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Aussehensbeschreibungen

Begonnen von HauntingWitch, 01. September 2013, 15:35:16

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Czara Niyaha

Ich habe bereits hier im Forum und dem Beitrag zu meinem aktuellen "Problem" gelesen, und würde gerne wissen wir ihr das handhabt.
Wir als Autoren/innen haben ein sehr genaues Bild von unseren Charakteren vor Augen. Schließlich haben wir sie erschaffen.  ;) Wie lasse ich am besten Beschreibungen meiner (Haupt)Charaktere einfließen, ohne dass der klischeehafte Blick in den Spiegel kommt (ja, ich oute mich ebenfalls als "Spiegelgucker"), um das Aussehen eines Charakters zu beschreiben. Aus der Sicht des Hauptcharakters ist es wesentlich leichter zu schreiben, wie er seine Mitmenschen wahrnimmt, als er sich selbst. Der Leser bastelt sich sein Bild auch aufgrund dessen, wie ein Charakter handelt und agiert, und nicht nur allein wegen der optischen Beschreibung.
Mich interessiert, nach wie viel Seiten habt ihr ein Bild von den Hauptcharakteren vor Augen? Muss sich das komplette Aussehen sofort innerhalb der ersten Kapitel klären, oder gibt ihr euch auch damit zufrieden, wenn ihr die Infos nach und nach erfahrt? Wenn ich allerdings erst auf Seite 100 oder mehr lese, dass der Hauptcharakter lange Haare hat, und ich ihn mir bis zu dem Zeitpunkt mit kurzen vorgestellt habe, dann bringt mich das schon etwas raus, weil der Charakter plötzlich ganz anders aussieht, als in meiner Vorstellung.
Muss eine Charakterbeschreibung immer "vom Kopf bis zu den Zehenspitzen" detailliert beschrieben sein? Nach wieviel Seiten habt ihr das erste Bild eines Charakters vor Augen, und wie lange dauert es ungefähr, bis sich das gefestigt hat? Würdet ihr einem Autor/in verzeihen, wenn das optische Bild des Hauptcharakters erst in späteren Kapiteln fertiggestellt ist? Falls ja, bis wann sollte sich das Aussehen spätestens geklärt haben?
Aus Sicht meines Hauptcharakters geschrieben würde ich nicht die Formulierung wählen:

Tom fuhr sich mit beiden Händen durch sein dunkelbraunes, halblanges Haar und blinzelte mit seinen grünen Augen.

Wie lasse ich den Leser wissen, das Tom dunkelbraune, halblange Haare und grüne Augen hat, ohne dass er sich im Spiegel betrachtet, oder die Perspektive gewechselt, und er aus Sicht von jemand anderem beschrieben wird? Nicht immer bietet eine Situation Möglichkeiten, dass Aussehen eines Charakters zu vermitteln. Und bloß wegen der Beschreibung eine Situation erzwingen, die nur dem Zweck dient, das Aussehen des Charakters zu beschreiben, ist auch nicht die Lösung...

Fluide

#121
Nur kurz, weil am Handy. Und ich habe auch nicht den ganzen Thread gelesen und wiederhole sicher, wenn ich sage: es ist auch Geschmackssache, wie genau man Figuren beschrieben haben will. Mich nerven eher so Infodump-Beschreibungen. Wenn es wichtig ist, ob jemand lange oder kurze Haare hat, will ich das aber nicht erst auf Seite 100 wissen, wo ich mir dann schon ein Bild (mit vielleicht kurzen Haaren) gemacht habe, sondern früher. Aber eine genaue Angabe, bis wann das gesetzt sein muss, kann ich dir nicht machen. Das hängt ja von vielerlei ab. Ich könnte mir vorstellen, dass, wenn es am Anfang zB viel Action bzw Handlung gibt, es ok wäre, danach was zum Äußeren zu erfahren. Ich glaube, wann sich so ein Zeitfenster schließt, lässt sich nicht pauschal sagen. Da braucht man am Ende vielleicht einfach Testleser.

