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Blicken, gucken, schauen, starren

Begonnen von Falckensteyn, 10. Juli 2008, 10:45:50

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Drachenfeder

Warum muss man diesen Text jetzt so auseinander nehmen. Es kann nicht in jedem einzelnen Satz pure Emotion stecken. Ging es nicht eher darum welches Wort das "bessere" ist?



hima

Ich muss Drachenfeder zustimmen. Wäre jeder einzelne Satz emotionsgeladen, würde niemand das Buch freiwillig in die Hand nehmen. Ausserdem, was bringt es, diesen einen Satz zu sezieren?

Also zurück zur ursprünglichen Fragestellung.

Mich plagt häufig das gleiche Problem. Wie oft (hintereinander) ist blicken bzw ansehen oder schauen/anschauen angebracht?
Manchmal bin ich froh um die vielen Synonyme, andererseits scheint manchmal echt gar nichts zu passen  :happs:

Falckensteyn

Sehe es genauso wie Drachenfeder und hima. Und eigentlich habe ich mein Ziel auch erreicht. Ich wollte einen kleinen, nichtssagenden Satz als Beispiel aufführen. Ohne Emotionen.

Zurück zum Thema: Mir geht es genauso wie Dir, hima. Die Wahl der richtigen Synonyme fällt oft schwer. Aber all die Antworten hier waren sehr aufschlussreich für mich, ich bin sehr dankbar.

Churke

Zitat von: hima am 16. Juli 2008, 14:21:34
Also zurück zur ursprünglichen Fragestellung.

Mich plagt häufig das gleiche Problem. Wie oft (hintereinander) ist blicken bzw ansehen oder schauen/anschauen angebracht?
Manchmal bin ich froh um die vielen Synonyme, andererseits scheint manchmal echt gar nichts zu passen  :happs:

Da muss ich doch mal fragen, ob du dir sicher bist, dass du diese Wörter brauchst?

Bei Dialogen ist es so, dass sich die Sprecher in Mitteleuropa gegenseitig anschauen. Üblicherweise Wenn ich schreibe "er sah ihn an", dann muss ich mir überlegen, warum ich das extra betonen will. Und bei mir stelle ich regelmäßig fest, dass ich es nicht brauche.

Hr. Kürbis

Zitat von: Churke am 16. Juli 2008, 18:11:28
Bei Dialogen ist es so, dass sich die Sprecher in Mitteleuropa gegenseitig anschauen.

Von Dialogen war nicht die Rede, oder? Es gab einen Beispielsatz mit "... schweigend an.", aber das kann man nicht als Dialog werten, oder? Dann hat da einer den Faden aufgegriffen, warte mal, wer war das? Ach ja, der Churke! :rofl:
Außerdem gehört das in Bezug auf Fantasy ruhig schon mal erwähnt, auch im Dialog, denn nicht alle Geschichten spielen in Mitteleuropa, wo es auch Zeiten gab, in denen es nicht gesund war jedem Dialogpartner dabei auch in die Augen zu blicken, gucken, schauen, stieren, starren etc. ;)

Churke

Tja, ich war mir nicht sicher, ob ich so weit ausholen sollte und mich deshalb auf den Dialog beschränkt.... Zum Erzähltext sieht meine Meinung ähnlich aus:

Normalerweise beschreiben wir eine Welt durch die Sinne eines Protagonisten. Die Frage ist: Warum sollen wir ständig erwähnen, dass es eine Sinneswahrnehmung des Protagonisten ist?

Ein Beispiel:
Als A den Raum betrat, sah er einen Tisch. Auf dem Tisch sah er eine Tasse. An der Wand sah er einen Teller. Auf der Ofenbank sah er eine Katze. In der Vitrine sah er Murano-Glas. An der Wand sah er einen Fleck. Außerdem sah er, dass das Fenster mal wieder geputzt werden konnte.
Und dann sah er die Leiche.


Wenn ich jetzt mit Synomyen komme, ruiniere ich mir noch mein Stilmittel "sah":

Als A den Raum betrat, sah er einen Tisch. Auf dem Tisch erblickte er eine Tasse. An der Wand entdeckte er einen Teller. Auf der Ofenbank gewahrte er eine Katze. In der Vitrine erkannte er Murano-Glas. An der Wand machte er einen Fleck aus. Außerdem nahm er wahr, dass das Fenster mal wieder geputzt werden konnte.
Und dann machte er die Leiche aus.

