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Sprachkenntnisse und Akzente in Fantasie-Sprachen darstellen

Begonnen von Sanjani, 27. Mai 2015, 23:03:40

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Sanjani

Hallo zusammen,

ich weiß ehrlich gesagt nicht genau, ob das folgende überhaupt hierher gehört, und falls es so etwas schon geben sollte, habe ich es nicht gefunden und entschuldige mich gleich mal im Vorfeld. Es geht um folgendes Thema:

Ich habe hier ein Fantasy Werk. Es gibt eine gemeinsame Handelssprache, aber einige Völker haben daneben auch ihre eigene Sprache und manche beherrschen die Handelssprache auch nicht so gut. Die Frage ist nun, welche Möglichkeiten es gibt, das darzustellen. Bei mir bekannten Sprachen ist das irgendwie leichter, finde ich, da streut man vielleicht mal ein falsches Wort ein oder man schreibt, der Amerikaner hatte einen starken englischen Akzent und jeder kann sich etwas darunter vorstellen.

Ich habe inzwischen verschiedene Möglichkeiten abgewogen. Ich könnte z. B. einzelne Wörter aus verschiedenen Sprachen ausdenken und diese einstreuen. Persönlich bin ich von so etwas kein Fan, aber man kann es machen. Dann kann man natürlich einfach schreiben, dass XYZ der starke Akzent der Person Blablubb auffällt. Klassisches Tell und m. E. nicht besonders anschaulich, da der Leser ja nicht weiß, wie meine Fantasy-Sprachen klingen. Zuletzt könnte man ein paar falsche Artikel bzw. grammatikalische Fehler einstreuen. Ich weiß aber noch nicht genau, wie gut oder schlecht ich diese Idee finde.

Falls also noch jemand diese Schwierigkeiten kennt und Ideen hat, wie man damit umgehen könnte, freue ich mich auf einen regen Austausch.

Viele Grüße

Sanjani
Die einzige blinde Kuh im Tintenzirkel :)

Guddy

#1
Huhu,

ich persönlich mag es am liebsten, wenn Akzente nicht aus- sondern beschrieben werden. Ausgeschriebene Akzente stören meinen Lesefluss und je nach Autor oder Akzent wirken die jeweiligen Figuren dann auch unfreiwillig debil.
Gerade Akzente, die der Protagonist häufiger oder zum ersten Mal hört, können auch beschrieben werden: Das klassische, rollende R, eine "seltsame" Betonung... da gibt es ja etliche Attribute, die man wählen kann. Gleiches gilt für die Beherrschung einer Sprache. Das ist für mich auch kein schnödes Tell bzw. für mich ist es nicht störend, sondern, wenn es gut eingeflochten wird, stimmungsvoll.

Aber ich meine, dazu hätten wir bereits einen Thread? Ich kann mich aber auch irren. ;)

edit: Hier ist ein Thread: Das Wiedergeben von Akzenten, authentisch oder lächerlich?

Klecks

Da ich kein Fan von falscher Grammatik bin, bringe ich es nur über mich, sie als Stilmittel oder Veranschaulichung von Sprachschwierigkeiten zu verwenden, wenn jemand wirklich sehr gebrochen eine andere Sprache spricht und es einfach so ist, dass die Person keinen richtigen, vollständigen Satz hinbekommen würde. Das geht mir als Leserin aber auch irgendwann ein wenig auf die Nerven, weil es mit der Zeit beim Lesen stört. Ich habe auch schon Bücher gelesen, bei denen das leider zu übertrieben umgesetzt wurde, und dann hatte ich das Problem, das Buch nicht mehr ernst nehmen zu können.

Deshalb beschreibe ich anfangs meistens den Akzent und gebe der Person so viele Sprachkenntnisse, dass sie sich verständigen kann. Wenn ich Perspektivträger mit einer anderen Muttersprache als der Sprache habe, die sie gerade benutzen, lasse ich sie - gelegentlich, nicht zu oft, denn es soll nicht belehrend oder wie ein Roman zum Sprachenlernen wirken - Wörter oder kurze Sätze in ihrer Sprache denken, vor sich hin murmeln, impulsiv ausstoßen, und änhliches. Das setze ich dann immer kursiv.  :D

Berjosa

Vielleicht muss eine Figur mehr "äh, also, ..." einstreuen, bevor sie das richtige Wort gefunden hat - und dann war es am Ende doch das falsche, oder zumindest ein bisschen daneben. Gerade bei Wörtern, die im Alltag nicht so häufig gebraucht werden, könnte da jemand stolpern bzw. kreative Umschreibungen finden. Je nach Situation könnte sie auch den Gesprächspartner fragen, wie das Ding/der Vorgang denn heißt.

