Hallo zusammen
Wieder mal was von mir: Eure Meinungen interessieren mich mal wieder brennend.
Oft blicken sich meine Charaktere gegenseitig an, das kennt Ihr bestimmt. Aber ich kann nicht immerzu nur das Verb "blicken" verwenden, etwas Abwechslung gehört dazu. Als Schweizer verwenden wir im Dialekt meist nur ein Verb, das man im deutschen (vermutlich) nicht kennt und das ich beim Schreiben nicht verwenden kann: "Luege". Deshalb fehlt mir wohl das sprachliche Feingefühl...
Kann ich "Gucken" ohne weiteres verwenden? Oder gibt es hier etwas Besonderes zu beachten?
Kann ich "Schauen" ebenfalls verwenden, wenn eine Person eine andere Person "anschaut"? Oder wird damit eher der Blick ins Weite oder auf einen Gegenstand gemeint?
Danke für Eure "five cents".
Liebe Grüsse
Falckensteyn
Hmmm ... für mich hat gucken etwas sehr 'umgangssprachliches' bzw. passt für mich eher in ein Kinderbuch (von wegen 'kindlicherem' Wortschatz).
Mit schauen hätte ich persönlich aber keinerlei Probleme.
Wie sagt Rick doch so schön in Casablanca: "Ich schau dir in die Augen, Kleines." ;)
"Gucken" würde ich persönlich nicht nehmen, das klingt zu umgangssprachlich - außer in wörtlicher Rede, wenn es zur allgemeinen Wortwahl und Ausdrucksart des Charakters passt.
"Schauen" - ja, aber nicht zu oft.
Es gibt da natürlich auch noch das schöne und völlig neutrale Verb "ansehen".
Es gibt ja auch noch andere Verben.
Mustern, betrachten, beobachten, ansehen, anblinzeln, jmd. fixieren, starren, stieren, glotzen, mit Blicken durchbohren etc.
Gucken ist klingt für die meisten Zusammenhänge eher zu blöd (im Sinne von blöd gucken) oder zu kindlich, jedefalls finde ich das.
Danke für Eure Antworten.
"Blicken" verwende ich gefühlsmässig eigentlich am Meisten.
"Gucken" als einfacherer Begriff? Da ich dieses Wort aus dem alltäglichen Sprachgebrauch nicht kenne, verwende ich es beim Schreiben eigentlich nicht.
Wegen "Schauen" bin ich noch immer unsicher. Würde das denn so gehen, Eurer Meinung nach: "Er schaute sein Gegenüber schweigend an"? Da bin ich eher skeptisch. Vom Gefühl her würde das Verb besser hierhin passen: "Er betrat das Zimmer und schaute sich interessiert um."
@Lavendel
Danke für die weiteren Verben. Die meisten davon kommen bei mir zur Anwendung, wenn sie passen. "Stieren" hingegen eher nicht. Besteht zwischen "Anstarren" und "Anstieren" ein Unterschied?
Kohl über das Gucken
"...ich gucke schon ins Programm und sage etwa zu Hause, am Wochenende mit meiner Frau und meinen Söhnen, das gucken wir uns an, oder die sagen, das gucken wir uns an, was übrigens nicht bedeuten muss, dass wir es dann gemeinsam angucken (...) Bei den Westen gucke ich eher eigentlich die alten an... (...) Da gibt es Magazine, die gucke ich weniger an. Und ich mache jetzt keine Wertung, die gucke ich weniger an."
aus: "Bahnbrechende Worte von Kanzler Kohl"
Zitat"Er schaute sein Gegenüber schweigend an"?
Mit dem Adverb ist der Satz stilistisch nicht so gelungen, aber semantisch völlig in Ordnung.
"starren" bedeutet starr blicken; "stieren" heißt starr und ausdruckslos [ins Leere] blicken - stieren ist also stärker als starren.
Klitzekleine Korrektur:
Stieren ist, denke ich, keineswegs stärker als starren, nur anders.