Warum ist es denn wichtig für die Leser:innen zu wissen, dass Tom halblange braune Haare und grüne Augen hat? Ist es nicht wichtiger, wie er die Welt sieht und wie er zu ihr und seinen Mitmenschen in Beziehung steht, was für Dinge er tut? Für mich lassen Bücher Dinge offen, die ich als Leserin selbst befülle, Aussehen gehört für mich in großen Teilen dazu. Für mich ist das auch eine der Schwierigkeiten beim Schreiben: was muss der Leser wissen, damit er sich ein Bild machen kann und das Ganze nicht zu nem Ratespiel wird. Und andererseits, auf was kann der Leser verzichten, wann fange ich an ihn zu gängeln, ihm Sichtweisen aufzudrängen bzw ihn mit unwichtigen Details zu langweilen.
Noch mal kurz zu Tom. Wenn ihm zb seine Haare wichtig sind, wird er sie kämmen oder sonst wie pflegen. Vielleicht wehen sie ihm auch ins Gesicht. Die grünen Augen können in personaler oder ich-Perspektive eigentlich nur auftreten, wenn er besonders stolz darauf ist oder so, weil dann würde er vielleicht tatsächlich in den Spiegel schauen, um seine wunderschönen grünen Augen zu betrachten (zumindest ist das eine Situation, die mir dazu einfällt) oder jemand anderes sagt: wow, deine grünen Augen sind echt krass. Aber auch da wirkt es mMn komisch, d.h. wie infodump, wenn der einzige Grund für diesen Satz der ist, dass die Leserinnen wissen sollen, dass er grüne Augen hat.

Ich denke, wenn äußere Merkmale in Situationen eine Rolle spielen, kann man sie dort beschreiben und es wirkt dann weniger wie infodump oder ein Perspektivfehler.
Do I contradict myself?
Very well then I contradict myself,
(I am large, I contain multitudes.)
Walt Whitman

Graukranz

Für mich sind genaue Beschreibungen als Leser nicht so wichtig, weil ich während der Geschichte sowieso nicht die ganze Zeit daran denke. Es reicht eine grobe Vorstellung der Figur. Bei den grünen Augen denke ich jetzt z.B. sofort an Harry Potter. Wenn ich die Bücher lese und mir Harry vorstelle, denke ich aber nie daran, dass er grüne Augen hat (ausser es wird gerade von einer anderen Figur erwähnt). Die Beschreibung, dass er grüne Augen hat, ist aber trotzdem wichtig, weil sie andere Charaktere an seine Mutter erinnern.

Meine Charakterbögen sind meistens ziemlich umfangreich, aber bei den Beschreibungen im Manuskript versuche ich mich auf wenige wichtige Punkte zu beschränken. Ich überlege mir dann: Ist es wichtig, dass der Leser das weiss? Was macht den Charakter aus? Was würde anderen am ehesten einfallen, wenn sie ihn beschreiben müssten (Haarfarbe, Augenfarbe, Form der Nase, Statur etc.)? Gerade bei der Augenfarbe bin ich eher vorsichtig: Wenn ich Leute treffe, weiss ich am Nachhinein selten, welche Augenfarbe sie hatten, ausser sie fällt wirklich auf.

Als Leser finde ich es schön, wenn auch ein wenig Raum für die eigene Vorstellung gelassen wird. Ob ein Charakter schwarze oder braune Haare hat, ist ja nicht unbedingt für jede Geschichte wichtig.

Am angenehmsten finde ich es immer (wie auch schon im Thread erwähnt wurde), wenn Beschreibungen in Situationen/Handlungen eingebettet werden. Bei einem Kampf oder nach einer Flucht könnte z.B. stehen: «Er strich sich seine verklebten Haare aus dem Gesicht». Dann weiss ich als Leser schon mal, dass die Haare eine gewisse Länge haben.

Es kommt aber auch darauf an, WER überhaupt beschreibt. Es gibt Charaktere, die schauen weniger aufs Äussere, und andere, denen ist es total wichtig. Wenn man einen Ich-Erzähler hat, der gerne alles beschreibt, dann finde ich es auch kein Problem, eine halbseitige Beschreibung einzubauen. Es muss einfach zur Erzählstimme passen.

Bis wann Beschreibungen erledigt sein müssen/sollten, hängt auch davon ab, welche Figur es ist und wie es gemacht wird. Ich finde, es gibt da keine allgemeingültige Regel. Es können z.B. zwei Charaktere erst spät in der Geschichte aufeinandertreffen, und der Perspektiventräger beschreibt etwas, das vorher noch nie erwähnt wurde. Dann geht es aber eher darum, zu zeigen, worauf der Perspektiventräger schaut, und weniger um die optische Beschreibung der anderen Figur. Damit wäre ich aber eher vorsichtig bzw. das muss man meiner Meinung nach gut beherrschen, dass es beim Lesen nicht stört.

Schildkröte

Ich bin vllt etwas spät dran für die Antwort, aber da will ich doch mitmachen  ;D

Zitat von: Czara Niyaha am 27. Oktober 2023, 18:54:52Mich interessiert, nach wie viel Seiten habt ihr ein Bild von den Hauptcharakteren vor Augen?

Kommt ja ganz darauf an, wann der/die AutorIn das schreibt. Wenn erst nichts kommt, male ich mir den Charakter so aus, wie es mir gefällt. Nach ein paar Seiten können die Beschreibungen noch in meine Vorstellung angepasst werden (so im 1. spätestens 2. Kapitel), aber je später es wird, desto eher wehrt meine Vorstellungskraft dann die gewünschten Bilder ab.

