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Leute, haben, würden -> Umganssprache oder akzeptabel

Begonnen von Tex, 07. April 2020, 18:29:50

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Tex

Hi zusammen ;D ,

ich hoffe, ich denke, man kann am Betreff schon erkennen, worum es geht.

Wenn ich an meinem Roman schreibe, stoße ich immer wieder auf Situationen, wo ich mit mir hadere, welche Wörter ich verwenden sollte. Zum Beispiel das Wort "Leute". Irgendwo habe ich mal gelesen, dass es der unverzeihlichste Fehler sei, dieses Wort in einem Buch zu benutzen. Deswegen habe ich versucht, es möglichst elegant zu umgehen. Doch an der ein oder anderen Stelle (gerade in der wörtlichen Rede), komme ich einfach nicht daran vorbei, wenn der Text nicht zu gestelzt klingen soll, und finde ich es doch relativ nützlich, um beispielsweise gehobene Sprache von Alltagssprache zu unterscheiden.
Ähnlich ergeht es mir mit "würde" und "haben". Natürlich kenne ich die verschiedensten Konjunktivformen und wann genau man sie anwenden soll. Doch im geschriebenen Text (und ebenso hauptsächlich in der wörtlichen Rede) erscheinen sie mir zum Teil unnatürlich und es drängt mich, stattdessen den Konjunktiv mit "würde" zu bilden. Auch die abwechslungsreichen Wörter, um "mache" zu umschreiben wirken an manchen stellen irgendwie gestelzt.

Geht das nur mir so, bzw. könnte es sein, dass es eben nur auf mich als den Autor meines Textes so wirkt, weil ich einfach besonders darüber nachdenke, während es dem Leser nicht wirklich auffällt? Oder ist es nicht hin und wieder doch für den Textfluss angenehmer, diese eher umgangssprachlichen Worte zu verwenden?

Jen

Solange es keine grammatikalischen Fehler sind, ist alles erlaubt. Selbst das mittlerweile vielorts hingenommene "etwas macht Sinn", schauder.
Das Problem mit den von dir erwähnten Worten sehe ich übrigens überhaupt nicht. Keine Ahnung, warum du die umgangssprachlich findest. Und gerade in wörtlicher Rede geht noch viel mehr, ich baue sogar böse-böse Füllwörter ein, damit der Text vernünftig klingt.
Guilty feet have got no rhythm.

Federstreich

Leute, würden und haben gehören zu schlechtem Stil bzw. Umgangssprache? Das ist mir neu, aber ich kann die Ohren auch nicht überall haben. Woher hast du das und hast du dazu auch eine Begründung?

Prinzipiell kann man in einem Roman nicht vollkommen auf würden und haben verzichten. Das klingt wirklich gestelzt, unnatürlich und macht keinen Spaß, zu lesen. Das klappt vielleicht noch in einer Kurzgeschichte, aber nicht bei einer Geschichte von 200 NS aufwärts, auch wenn man gerade die beiden Verben nicht zu großzügig nutzen sollte, weil sie entweder Passivität ausdrücken oder bei regelmäßigem Gebrauch auch sehr einheitlich und langweilig wirken. Gerade in der wörtlichen Rede achte ich darauf, es nicht zu übertreiben, aber nicht so pedantisch wie im übrigen Text.

Bei dem Wort Leute ... Äh, in manchen Situationen kann man noch genauer werden, aber irgendwann hat man so ziemlich alle Synonyme durch.

Ich denke ja generell, dass die Menschen einen Roman lesen wollen, der sie sprachlich nicht völlig überfordert. Bei Fremdworten bin ich also sehr vorsichtig. Der Text soll gut lesbar sein, ohne es mit haben und würden zu übertreiben. Solange das gegeben ist, bin ich als Leserin erst einmal zufrieden. Jedenfalls fallen mir keine weiteren Ansprüche an Romane, die ich lese, bezüglich deiner Frage gerade ein. Ich habe sicher etwas vergessen und andere werden noch viel kritischer sein. Aber ich lese aus Freude an den Abenteuern, nicht wegen Sätzen, die laut irgendeinem Schreibratgeber o. ä. perfekt aufgebaut sind. Wichtig ist, dass ich alles flüssig lesen und ich in die Geschichte eintauchen kann. Dann merke ich unter Umständen auch nicht, dass jemand viele haben und würden im Text hat.