Starren ist etwas, was man bewusst macht, jemanden oder etwas anstarren, stieren (mit stierem Blick) bedeutet eher, dass der Betreffende seine fünf Sinne nicht mehr ganz beieinander hat und entweder besoffen, geistig weggetreten, wahnsinnig, high oder sonstwie total abgelenkt ist. Eher als unkoordiniert zu bewerten, aber in Richtung allgemein feindselig, gefährlich. Starren dagegen bedeutet meistens Aggression, Drohung, die sich speziell gegen jemanden richtet.
Und was Falckensteyns Luege angeht, so erinnert mich das stark an das Verb lugen, herauslugen, (bedeutet sehen, heraussehen), ist aber ziemlich altertümlich. (Dürfte wiederum mit dem englischen look=sehen verbandelt sein).
Zitat von: FeeamPC am 11. Juli 2008, 01:22:56
Starren dagegen bedeutet meistens Aggression, Drohung, die sich speziell gegen jemanden richtet.
Oder Fassungslosigkeit, würde ich sagen.
Zitat von: Churke am 10. Juli 2008, 17:47:25
Mit dem Adverb ist der Satz stilistisch nicht so gelungen, aber semantisch völlig in Ordnung.
Danke. Einer meiner "Stilblüten", über die ich so oft stolpere und selbst (noch) nicht bemerke.
Darf ich Dir den Ball zurückgeben? Wie liest es sich besser?
@FeeamPC: Ja, das deckt sich mit meinen Vorstellungen von diesen Wörtern. Danke für die Klarstellung *zwinkert*
Der Ausgangssatz war: "Er schaute sein Gegenüber schweigend an."
Ich würde schon das umständliche "sein Gegenüber" weg lassen und durch "ihn" ersetzen, also: "Er schaute ihn schweigend an."
Ansonsten ist der Ausgangssatz "...schaute sein Gegenüber schweigend" überfrachtet, ich würde hier: "Er schaute sein Gegenüber an und schwieg" vorschlagen. Oder "er schwieg und schaute sein Gegenüber an". Im Deutschen wirken Partizipien schnell schwerfällig.
Ehrlich gesagt finde ich die Formulierung "Er schaute ihn schweigend an." zwar besser als "Er schaute ihn sein Gegenüber schweigend an.", aber der Unterschied erscheint mir minimal.
Vielleicht beweise ich damit meine Unprofessionalität :schuldig:, aber mein Sprachgefühl würde mir sagen, dass man den Ausgangssatz problemlos gebrauchen kann...
Außerdem fällt mir auf, dass das gut alte "Sehen" fast vergessen wurde. Es ist genauso neutral wie blicken oder gucken, aber um ein bisschen Abwechslung in einen Text zu bringen, kann man es doch benutzen. :hmhm?:
Ich muss auch gestehen, dass ich "Luege" noch nie zuvor gehört habe und nicht einmal weiß, wie man es aussprechen sollte. :-[
Ich würde es in einem Text bestimmt als falsch geschriebenes "Lüge" identifizieren, denn in Norddeutschland ist es überhaupt nicht bekannt...
Es ist wahrscheinlich wirklich besser, es wegzulassen.
ZitatVielleicht beweise ich damit meine Unprofessionalität Schuldig, aber mein Sprachgefühl würde mir sagen, dass man den Ausgangssatz problemlos gebrauchen kann...
Einzeln geht vieles. Doch ein Text ist ein Ensemble aus vielen Sätzen. Winzige Holprigkeiten addieren sich.
Nachdem ich noch mal nachgedacht habe, ist mir auch eingefallen, was mir an "er schaute sein Gegenüber schweigend an" so überhaupt nicht gefällt: Der Satz ist ohne jede Emotion, rein deskriptiv, fast schon Amtsdeutsch, wie in einem Gerichtsprotokoll. Wenn der Zeuge sagt: "Da hat er nichts mehr gesagt und nur dumm geguckt", dann diktiert der Richter ins Protokoll: "Dann schaute er sein Gegenüber schweigend an."
Okay, ist jetzt vielleicht ein
bisschen übertrieben ::), aber irgendwie muss man seinen Standpunkt ja deutlich machen.
