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Revolution!!!

Begonnen von Koboldkind, 15. April 2020, 16:00:52

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Koboldkind

Hej,

eigentlich will ich nur diesen TedTalk von Srjda Popovic über die Macht von Laughtivism teilen, wie man Revolutionen gewaltfrei und irritierend gestalten kann.
Gewaltfrei, klar, Ghandi und Luther King kennt man, in unserer Gesellschaft wäre es das Mittel der Wahl, hoffe ich. Irritierender Aktivismus, hab ich auch shcon von gehört, natürlich von Antiterroranaschlägen (Literarisch) oder von Komikern als Bürgermeister (Island). Und dann dachte ich mir, Revolution schreiben ... uff, schwer?

Beschäftigt sich von euch jemand mit Revolution? Ich dachte kurz, in der Fantasy ist ja eher die Intrige, der Heugabeln und Fackeln schwingende Mob oder eine ausgewachsene Schlacht das Mittel der Wahl. Aber eine Revolution? Wie sieht das bei euch aus, ist etwas schwierig, was sind eure Quellen? Ich kann mir vorstellen, dass eine Revolution von unten verdammt groß ist (Revolution mit Militär ist eher ... meh, passiert schnell mal, siehe Türkei), aber sicher geht das auch in einer Kurzgeschichte unterzubringen.

... hm, wenn ich drüber nachdenke, ich hatte eine Kurzgeschichte, in der Arbeiteraufstände wie bei uns in den frühen 1900er Jahren als Setting diente. Es ging nur um eine kleine Konstellation, wo Wurfzettel sicher degruckt und verteilt werden mussten, eine erfahrene Saboteurin und ein angehender Aufstands-Anführer. Könnte auch etwa in diese Kategorie fallen. Dadurch, dass ich nur diese kleine Bühne hatte, ging es recht gut, war jetzt kein Abriss der Geschichte der Arbeiteraufstände, mit denen man ganze Seminare füllen kann. Aber ich mochte es :)
Wer jetzt nicht wahnsinnig wird, muss verrückt sein.

Möwe

Spannendes Thema! ;D

Und ich schreibe gerade eine Revolution, beziehungsweise hab eine geschrieben, momentan liegt der Roman bei Betalesern. Aber ja, uff, ist das schwer. Ich orientiere mich bei meiner Revolution an der Russischen Revolution und das, weil der Roman (absichtlich) viele Parallelen dazu hat. Deswegen hab ich auch viel Literatur dazu gelesen, teils im Internet, teils in dem fetten Buch über russische Geschichte, das ich mir gekauft habe. :rofl:

Was mir zum einen schwer gefallen ist, ist die Vielzahl der Akteure, eine Revolution braucht ja nicht gerade wenig Köpfe. Ich hab im Roman mehrere Bewegungen eingebaut, und es war nicht immer einfach, im Blick zu behalten, welche Ziele sie haben und was für Pläne sie verfolgen.

Ein weiterer Punkt, den ich schwierig fand, war die Zeit. Mein Roman erstreckt sich über den Zeitraum von etwas weniger als einem Jahr und eigentlich ist das zu wenig. Oftmals zieht sich das ja auch über die Jahre. Aber das wollte ich nicht.

Aber ich muss sagen, alles in allem hat es total Spaß gemacht. Ich hatte drei Perspektivträger, alle mit unterschiedlichen Ansichten und verschiedenem Background, da konnte man die Sache wunderbar aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchten. Und mir hat es überraschend viel Spaß gemacht, politische Reden und Diskussionen zu schreiben, da hab ich mir im Vorfeld noch große Sorgen gemacht. :D

Ich bin auch sehr gespannt, wie es im nächsten Teil weitergeht (vermutlich im nächsten Nano), und da mein Tzar nun tot ist und eine neue Regierung aufgebaut werden muss, bleibt es wohl spannend. Falls also jemand gute Literatur über Revolutionen und die Zeit danach hat, bin ich sehr offen dafür. ;)
How do you write like tomorrow won't arrive?
How do you write like you need it to survive?
How do you write every second you're alive?
(Hamilton - Non-Stop)

Aphelion

Auch ein Heugabelmob und eine Intrige können zur Revolution gehören. :) Bürgerrechtsbewegungen sind für mich wiederum keine Revolutionen, weil das politische System nur leicht modifiziert, aber nicht grundlegend verändert wird.