Zitat von: Czara Niyaha am 27. Oktober 2023, 18:54:52Muss sich das komplette Aussehen sofort innerhalb der ersten Kapitel klären, oder gibt ihr euch auch damit zufrieden, wenn ihr die Infos nach und nach erfahrt?

Ich finde lange Charakterbeschreibungen gerade zu Anfang irgendwie schwierig. Man will ja einen spannenden, fesselnden Start hinlegen, der die Leserschaft zum Weiterlesen bringt. Nach und nach gebe ich mich gerne zufrieden, solange die wichtigsten Merkmale frühzeitig geklärt sind, für mich: Haare, Augen, Narbe/kantig/...?

Zitat von: Czara Niyaha am 27. Oktober 2023, 18:54:52Muss eine Charakterbeschreibung immer "vom Kopf bis zu den Zehenspitzen" detailliert beschrieben sein?

Ich denke, das raubt dem Leser einiges an Spielraum. Es gibt Punkte, die signifikant wichtig sind. Z.B. Narben, die eine bestimmte Geschichte mit sich bringen und zur Storyline des Charakters gehören. Ob er jetzt auch einen Leberfleck an der oberen linken Ecke seiner Geheimratsecke hat, ist dann weniger wichtig.

Es kommt auch ein bisschen darauf an, was ich lese. Wenn ich gerade eine Geschichte vor mir habe, in der ich mich mit der Hauptcharakterin identifiziere, die gerade einen Mann kennenlernt, mit dem sich eine romantische Affäre entwickelt, dann will ich mir diesen Mann so vorstellen, wie er mir gefällt. Da akzeptiere ich, dass die/der AutorIn eine eigene Vorstellung hat, bin aber irgendwann genervt, wenn er/sie mir diese aufdrücken will und immer und immer wieder wiederholt, dass es anders ist. Das würde ich als Autorin 1x machen und dann nur noch die allerwichtigsten Merkmale wiederholen (z.B. die Charakterprägende Blitznarbe des Jungen, den wir alle kennen.)

... Immer langsam und bedächtig ...

Sparks


Hallo Graukranz und Schildkröte.


Zitat von: Graukranz am 28. Oktober 2023, 16:05:36Für mich sind genaue Beschreibungen als Leser nicht so wichtig, weil ich während der Geschichte sowieso nicht die ganze Zeit daran denke. Es reicht eine grobe Vorstellung der Figur.

So sehe ich das auch. Es muss keine Beschreibung für eine Vermisstenanzeige oder ein Fandungsplakat sein. Aber der Leser sollte schon auf die Schnelle einen gewissen Eindruck von der Person, spezieller deren Habitus bekommen, um zu erahnen, mit wem er es zu tun hat. Egal wie wir z.B.unsere Kleidung wählen, es ist immer auch eine Aussage über uns selber.....natürlich kann man auch bei solchen Aussagen lügen. Hochstapler leben davon.

Beispiele:
"Eine großgewachsene, kräftige Frau mit schweren Brüsten, einem groben aber angenehmen und hübschen Gesicht und schulterlangen, glatten dunklen Haaren, bekleidet mit Reitschuhen, schwarzen Nylongamaschen, einer verwaschenen Jeanshose und einem grün-schwarz kariertem Holzfällerhemd",
"Ein mittelgroßer, bullig wirkender Mann mit fleischigem Gesicht und kräftigen Augenbrauen über klugen Augen und einem grauen Kurzhaarschnitt, auf dessen Kopf eine zerschlissene Feldmütze saß. Bekleidet war er mit Arbeitsschuhen, einer schlammbespritzten schwarzen Cargohose deren Taschen vollgestopft waren, und einer dunkelblauen Jacke aus grobem Baumwollstoff.

Daran ist auch gut zu sehen, dass die Wirkung auf den Leser vom Bias des Lesers selber abhängt. Als ich in meiner Jugend Karl May gelesen habe, fand ich das Aussehen der Figuren "normal", weil ich schon vorher entsprechende Filme gesehen hatte, und eine entsprechende Erwartungshaltung hatte. Als ich dagegen Erich Kästner gelesen habe, erschien mir das Aussehen der Personen sehr merkwürdig, weil er sie in einer vergangenen Gegenwart mit einer anderen Mode beschrieben hat, was mir aber damals nicht bewusst war.