Ach, Du meintest es bezogen auf "sein Gegenüber"? Und ich dachte, das "schweigend" wäre unangebracht. Die Zeile habe ich nebenbei formuliert als Beispiel für das Verb "schauen". Hier zuviel hinein zu interpretieren, ist eigentlich unnötig. Aber danke für die Klarstellung, Churke. *zwinkert*
Edit meint @Kiira: "Luege" ist vermutlich ein alemannischer Ausdruck. Ich würde diesen Ausdruck niemals verwenden, bei uns in der Schweiz ist es "Mundart", d.h. Dialekt. Und Dialekt würde ich niemals verwenden.
Zitat...bei uns in der Schweiz ist es "Mundart", d.h. Dialekt. Und Dialekt würde ich niemals verwenden.
Was "Mundart" ist weiß ich, keine Sorge. ;) Ich war mir nur nicht im Klaren darüber, welchen Status dieses Wort in der Schweiz hat, also danke für die Erklärung.
ZitatEinzeln geht vieles. Doch ein Text ist ein Ensemble aus vielen Sätzen. Winzige Holprigkeiten addieren sich.
Hm, gut verstehe ich. Aber wenn man davon ausgeht, dass der Rest des Textes zum Beispiel die fehlenden Emotionen ergänzt, ist dieser Satz doch nicht mehr unbrauchbar. :hmmm:
ZitatHm, gut verstehe ich. Aber wenn man davon ausgeht, dass der Rest des Textes zum Beispiel die fehlenden Emotionen ergänzt, ist dieser Satz doch nicht mehr ganz so unbrauchbar.
Dann bleibt es dabei, dass du die Emotionen im folgenden Satz nachschiebst. Kann man machen. Ich find's aber grundsätzlich keine gute Lösung und außerdem lädt es zum Labern ein.
Warum muss man diesen Text jetzt so auseinander nehmen. Es kann nicht in jedem einzelnen Satz pure Emotion stecken. Ging es nicht eher darum welches Wort das "bessere" ist?
Ich muss Drachenfeder zustimmen. Wäre jeder einzelne Satz emotionsgeladen, würde niemand das Buch freiwillig in die Hand nehmen. Ausserdem, was bringt es, diesen einen Satz zu sezieren?
Also zurück zur ursprünglichen Fragestellung.
Mich plagt häufig das gleiche Problem. Wie oft (hintereinander) ist blicken bzw ansehen oder schauen/anschauen angebracht?
Manchmal bin ich froh um die vielen Synonyme, andererseits scheint manchmal echt gar nichts zu passen :happs:
Sehe es genauso wie Drachenfeder und hima. Und eigentlich habe ich mein Ziel auch erreicht. Ich wollte einen kleinen, nichtssagenden Satz als Beispiel aufführen. Ohne Emotionen.
Zurück zum Thema: Mir geht es genauso wie Dir, hima. Die Wahl der richtigen Synonyme fällt oft schwer. Aber all die Antworten hier waren sehr aufschlussreich für mich, ich bin sehr dankbar.
Zitat von: hima am 16. Juli 2008, 14:21:34
Also zurück zur ursprünglichen Fragestellung.
Mich plagt häufig das gleiche Problem. Wie oft (hintereinander) ist blicken bzw ansehen oder schauen/anschauen angebracht?
Manchmal bin ich froh um die vielen Synonyme, andererseits scheint manchmal echt gar nichts zu passen :happs:
Da muss ich doch mal fragen, ob du dir sicher bist, dass du diese Wörter brauchst?
Bei Dialogen ist es so, dass sich die Sprecher in Mitteleuropa gegenseitig anschauen. Üblicherweise Wenn ich schreibe "er sah ihn an", dann muss ich mir überlegen, warum ich das extra betonen will. Und bei mir stelle ich regelmäßig fest, dass ich es nicht brauche.
Zitat von: Churke am 16. Juli 2008, 18:11:28
Bei Dialogen ist es so, dass sich die Sprecher in Mitteleuropa gegenseitig anschauen.
