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Schreiben Kleinverlage jemals schwarze Zahlen? (Werbung, Messe etc)

Begonnen von Fianna, 02. Februar 2017, 15:44:26

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Fianna

Ich hatte gerade hinter den Kulissen eine interessantes Gespräch, bei dem ich zu meinem grossen Erstaunen bemerkte, dass jemand einer Anthologieausschreibung zwiegespalten gegenüber steht, weil keine Honorarabrechnungen gemacht werden.

Erstaunt war ich vor allem, weil ich bemerkt habe, dass ich in der Diskussion von einer ganz bestimmten Annahme ausging: mit allem, was der Verlag macht, schreibt der garantiert keine rote Zahlen. Ich bin davon ausgegangen, dass engagierte Kleinverleger ohnehin dazu buttern und ja, auch wenn man das vielleicht rein wirtschaftlich sehen sollte (wozu arbeiten ohne Bezahlung?), habe ich immer die Neigung, in solchen Fällen zu denken: och, ist doch egal.

Aber dann habe ich mir gedacht: stimmt das überhaupt? Ja, manche von den größeren Designern sind teuer und wenn jemand in zig Stunden ein Cover malt, ist das auch nicht billig und die Messestände sind verdammt teuer... Aber andererseits, es hat erst kürzlich jemand geschrieben, kleine Druckauflagen wären viel günstiger als vor zehn Jahren.


Ist das von mir nur so eine romantische Vorstellung, eine Art Autorenmythos, dass - sämtliches Engagement zum Erfolg der Bücher zusammen genommen (also inkl. Kosten Messestände usw) ein Kleinverlag streng genommen keine schwarzen Zahlen schreibt und immer vom Verleger bezuschusst wird?


So viele Kleinverleger sind hier ja nicht, aber vielleicht wisst ihr ja so etwas, weil ihr als Autor, Herausgeber usw. Einblicke habt. Ihr müsst ja nicht sagen, um welchen Verlag es geht, mir gehts nur generell um Meinungen von Leuten, die vielleicht besser informiert sind.

Das war nämlich mein Einwand in diesem Gespräch über Anthologiehonorar zahlende (oder nicht zahlende) Verlage. Und sobald ich selbstbewusst mein Argument vorgebracht hatte, dachte ich mir: wirklich?! Stimmt das, bist Du Dir sicher?!
Nein.
Bin ich nicht.

Was sagt ihr: Autorenmythos oder bittere Realität?

FeeamPC

Schwarze Zahlen?
Oft nicht.
Manchmal aber doch.
Und wenn ein Verlag, auch ein Kleinverlag, andauernd nur minus machen würde, sähe das Finanzamt den Verlag als Hobby an, und das wär's dann endgültig.

Also: Ein Verlag, der bestehen möchte, muss zwingend zwischendurch auch Jahre haben, in denen er ein Plus macht, und ansonsten, wie es so schön beim Finanzamt heißt, Gewinnerzielungsabsicht erkennen lassen.

Wieviel Gewinn, das ist eine ganz andere Frage. Um davon leben zu können? Das schafft kaum einer. Ich kenne jedenfalls keinen Kleinverlag, der ohne externe Finanzspritzen den Lebensunterhalt seiner Betreiber finanziert.
Die meisten sind froh, wenn im Jahr ein Wellnesswochenende übrig bleibt. Oder auch nur ein anständiges Abendessen.

Messen sind teuer, die müssen erwirtschaftet werden, ja. Aber verzichten kann man auf Messen, Cons und dergleichen Werbung nicht ganz, denn woher sollen die Käufer kommen, wenn den Verlag und seine Bücher niemand kennt? Also landet das meiste Geld, das verdient wird, erst in der Herstellung neuer Bücher und dann in der Werbung für eben diese Bücher, und ganz, ganz weit hinten kommt dann der Anteil, den Autoren und Verlag sich auch noch teilen müssen. Mikriges Geld für beide, das gebe ich zu, aber immerhin so etwas wie eine Bestätigung, dass man irgendwie doch auf dem richtigen Weg ist. Fehlt nur das kleine Quentchen Glück, das aus einem Kleinverlag vielleicht irgendwann mit dem richtigen Autor und dem richtigen Titel zur richtigen Zeit ein florierendes Unternehmen macht. Man gebe mir einen Harry Potter ...