Im Übrigen gehöre ich zu der Fraktion, die *gern* Bücher liest, in der Akzente, andere Sprache, Dialekte etc. auch dargestellt und nicht nur umschrieben werden. Ich finde es sehr betrüblich, dass das in letzter Zeit aus der Mode zu kommen scheint.

Rakso

Hallo Sanjani,

Grammatische Fehler oder ausgedachte Wörter einzuwerfen ist natürlich eine Möglichkeit. Das gefällt sicher nicht jedem, aber ich persönlich habe damit kein Problem, solange es angemessen ist.
Wie bereits angesprochen, könntest Du die Aussprache beschreiben, wenn sie vom Standard der Handelssprache abweicht, also das jemand mit "nasalen/näselnden Vokalen", "scharfen Zischlauten", "gemurmelten Vokalen" oder "weichen Konsonanten" oder ähnlichem spricht. (Das rollende R ist ja nur aus deutscher Sicht exotisch, aber ich schätze, dass knapp 95% aller Sprachen die einen R-Laut haben, die rollende Variante verwenden).

Daneben versuch ich mit abgewandelter Syntax, also Satzstellung, zu arbeiten. Etwa wenn ein Sprecher seine muttersprachliche Satzstellung einfließen lässt, wie Subjekt-Objekt-Verb, Verb-Subjekt-Objekt oder Verb-Objekt-Subjekt. Da zu vielleicht noch ein abgehackter Satz, wenn der Sprecher merkt, dass er mit der Konstruktion nicht weiter kommt und den Satz dann neu beginnt.
Oder Du legst dem Sprecher Wörter in den Mund, die zwar vom Sinn her passen, aber für einen Muttersprachler komisch klingen, wie Berjosa schon gesagt hat. Oder die lässt erfundene Wörter einfließen, nicht zwangsläufig, aus einer konstruierten Fantasy-Sprache, sondern eher Neubildungen, die ein Muttersprachler so nicht verwenden würde, z. B. wie "Autoschuhe" für "Autoreifen".

Guddy

#5
Zitat von: Szajkó am 28. Mai 2015, 08:43:24
(Das rollende R ist ja nur aus deutscher Sicht exotisch, aber ich schätze, dass knapp 95% aller Sprachen die einen R-Laut haben, die rollende Variante verwenden).
Die deutsche Sprache hat ein prägnantes und in vielen Dialekten auch ein rollendes R :)
Entscheidend ist dabei, finde ich, die Perspektive des Protagonisten

pyon

Es erstaunt mich doch ein wenig hier zu lesen, dass so viele ein Problem damit haben, wenn Sanjani einfach durch grammatikalische Fehler darauf hinweist, wenn jemand nicht gut in der Handelssprache ist. Ich würde mich nicht daran stören, sondern es sogar ein wenig besser finden, als es lediglich zu beschreiben, denn mir persönlich sagt es nicht viel wenn jemand einen "Soundso-Dialekt" spricht. Damit kann ich eher weniger anfangen, da es für mich nur eine kurze Information ist und es mir besser gefällt, wenn ich den Dialekt oder den Problemen, denen der Protagonist dann gegenüber steht, auch lese.

Auch gegen eingeschobene Wörter in der Muttersprache habe ich nichts, vor allem da ich davon ausgehe, dass Sanjani nicht vor hat, was auch immer die Personen sagen, bis zur Unkenntlichkeit zu verändern. Ich finde, dass es die Sprache ein wenig deutlicher macht, als eingeschobene "Soundso-Dialekt". Auch einfach ein wenig zögern beim Sprechen und ab und zu ein kleiner Fehler wären für mich vollkommen okay. Die Idee von Szajko mit den Wortneubildungen finde ich auch gut.