Rynn

#3
Meiner Meinung nach machst du dir da Probleme, wo gar keine sind. Und unter Umständen machst du deinen Text sogar schwächer, wenn du zwanghaft versuchst, etwas zu vermeiden, was sich natürlich ergeben will. "Leute" ist immer dort ein völlig akzeptables Wort, wo es zu deiner Textstimme passt oder eben zu der Art, wie dein Sprecher spricht.

Was "haben" und den Konjunktiv mit würde angeht ... So etwas kann als schwach klingende Formulierung gewertet werden, weshalb es Schreibratgeber gibt, die dir sagen, dass man das vermeiden sollte. Wenn das in rauen Mengen auftritt oder allgemein unpassend verwendet wird, würde mich das auch mal stören. Aber man wird auch diese Ausdrücke regelmäßig brauchen, wahrscheinlich sogar oft. Auch hier sollte man einfach darauf achten, wann man was im Leser erzeugen will.
»Dude, suckin' at something is the first step to being sorta good at something.« – Jake The Dog

Christopher

Zitat von: Tex am 07. April 2020, 18:29:50
Doch an der ein oder anderen Stelle (gerade in der wörtlichen Rede), komme ich einfach nicht daran vorbei, wenn der Text nicht zu gestelzt klingen soll, und finde ich es doch relativ nützlich, um beispielsweise gehobene Sprache von Alltagssprache zu unterscheiden.

Exakt das. Ich frag mal anders: Was sollte in Beschreibungen etc. nicht vorkommen? Sowas wie "Ähm, also..." und ähnliche Ausdrücke. In wörtlicher Rede aber völlig ok. Wörtliche Rede darf sogar grammatikalisch falsch sein! Sofern das ausdrücken soll, dass die sprechende Person der Sprache nicht so mächtig ist oder betrunken ist oder verwirrt oder, oder, oder ... Wörtliche Rede ist nicht der Autor, das ist der Charakter der da spricht. Und wenn sich jemand präzise ausdrückt klingt das ganz anders, als jemand der um den heißen Brei herumredet und natürlich benutzen so unterschiedliche Leute auch unterschiedliche Worte.
Achte mal auf das, was die Leute (hier isses!) die dir im realen Leben begegnen so für Ausdrücke verwenden. Wörtliche Rede strotzt nur so vor "unnötigen" Füllwörtern. Wenn die wörtliche Rede in einer Geschichte sich wesentlich anders verhält, wirkt sie genau so: gestelzt.

Ich schreibe hier übrigens genauso wie ich rede - das ist am einfachsten verständlich - und ich habe wie selbstverständlich das Wort "Leute" verwendet ohne es darauf anzulegen.

PS: Ich hab grade beim drüberlesen gesehen, dass ich "Leute" sogar zwei mal genutzt habe ;)
Be brave, dont tryhard.

Tex

Hi ;D ,

vielen Dank für eure Antworten. Es beruhigt mich doch, dass ich diese Worte wohl in Maßen verwenden darf.

ZitatWoher hast du das und hast du dazu auch eine Begründung?
Ich habe leider keine Ahnung mehr, woher ich das habe. Es könnte aber gut sein, dass die Dozentin vom Schreibkurs meiner Uni dies sagte.