Zitat von: Schildkröte am 18. November 2023, 19:53:17Ich finde lange Charakterbeschreibungen gerade zu Anfang irgendwie schwierig. Man will ja einen spannenden, fesselnden Start hinlegen, der die Leserschaft zum Weiterlesen bringt. Nach und nach gebe ich mich gerne zufrieden, solange die wichtigsten Merkmale frühzeitig geklärt sind, für mich: Haare, Augen, Narbe/kantig/...?

In ein oder zwei Sätzen sollte erst einmal ausreichend Informationen enthalten, mehr würde den Leser schon memnotechnisch anstrengen. Aber ein oder zwei Sätze sind auch nicht zu viel, vor allem wenn sie so formuliert sind, dass sie sich geschmeidig lesen lassen und schlüssig sind.

Zitat von: Schildkröte am 18. November 2023, 19:53:17Wenn ich gerade eine Geschichte vor mir habe, in der ich mich mit der Hauptcharakterin identifiziere, die gerade einen Mann kennenlernt, mit dem sich eine romantische Affäre entwickelt, dann will ich mir diesen Mann so vorstellen, wie er mir gefällt. Da akzeptiere ich, dass die/der AutorIn eine eigene Vorstellung hat, bin aber irgendwann genervt, wenn er/sie mir diese aufdrücken will und immer und immer wieder wiederholt, dass es anders ist.

Darum kann es gerade bei Hauptcharaktern sinnvoll sein, diese Beschreibung sehr allgemein zu Beschreiben, damit gerade dieses nicht passiert. Vielleicht mit passenden Adjektiven den Leser positiv Stimmen?

Theorie: Durch Wandlung des Äußeren auch eine Wandlung der Person beschreiben?

Zitat von: Schildkröte am 18. November 2023, 19:53:17Ich bin vllt etwas spät dran für die Antwort, aber da will ich doch mitmachen  ;D

Ich sehe das selber nicht so eng, ich bin bekennender Thread-Nekromant. ;O)

Ein Thread ist nicht Tod, solange sich jemand dafür interessierst,
und wer Antwortet, interessiert sich ja. ;O)

Viele Grüße
Bernd
Selbsterkenntnis ist der erste Schritt zur Depression

Mondfräulein

Zitat von: Czara Niyaha am 27. Oktober 2023, 18:54:52Muss sich das komplette Aussehen sofort innerhalb der ersten Kapitel klären, oder gibt ihr euch auch damit zufrieden, wenn ihr die Infos nach und nach erfahrt? Wenn ich allerdings erst auf Seite 100 oder mehr lese, dass der Hauptcharakter lange Haare hat, und ich ihn mir bis zu dem Zeitpunkt mit kurzen vorgestellt habe, dann bringt mich das schon etwas raus, weil der Charakter plötzlich ganz anders aussieht, als in meiner Vorstellung.

100 Seiten finde ich persönlich etwas spät, aber ich muss nicht auf den ersten Seiten sofort wissen, wie eine Figur aussieht. Für mich sind Haarfarbe, grobe Frisur (ob kinnlange oder hüftlange Haare macht schon einen Unterschied) und Hautfarbe wichtig. Augenfarbe ist mir persönlich gar nicht wichtig. Diese groben Eckpunkte will ich kennen, und dann noch wichtige Details, die hervorstechen würden. Mich stört es ehrlich gesagt ziemlich, wenn die Haarfarbe nicht erwähnt wird.

Ich kann da keine Seitenzahl nennen. Das hängt zum Beispiel auch davon ab, wie viele Figuren und Perspektiven es gibt, oder was mich an der Geschichte generell in den Bann zieht. Ich war schon genervt, wenn ich nicht früh genug eine Aussehensbeschreibung bekommen habe, aber wie schnell mich so etwas nervt ist von Fall zu Fall unterschiedlich. Es darf aber ruhig organisch in den Text einfließen und muss nicht im ersten Kapitel kommen.

Zitat von: Czara Niyaha am 27. Oktober 2023, 18:54:52Muss eine Charakterbeschreibung immer "vom Kopf bis zu den Zehenspitzen" detailliert beschrieben sein?

Neben den oben genannten Details finde ich vor allem Details wichtig, die die Figur von anderen abgrenzen. Wenn zum Beispiel nicht beschrieben wird, wie groß eine Figur ist und wie sie gebaut ist, dann stelle ich mir erstmal eine ziemlich durchschnittliche Person vor. Diese Details sind bei jeder Figur aber etwas anderes. Piercings. Tattoos. Die Figur trägt nur Schwarz. Sehr bunte Kleidung. Die Figur trägt immer roten Lippenstift. Sie ist besonders groß. Eine auffällige Narbe. Die Details, die sie von anderen unterscheiden. Das kann die Figur gleichzeitig charakterisieren, zum Beispiel, wenn ein außergewöhnlicher Kleidungsstil Ausdruck der Persönlichkeit ist.