P.S: Anthologien rechnen sich, wenn man, wie Torsten Low, ständig mit seinen Büchern auf Cons und Messen präsent sein kann und entsprechendes Stammpublikum hat. Aber auch bei ihm rechnet sich nicht jede Anthologie.
Bei mir sind die Anthologien, wenn ich alle in einen Topf werfe, ein Minusgeschäft, auch wenn die eine oder andere durchaus ein Plus gebracht hat. Daher kann ich Verlage verstehen, die für Anthologien kein Honorar zahlen wollen.
Natürlich verstehe ich auch die Autoren, die Honorar sehen wollen. Egal, wie wenig es ist, es ist eine Bestätigung, dass man etwas geschaffen hat, das nicht wertlos ist.
Aber da hat halt jeder seine eigene Ansicht.
Der für mich persönlich wichtigere Teil ist, dass Anthologien Spaß machen und man dadurch Kontakte zu guten Autoren bekommt. Und, wenn man selbst welche schreibt, zu netten anderen Verlegern.

Angela

Keine Honorabrechnung und kein Geld zu bekommen, sind für mich zwei verschiedene Paar Schuhe. Ich erwarte nicht, für eine meiner veröffentlichten Geschichten echt groß was zu erhalten, aber eine Abrechnung hätte ich dann schon gern, warum ich dann nichts bekomme. Ich schicke nur was an Verlage ein, die sich da bisher noch nicht als unzuverlässig gezeigt haben.

Kaeptn

Ich denke, man darf auch nicht vergessen, wie viel Geld immer gebunden ist. Kann also sein, dass bei einem Verlag am Jahresende nicht viel übrig bleibt für eine Privatentnahme, aber das Geld steckt eben in schon gedruckten Printbüchern, schon lektorierten, aber nicht veröffentlichten Büchern...

Aber es gibt auch Kleinverlage die hauptberuflich geführt werden, also wenigstens eine gewisse Summe kommt da wohl schon rum, vielleicht aber nicht nur mit Büchern (im Falle von Prometheus sind's z.B. die über Crowdfunding finanzierten Rollenspiele). Die Kleinverlage, die dauerhaft Miese machen, gibt es wohl nicht allzu lang.

Grummel

Das ist zwar nur ein Randthema des ganzen und meine Meinung, aber bei einer Anthologie KEIN Geld zu bekommen, finde ich grundsätzlich nicht so schlimm. Ich lese die Ausschreibung, schaue mir den Verlag an und entscheide dann, ob ich da mitmache oder nicht. Ja, ich muss nicht vom Schreiben leben und gönne mir diesen Luxus. Als Newcomer ist es manchmal nicht verkehrt. Die Grundsatzaussage (ich weiß aber nicht, ob der Gesprächspartner von Fianna das so meinte) wenn ich kein Geld kriege, schreibe ich nicht ist nicht immer der richtige Weg. Übrigens bin ich bei fünf Kleinverlagen verlegt und bekomme von dreien Honorarabrechnungen. (Einen Verlag gibt es nicht mehr und bei dem anderen war eben kein Honorar vereinbart.)
"Kaffee?"
"Ja, gerne."
"Wie möchtest du ihn?"
"Schütte ihn mir einfach ins Gesicht!"