Von Dialogen war nicht die Rede, oder? Es gab einen Beispielsatz mit
"... schweigend an.", aber das kann man nicht als Dialog werten, oder? Dann hat da einer den Faden aufgegriffen, warte mal, wer war das? Ach ja, der Churke! :rofl:
Außerdem gehört das in Bezug auf Fantasy ruhig schon mal erwähnt, auch im Dialog, denn nicht alle Geschichten spielen in Mitteleuropa, wo es auch Zeiten gab, in denen es nicht gesund war jedem Dialogpartner dabei auch in die Augen zu blicken, gucken, schauen, stieren, starren etc. ;)
Tja, ich war mir nicht sicher, ob ich so weit ausholen sollte und mich deshalb auf den Dialog beschränkt.... Zum Erzähltext sieht meine Meinung ähnlich aus:
Normalerweise beschreiben wir eine Welt durch die Sinne eines Protagonisten. Die Frage ist: Warum sollen wir ständig erwähnen, dass es eine Sinneswahrnehmung des Protagonisten ist?
Ein Beispiel:
Als A den Raum betrat, sah er einen Tisch. Auf dem Tisch sah er eine Tasse. An der Wand sah er einen Teller. Auf der Ofenbank sah er eine Katze. In der Vitrine sah er Murano-Glas. An der Wand sah er einen Fleck. Außerdem sah er, dass das Fenster mal wieder geputzt werden konnte.
Und dann sah er die Leiche.
Wenn ich jetzt mit Synomyen komme, ruiniere ich mir noch mein Stilmittel "sah":
Als A den Raum betrat, sah er einen Tisch. Auf dem Tisch erblickte er eine Tasse. An der Wand entdeckte er einen Teller. Auf der Ofenbank gewahrte er eine Katze. In der Vitrine erkannte er Murano-Glas. An der Wand machte er einen Fleck aus. Außerdem nahm er wahr, dass das Fenster mal wieder geputzt werden konnte.
Und dann machte er die Leiche aus.
Zitat von: Churke am 16. Juli 2008, 19:07:34
Normalerweise beschreiben wir eine Welt durch die Sinne eines Protagonisten. Die Frage ist: Warum sollen wir ständig erwähnen, dass es eine Sinneswahrnehmung des Protagonisten ist?
Das muss nicht sein. Dem mit Intelligenz und empathischen Fähigkeiten ausgestatteten Leser darf ruhig zugemutet werden, dass er diese Voraussetzung erkennt.
Zitat von: Churke am 16. Juli 2008, 19:07:34
Ein Beispiel:
Als A den Raum betrat, sah er einen Tisch. Auf dem Tisch sah er eine Tasse. An der Wand sah er einen Teller. Auf der Ofenbank sah er eine Katze. In der Vitrine sah er Murano-Glas. An der Wand sah er einen Fleck. Außerdem sah er, dass das Fenster mal wieder geputzt werden konnte.
Und dann sah er die Leiche.
Das mutet wie eine Farce an. Aber ich denke, Du meinst es tatsächlich als Beispiel. In meiner bescheidenen Geschichte und Erzählform beschränke ich mich eigentlich darauf, wichtige Gegebenheiten zu beschreiben. Abweichungen oder was auch immer Dinge sind, die dem Prota, dem Anta oder sonstwem jetzt grade auffallen und die einen Einfluss auf die Situation haben.
Zitat von: Churke am 16. Juli 2008, 19:07:34
Wenn ich jetzt mit Synomyen komme, ruiniere ich mir noch mein Stilmittel "sah":
Als A den Raum betrat, sah er einen Tisch. Auf dem Tisch erblickte er eine Tasse. An der Wand entdeckte er einen Teller. Auf der Ofenbank gewahrte er eine Katze. In der Vitrine erkannte er Murano-Glas. An der Wand machte er einen Fleck aus. Außerdem nahm er wahr, dass das Fenster mal wieder geputzt werden konnte.
Und dann machte er die Leiche aus.
Das liest sich krass. Die Verwendung der Synonyme in dieser Form kommt sicherlich nicht durch. Wie Stefan es erwähnt hat, dass nicht immer davon ausgegangen werden kann, dass die Gesprächspartner sich selbstverständlich gegenseitig anblicken, kann es manchmal sinnvoll sein, dem Leser zu vermitteln, dass das Gegenüber angestarrt, gemustert oder was auch immer wird. Das kommt ganz auf die Situation und die Charaktere an.
ZitatDa muss ich doch mal fragen, ob du dir sicher bist, dass du diese Wörter brauchst?