Wenn ich zum Beispiel zehn zufällige Personen im Zug herauspicke und versuche, sie zu beschreiben, würde ich nicht bei allen dieselben Details erwähnen. Bei einer Person erwähne ich den Kleidungsstil vielleicht nicht, weil er ziemlich gewöhnlich ist, dafür aber die aufwändige Flechtfrisur. Bei einer anderen Person ist die Frisur ziemlich durchschnittlich, aber sie hat ein sehr auffälliges Make Up. Eine andere Person hat eine sehr auffällige Handtasche. Das kommt immer darauf an, was bei einer Person gerade hervorsticht.

Zitat von: Czara Niyaha am 27. Oktober 2023, 18:54:52Wie lasse ich den Leser wissen, das Tom dunkelbraune, halblange Haare und grüne Augen hat, ohne dass er sich im Spiegel betrachtet, oder die Perspektive gewechselt, und er aus Sicht von jemand anderem beschrieben wird?

Tom weiß ja, dass er braune Haare hat. Nur weil er gerade nicht in den Spiegel sieht, kann ich das trotzdem erwähnen. Das kann man dann zum Beispiel auch so einfließen lassen:

ZitatTom fuhr sich durchs Haar. Er hatte die dunkelbraunen Locken seines Vaters geerbt und nichts sonst, aber das war für seine Mutter genug gewesen, um ihn zu hassen. Sein Vater hatte seine Haare immer lang getragen. Er redete sich ein, dass er nicht nur deshalb zum Rasierer griff, sobald sie ihm bis über die Augenbrauen fielen. Aber vielleicht tat er es doch deshalb. Wenn sie dann wieder nur wenige Millimeter kurz waren, stachen seine grünen Augen viel stärker hervor, und manchmal kam es ihm vor, als würde seine Mutter ihm aus dem Spiegel entgegen blicken. Er wusste nicht, das schlimmer war, auszusehen wie sein Vater oder seine Mutter, aber es ging ihm besser, seitdem über seinem Waschbecken kein Spiegel mehr hing.

Oder auch viel simpler:

ZitatTom fuhr sich durch sein braunes Haar. Es war mittellang und fiel ihm in den nervigsten Situationen in die Augen. Er war schon viel zu lange nicht mehr beim Friseur gewesen. Dafür war neben all seinem Training einfach keine Zeit gewesen. Die Welt ließ sich nicht davon retten, in einem Friseurstuhl zu sitzen.

Das Aussehen einer Figur hat ja mehr Gründe als nur Genetik. Haarfarbe und Haartextur mögen dadurch vorgegeben sein, aber Entscheidungen und Umstände entscheiden, was eine Person damit macht. Legt meine Figur viel Wert auf ihr Äußeres? Oder eher nicht? Aus welchen Gründen entscheidet sie sich für eine bestimmte Frisur? Wie steht die Figur zu ihrem Äußeren? Was verbindet sie damit? In beiden Beispielen (die ich wirklich nur schnell runtergeschrieben habe, sie sind nicht perfekt) erfahre ich mehr über die Figur als nur ihre Haafarbe. Insofern kann ich jede Aussehensbeschreibung mit mehr als nur nüchternen Informationen über das Aussehen verknüpfen.

Und manchmal kann ich auch einfach sagen, dass sich der Protagonist das braune Haar aus dem Gesicht streicht. Wir müssen es uns nicht immer so schwer machen.

selkie

Seht ihr beim Lesen die Protagonist*innen vor eurem inneren Auge? Ich kann mir das total schwer vorstellen, da ich mir beim Lesen kein Bild von den Charakteren machen kann. Also ich sehe sie nie vor mir, trotzdem finde ich es hilfreich, ein paar Aussehens-Details zu haben, da ich ja dennoch auch ein Gefühl für die Figuren entwickle und das Beschreiben wie auch hier im Thread geschrieben deren Charakterisierung unterstützen kann. Aber ich habe noch nie das, was ich lese, bildlich vor mir sehen können. Ich finde das gerade total faszinierend, weil es für mich vollkommen normal war und ich da nie drüber nachgedacht habe, dass Andere das ganz anders wahrnehmen könnten.  :buch:  Stattdessen entwickle ich eher eine Art inneren Katalog, in dem ich so Sachen wie Haarfarbe, Kleidung etc. abspeichere, ohne es wirklich sehen zu können. Figuren merke ich mir über die Art und Weise, wie sie sprechen, auftreten, Gefühle ausdrücken und die Handlung läuft bei mir auch wie eine Art innerer Film ab, nur ohne Bild.