Ich schreibe erschreckend oft über Revolutionen. ;D In einem mehrteiligen Projekt gibt es gleich drei (oder 2.5), weil ich es einfach liebe, alles über den Haufen zu werfen und meine Figuren darauf reagieren zu lassen. Eine der Revolten ist allerdings nicht erfolgreich - quasi der Versuch einer Gegenrevolution nach einer bereits eingetretenen Umwälzung. Die dritte Revolution in diesem Projekt findet erst später statt und die Ausgangsbedingungen sind völlig andere. Meine Protas stehen auch mal auf der Seite der Mächtigen und mal auf der Seite der Kleinen Leute, die die Revolution selbst herbeiführen wollen. Das war mir wichtig, um mehr Abwechslung ins Spiel zu bringen. Abgesehen davon passiert das schnell, wenn sich die Machtverhältnisse ändern.

Das Revolutions-Motiv hatte ich ursprünglich gar nicht geplant, aber es hat sich aus logischen Gründen aus der Geschichte heraus ergeben. In den meisten realen Ländern ist vor und nach Revolutionen der Wurm drin, das Land geht nicht einfach von einem stabilen System zum nächsten über.

Die französische Revolution ist ein gutes Beispiel dafür, wie viele Aufstände und (meist gescheiterte) Revolutiönchen es drumherum gibt. Ein aktuelles Beispiel ist der Arabische Frühling mit seinen diversen Veränderungen.

Ich wähle beim Schreiben meistens ebenfalls lieber die Randperspektiven: nicht die großen Strategen, sondern Menschen, die einfach nur ihr Leben leben oder eine kleine Aufgabe erfüllen. Diese kleinen Aufgaben können durchaus über den Erfolg oder Misserfolg der gesamten Revolution mitentscheiden, aber die inhaltliche Vogelperspektive läuft bei mir meistens eher nebenbei und gibt "nur" den Rahmen für das konkrete Geschehen vor.

Eine Ausnahme bildet eigentlich nur das bereits erwähne Projekt mit den 2,5 bis drei Revolutionen. Da haben gleich zwei Protas die A-Karte und stehen ganz an der Spitze.  :d'oh:

Churke

Revolutionen sind paradox. Das verhasste Regime ist zu schwach, um sich zu wehren. Ludwig VXI. wollte modern, liberal und weltofffen sein. Die Oktoberrevolution putschte eine schwächliche Übergangsregierung beiseite. Und Ghandi ertrotzte die Entlassung aus einem Empire in Abwicklung.

Unterscheiden muss man auch zwischen einer zielgerichteten Revolution, einem einfachen Aufstand und einem von außen inszenierten Regime Change, also eine verdeckte Intervention. "Wir heuern ein paar Jungs an und schicken sie in die Schweinebucht."


Möwe

Ich freu mich gerade, weil ich ein Buch gefunden habe, das mir super bei meiner Revolutionsrecherche weiterhilft. Wenn man Artikel über Revolutionen oder auch Geschichtsbücher liest, bleibt alles doch eher auf einer Makroebene, so kam es mit zumindest vor. Es wird von Ereignis zu Ereignis gesprungen, viele Infos gestreut, die nicht immer eingebettet oder erklärt werden. "Meine" Revolution orientiert sich ja sehr an der Russischen Revolution und dazu habe ich ein Buch von Douglas Smith gefunden. "Der letzte Tanz - Der Untergang der russischen Aristokratie" belichtet Einzelschicksale, beziehungsweise vor allem das Schicksal zweier Familien. Ich bin jetzt knapp bei einem Drittel und es hilft mir enorm dabei zu verstehen, wie die Welt nach der Revolution ausgesehen hat. Es kommen immer wieder Zeitzeugen zur Sprache, teils aus Interviews, teils aus alten Briefen und das ist für mich viel mehr Wert als Fakten, da sie Gefühle vermitteln. :)