Natürlich meine ich nicht, dass du komplett darauf verzichten solltest die Sprache zu beschreiben mit "Zischlauten", "nasal" und so weiter. Ich denke eine Kombination aus beidem wäre ganz gut, ohne eines allzu sehr zu Übertreiben.  ;D

Sanjani

Hallo noch mal,

danke für euere Einschätzungen und auch für den Link zu dem anderen Thread, den ich mir nachher noch angucken werde.

Ich denke, was mich an grammatikalischen Fehlern bzw. am Show allgemein stört, ist, dass man nicht mehr darauf verzichten kann, wenn man sich entscheidet, eine Sprachunkenntnis so zu demonstrieren. Wenn ich das bei einer Figur mache, die nicht so häufig vorkommt, wäre das für mich ok, aber ich glaube, wenn ich das einem Protagonisten andichten würde, würde mir das mit der Zeit auf die Nerven gehen. Umgekehrt lernt er aber die Sprache ja nicht ganz plötzlich und kann sie perfekt, sodass ich das wieder rausnehmen könnte.

Das mit den muttersprachlichen Einstreuungen ist ein interessanter Aspekt. Ich habe eben mal darüber nachgedacht, ob ich so etwas schon mal gehört bzw. erlebt habe, und da ist mir tatsächlich jemand eingefallen, der immer, wenn er flucht, nur in seiner Muttersprache flucht. So etwas fände ich, glaube ich, ganz lustig, wenn dann einer irgendwas Kryptisches sagt und dann von den anderen erst mal komisch angeschaut wird so nach dem Motto Was war das jetzt?

Mein Fazit: Ein bisschen Gedanken muss man sich auf jeden Fall machen, bevor man so etwas mit reinnimmt.
Die einzige blinde Kuh im Tintenzirkel :)

Lothen

#8
Also ich sehe das als zwei paar Schuhe.

Dialekte oder Akzente schreibe ich nicht lautmalerisch aus, da ich da auch die Sorge hätte, dass das den Leser zu sehr beim Lesen stört. Mir persönlich geht das auch immer so. Gegen Mundart in einem mundartlichen Roman ist nicht unbedingt etwas einzuwenden,  aber gerade bei Fantasy-Dialekten hätte ich schon Sorge, dass es beim Lesen enorme Schwierigkeiten bereitet. Nett finde ich es, wenn spezifische Wörter oder Begriffe verwendet werden, die typisch für diese Sprache sind (z.B. das schottische "Aye"), dann wird schnell klar: Okay, die Person verwendet Dialekt xy.

Ich persönlich finde es auch nicht schlimm, wenn ein Dialekt nur vage beschrieben wird: Ich selbst hätte auch Schwierigkeiten, im Detail zu erklären, wie "Bairisch" klingt. Da würde ich mich auch auf dumpf, tiefe Laute oder verschliffene Vokale beschränken. ;)

Wenn jemand Schwierigkeiten mit der Sprache hat und grammatikalische Fehler macht, hab ich das schon immer ausformuliert, so was kann man - finde ich - durch reines Tell nur schwer darstellen. Außer, es ist immer derselbe Fehler, dann vielleicht schon. Bisher kam das bei meinem Betalesern noch nicht schlecht an, wobei die Sprechanteile auch eher gering  sind.

Zitat von: SanjaniWenn ich das bei einer Figur mache, die nicht so häufig vorkommt, wäre das für mich ok, aber ich glaube, wenn ich das einem Protagonisten andichten würde, würde mir das mit der Zeit auf die Nerven gehen.
Da gebe ich dir recht, beim Prota käme mir das auch nervig vor. Allerdings ist das dann auch eine Frage der Perspektive, der Prota selbst nimmt ja seine Fehler u.U. gar nicht wahr, sondern wird nur von den Muttersprachlern um ihn her kritisiert. ;) Das hätte, finde ich, wieder Potenzial.

Sternsaphir

Ich würde Akzente und Dialekte auch eher beschreiben.
z.B. "er hat den weichen Akzent der Fischer-Völker" oder "sie lispelte im gespitzten Dialekt der XY-Bewohner"

Zusätzlich kann man noch ein oder zwei fremde Vokabeln einbauen, die der Leser erklärt bekommt oder von selbst erkennt.