Aber ich wollte jetzt auch nicht voll vom Thema ablenken. Auf jeden Fall fände ich es auch gut, in den ersten Kapiteln ein bisschen etwas über das Aussehen der verschiedenen Charaktere zu erfahren. Es muss nicht direkt am Anfang sein, und auch nicht alles auf einmal, aber das vielleicht immer mal wieder ein paar Infos eingestreut werden. Persönlich erschlagen mich ausufernde Aussehensbeschreibungen ein bisschen und ich mag es in Büchern lieber, wenn immer mal wieder ein paar Infos erwähnt werden, aber nicht so ein ganzer Katalog auf einmal. Und vielleicht kann man beim Beschreiben statt eines Spiegels auf andere spiegelnde Objekte ausweichen? Natürlich nicht die ganze Zeit, aber vielleicht ein oder zwei Mal? Zum Beispiel könnte sich eine Figur im Fenster sehen, wenn es draußen dunkel ist und das Licht an ist. Oder in der Scheibe eines Zuges, oder in der Brille von jemand Anderem. Da könnte man dann ja nur ein oder zwei kurze Augenblicke beschreiben, wo etwa eine Augenfarbe auffällt oder dass die Haare diese oder jene Farbe haben, nicht sehr viel mehr. Oder, dass der Anzug heute ein wenig zerknittert wirkt oder das Kleid im Neonlicht zu grell leuchtet..
For whatever we lose(like a you or a me)
it's always ourselves we find in the sea

(E. E. Cummings)

Badenlebt

Zitat von: meeresschreiberin am 19. Februar 2024, 20:48:15Seht ihr beim Lesen die Protagonist*innen vor eurem inneren Auge?
Ja, ich habe tatsächlich sehr detaillierte Bilder der (Haupt-)Charaktere im Kopf. Das geht sogar so weit, dass ich Filme oder Serien von Büchern nicht schauen kann, wenn die Schauspieler optisch oder vom Verhalten bzw. Körpersprache und Mimik zu stark von den Bildern in meinem Kopf abweichen.

Für mich ist es daher wichtig, dass Personenbeschreibungen in einem Roman eher am Anfang präzise sind und später allgemeiner werden, als umgekehrt. Sind sie am Anfang zu wage und werden dann präziser, habe ich schon ein anderes Bild im Kopf, was dann wirklich schwierig wird.
Ähnlich hat es ja auch Schildkröte beschrieben:
Zitat von: Schildkröte am 18. November 2023, 19:53:17je später es wird, desto eher wehrt meine Vorstellungskraft dann die gewünschten Bilder ab.

Was bei mir auch so ein verwandtes Thema ist, sind Ortsbeschreibungen und dabei ganz besonders Himmelsrichtungen. Mir fällt oft auf, dass Richtungen meist erst nicht genau definiert werden und dann kommt im Verlauf einer Szene sowas wie "sie bogen nach links auf die Hauptstraße ab, die sich vor ihnen scheinbar endlos schnurgerade nach Süden zog" – in meinem Kopf waren sie vorher aber nach Osten, nicht nach Westen unterwegs, so dass sich dann die "Karte" in meinem Kopf verknotet...

Graukranz

Zitat von: meeresschreiberin am 19. Februar 2024, 20:48:15Ich finde das gerade total faszinierend, weil es für mich vollkommen normal war und ich da nie drüber nachgedacht habe, dass Andere das ganz anders wahrnehmen könnten.

Das finde ich auch spannend, dass das so unterschiedlich ist. Mir geht es da ziemlich ähnlich wie meeresschreiberin. Ich ,,unterscheide" Figuren viel mehr über den Charakter und weniger über das Aussehen. Gerade habe ich eine Fortsetzungsgeschichte gelesen, bei der ein Charakter im zweiten Buch lange Haare und im dritten kurze hatte (weil er sich der Mode angepasst hat), und dabei gemerkt, dass es für mich total egal war bzw. dass ich es teilweise auch vergessen habe und ihn mir immer noch mit langen Haaren vorgestellt habe.
In der gleichen Geschichte gab es eine Figur, die das Aussehen nach Belieben ändern und auch andere Figuren nach dem Aussehen komplett kopieren konnte – unterscheidbar waren sie dann nur noch nach dem Charakter/der Sprechweise/den Handlungen. Interessant ist, wie Aussehensveränderungen dann beschrieben werden. Nach jeder Wandlung das Aussehen wieder bis ins kleinste Detail zu beschreiben, wäre mir zu viel.

Zitat von: meeresschreiberin am 19. Februar 2024, 20:48:15Und vielleicht kann man beim Beschreiben statt eines Spiegels auf andere spiegelnde Objekte ausweichen? Natürlich nicht die ganze Zeit, aber vielleicht ein oder zwei Mal? Zum Beispiel könnte sich eine Figur im Fenster sehen, wenn es draußen dunkel ist und das Licht an ist. Oder in der Scheibe eines Zuges, oder in der Brille von jemand Anderem.