Falckensteyn

#21
Zitat von: Churke am 16. Juli 2008, 19:07:34
Normalerweise beschreiben wir eine Welt durch die Sinne eines Protagonisten. Die Frage ist: Warum sollen wir ständig erwähnen, dass es eine Sinneswahrnehmung des Protagonisten ist?

Das muss nicht sein. Dem mit Intelligenz und empathischen Fähigkeiten ausgestatteten Leser darf ruhig zugemutet werden, dass er diese Voraussetzung erkennt.

Zitat von: Churke am 16. Juli 2008, 19:07:34
Ein Beispiel:
Als A den Raum betrat, sah er einen Tisch. Auf dem Tisch sah er eine Tasse. An der Wand sah er einen Teller. Auf der Ofenbank sah er eine Katze. In der Vitrine sah er Murano-Glas. An der Wand sah er einen Fleck. Außerdem sah er, dass das Fenster mal wieder geputzt werden konnte.
Und dann sah er die Leiche.

Das mutet wie eine Farce an. Aber ich denke, Du meinst es tatsächlich als Beispiel. In meiner bescheidenen Geschichte und Erzählform beschränke ich mich eigentlich darauf, wichtige Gegebenheiten zu beschreiben. Abweichungen oder was auch immer Dinge sind, die dem Prota, dem Anta oder sonstwem jetzt grade auffallen und die einen Einfluss auf die Situation haben.

Zitat von: Churke am 16. Juli 2008, 19:07:34
Wenn ich jetzt mit Synomyen komme, ruiniere ich mir noch mein Stilmittel "sah":
Als A den Raum betrat, sah er einen Tisch. Auf dem Tisch erblickte er eine Tasse. An der Wand entdeckte er einen Teller. Auf der Ofenbank gewahrte er eine Katze. In der Vitrine erkannte er Murano-Glas. An der Wand machte er einen Fleck aus. Außerdem nahm er wahr, dass das Fenster mal wieder geputzt werden konnte.
Und dann machte er die Leiche aus.


Das liest sich krass. Die Verwendung der Synonyme in dieser Form kommt sicherlich nicht durch. Wie Stefan es erwähnt hat, dass nicht immer davon ausgegangen werden kann, dass die Gesprächspartner sich selbstverständlich gegenseitig anblicken, kann es manchmal sinnvoll sein, dem Leser zu vermitteln, dass das Gegenüber angestarrt, gemustert oder was auch immer wird. Das kommt ganz auf die Situation und die Charaktere an.

hima

ZitatDa muss ich doch mal fragen, ob du dir sicher bist, dass du diese Wörter brauchst?

Bei Dialogen ist es so, dass sich die Sprecher in Mitteleuropa gegenseitig anschauen. Üblicherweise Wenn ich schreibe "er sah ihn an", dann muss ich mir überlegen, warum ich das extra betonen will. Und bei mir stelle ich regelmäßig fest, dass ich es nicht brauche.

Schön, dass du so etwas nicht brauchst. Ich allerdings gehe davon aus, dass vielleicht nicht nur kulturreine Mitteleuropäer etwas von mir lesen, sondern eben auch andere Menschen (stell dir vor, ich habe Thailänder in meinem Freundeskreis).

ZitatWenn ich jetzt mit Synomyen komme, ruiniere ich mir noch mein Stilmittel "sah":
Als A den Raum betrat, sah er einen Tisch. Auf dem Tisch erblickte er eine Tasse. An der Wand entdeckte er einen Teller. Auf der Ofenbank gewahrte er eine Katze. In der Vitrine erkannte er Murano-Glas. An der Wand machte er einen Fleck aus. Außerdem nahm er wahr, dass das Fenster mal wieder geputzt werden konnte.
Und dann machte er die Leiche aus.

Zu übertreiben brauchst hier niemand, ich verstehe sehr gut, was du meinst. Wie überall braucht es das richtige Mittelmass, zu wenig kann fade bzw verwirrend sein, zu viel ist dann scheusslich zum lesen und unzumutbar, wie dein banales Beispiel hier schön zeigt.

