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Lernen durch Lesen

Begonnen von Feuertraum, 01. Januar 1970, 01:00:00

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Trippelschritt

Zitat von: Christian M. am 01. April 2018, 08:38:48

Also bei Rothfuss bin ich auch noch am Rätseln...habe bisher nur den "Namen des Windes" gelesen und stimme dir 100% zu. Handwerklich...sagen wir mal...Durchschnitt, aber es packt einen dennoch sehr stark. Da ich das Buch nur ausgeliehen hatte, kann ich es nicht nochmal lesen...ich fand die Zusammenstellung der Charaktere in einem sehr engen Raum- und Zeitfenster (Taverne) plus das sehr langsame, behutsame Enthüllen der Hintergründe der Figuren sehr interessant und dadurch fesselnd.
Wenn einer mehr darüber weiß, wie Rothfuss das macht, gerne melden. ;)

Liebe Grüße
Christian

:winke:
Hier gemeldet

In: "Slow regard of silent things" findest Du einen Teil seiner Stärke, der, der mir anfangs die meisten Rätsel aufgab. Vergiss Rothfuss Band 2, weil der um klassen schlechter ist als Name des Windes. Aber das Buch ist es wert, gekauft und studiert zu werden, wenn man etwas lernen möchte durch das Lesen anderer Autoren.

Vielleicht möchstes Du einen Diskussionsthread einrichten, in dem Rothfuss diskutiert wird? Ich wäre dabei.

Trippelschritt

Christian M.

Zitat von: Trippelschritt am 01. April 2018, 10:23:11

:winke:
Hier gemeldet

In: "Slow regard of silent things" findest Du einen Teil seiner Stärke, der, der mir anfangs die meisten Rätsel aufgab. Vergiss Rothfuss Band 2, weil der um klassen schlechter ist als Name des Windes. Aber das Buch ist es wert, gekauft und studiert zu werden, wenn man etwas lernen möchte durch das Lesen anderer Autoren.

Vielleicht möchstes Du einen Diskussionsthread einrichten, in dem Rothfuss diskutiert wird? Ich wäre dabei.

Trippelschritt

Danke für den Tipp, ist bestellt. In welchem Unterforum wäre denn dieser Thread am besten aufgehängt? Finde es immer spannend, über andere Autoren zu sprechen.

Liebe Grüße
Christian

Tigermöhre

Ich lerne besonders gut aus schlechten Büchern.
Denn sie ziehen mich nicht in ihren Bann und wenn ich über irgendwas stolpere, denke ich direkt darüber nach, wie ich es besser machen könnte.
Gute Bücher muss ich mehrfach lesen und analysieren, um das Handwerk dahinter bewusst wahrzunehmen. (Unbewusst sickert da aber bestimmt auch einiges ein.)

Kunstmut

Ich lese seit 2012 den Blog von Patrick Rothfuss. Dort erklärt er an einigen Stellen selbst seine Taktik. Zum Beispiel, wie man mit Kunstpausen Dialoge kurz unterbricht, um eine Zusatzinfo einzubauen, bevor die eigentliche Dialogzeile weitergeht. Oder warum es besser ist, drei bis fünf Dinge bei Beschreibungen zu erwähnen, als entweder gar nicht zu beschreiben oder langweiliges Infodumping zu bringen. Letztlich ist das, was Rothfuss macht aber kein Geheimrezept. Es ist einfach gutes Erzählen, jedenfalls, wenn man als oberstes Ziel hat, möglichst viele Leser zu haben. Sowas findet man in allen Klassikern. Schaut euch den Ghibli Film When Marnie Was There an und lest das Kinderbuch von Joan G. Robinson. Charles Dickens, Mark Twain, Astrid Lindgren, Selma Lagerlöf, Rudyard Kipling usw. usw. konnten das auch alle.

Das Konzept funktioniert nach dem "persuasive writing". Die Autoren wollen von möglichst vielen Menschen gelesen werden und wählen daher einen Stil, der sich flüssig lesen lässt. Somit muss sich niemand anstrengen, um schwierige Sätze zu entschlüsseln. Man lese mal auszugsweise "Gedanken und Erinnerungen" - Otto von Bismarck. Und im direkten Vergleich "Die Leiden des jungen Werther" - Goethe. Die Methode ist psychologisch so simpel wie genial: Schreibe angenehm kurz und verständlich. Sei warmherzig und vertraut, wie ein Freund, der nette Briefe schreibt, und du wirst gelesen. Noch ein Beispiel: Bestseller Autorin Elisabeth von Heyking - Briefe, die ihn nicht erreichten (1903). Diese Technik der künstlich arrangierten Vertraulichkeit ist sozusagen das schriftliche Äquivalent zu einer ruhigen tiefen Stimme. (Jim Morrison oder Johnny Depp Interviews sind sooo entspannend). Kein Wunder, dass es ständig im Marketing eingesetzt wird.