Ist jetzt vielleicht nicht genau das Thema, aber bei einer personalen Perspektive denke ich bei solchen Beschreibungen oft: Ist das realistisch? Es kann natürlich funktionieren, je nachdem wie es gemacht ist. Mir ist einfach aufgefallen, dass es mich manchmal beim Lesen rausbringt. Also z.B. wenn sich eine Figur im Spiegel sieht oder in einem Fenster und dann steht: ,,Seine blonden Haare fielen ihm bis über die Augenbrauen." Ich habe in einem solchen Moment noch nie über meine Haarfarbe nachgedacht, höchstens über die Haarlänge. Aber vielleicht geht das euch ja ganz anders?

Zitat von: Badenlebt am 28. Februar 2024, 00:51:27Was bei mir auch so ein verwandtes Thema ist, sind Ortsbeschreibungen und dabei ganz besonders Himmelsrichtungen. Mir fällt oft auf, dass Richtungen meist erst nicht genau definiert werden und dann kommt im Verlauf einer Szene sowas wie "sie bogen nach links auf die Hauptstraße ab, die sich vor ihnen scheinbar endlos schnurgerade nach Süden zog" – in meinem Kopf waren sie vorher aber nach Osten, nicht nach Westen unterwegs, so dass sich dann die "Karte" in meinem Kopf verknotet...

Spannend, geht mir auch so. Dann hilft es, wenn am Anfang des Buches eine Karte vorhanden ist, auf der man sich zurechtfinden kann. Oder wenn die wichtigen/entscheidenden Dinge, auf die der Autor/die Autorin Wert legt, eben am Anfang der Szene klar beschrieben werden, und nicht erst nach einigen Seiten.

Leelo

Zitat von: Graukranz am 29. Februar 2024, 11:35:02Ist jetzt vielleicht nicht genau das Thema, aber bei einer personalen Perspektive denke ich bei solchen Beschreibungen oft: Ist das realistisch? Es kann natürlich funktionieren, je nachdem wie es gemacht ist. Mir ist einfach aufgefallen, dass es mich manchmal beim Lesen rausbringt. Also z.B. wenn sich eine Figur im Spiegel sieht oder in einem Fenster und dann steht: ,,Seine blonden Haare fielen ihm bis über die Augenbrauen." Ich habe in einem solchen Moment noch nie über meine Haarfarbe nachgedacht, höchstens über die Haarlänge. Aber vielleicht geht das euch ja ganz anders?


Ich finde solche Perspektivbrüche auch schwierig zu lesen... In der Ersten Person noch viel mehr als in der Dritten Person. Denn die Perspektivfigur bestimmt ja die Wahrnehmung, nur was dieser auffällt und ihr in diesem Zusammenhang durch den Kopf geht, sollte da stehen.

Eine "Spiegelszene", in der eine Person ihre ganze Erscheinung beschreibt, finde ich deshalb grundsätzlich störend.
Beim Schreiben überlege ich mir dann: Wann fallen mir meine eigenen spezifischen Merkmale aktiv auf? Die Länge meiner Haare vielleicht wenn sie mich stören - und ich denke, dass ich sie mal wieder schneiden sollte. Oder wenn ich grübelnd vor den Tasten sitze und mir beim Nachdenken durch die Haare fahre - die gerade die perfekte Länge haben, um reinzugreifen, die Faust um ein Büschel zu schliessen und daran zu ziehen. ;) Über meine Augen denke ich vielleicht nach, wenn ich ein Foto meiner Tochter und mir anschaue - immer noch schräg die Vorstellung, dass da ein kleines Wesen mit denselben blauen Augen rumläuft, wie ich sie habe! Oder ich sehe jemanden wieder, den ich einige Jahre nicht gesehen habe und mir fallen die Jahre auf, die sich um dessen Augen abzeichnen. Und ich frage mich, ob ich auch so viel älter geworden bin, ob mein Lachen immer noch so strahlt, wie früher immer alle behauptet haben...

Ich finde, es gibt viele Wege, Aussehen "organisch" in einen Text einfliessen zu lassen. Obwohl es relativ früh sein sollte, darf sich meiner Meinung nach das Aussehen über einige Seiten hinweg aufbauen. Hier und da eingestreut und vor allem mit Handlung verbunden - so kann ich es mir als Leserin auch besser merken. Infodump-Aussehensbeschreibungen sind für mich auch immer sehr nichtssagend - und ich vergesse das alles ganz schnell wieder.