Lothen

Na gut, dann gehe ich mich halt doch mal outen. :D

Erstmal bin ich nicht so begeistert, dass meine Aussage, die ich im Privaten getätigt habe, hier reingezerrt wird, anonym hin oder her, weil wenn, dann möchte ich auch die Möglichkeit haben, etwas dazu zu sagen. In dem Fall hatte ich eigentlich kein Interesse, das riesig aufzubauschen und eine Grundsatzdiskussion zu entfachen, sondern wollte nur meine Meinung dazu kundtun, aber gut, sei's drum. Kind in den Brunnen gefallen.

Ja, ich hab mich in einem speziellen Fall kritisch dazu geäußert, dass kein Honorar bei einer Ausschreibung gezahlt wird, einfach weil ich überrascht war, dass der Verlag - der sehr viel mit seinen Anthos wirbt und damit auch recht erfolgreich scheint - die Autoren nicht direkt mitbeteiligt. Das war alles. Und in dem Zusammenhang hab ich auch Bedenken geäußert, an der Ausschreibung mitzumachen, weil das eine umfangreiche Recherche erfordert hätte, bei der ich vermutlich viel Zeit hätte investieren müssen.

Ich möchte aber @Grummel und @FeeamPC  auf jeden Fall zustimmen: An einer Ausschreibung nicht teilzunehmen, nur, weil es kein Honorar gibt, sollte nicht der ausschlaggebende Grund sein. Hauptsache ist, es macht Spaß, man kann Kontakte knüpfen, ein bisschen Erfahrung sammeln und den eigenen Namen etwas bekannter machen. Bei der Flut an Ausschreibungen, die es gibt, kann es bei mir aber schon sein, dass ein Honorar einen positiven Ausschlag gibt, weil ich es einfach schön und wertschätzend finde, wenn Kleinverleger trotz ihrer finanziellen Engpässe noch Raum finden, die Autoren zu beteiligen.

So. Jetzt sind hoffentlich alle Missverständnisse ausgeräumt. :D

chaosqueen

@Lothen: Ich habe Fianna nicht so verstanden, dass sie irgendwen an den Pranger stellen wollte und niemand wäre davon ausgegangen, dass das Gespräch mit Dir lief, wenn Du es jetzt nicht selbst gesagt hättest.
Ich habe Fianna so verstanden, dass sie sich eben ihrer eigenen Aussage nicht sicher war, dass Kleinverlage nie schwarze Zahlen schreiben, weniger darum, dass sie ihrem Gesprächspartner eine falsche Meinung unterstellen wollte.

Ich habe zwar keinen Verlag, aber ein kleines Unternehmen und unterschreibe daher bei der Fee: Wenn man nie schwarze Zahlen schreibt, findet das Finanzamt einen irgendwann doof und unterstellt, dass man nur ein Hobby betreibt. Das ist blöd, weil man dann (meines Wissens) seine Einkäufe nicht mehr von der Steuer absetzen kann und die schwarzen Zahlen dann noch länger auf sich warten lassen.
Ich habe fünf Jahre gebraucht, bis ich das erste einigermaßen schwarze Jahr hatte. Und ich hatte auch oft das Problem, dass mir Leute Hilfe in bestimmten Bereichen angeboten haben, die ich nicht hätte bezahlen können - das ist dann in etwa vergleichbar mit den Autoren, die für Anthologien kein Honorar bekommen und eben selber entscheiden, ob sie es nur für Ruhm und Ehre machen. ;)

Letztlich muss jeder Verlag wirschaftlich agieren, wenn er überleben will. Wer ein paar Millionen geerbt hat, kann das problemlos auch als Liebhaberei betreiben (und hat dann vielleicht sogar das Glück, dass er gerade wegen des wegfallenden finanziellen Drucks Erfolg hat), aber langfristig ist unser System einfach so angelegt, dass Erfolg und Bestand in finanziellem ERfolg gemessen werden. Isso. Finde ich auch doof, aber von "hey, du hast da ein großartiges Buch verlegt!" (oder in meinem Fall "deine Prpdukte sind soooo toll!") wird man eben nicht satt.

treogen

Zum einen muss man sich mal vor Augen halten, was Kleinverlag wirklich heißt.
Kleinverlage sind Unternehmen mit einem Jahresumsatz kleiner 2 Mio Euro.
Das ist ein ganzer Sack Geld. Und da zählen dann auch ganz schön viele Firmen dazu, die in der Wahrnehmung gar nicht soooo klein sind.
Zum anderen werden zu den Kleinverlagen oftmals auch sogenannte Kleinstverlage gezählt - also Verlage, die weniger als 17.500 Euro im Jahr Umsatz erwirtschaften.