Tasha

Ich glaube manchmal kommt man an einen Punkt, an dem man einfach zu viele Schreibtipps gelesen hat und sich gewisse Dinge nicht mehr traut, die Lesern vermutlich nie auffallen würden. Mir zumindest sind wie den Anderen weder haben und würden, noch Leute jemals negativ aufgefallen. Klar, kann man immer von allem zu viel haben, auch Passiv-Konstruktionen, aber komplett vermeiden muss man sie deswegen denke ich auch nicht. Und "Leute" ist für mich ein neutraler Begriff. Wenn man es genauer ausdrücken kann, kann man das ja tun, aber ein Muss ist das m. E. nicht.
Ich habe mal in einem Ratgeber gelesen, dass es unverzeihlich sei, am Anfang des Romans einen Protagonisten aus einem Taxi steigen zu lassen. Habe seitdem etliche Romane gelesen, die so anfingen und fand es trotzdem jedes Mal gelungen..
We are all in the gutter, but some of us are looking at the stars (Oscar Wilde)

Jen

Die eigentlich einzigen Schreibtipps, die ich immer zu beherzen versuche, sind:

- Der Protagonist trifft die wichtigen Entscheidungen bzw. seine Reaktion auf Hindernisse ist die wichtigste. Seitdem kommt es fast nicht mehr vor, dass eine Nebenfigur in einer Notlage den Tag rettet, der Protagonist trägt wie gesagt die Entscheidungsgewalt. Und wenn es ein hektisches, unüberlegtes Drücken auf einen roten Knopf ist.
- Keine Prologe mehr, wenn nicht ABSOLUT notwendig.
- Das Wort "sagte" so wenig wie möglich verwenden und lieber ausdrucksstarke, aber nicht übertriebene Alternativen nutzen.
- Körpersprache ist absolut essentiell (aka Show, don't tell - wow, das reimt sich).

Na? Wollt ihr bei etwas widersprechen? Sicher. Jeder macht seine eigenen Regeln und findet eine Sache gut, andere nicht. Ich meine mich erinnern zu können, dass @Evanesca Feuerblut bei Punkt drei was völlig Anderes macht.
Guilty feet have got no rhythm.

Federstreich

Den ersten Punkt kannte ich noch nicht, macht aber Sinn. Immerhin will man die Geschichte des Protas lesen, nicht die der Nebenfigur. Der Rest passt, auch wenn ich mir an dem Show immer wieder die Finger breche. Statt Inquits benutze ich generell möglichst Handlungen, also z. B. Figur A sagt etwas, während ich sie die Krümel vom Tisch wischen lasse.

Churke

Zitat von: Tex am 08. April 2020, 10:44:28
Ich habe leider keine Ahnung mehr, woher ich das habe. Es könnte aber gut sein, dass die Dozentin vom Schreibkurs meiner Uni dies sagte.

Die wichtigste aller Schreibregeln:
Immer nach dem Grund fragen. Dann weißt du auch, wann die Regel nicht greift.  :) 

LisaKober

Ich denke, es gibt wahrscheinlich tausende Regeln, die man laut Lektoren beachten soll. Vergiß dabei niemals, dass diese Menschen aus ihrer Sicht die Welt sehen und Dinge bewerten. Deinen Lesern geht es vielleicht ganz anders. Ich finde es sehr gut, sich zu informieren, aber man kann dabei ruhig selbst entscheiden, welche Regel man sich zu Herzen nimmt und welche nicht. Du schreibst ja nicht für einen Lehrer, der am Ende deine Arbeit mit einer Note bewertet und dabei nach einem bestimmten System vorgeht, dem du dich unterordnen musst, sondern für dich und Menschen, die ähnlich ticken wie Du.

Ich denke auch oft "Kann ich das überhaupt so schreiben?". Dann denke ich nach, warum ich mir diese Frage überhaupt stelle. Liegt es daran, dass es sich FÜR MICH falsch anhört oder nicht richtig anfühlt? Dann muss ich noch mal ran. Aber wenn du empfindest, dass "Leute" oder andere Ausdrücke sich gut anfühlen, dann bleib dabei. Bei allen Regeln und Hilfestellungen (die sehr wertvoll sein können, keine Frage) kennst nur du dein Buch, seinen Rhythmus und die Atmosphäre, die du erschaffen willst. Es fühlt sich gut an, manchmal einfach zu sagen: "Ich mach das jetzt so, weil ich es gut finde und vertraue mir." Ich bin sicher, wenn du es gut findest, werden es auch andere gut finden, weil es sich authentisch liest. :pompom:

Araluen

#11
Oft ist es auhc so, dass Regeln nicht so absolut gedacht sind, wie sie formuliert wirken. Es geht eher darum, zu sehen, wo ein Text schwach wirken kann und warum. Dabei helfen diese Regeln. Das heißt aber nicht, dass man sie dogmatisch auch überall umsetzen muss.
So sind zum Beispiel Adjektive nicht per se böse. Man sollte sich nur fragen, ob man nicht einen gleichwertigen oder sogar besseren Effekt erzielt, wenn man das Adjektiv weglässt und dafür ein präziseres Substantiv verwendet. Statt der große Mann, was wie alles und nichts wirkt, könnte man stattdessen auch Hühne oder "Berg von einem Mann" schreiben. Das erschafft gleich ganz andere Bilder im Kopf und macht den Text stärker. MIt Leute, haben und würde, sollte das ähnlich sein. Es kommt darauf an, wo man es verwendet und warum und ob es nicht vielleicht durch die Wahl eines anderen Wortes präziser geht.

Gerade in wörtlicher Rede mache ich mir über solche Hinweise aber keine Gedanken, da hier bis zu einem gewissen Grad gesprochene Sprache dargestellt wird und die Leute reden nun einmal nicht, als würden sie es aufschreiben.

Wildfee

 ;D
ich bin ja, was die ganze Schreibtheorie betrifft, immer noch nahezu vollkommen unbedarft und unwissend. Die ganzen Fachbegriffe a la "Kill your darlings" oder "Plot" sind mir erst hier im Forum untergekommen.
Ich bin völlige Bauchschreiberin, in jeglicher Hinsicht. Und so schreibe ich auch meine Texte, aus dem Bauch heraus, höchstens mit einem diffusem Handlungsplan im Kopf und einem Ende vor Augen. Das funktioniert bei Kurzgeschichten auch ganz wunderbar.
Aber mit einer Einschränkung: Ich schreibe im Programm papyrus. Und das hat zu meinem großen Glück die Stilanalyse.

Rate mal, wessen Texte vor roten Markierungen nur so strotzen? Die roten Markierungen halten mir dann vor, dass meine Verben schwach sind oder Modalverben (was zum Teufel ist das überhaupt?) oder gar eine "Verbfaulheit" besteht  ;D
Eben all diese schönen "haben-müssen-wollen-können-tun" Verben. Und dann setze ich mich hin und schaue, an welchen Stellen ich diese Verben ersetzen kann.

Das Ergebnis ist zwar an einigen Stellen immer noch rot, aber nicht mehr so stark wie vorher. Und der Text ist besser und prägnanter geworden.
Das hat die Dozentin des Schreibkurses wahrscheinlich auch gemeint. Schauen, wo man schwache Verben durch aussagekräftigere Verben ersetzen kann.

Das Veilchen

Ich schließe mich hier meinen Vorrednern bzw. Vorrednerinnen an und empfinde derlei Sprache als unumgänglich in wörtlicher Rede, weil es sonst zu gestelzt ist. Wie oft habe ich gerade in Romanen mit jungen Protagonisten perfekte Grammatik, tadellosen Satzbau und all das ertragen müssen? Das verlieh den Charakteren oft etwas, das nicht zu ihnen gepasst hat.
Was mich auch zu meinem nächsten Punkt bringt: Genre und Zielgruppe sollten hier nicht außer Acht gelassen werden. Ich meine damit nicht, dass man sich als Erwachsener auf Teufel komm raus zu einer modernen Jugendsprache zwingen muss, die in den meisten Fällen nicht sonderlich authentisch wird, sobald er/sie einen Coming of Age Roman schreibt. Aber man sollte beachten, dass ein Urban Fantasy Roman für Jugendliche ab 14 einen anderen Jargon tolerieren kann als ein High Fantasy Roman für eine erwachsene Leserschaft. Mit der verwendeten Sprache verleiht man dem Roman ja auch ein entsprechendes Gefühl.
Man sollte daher, meiner Meinung nach, klar zwischen dem und "schlechtem/schwachem Stil" differenzieren. Ich schließe mich da @Araluen total an.