Oder aktuelle Beispiele. Man nehme Sachbücher aus dem suhrkamp Verlag oder versuche sich an den hochtrabenden Nachworten innerhalb der reclam universalbibliothek. Oder schaue in den wissenschaftlichen Bereich. Es ist alles überladen von Neologismen des subjektiv empfundenen spatial turns in der dekonstruktivistischen Anschauung der reziproken Postmoderne. (Am besten schreiben meist Menschen, die an einem Punkt ihres Lebens mal intensiv Grammatik gepaukt haben). Schau ich mir dagegen zum Beispiel 'Die fließende Königin' oder 'Tintenherz' an, um mal in der Fantasy zu bleiben, dann sind diese Bücher geradezu einfach, ja kindlich geschrieben.

Natürlich wollen nicht alle Autoren Pageburner schreiben. Diverse Themen sind eben einfach trocken. Erläuterungen zum BGB werden nicht die Spannung eines Thrillers haben. Oder diese Gemütlichkeit von 'Momo'. Auch abseits von Sachbüchern wollen manche Autoren absichtlich provozieren, anstrengen, schmerzen. Wenn man Kafka liest, ist das eher eine Qual, aber er wollte eben nicht 'everything is awesome' schreiben. Aber ganz wichtig, zumindest nach meiner Meinung, sind die Erzählzeit und eben der Sprachstil. Es muss nicht viel Plot oder viele Charaktere geben. Wenn der Stil weggeht wie Waffeln mit Nuss Nougat Creme, Marmorkuchen mit Puderzucker und Pfannkuchen mit Ahornsirup dann nehme ich das doch eher als Kohlsuppe oder einen Beilagenteller mit Sauerkraut. Und wenn ich von einem Buch nicht mit tausend Seiten Langeweile erschlagen werde, sondern stattdessen schon hundert Seiten richtig fetzen, warum brauch ich da mehr? Jeder Autor sollte jedes Jahr Shakespeare studieren, um zu verstehen, wie Minimalismus funktioniert. Leser sind nicht blöd, viele Dinge muss man nicht erklären. Was uninspiriert und öde wirkt, kann weg. Dann reden die Menschen die nächsten vierhundert Jahre drüber.

Ich mag es jedenfalls, wenn mir ein Buch bereits bei der ersten Lesesession (sagen wir drei Stunden) schon jede Menge Futter gibt. Dann hab ich auch Lust, weiterzulesen. (Ein richtiger Knaller in der Hinsicht war 'Metro 2033').

Marandris

Hallo,
ich klinke mich in das tolle  Thema mit ein, weil ich der Meinung bin, dass man durch das Lesen eindeutig viel lernen kann  :buch: Früher war ich ein Vielleser, hab an einem Tag ein Buch mit 400 Seiten beendet und konnte sogar das nächste anlesen. Jetzt mit meinem Brötchenjob, einem kleinem Kind und Deadlines die ich einhalte muss, bleibt mir kaum noch Zeit dazu. Als ich mehr gelesen habe, hatte ich keine Probleme verschiedene Synonyme zu finden. Sogar Redewendungen zu verwenden und das Schreiben an sich war viel unkomplizierter. Wörtern flossen einem leichter zu, wenn man etwas beschreiben wollte. Man erinnerte sich besser an Fachausdrücke. Ohne Bücher hätte ich niemals Begriffe wie "trutzig"  oder "Treppenflucht" kennengelernt. Durch das viele Lesen kennt man sich auch besser damit aus wie man welches Satzzeichen setzt, denn es ist gleichzeitig Abenteuer erleben und merken/lernen.

Vom Abschreiben halte ich generell gar nichts, weil ich meine Geschichten erst mit der Hand schreibe, sie dann am PC übertrage und währenddessen schon mit der Korrektur beginne. Ich wüsste nicht, inwiefern mir das helfen sollte zu begreifen, wie ein anderer Autor seine Geschichte geschrieben hat. So etwas erfasst man während des Lesens  :)

Liebe Grüße, Christina