Bei Dialogen ist es so, dass sich die Sprecher in Mitteleuropa gegenseitig anschauen. Üblicherweise Wenn ich schreibe "er sah ihn an", dann muss ich mir überlegen, warum ich das extra betonen will. Und bei mir stelle ich regelmäßig fest, dass ich es nicht brauche.
Schön, dass du so etwas nicht brauchst. Ich allerdings gehe davon aus, dass vielleicht nicht nur kulturreine Mitteleuropäer etwas von mir lesen, sondern eben auch andere Menschen (stell dir vor, ich habe Thailänder in meinem Freundeskreis).
ZitatWenn ich jetzt mit Synomyen komme, ruiniere ich mir noch mein Stilmittel "sah":
Als A den Raum betrat, sah er einen Tisch. Auf dem Tisch erblickte er eine Tasse. An der Wand entdeckte er einen Teller. Auf der Ofenbank gewahrte er eine Katze. In der Vitrine erkannte er Murano-Glas. An der Wand machte er einen Fleck aus. Außerdem nahm er wahr, dass das Fenster mal wieder geputzt werden konnte.
Und dann machte er die Leiche aus.
Zu übertreiben brauchst hier niemand, ich verstehe sehr gut, was du meinst. Wie überall braucht es das richtige Mittelmass, zu wenig kann fade bzw verwirrend sein, zu viel ist dann scheusslich zum lesen und unzumutbar, wie dein banales Beispiel hier schön zeigt.
Ich denke, dass es manchmal erwähnenswert ist, ob jemand jemand anderes im Gespräch anschaut oder nicht. Vor allem, wenn er es zwischendrin nicht tut. Man schaut ja auch nicht immer denjenigen an, mit dem man sich unterhält. Zum einen, wenn ein Gespräch lang dauert, oder man zur Rede gestellt wird, wenn es peinlich wird, man nicht möchte, dass der Blick zuviel verrät, oder gerade das will, usw..
Blicke können ja auch ihre Aussage haben. Die Frage ist ja auch, wie jemand schaut. Und dafür gibt es ja all die schönen Synonyme.
Äh, man kann einen Satz immer nur im Kontext beurteilen. Er steht in Relation zu anderen Sätzen, die maßgeblich seine Bedeutung beeinflussen können. Den Stil eines Autors an einem so kurzen Sätzchen zu analysieren ist überhaupt nicht möglich.
In einem gewissen Zusammenhang kann der Satz blöd und unpassend wirken, in einem anderen kann er unheimlich viel Bedeutung tragen.
Jeder Satz in einem Roman ist wichtig. Jedes Wort ist wichtig, aber immer nur im Kontext anderer Sätze und Wörter.
Hallöchen,
ich feile gerade an einem Absatz, in dem die Figuren einander mal wieder viel zu viele Blicke zuwerfen.
In anderen Büchern ist mir gelegentlich die Formulierung "seine Augen trafen die meinen" o.ä. begegnet. Klingt eigentlich nach einer guten Alternative. Bei näherer Betrachtung wirkt dieses Bild auf mich aber unlogisch - Augen treffen sich nun mal nicht, sondern nur die Blicke aus ihnen. Je länger ich darüber nachdenke, desto mehr denke ich, dass diese Formulierung ... nun ja, unschön bis falsch ist. Andererseits ist sie mir schon häufiger begegnet und vielleicht denke ich gerade einfach zu viel über sie nach.
Was meint ihr? Können sich Augen treffen? :hmhm?:
Nach meinem Sprachempfinden treffen sich Blicke, aber keine Augen.
Also hieße es dann: "Unsere Blicke trafen sich..."
Meiner Meinung nach ist Augen hier eher im übertragenen Sinne zu verstehen. Vielleicht auch um Wiederholungen aus dem Weg zu gehen.
Normal sagt man ja auch: Man sieht mit den Augen. Also einfach im Sinne von sehen.
Wenn man es demnach ganz genau nimmt, stimmt das ja auch nicht. Da man ja nicht mit dem ganzen Auge sieht, sondern mit der Pupille (bzw. mit dem was dahinter kommt).
Ich denke das ist an dieser Stelle einem selbst überlassen in wie weit man sich da an genaue anatomische Gegebenheiten hält.