Aidan

Ich denke, dass es manchmal erwähnenswert ist, ob jemand jemand anderes im Gespräch anschaut oder nicht. Vor allem, wenn er es zwischendrin nicht tut. Man schaut ja auch nicht immer denjenigen an, mit dem man sich unterhält.  Zum einen, wenn ein Gespräch lang dauert, oder man zur Rede gestellt wird, wenn es peinlich wird, man nicht möchte, dass der Blick zuviel verrät, oder gerade das will, usw..

Blicke können ja auch ihre Aussage haben. Die Frage ist ja auch, wie jemand schaut. Und dafür gibt es ja all die schönen Synonyme.
"Wenn du fliegen willst reicht es nicht, die Flügel auszubreiten. Du musst auch die Ketten lösen, die dich am Boden halten!"

,,NEVER loose your song! Play it. Sing it. But never stop it, because someone else is listening."

Lavendel

Äh, man kann einen Satz immer nur im Kontext beurteilen. Er steht in Relation zu anderen Sätzen, die maßgeblich seine Bedeutung beeinflussen können. Den Stil eines Autors an einem so kurzen Sätzchen zu analysieren ist überhaupt nicht möglich.
In einem gewissen Zusammenhang kann der Satz blöd und unpassend wirken, in einem anderen kann er unheimlich viel Bedeutung tragen.
Jeder Satz in einem Roman ist wichtig. Jedes Wort ist wichtig, aber immer nur im Kontext anderer Sätze und Wörter.

Ryadne

Hallöchen,

ich feile gerade an einem Absatz, in dem die Figuren einander mal wieder viel zu viele Blicke zuwerfen.
In anderen Büchern ist mir gelegentlich die Formulierung "seine Augen trafen die meinen" o.ä. begegnet. Klingt eigentlich nach einer guten Alternative. Bei näherer Betrachtung wirkt dieses Bild auf mich aber unlogisch - Augen treffen sich nun mal nicht, sondern nur die Blicke aus ihnen. Je länger ich darüber nachdenke, desto mehr denke ich, dass diese Formulierung ... nun ja, unschön bis falsch ist. Andererseits ist sie mir schon häufiger begegnet und vielleicht denke ich gerade einfach zu viel über sie nach.

Was meint ihr? Können sich Augen treffen?  :hmhm?:

Blaurot

Nach meinem Sprachempfinden treffen sich Blicke, aber keine Augen.

Also hieße es dann: "Unsere Blicke trafen sich..."


Feather

Meiner Meinung nach ist  Augen hier eher im übertragenen Sinne zu verstehen. Vielleicht auch um Wiederholungen aus dem Weg zu gehen.

Normal sagt man ja auch: Man sieht mit den Augen. Also einfach im Sinne von sehen. 

Wenn man es demnach ganz genau nimmt, stimmt das ja auch nicht. Da man ja nicht mit dem ganzen Auge sieht, sondern mit der Pupille (bzw. mit dem was dahinter kommt).
Ich denke das ist an dieser Stelle einem selbst überlassen in wie weit man sich da an genaue anatomische Gegebenheiten hält.

HauntingWitch

Ich würde auch eher "Blicke" schreiben, aber das andere stört mich auch nicht. Ganz allgemein denke ich, dass man sich als Autor viel zu viele Gedanken über diese Dinge macht. Wen stört das so massiv, dass es ihm die Geschichte verdirbt? Wahrscheinlich niemanden und wenn doch, ist derjenige sowieso nicht dein Fan. ;) Ich entscheide solche Sachen immer nach der Frage: Stört es mich? Wenn nein, schreibe ich es und wenn ja, lasse ich es sein.

Thaliope

#29
Das mit den sich treffenden Augen ist ein gemeiner Anglizismus :) Im Deutschen treffen sich Blicke. Augen wandern auch nicht durchs Zimmer. Also, außer in ekligen Horrorstorys ;) Ich kann gar nicht oft genug dafür plädieren, dass deutschsprachige Autoren mehr deutschsprachige Texte lesen sollten.

Ich muss da die Gegenposition zu Witch einnehmen. Mir ist es extrem wichtig, dass ein Autor seine Sprache und deren idiomatische Wendungen beherrscht, sonst finde ich gar nicht erst in eine Geschichte hinein und hab keine Chance, ein Fan zu werden.