagen: "Ich werde morgen zum Arzt gehen" sagen meine Charaktere: "Ich geh morgen zu Arzt". Dem Germanisten klappen sich dabei vermutlich die Fußnägel hoch  ;D, aber ich halte es in diesem Zusammenhang dann doch eher mit Luther ("man muss dem Volk auf's Maul schauen"), zumal dieses "Deutsch" für die meisten Leser gefälliger ist.

Die graue Theorie im Hintergrund sollte man natürlich trotzdem kennen. Eine sehr schöne Seite zur Rechtschreibung und Grammatik ist übrigens:

http://www.canoo.net

Liebe Grüße,

Julia 

Shay

@Falkensteyn
Ob Deutsche im normalen Sprechen das Präteritum benutzen oder nicht, hängt von der regionalen Herkunft ab. In allen alemannischen Dialekten (neben Schwytzerdütsch also auch Schwäbisch, Badisch etc) gibt es gar kein Präteritum und ich meine, das sei noch in einigen anderen (süd?)deutschen Dialekten so. Ich bin jedesmal wieder verblüfft, wenn ich einen "Norddeutschen" das Präteritum ganz locker verwenden höre.
Es ist auch immer wieder ein Spaß, einen Schwaben die richtige Präteritum-Form von "schimpfen" raten zu lassen. Meistens kommt dabei sowas wie "schimpfen, schampf, geschumpfen" heraus  ;D

Judith

#18
Zitat von: Shay am 07. Oktober 2008, 19:28:17
In allen alemannischen Dialekten (neben Schwytzerdütsch also auch Schwäbisch, Badisch etc) gibt es gar kein Präteritum und ich meine, das sei noch in einigen anderen (süd?)deutschen Dialekten so.
Ja, in den bairischen Dialekten ist der Imperfekt auch nur mit der Lupe zu suchen. Wobei ich persönlich merke, dass ich, umso mehr ich an Romanen und auch an wissenschaftlichen Texten für die Uni schreibe, immer öfter den Imperfekt auch verwende, wenn ich spreche. Verrückt...  ;D

Zitat von: Julia am 06. Oktober 2008, 22:36:04
Statt also zu sagen: "Ich werde morgen zum Arzt gehen" sagen meine Charaktere: "Ich geh morgen zu Arzt". Dem Germanisten klappen sich dabei vermutlich die Fußnägel hoch  ;D,
Kann ich so nicht bestätigen - die meisten meiner Charaktere würde ich das auch so sagen lassen.  ;)

Julia

#19
Zitat von: Judith am 07. Oktober 2008, 23:39:17
Kann ich so nicht bestätigen - die meisten meiner Charaktere würde ich das auch so sagen lassen.  ;)

Dann hängt es vermutlich doch mit einem Nord-Süd-Sprachgefälle zusammen. Bei uns sagt man auch: "Ich war beim Arzt" anstelle des korrekten "Ich bin beim Arzt gewesen."
Wie ist das bei Euch im Süden?

Mardil

Zitat von: Julia am 07. Oktober 2008, 23:44:27
Dann hängt es vermutlich doch mit einem Nord-Süd-Sprachgefälle zusammen. Bei uns sagt man auch: "Ich war beim Arzt" anstelle des korrekten "Ich bin beim Arzt gewesen."
Wie ist das bei Euch im Süden?

Ähnlich. Generell benutzt man beim Reden das Perfekt, aber Ausnahmen gibt es schon ein paar. "Ich bin beim Arzt gewesen" sagt hier auch keiner. Dass es bei uns kein Präteritum gibt, sehe ich nicht so. Genauso sagt niemand "der ist da gesessen" sondern "der saß da". Aber ansonsten benutzt man bei der wörtlichen Rede fast nur Perfekt.

Dass Perfekt eine vergangene Handlung mit Bezug zur Gegenwart beschreibt, ist doch eher in anderen Sprachen der Fall. Ich würde einfach mal behaupten, das Perfekt ist das mündliche Präteritum, nicht mehr und nicht weniger.

Und dass man "morgen zum Arzt geht", würde ich dem "morgen zum Arzt gehen werden" jederzeit vorziehen. Auch wenn es von meinen Charas kommt ;)

Taske

Moin,

Zitat von: Julia am 07. Oktober 2008, 23:44:27
Dann hängt es vermutlich doch mit einem Nord-Süd-Sprachgefälle zusammen. Bei uns sagt man auch: "Ich war beim Arzt" anstelle des korrekten "Ich bin beim Arzt gewesen."
Wie ist das bei Euch im Süden?

Also, auch hier im Süden (Schwaben) benutzt man gelegentlich das Präteritum. Vermutlich fällt das einem Norddeutschen nur deshalb nicht auf, weil er ohnehin Probleme hat, den Dialekt zu verstehen.;o)

Ein: "I be geschtern beim Dokter (Arzt) gwea." ist ohne weiteres auch auf "schwäbisch" korrekt.

Viele Grüße

Taske

Falckensteyn

Zitat von: Julia am 07. Oktober 2008, 23:44:27
Bei uns sagt man auch: "Ich war beim Arzt" anstelle des korrekten "Ich bin beim Arzt gewesen."
Wie ist das bei Euch im Süden?

Ganz im Süden tönt das so: "Ich bi geschter bim Arzt gsi". Die Formulierung "Ich war" existiert so nicht in Schweizerdeutsch, wir kennen bloss "Ich bin gewesen".

Und jetzt fühle ich mich gegenüber Herrn Feuertraum ziemlich schuldig. Mit meinem dämlichen Hinweis ist dieses Thema abgedriftet. Das tut mir sehr leid!

Malis

Zitat von: Julia am 06. Oktober 2008, 22:36:04
Präteritum (Imperfekt) ist die übliche Erzählform in einem Roman (aus Sicht des Erzählers, der von der Geschichte berichtet, nachdem sie bereits passiert ist). Ich ging, Ich las, Vor mir stand .... Will man in dieser Geschichte einen Vorfall beschreiben, der - zeitlich gesehen - noch vor dem roten Erzählfaden geschehen ist (z.B. bei Rückblenden), wird das Plusquamperfekt bemüht.

Das ist das Problem, mit dem ich gerade zu kämpfen habe. Diese Regel war mir schon bewusst, aber ich habe sehr viele Rückblenden etc., sodass ich andauernd im Plusquamperfekt schreiben müsste. Wenn ich aber mal todesmutig bin und beschließe, ein paar Kapitel Korrektur zu lesen, fällt mir dann immer diese schreckliche Häufung von "hatte" und "war" auf, sobald meine Figuren gedanklich die Vergangenheit reflektieren.

Soll heißen: Haltet Ihr solche Regeln immer strikt ein bzw. wie löst Ihr solche Probleme? ???

Churke

Man kann auch Rückblenden im Präteritum schreiben. Habe ich bei längeren Passagen schon gelesen und tue es manchmal auch. Ob es im Einzelfall geht, ist eine andere Frage, weil für den Leser klar sein muss, dass er sich in einer Vorvergangenheit befindet.

Leon

Ich halte mich an eine Empfehlung von Sol Stein. Der legte einem ans Herz, wenn schon eine Rückblende, dann beginne im Präteritum und wechsele schnell ins epische Präsens. Dadurch bleibt die Spannung erhalten, egal wie lang die Rückblende auch sein wird.