Ich würde auch eher "Blicke" schreiben, aber das andere stört mich auch nicht. Ganz allgemein denke ich, dass man sich als Autor viel zu viele Gedanken über diese Dinge macht. Wen stört das so massiv, dass es ihm die Geschichte verdirbt? Wahrscheinlich niemanden und wenn doch, ist derjenige sowieso nicht dein Fan. ;) Ich entscheide solche Sachen immer nach der Frage: Stört es mich? Wenn nein, schreibe ich es und wenn ja, lasse ich es sein.
Das mit den sich treffenden Augen ist ein gemeiner Anglizismus :) Im Deutschen treffen sich Blicke. Augen wandern auch nicht durchs Zimmer. Also, außer in ekligen Horrorstorys ;) Ich kann gar nicht oft genug dafür plädieren, dass deutschsprachige Autoren mehr deutschsprachige Texte lesen sollten.
Ich muss da die Gegenposition zu Witch einnehmen. Mir ist es extrem wichtig, dass ein Autor seine Sprache und deren idiomatische Wendungen beherrscht, sonst finde ich gar nicht erst in eine Geschichte hinein und hab keine Chance, ein Fan zu werden.
Augen, die sich treffen? Nun ja, eine anatomische Herausforderung. Augen, die durch's Zimmer wandern? Erinnert mich an Hot Shots: "Ich hab die Augen meines Vaters geerbt." (Klappt die Schachtel auf, in der sie liegen). Aber so richtig eklig: Das Auge ißt mit. :hmhm?:
Um noch ernsthaft auf die Frage zu antworten: Ich finde die Formulierung mit den sich treffenden Augen auch nicht schön und würde beim Lesen zumindest kurz stocken. ABER: Ich habe inzwischen einen furchtbaren Beta-Blick entwickelt und kann kein Buch mehr lesen, ohne über alles zu stolpern, was ich als Betaleser ankreiden würde. Vor zwei Jahren oder so wäre mir das wahrscheinlich nicht mal aufgefallen. Und Korinthenkacker - besonders in sprachlichen Dingen - war ich schon immer. So gesehen bin ich eher bei Witch, was die normalen Leser angeht.
Ich hatte neulich ein ähnliches "Kribbeln", als ich selber geschrieben habe "Er folgte ihrem Blick" - Was heißt das jetzt? Geht er tatsächlich dorthin, oder schaut er nur in die gleiche Richtung?
Das mit den sich treffenden Augen finde ich auch etwas jenseits der Grenze. Aber ansonsten bin ich da etwas lockerer eingestellt - manche Handlungen haben eben solche festen Umschreibungen wie "einem Blick folgen". Würde man versuchen das zu vermeiden, müsste man eine lange, breite Erklärung schreiben, die der Leser womöglich auch nicht versteht.
Der unbedarfte Nicht-Beta-Leser würde sich treffende Augen vermutlich als normal empfinden, zumindest aber nicht lange genug darüber nachdenken,um aus der Geschichte zu kommen.
Danke für eure Einschätzungen. Nach einer Nacht drüber geschlafen fühlt sich das Bild für mich immer noch falsch an und die Mehrheit von euch sieht das ja ähnlich. Ich bleibe also bei den Blicken, auch wenn sie sich häufen.
Zitat von: Thaliope am 23. Juni 2015, 08:38:54
Das mit den sich treffenden Augen ist ein gemeiner Anglizismus :) Im Deutschen treffen sich Blicke. Augen wandern auch nicht durchs Zimmer. Also, außer in ekligen Horrorstorys ;) Ich kann gar nicht oft genug dafür plädieren, dass deutschsprachige Autoren mehr deutschsprachige Texte lesen sollten.
Naja, aber was für Texte denn? Wenn sich unsaubere Formulierungen ins Alltagsdeutsch schleichen, dann tauchen sie früher oder später ja auch in Texten auf -- und dann liest man sich nur wieder die "falschen" Bilder an.