Sanjani

Zitat von: Sternsaphir am 30. Mai 2015, 13:40:16
z.B. "er hat den weichen Akzent der Fischer-Völker" oder "sie lispelte im gespitzten Dialekt der XY-Bewohner"

Hehe, aber bei dieser Umschreibung müsste man ja vorher wissen, wie die Fischer sich anhören, was man ja auch nicht wirklich weiß. Das macht's ja an den Fantasiesprachen so schwierig im Vergleich mit bekannten Sprachen, finde ich. Aber ist sicher trotzdem eine Möglichkeit. Dann muss der Leser sich eben selber überlegen, wie die Fischer sich anhören oder die XYZ lispeln ;)
Die einzige blinde Kuh im Tintenzirkel :)

funkelsinlas

Ich mach gerade bei einem Französisch- Muttersprachler Praktikum und kann sagen, man hört das irgendwann nicht mehr! Außer eine kleine Sache. Er sagt immer Punkte statt Punkt. Gib deinem Charakter eine solche Sache.
Bei Stress, Gefahr oder Schmerz verfällt man allerdings mehr in die Muttersprache! Auch fluchen tut man eher in ihr.

Fianna

Was ich immer schön finde, wenn jemand Redewendungen usw einfach übersetzt statt sie überträgt.
Im Deutschen kennt man Dinge wie seine Westentasche, im Englischen "like the back of my hand". Wenn man den deutschen Satz einfach 1:1 übersetzen würde, hätte ein Brite Probleme, zu verstehen, was gemeint ist.

Solche Übersetzungsprobleme bei Sprichwörtern oder Ähnliches kann man auch sehr gut übertragen, finde ich.

cryphos

Ich denke die Mischung macht es.
Denn einerseits ist es nervig einen ganzen Roman lang permanent eigenartige wörtliche Rede zu lesen, andererseits ist die reine Umschreibung eines Dialekts flach und nichtssagend.
Zudem ist manchmal diese besondere Sprechweise eines Charakters das, was ihn hervorhebt und dient als Alleinstellungsmerkmal.
,,Schüler du bist. Nichts du weißt." Wer das in einem Star Wars Roman liest weiß sofort wer spricht, um mal ein Beispiel zu nennen.
Oder wer Cloud Atlas von David Mitchell kennt, der erinnert sich bestimmt auch an die unterschiedlichsten Sprachstile der Charaktere. Zwar wird es dadurch teils wirklich schwer zu verstehen von was gesprochen wird, aber genau diese Unterschiede machen auch einen Teil des Reizes aus, das Buch zu lesen. Wenn richtig dosiert, ist ein Dialekt also was Gutes.
Dagegen kann man halten, wenn man einen Roman nimmt in dem viel Mundart gesprochen wird, am besten noch aus verschiedenen sprachlichen Regionen, z.B. Sächsisch, Bayrisch, Platt und Alemannisch, dann kommt kein Leser mehr mit. Und wenn dann noch darauf gedrungen wird dass der Leser Badisch und Schwäbisch oder Fränkisch, Oberfränkisch und Bayrisch auseinanderhalten soll, dann gibt fast jeder genervt auf.
Wahrscheinlich gibt es so manchen der alles im Buch verstünde, dennoch wird kaum jemand zum geschriebenen Dialekt den richtigen Klang im Ohr haben. Fast jedem bleibt also eine besondere Note des Buches verschlossen.
Oder gibt es hier jemanden der Sindarin, Quendin/Quenya, Telerin, Nandorin oder Lindarin auseinanderhalten kann, um ein anderes Beispiel zu nennen?

Was ich deshalb mag sind wohl akzentuierte Unterschiede in der Sprechweise, Satzbau oder Wortwahl kombiniert mit einer Beschreibung der Sprache und Klassifizierung. So könnte man Anfangs einen Dialekt Beispielhaft einführen du ich als Dialekt der Fischer von der Mündung des Flusses klassifizieren. Wenn dann der Protagonist später wieder auf diesen Dialekt stößt reicht es auf diese Klassifizierung zu verweisen und evtl anzumerken, dass der Prota inzwischen diesen Dialekt viel besser versteht und den Dialakt abmildern, bis er irgendwann ganz verschwindet oder nur noch durch einzelne besondere Begriffe angerissen wird. So vergisst man als Leser nicht, dass der Sprecher nicht in der Gemeinsprache kommuniziert.