Bei dieser riesigen Spannweite ist natürlich alles dabei:
Verlage, die eigentlich gar nicht existieren könnten, würden die Verleger nicht jedes Jahr 20.000 Euro reinschieben.
Verlage, die tatsächlich so gut laufen, dass sie einen oder mehrere Festangestellte haben.
Verlage, die bei plus/minus Null rumkrebsen.
Verlage, die sich Stück für Stück immer weiter vorwärts bewegen.

Mein Verlag hat die ersten Jahre schwarze Zahlen geschrieben, dann durch ein recht schnelles Wachstum gegen 2008/2009 ein paar Jahre rote Zahlen, seit 2012 wieder schwarze.
Alles in allem schwankt gerade das Anthologiegeschäft sehr stark.
In meinem Autorennewsletter und in der Autorengruppe poste ich regelmäßig Antho-Verkaufszahlen. Da ist dann tatsächlich alles mögliche dabei: von der Antho, die nach 3 Monaten in die Nachauflage geht bis hin zur Antho, bei der ich nach 4 Jahren noch auf Restbeständen der Erstauflage (300 Stück) sitze.
Mein großer Vorteil dabei ist, dass wir als Familie gerne auf Veranstaltung sind und ich deswegen tatsächlich auf mehr als 30 Events im Jahr anzutreffen bin. Mein zweiter Vorteil ist, dass ich mich nicht scheue, für meine Autoren zu lesen - denn Bücher verkaufen sich über Lesungen.
Wenn ich diese beiden Dinge nicht machen würde, würde es mir gehen wie vielen meiner Kollegen und ich würde bei vielen Anthos die 100er Marke nicht knacken.

Trotzdem ist es bei jeder Antho ein Kampf, in die Gewinnzone zu kommen. Eigentlich bin ich da erst, wenn ich in die Nachauflage gehe. Und zwar auch nur, wenn ich ein paar rege Autoren habe, über die die Bücher weggehen (statt über das Barsortiment). Erst dann fange ich an Geld zu verdienen. Und es gibt tatsächlich einige Anthos - auch sehr gute und schöne Anthos, die wahrscheinlich nie in die Gewinnzone kommen werden. Trotzdem sind es geile Bücher.
www.verlag-torsten-low.de

Phantastik vom Feinsten

Trippelschritt

Ich bin zwar kein Kleinverleger, aber arbeite mit zwei Kleinverlagen zusammen. Der eine exisitiert bereits seit vielen Jahren ist bekannt für seine Anthologien und ist bei jeder Anthologie froh, wenn er die Druckkosten wieder hereinbekommt. Das typische Bild des Idealisten stimmt in diesem Fall. Und reich wird dieser Verlag wohl nie werden.
Der andere ist eine Neugründung vor wenigen Jahren. Er hat ein ganz anderes Geschäftsmodell und auch ein wenig Glück gehabt. Er arbeitet vorzugsweise mit Ebooks, aber nicht ausschließlich. Dieses Geschäftsmodell funktioniert, es enthält aber keine Anthologien.

Zwar sind zwei Kleinverlage nicht gerade eine repräsentative Stichprobe, aber da sie an den genau entgegengesetzten Punkten der finanziellen Erfolgsskala stehen, dachte ich mir, diese Info könnte interessant sein.

Liebe Grüße
Trippelschritt