Im ersten Moment habe ich mich an dem Beispiel nicht gestört, weil es für mich die gleiche Bedeutung hat wie "ihre Blicke trafen sich" -- sie schauen sich also an, mehr zufällig als bewusst oder gerade eben endlich, weil sie sich in einer Menschenmasse suchten? ;D Kommt auf die Szene an. Je nach Kontext funktionieren viele Sprachbilder und das ist für mich das Entscheidende: Trifft das Bild das, was ich sagen will? Ansonsten würde ich dafür plädieren, auf solche Sprachbilder lieber zu verzichten.
Zitat von: Zitkalasa am 23. Juni 2015, 20:44:22
Naja, aber was für Texte denn? Wenn sich unsaubere Formulierungen ins Alltagsdeutsch schleichen, dann tauchen sie früher oder später ja auch in Texten auf
Ja, vor allem, wenn Autoren meinen, das wär ja alles nicht so wichtig, so lange der Leser versteht, was gemeint ist. (Ich weiß nicht, ob man's merkt, aber diese Einstellung macht mich total fuchsig ;) Ich sag dem Tischler ja auch nicht, ach du, lass mal die Wasserwaage stecken, es reicht, wenn ich erkennen kann, dass es ein Tisch sein soll.) Es gibt die Dudenausgaben "Richtiges und gutes Deutsch" und das "Stilwörterbuch", wenn man sich bei Redewendungen nicht sicher ist. Es gibt in der etwas anspruchsvolleren Unterhaltungsliteratur sorgfältiger lektorierte Bücher, es gibt etwas ältere deutschsprachige Bücher, deren Autoren noch nicht so stark unter dem Einfluss schnell produzierter Übersetzungen aus dem Englischen standen. Ggf. lohnt es sich auch, Bücher zu lesen, die aus anderen Sprachen als dem Englischen übersetzt wurden.
Natürlich ist Sprache im Wandel, und es macht wohl keinen Sinn [sic!], sich gegen alle Einflüsse von außen zu sperren. Aber dieser Trend, dass viele Schreibende nur noch auf Englisch lesen und Serien auf Englisch gucken, schlägt sich leider auf die Sprachkompetenz nieder. Da muss man zwischendrin immer mal wieder seinen Sprachkompass neu einnorden.
LG
Thali
Also mir persönlich rollen sich die Fußnägel hoch, wenn ich (auch im Fernsehen oder Radio) Sachen höre oder lese, von denen ich weiß, dass es eigentlich englische Redewendungen sind. Dazu gehört zum Beispiel, wenn der Kretschmar bei Shopping Queen ständig über Kleider sagt "Das tut nichts für sie" oder letztens im Radio ein Moderator meinte "Sie hatte keine Idee, dass XY passieren würde." Sowas bringt mich auch beim Lesen unweigerlich raus. :no:
Zitat von: Thaliope am 24. Juni 2015, 08:13:20
Natürlich ist Sprache im Wandel, und es macht wohl keinen Sinn [sic!], sich gegen alle Einflüsse von außen zu sperren. Aber dieser Trend, dass viele Schreibende nur noch auf Englisch lesen und Serien auf Englisch gucken, schlägt sich leider auf die Sprachkompetenz nieder. Da muss man zwischendrin immer mal wieder seinen Sprachkompass neu einnorden.
Das unterschreib ich mal so. Ich gehöre ja zu denen, die gerne Serien und Filme auf Englisch anschauen und ich lese auch lieber im englischen Original als Übersetzungen. Aber ich merke auch, daß sich mein Satzbau dann teilweise auch sehr anglisiert, darum lese ich in Zeiten in denen ich viel schreibe eher deutsche Autoren und vor allem dann Autoren, die sprachlich auf einem hohen Niveau liegen (da gibt es genügend auch in der Fantasy, man muß nur willens sein zu suchen).
Gerade die Sache mit den Blicken und Augen... wenn Blicke sich kreuzen oder treffen, ok. Aber Augen... nein, das klingt sofort falsch für mich.
Zitat von: Moni am 24. Juni 2015, 10:23:49
deutsche Autoren und vor allem dann Autoren, die sprachlich auf einem hohen Niveau liegen (da gibt es genügend auch in der Fantasy, man muß nur willens sein zu suchen).
Oh, hast du da mal ein paar Tipps für mich? (Gern per PN, damits nicht zu OT wird). Ich war der Suche recht schnell müde geworden.