Guddy

Thema Spiegelszene:
Ich finde es total realistisch, denn als visueller Mensch, dem Ästhetik sehr wichtig ist, denke ich oft über das aussehen sowohl von mir, als auch anderen Leuten nach bzw vielmehr, ich gucke bewusst an.
Leider trifft mein eigenes Aussehen nicht meinem Sinn für Ästhetik,aber das fließt dann eben auch entsprechend in die Gedanken mit ein.

Dass das nicht allen so geht, ist mir durchaus bewusst, darum würde ich auch nicht aus der Perspektive eines*r jeden Protagonist*in so schreiben. Aber dass es Protas gibt, die sich über den Spiegel bewusst sehen, finde ich sehr realistisch.

Sparks

Zitat von: Graukranz am 29. Februar 2024, 11:35:02Ist jetzt vielleicht nicht genau das Thema, aber bei einer personalen Perspektive denke ich bei solchen Beschreibungen oft: Ist das realistisch? Es kann natürlich funktionieren, je nachdem wie es gemacht ist. Mir ist einfach aufgefallen, dass es mich manchmal beim Lesen rausbringt. Also z.B. wenn sich eine Figur im Spiegel sieht oder in einem Fenster und dann steht: ,,Seine blonden Haare fielen ihm bis über die Augenbrauen." Ich habe in einem solchen Moment noch nie über meine Haarfarbe nachgedacht, höchstens über die Haarlänge. Aber vielleicht geht das euch ja ganz anders?

Das ist ein Punkt, wo eben sehr viel vom konkreten Betrachter abhängt. Ich habe, ausser einenm halbblinden Rasierspiegel von knapp über DIN A4 Größe an meinem Badezimmerschränkchen, überhaupt keinen Spiegel. Das haben vor über 30 Jahren schon Leute so merkwürdig gefunden, dass sie mich verdächtigten, ein Vampir zu sein.  ;D

Entsprechend selten schau ich in einen Spiegel, und im allgemeinen auch nur, um beim Rasieren keine Stelle zu vergessen.
Meistens denke ich mir auch nichts kompliziertes dabei.

Aber ich weiss, dass es vielen Leuten ganz anders ergeht.....

Insofern ist die Überlegung "Ist das realistisch?" eher die Überlegung "Passt das zur beschriebenen Person?" Und hier hängt die Antwort eben an der beschriebenen Person.

Du musst Dich halt irgendwie darauf verlassen, dass die meisten Leser sich diese Situation bei dem beschriebenen Charakter schlüssig vorstellen können,
selbst wenn sie selber anders reagieren würden. Und ich denke, wenn Charakter und Situation zusammenpasssen, wird das bei den meisten Lesern funktionieren.
Selbsterkenntnis ist der erste Schritt zur Depression

Sparks


Zitat von: Czara Niyaha am 27. Oktober 2023, 18:54:52Muss eine Charakterbeschreibung immer "vom Kopf bis zu den Zehenspitzen" detailliert beschrieben sein?

Natürlich nicht. Bei Nebenfiguren langt es oft, nur eine grobe charakterisierende Beschreibung zu haben:
"Der Wirt der Herberge, ein immens dicker Mann mit langen, dünnen, fettigen, grauen Haaren und fleckiger Kochjacke schaute sie verschlagen an."
Das sollte langen, um eine schlechte Meinung von ihm zu bekommen.  ;)

Zitat von: Czara Niyaha am 27. Oktober 2023, 18:54:52Nach wieviel Seiten habt ihr das erste Bild eines Charakters vor Augen, und wie lange dauert es ungefähr, bis sich das gefestigt hat?

Das erste (unscharfe) Bild eines Charakters habe ich, sobald ich den ersten Informationszipfel habe.
Es festigt (schärft) sich mit mehr Informationen und wenn sich daran nichts mehr verändert.
Letzteres führt zum nächsten Punkt:

Zitat von: Czara Niyaha am 27. Oktober 2023, 18:54:52Würdet ihr einem Autor/in verzeihen, wenn das optische Bild des Hauptcharakters erst in späteren Kapiteln fertiggestellt ist? Falls ja, bis wann sollte sich das Aussehen spätestens geklärt haben?

Wenn, z.B. bei einer Heldenreise sich der Charakter ständig weiterentwickelt, so wäre es vermutlich oft passend, wenn sich das auch in seinem Aussehen wieder spiegelt. z.B. das jemand, der immer mehr dem Alkohol verfällt, zunehmend unscharf spricht und auch heruntergekommener und verwahrloster aussieht. In diesem Zusammenhang könnte der Reiz unter anderem darin liegen, dass sich mein Bild des Charakters eben auch die ganze Zeit ändert, und das kann durchaus bis ins letzte Kapitel gehen.

Hängt etwas daran, was Du für ein Puplikum hast..... 

Selbsterkenntnis ist der erste Schritt zur Depression