Ich dachte ich schreib das mal, denn vielleicht hilft das ja auch einem weiteren Revolutionsplaner hier. :flausch:
Was für Quellen nutzt denn ihr so, wenn ihr euch mit Revolution beschäftigt?
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(Hamilton - Non-Stop)

FeeamPC

Dr, Schiwago. Der Film hat mir als Kind ein sehr einprägsames Bild einer Revolution gegeben. Klar, kitschig und bestimmt nicht akkurat, aber dafür ein Hit.

Das Problem bei Revolutionen ist, dass sie meist das Pendel sehr stark zur anderen Seite bewegen und im Prinzip daher die Ungerechtigkeiten nur verlagern. Was meist mit einemhohen Blutzoll einhergeht.

Möwe

Dr. Schiwago hab ich schon mal gesehen, allerdings ist das schon eine Ewigkeit her. Vlt wiederhole ich das mal wieder, danke für den Tipp. :)

Zitat von: FeeamPC am 18. Mai 2020, 10:19:01
Das Problem bei Revolutionen ist, dass sie meist das Pendel sehr stark zur anderen Seite bewegen und im Prinzip daher die Ungerechtigkeiten nur verlagern. Was meist mit einemhohen Blutzoll einhergeht.
Oh ja, in dem von mir oben genannten Buch zeigt sich das sehr stark. Der ehemaligen Aristokratie wurde in Russland null die Chance gegeben, sich irgendwie in der neuen Gesellschaft einzugliedern. Stattdessen wurden sie regelrecht verfolgt, obwohl sie bereits nichts mehr hatten.

Die Sache mit dem Pendel finde ich auch beim Schreiben von Revolutionen sehr spannend, da das sehr deutlich zeigt, dass es keine "gute" und "böse" Seite gibt. Das ist immer Ansichtssache, und das mag ich bei Büchern generell sehr. Ich bin sowieso ein großer Fan von "grauen" Charakteren, die keine klaren Sympathieträger sind, und die bieten sich für solche Romane ja auch an. Ich versuche bei mir die Revolution von möglichst vielen Seite zu beleuchten, damit dieses Dilemma "was für den einen gut ist, schadet dem anderen" auch sichtbar wird.
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(Hamilton - Non-Stop)

Churke

Von Dr. Schiwago erfährt man halt nicht, wer da alles rumgefingert und gesponsert hat.  ;)


Zitat von: FeeamPC am 18. Mai 2020, 10:19:01
Das Problem bei Revolutionen ist, dass sie meist das Pendel sehr stark zur anderen Seite bewegen und im Prinzip daher die Ungerechtigkeiten nur verlagern. Was meist mit einemhohen Blutzoll einhergeht.

Revolutionen werden häufig von Minderheiten betrieben und wer in der Minderheit ist, muss zwangsläufig Gewalt einsetzen. Die Theorie der ewigen Revolution ist auch ein Klassiker, denn die "Revolution" ist der Ausnahmezustand, mit dem die Herrschenden ihre absolute Macht legitimieren. 


FeeamPC

Revolution ist Machtverlagerung, aber keine Legitimierung. Legitimierung erfolgt über andere Mechanismen.

Mara

Jetzt bringt ihr mich echt auf Gedanken :D Ich habe bisher noch keine Revolution geschrieben, nur einen geplatzten Putschversuch. Aber ich lese total gerne über Revolutionen, weil ich Ideologien in Fantasywelten super interessant finde.
Als Lesestoff kann ich auf jeden Fall die Duellanten-Trilogie von Julia Knight empfehlen. Die spielt ausschließlich in der Zeit nach einer großen Revolution und beschäftigt sich mit den Spätfolgen, gesellschaftlichen Umwälzungen, Gegenrevolutionären etc. :buch: