Bei meinem Groß-Projekt wollte ich einen kleinen Statusverlauf machen, damit ich prüfen kann, inwiefern mein Protagonist zwischen Erfolg & Mißerfolg / Gefahr wechselt. Dann kann ich feststellen, ob ich mich zu sehr in der düsteren Ecke befinde oder ob es zu abrupte oder zu langsame Übergänge zwischen toll und gefährdet gibt.
Heute bin ich leider zu müde, um es praktisch auszuprobieren, aber ich wollte euch dennoch schon davon erzählen - vielleicht gibt es ja irgendwelche Anmerkungen, dass es etwas anders genutzt sinnvoller wäre, die ich dann direkt beim ersten Mal mit ausprobieren kann.
Und zwar befindet sich auf der y-Achse die Zahlen von 1-10, auf der x-Achse läuft praktisch die Handlung von links nach rechts ab. Ich stelle mir auf der x-Achse entweder markante Punkte / Wendepunkte der Handlung vor (oder wer ein starker Szenenplotter ist, denkt sich da bestimmte wichtige Szenen), und die werden dann bei 1-10 einsortiert und dort eingezeichnet.
Die Punkte werden dann miteinander verbunden, so kann ich zu abruptes oder zu langsames Auf und Ab erkennen.
1 = akute bedrohliche Situation (der Held hat praktisch eine Waffe am Hals)
2 = unmittelbar bevorstehende akute bedrohliche Situation (noch ist keine Waffe ausgepackt, das ist aber die wahrscheinlichste zukünftige Perspektive)
3 = eine grundsätzlich bedrohliche Gesamtsituation
4 = das drohende Verhängnis, eine tendenziell negative Perspektive
5 = der Normalzustand. Man ist nicht in Gefahr, man erwartet aber auch nichts besonders Positives.
Und nach oben hin fielen mit keine allgemeingültigen Kriterien ein. Da würde ich die 10 als realistisch erreichbares Optimum definieren, in Hinsicht auf Karriere, gesellschaftlicher Status, persönlicher Reichtum, Ruhm - ein bisschen davon abhängig, was der Charakter in diesem Stadium erreichen will. Abhängig von seinem Ziel. Alles aber sehr auf seine Möglichkeiten bezogen. Wenn der Held beispielsweise in der Handlung eine unglaublich hohe / einflußreiche Position erreicht, die eigentlich außerhalb seiner Möglichkeiten liegt, dann wäre das über der 10 (10 wäre nur das, was er sich selbst realistisch als erreichbar vorgestellt hat).
Je nach dem Zeitpunkt der Handlung werden die Parameter für 10 also bei mir wechseln.
Dann hatte ich ein kleines "Problem", und zwar wird mein Protagonist zu einem bestimmten Zeitpunkt der Handlung zu etwas erpresst. Eigentlich befindet er sich auf einer soliden 4 (bis er dann abknickt), aber empfindet keine Bedrohung und keinen Zwang. Mit Manipulation und Charisma schafft es der Antagonist, dass der Held für ihn arbeitet und ihn (noch) nicht als antagonistische Kraft wahrnimmt, und diese Zwang-Situation in seinem Empfinden komplett in den Hintergrund gerät - bis der Antagonist dann (aus Gründen, die hier nicht interessieren) seine Karten voll ausspielt.
Da habe ich noch überlegt, ob ich mit einer gestrichelten Linie oder verschiedenen Farben arbeiten soll - bis mir auffiel, das der zwischen Tür und Angel ausgewählte Begriff eigentlich doch ganz gut passt.
Es geht nicht um die realistische Situation, in der der Protagonist ist - es geht einfach nur ganz subjektiv darum, ob er sich erfolgreich oder bedroht fühlt.
Gut, wenn man jetzt einen Narzissten oder sowas hat, ist das vielleicht nicht so praktisch, aber ich werde das in den nächsten Tagen mal auf mein Gross-Projekt und meine Novellen drüber legen. Vielleicht hilft es ja beim Feinplot.
Was meint ihr dazu?
Benutzt ihr auch so eine Art "Wohlfühl-Kurve", oder meint ihr, die Stadien 6-10 könnte man allgemeingültiger oder abstrakter definieren?
Also an so eine Wohlfühlkurve hatte ich noch nie gedacht. Vielleicht ist das bei längeren Handlungsverläufen sogar praktisch, damit der Charakter nicht versehentlich von absoluter Todesangst in totale Glückseligkeit schlittert, wobei das bei guter Planung eigentlich nicht passieren sollte.
Die 10 das erreichbaren Optimum zu definieren, ist ein guter Ansatz. Jedoch darfst du diesen Punkt nicht fließend anpassen. Deine Definitionen zu den Zahlenwerten müssen fest stehen, sonst sind die Werte nicht vergleichbar und du kriegst eine Kurve, die rein gar nichts aussagt.
Also Du meinst, dass ich diese 6-10 auch definieren müsste?
Da ich urspünglich nur wechselnde Positionen bzw. Ausschluss aus Systemen notieren wollte, bin ich bei der 10er-Kurve dann bei gesellschaftlichem oder beruflichem Erfolg hängen geblieben.
Wie ich so eine 6-10 allgemeingültiger formulieren kann, dass man sowohl Beförderungen, immaterielle Erfolge (z.B. hohes Ansehen durch Königsnähe) als auch Reichstumszuwachs oder greifbareren sozialen Aufstieg damit einordnen kann - da war ich ein bisschen überfragt :hmmm:
Ich würde versuchen, noch stärker den Unterschied zur Spannungskurve rauszustellen, indem du vielleicht auch 1-5 stärker auf berufliche/gesellschaftliche Stellung konkretisierst. Gerade wenn du nämlich allein die Definition "Protagonist fühlt Misserfolg/Gefahr" ansetzt, sehe ich da nicht wirklich einen anderen Verlauf? Die Spannung in Fantasy/SF mit den typischen Abenteuer-Plots (aber auch Romance, etc.) kommt ja gerade auch gerade sehr stark von der Gefahr/Bedrohnung und dem Misserfolg (und dem darauffolgendem Wiederaufrichten bzw. dem Sieg über die Gefahr), das der Protagonist erlebt. Dass man auch mit der Stellung Treppchen spielen kann, um Spannung zu erzeugen, ohne dass es der Protagonistin vielleicht hauptsächlich um ihre Stellung geht, finde ich aber spannend.
Ich habe aber auch schonmal etwas in die Richtung in einem Schreibratgeber gelesen, auch in die Richtung "Wohlfühlkurve" (die, soweit ich mich erinnere, aber wirklich eher ums Wohlfühlen als Wohlfühlen, nicht ums Gefühl von Bedrohnung oder Stellung ging...), aber ich erinnere mich gerade nicht daran, wo. Falls es mir noch einfällt, verlinke ich es dir.
Ich versuchs mal, wobei ich der Symmetrie wegen noch eine 0 dazu packe. Theoretisch sollte der Held pro Geschichte nur ein mal auf 0 (logisch) oder auf 10 kommen, beide Level sind aber optional.
0 = Tod
1 = akute bedrohliche Situation (der Held hat praktisch eine Waffe am Hals)
2 = unmittelbar bevorstehende akute bedrohliche Situation (noch ist keine Waffe ausgepackt, das ist aber die wahrscheinlichste zukünftige Perspektive)
3 = eine grundsätzlich bedrohliche Gesamtsituation
4 = das drohende Verhängnis, eine tendenziell negative Perspektive
5 = der Normalzustand. Man ist nicht in Gefahr, man erwartet aber auch nichts besonders Positives.
6 = tendenziell positive Perspektive, der Held ist optimistisch
7 = eine grundsätzlich glückliche Gesamtsituation
8 = Ein Teilerfolg, dem Held geht es blended, aber er hat sein Ziel noch nicht erreicht
9 = Ziel erreicht, ein großer Erfolg/großes Glück
10 = Held wunschlos glücklich
Wie du siehst, definiere ich die positive Skala mit Glück/Erfolg, das ist allgemeingültig, ob es nun um Beförderungen oder Liebesglück gibt. Ich denke aber, dass es durchaus Sinn macht, so eine Kurve klarer für jede einzelne Geschichte zu definieren. Wenn es ein Liebesroman ist, ist die 10 eben die absolute Erfüllung, Hochzeit, Kinder was auch immer und 0 die endgültige Trennung. Beim politischen Drama geht es dafür von ein mittelloses verachtetetes nichts zum Starintrigant.
Ich selber benutze so eine Kurve nicht, aber in der Überarbeitung kann ich das mal anbringen, wobei ich durchaus nichts gegen ein tiefes Gefälle hätte, also ein plötzlicher Steigungsabfall ist nicht immer unausgeglichen finde ich.
Das klingt echt interessant. Ich könnte mir auch vorstellen, das für mich zu verwenden, allerdings würde ich vielleicht überlegen, ob ich die subjektive Bedrohung/Situation des Protagonisten oder des Lesers darstellen will. Das deckt sich oft, aber in der Situation, die du schilderst, kann das auch auseinander gehen. Wenn mein Leser nicht mehr weiß, als der Protagonist, ist alles gut, aber wenn der Leser weiß, dass der Protagonist bedroht ist, der Protagonist aber nicht, dann finde ich das als Leser vielleicht irre spannend, obwohl sich der Protagonist total wohl fühlt. Eventuell könnte man auch mehrere Kurven einzeichnen - eine für den Leser, eine für den Protagonisten und dann vielleicht noch für jede richtig wichtige Figur eine. Was da raus kommt, ist bestimmt richtig spannend, besonders, wenn ich noch meine allgemeine Spannungskurve mit einzeichne. :hmmm: (Statistikerin liebt Graphiken, ne?)
Wie du die Zahlen von 6-10 definierst ist letztendlich nur die Frage, womit du am besten arbeiten kannst. Die Kurve ist ja für dich da und soll dir beim Schreiben und Plotten helfen. Was ist für dich aussagekräftig? Was hilft dir? Am Ende macht das sowieso jeder anders.
Ich glaube, so eine Kurve könnte ein Problem beseitigen, das ich bei erstaunlich vielen Büchern bemerke - zu viele Höhepunkte auf einem Haufen. Der Protagonist rennt von einer Bedrohung direkt in die nächste und aus den eigentlichen Höhepunkten wird ein einziges hohes Niveau - der Leser fängt an, sich daran zu gewöhnen und sich zu langweilen. Mit so einer Wohlfühlkurve wäre das sofort sichtbar und man könnte gleich aufpassen, dass sich Höhepunkte gut verteilen und mit anderen Niveaus abwechseln.
Sicher, kann man machen. Graphiken helfen manchmal, einen Zeitablauf besser zu verstehen. Aber was mich am meisten interessieren würde, ist, wie denn Deine Idealkurve aussähe, mit der Du die eigene dann vergleichen kannst.
Liebe Grüße
Trippelschritt
Was meinst Du mit Idealkurve?
@Tanrien Also, mein persönlicher Grundgedanke war: sobald eine gewisse Bedrohlichkeit erreicht ist, ist es dem Helden egal, was mit Karriere etc ist. Wenn ich davon ausgehe, dass mir Leute nach dem Leben trachten oder wenn ich so taktieren muss, dass ich akute Gefahrensituationen vermeiden kann, dann sind Karriere und Status egal.
Ich könnte eine Extra-Kurve erstellen, in der es nur um einen dieser Aspekte geht, aber das hier zusammen mit der Gefahr abarbeiten finde ich nicht passend.
@Maubel Ja, das ist super! Warum der Protagonist so fühlt (Karriereanstieg, immaterieller Gewinn, Reichtum), das ist dann ja egal.
Mein Freund meinte, ich könnte ebenfalls mit einer anderen Farbe die "Realität" darstellen: es könnte ja noch andere Phasen geben, in der die Figur einer Täuschung oder mangelnden Einschätzung auf den Leim geht. Wenn ich diesen Schock-Moment besser planen will, in dem Wahrnehmung/Einschätzung und Realität/Gefahr aufeinander prallen, wenn es z.b. ein stärkeres Gefälle werden soll... Das könnte ich auch damit "berechnen"... :hmmm:
Zitat von: Trippelschritt am 23. April 2016, 11:50:43
Sicher, kann man machen. Graphiken helfen manchmal, einen Zeitablauf besser zu verstehen. Aber was mich am meisten interessieren würde, ist, wie denn Deine Idealkurve aussähe, mit der Du die eigene dann vergleichen kannst.
Ich weiß gar nicht, ob es Sinn macht, da mit einer Idealkurve zu arbeiten. Das sollte sich vielleicht schon an der allgemeinen Spannungskurve orientieren, einfach, weil es wenig Sinn macht, wenn der Protagonist seinen absoluten Tiefpunkt schon auf Seite 20 erreicht und ab dann geht es ihm nur noch gut, aber die Wohlfühlkurve bietet meiner Ansicht nach so viel Spielraum, dass es einfach zum eigenen Roman passen muss. Es ist am Ende ein Instrument zur Visualisierung, denke ich. Ich kann dann sehen, dass ich vielleicht an einer Stelle zu viele Höhepunkte auf einem Haufen habe oder dass es meinem Protagonisten im dramatischen Finale zu gut geht, aber das hängt ja am Ende sehr stark davon ab, welche Kurve ich überhaupt haben will und nicht davon, wie so etwas allgemein sein sollte. Sonst habe ich am Ende wirklich nur noch generische 0815 Plots.
Ah, jetzt verstehe ich vielleicht, was gemeint ist. Das kommt ja auch stark auf die Art des Plots an; bei einem Revenge-Plot oder, öhems, hab den griffigen Namen vergessen (das mit demUnderdog), da ist e durchaus erwünscht, dass der Protagonist früh einen Tiefpunkt erreicht.
Bei Heldenreise oder anderen Plots ist das nicht der Fall.
Die "Idealkurve" hängt also stark davon ab, was für eine Art von Geschichte man erzählen will.
Tatsächlich sollte die Idealkurve von der Art der Geschichte abhängen. Damit man solch eine Kurve auswerten kann, braucht man solche Vergleichswerte, sonst ist es einfach nur eine hübsche LInie, die nicht viel aussagt. Das wäre dann eben etwas, das man sich im Vorfeld überlegen sollte. In welchem Akt geht es dem Charakter richtig dreckig? Wann erholt er sich davon? Kommt dann die nächste Katastrophe? Erreicht er das ultimative Glück? Und bleibt er dann dabei oder wird es ihm wieder zerstört? Anhand dieser Fragen kann man Aktweise einen groben Verlauf vorgeben und dann beim Schreiben sehen, ob sich der Charakter innerhalb dieser Parameter bewegt.
Ja, Fianna, darum ging es mir. Ohne eine normative Vergleichskurve - egal, wie sie aussieht - zeigt die Wohlfühlkurve nur ein Muster ohne Bedeutung. Die Bedeutung entsteht erst durch eine Bewertung (oder eine Erwartung oder eine Hypothese, Theorie, nenne es, wie du möchtest). Willst du einen Dreiakter mit Katastrophe nach dem ersten Akt, einem Wendepunkt in der Mitte des zweiten Aktes und den Zusammenbruch nach dem zweiten Akt, bevor sich im dritten alles zum Furiosum steigert ;D, dann kannst Du sehen, ob Du die Ideallinie getroffen hast. Aber vielleicht willst Du ja auch einen Fünfakter oder die Leser mit raschen Wechseln vor dir hertreiben. Egal wie, aber eine Vergleichsbasis brauchst Du für Deine Graphikidee. Ist eine schöne Idee, finde ich. je länger ich darüber nachdenke.
Viel Erfolg
wünscht Trippelschritt
@Trippelschritt: Sehe ich überhaupt nicht so. Klar, ein Vergleich mit einer Idealkurve kann nützlich sein, aber so eine Kurve kann auch einfach zur Visualisierung total hilfreich sein. Was genau ich darin dann sehe, kann einem eben niemand vorschreiben, aber mir fallen tausend Beispiele ein. Zum Beispiel könnte ich bei zwei Protagonisten zwei Kurven eintragen und wenn ich dann sehe, dass Protagonist A einen totalen Höhenflug hat, während Protagonist B einen absoluten Tiefpunkt erreicht, kann ich darüber nachdenken, ob ich das an dieser Stelle wirklich so will (kann ja auch ganz spannend sein) oder ob ich Protagonist A nicht vielleicht auch ein Hindernis in den Weg stelle. Ich könnte beobachten, dass ich zu viele Tiefpunkte auf einem Haufen habe und vielleicht lieber einen herauskürze. Ich könnte beobachten, dass die Einschätzung der echten Bedrohung, von der der Leser durch eine andere Perspektive weiß, und die Einschätzung des Protagonisten sehr oft weite auseinander liegen, was dazu führen könnte, dass sich der Leser innerlich vom Protagonisten distanziert, wodurch ich dann zum Beispiel meine Betaleser gerade danach fragen könnte, um sicher zu gehen, dass das nicht passiert. Ich könnte beobachten, dass mein Protagonist über sehr lange Zeit ziemlich selbstsicher ist und dann darauf kommen, dass ich ihm vielleicht besser noch einmal einen richtigen Schlag verpasse. Wie gesagt, es ist ein Instrument zur Visualisierung und zeigt mir auch ohne Ideallinie sehr viel, wenn ich mich näher damit beschäftige, einfach weil ich so die Möglichkeit habe, die Kurve zu hinterfragen und kritisch über etwas nachzudenken, was man sonst einfach immer nur hinnimmt und vom Plot abhängig macht. Ich würde also echt nicht sagen, dass man eine Idealkurve unbedingt braucht. Es geht auch gut ohne.
Ich glaube, ich finde es mit zu vielen Graphen undurchsichtig. Im Moment kann ich mir eher vorstellen, Charaktere, die Animositäten gegeneinander hegen, dort gleichzeitig einzutragen.
Beispielsweise Figur B denkt, dass Figur A unverdientermassen bevorzugt ist und in Reaktion darauf macht er etwas, was um einen Umweg die Haupthandlung beeinflusst. Nur wenn die Wohlfühlkurven von A und B sich hinreichend unterscheiden, ist diese Frustration glaubhaft.
Aber man kann natürlich alle POVs eintragen, oder Protagonist und Antagonist oder alle POVs und Antagonist...
In deinem ersten Beispiel, Mondfräulein, vergleichst du bereits zwei Kurven miteinander. Um eine Aussage über die Güte eines Kurvenverlaufs bei nur einer Kurve machen zu können, brauchst du irgendwie geartete Vergleichswerte. Sonst hast du ja keinen Bezug. Woher willst du sonst wissen, ob drei Kapitel auf Stufe 6 völlig in Ordnung sind oder ob der Charakter nicht doch noch einen Tiefschlag braucht? Wenn du dein gewünschtes Ergebnis nicht kennst, weißt du nicht, ob du davon abweichst und kannst das Bild nicht bewerten. Das gleiche Prinzip liegt vor, wenn ich dir ein Diagramm zu den Verkaufszahlen des letzten Jahres vorlege. 500000 Euro fast jeden Monat? Oh, und da ist auch noch ein Ausreißer im August mit fast 1 Million. Klingt total genial, ist aber ohne jeden Bezug. Denn leider habe ich dir nicht die Vergleichslinie des angestrebten Umsatzes gezeigt und auch nicht die Zahlen vom Vorjahr. Sonst hättest du gleich gesehen, dass über das gesamte Jahr der angestrebte Umsatz nur im August knapp erreicht wurde und wir sonst Miese gemacht haben und im Vergleich zum Vorjahr ein Minus von 20% - klingt nicht mehr so toll.
Deshalb ist mein Vorschlag: Im Vorfeld eine grobe Linie erstellen, wo es mit dem Charakter hingehen soll im Verlauf der Geschichte. Das wäre dann die Vergleichslinie (aus dem Beispiel gegriffen der angestrebte Umsatz). Dann hat man etwas in der Hand. Statistik funktioniert ohne Vergleichswerte nicht. Ohne Vergleich ist sie nutzlos. Anwenden würde ich das Ganze wie Maubel vermutlich auch erst in der ersten Überarbeitung, um einen Überblick über die tatsächliche Charakterentwicklung zu bekommen. In der Theorie denkt man sich ja eine Menge aus. Aber Theorie und Praxis mochten sich ja noch nie ;)
Ich würde jeden Charakter einzeln behandeln und Vergleich- und Realkurve in ein Diagramm setzen Je mehr LInien in einem Diagramm desto unübersichtlicher. Wenn du zwei Charaktere miteinander vergleichen willst, kannst du deren Linien auch in einem Diagramm darstellen. Excel machts ja möglich. Eine schöne große Tabele für alle und du lässt dir einfach die Graphiken ausspucken, die du gerade brauchst.
Ich finfe nicht, dass man absolute Vergleichswerte braucht. Ich kann mir beispielsweise als Ziel setzen, dass der Plot nicht in der Mitte rumdümpeln soll, dass ich an Punkt X der Handlung einen starken Abfall brauche und dass ich mit einer positiven (oder negativen) Gesamtsituation rauskommen will.
Das sind alles sehr vage Angaben, oder: relative Bezüge (besser als vorher/schlechter als vorher, grösser als 5 / kleiner als 5), die aber schon beim Plotten helfen können.
Es kommt auf die Zielsetzung an :)
Excel? :o Ich wollte altmodisch per Hand malen.
Zitat von: Araluen am 23. April 2016, 14:23:36
In deinem ersten Beispiel, Mondfräulein, vergleichst du bereits zwei Kurven miteinander. Um eine Aussage über die Güte eines Kurvenverlaufs bei nur einer Kurve machen zu können, brauchst du irgendwie geartete Vergleichswerte. Sonst hast du ja keinen Bezug. Woher willst du sonst wissen, ob drei Kapitel auf Stufe 6 völlig in Ordnung sind oder ob der Charakter nicht doch noch einen Tiefschlag braucht?
Ich vergleiche zwei Kurven, aber nicht eine Idealkurve mit der, die ich habe, sondern ich sehe, wo sich zwei Kurven überschneiden und wo sie auseinander gehen, um dann nicht die Konsequenz daraus zu ziehen, dass ich sie angleichen muss, sondern darüber nachzudenken, ob ich will, dass sie sich angleichen oder ob es nicht ganz sinnvoll sein kann, dass sie auseinander gehen. Wie in der Statistik. Da habe ich wirklich nicht immer Vergleichswerte, aber man kann da so viel wild herum rechnen, dass man sie nicht immer braucht, um ein interessantes Ergebnis heraus zu bekommen. Ich kann da auch nur eine einzelne Kurve betrachten und mir dann überlegen, warum sie so aussehen könnte. Davon kann ich dann schon wunderbar Hypothesen ableiten. Genau das meine ich ja - ich betrachte eine Kurve, und das ja sowieso von vorne herein mit dem Vergleichswert, dass ich weiß, wie mein Plot oder meine Spannungskurve aussehen soll, und dann sehe ich ob es Auffälligkeiten gibt, zum Beispiel, wenn die Kurven von zwei Protagonisten stark auseinander gehen, dass die Kurve über einen längeren Zeitraum stagniert - und leite die Hypothese ab, dass das vielleicht ungünstig sein könnte. Die überprüfe ich dann anhand meines Textes.
Es macht ja auch mit Vergleichswerten oft viel Sinn - ich will ja nur sagen, dass man sie nicht unbedingt braucht und dass die Kurve ohne nicht vollkommen nutzlos ist. Ich zum Beispiel bräuchte für mich keine Idealkurve, wie das Wohlbefinden meiner Figur aussehen soll, um dann das tatsächliche Wohlbefinden anzupassen. Mir würde es reichen, einfach zu sehen, wie es ist, um einen Überblick zu haben, wie sich das im Gesamtkontext verhält. Jeder muss so eine Kurve so verwenden, wie sie für ihn am meisten Sinn macht und wie sie ihm am meisten hilft. Manche brauchen eine Idealkurve zum Vergleich, ich zum Beispiel aber nicht. Alles möglich, alles legitim.
Zitat von: Fianna am 23. April 2016, 14:30:21
Ich finfe nicht, dass man absolute Vergleichswerte braucht. Ich kann mir beispielsweise als Ziel setzen, dass der Plot nicht in der Mitte rumdümpeln soll, dass ich an Punkt X der Handlung einen starken Abfall brauche und dass ich mit einer positiven (oder negativen) Gesamtsituation rauskommen will.
Das sind alles sehr vage Angaben, oder: relative Bezüge (besser als vorher/schlechter als vorher, grösser als 5 / kleiner als 5), die aber schon beim Plotten helfen können.
Es kommt auf die Zielsetzung an :)
Sehe ich auch so! Wie gesagt, alles geht!
Zitat von: Fianna am 23. April 2016, 14:30:21
Excel? :o Ich wollte altmodisch per Hand malen.
Ich hätte das vielleicht sogar mit R versucht. :rofl:
Ich habe kein r vertippt, mir fehlt der Zusammenhang... Ist das die Abkürzung für ein Programm?
Zitat von: Fianna am 23. April 2016, 14:49:46
Ich habe kein r vertippt, mir fehlt der Zusammenhang... Ist das die Abkürzung für ein Programm?
R ist ein Statistik-Programm, das heißt wirklich so.
Wenn du im Kopf aber eine Vorstellung hast, wie es aussehen könnte, dann hast du damit doch schon deine Vergleichskurve, nur eben nicht aufgemalt *gg*
Aber gut, wir drehen uns da gerade etwas im Kreis. Einig sind wir uns ja immerhin, dass man eine Vorstellung von dem hat, was es werden soll.
Zitat von: Fianna am 23. April 2016, 14:30:21
Excel? :o Ich wollte altmodisch per Hand malen.
Ernsthaft? Die Zeit willst du vergeuden? Excel oder von mir aus auch R geht doch viel schneller, ist flexibler und du sparst Papier :rofl: Aber jeder nach seiner Vorliebe. Da muss man nun wirklich keine Diskussion anfangen. Du Stift und Papier, ich Excel ;)
Zitat von: Araluen am 23. April 2016, 15:48:22
Wenn du im Kopf aber eine Vorstellung hast, wie es aussehen könnte, dann hast du damit doch schon deine Vergleichskurve, nur eben nicht aufgemalt *gg*
Aber gut, wir drehen uns da gerade etwas im Kreis. Einig sind wir uns ja immerhin, dass man eine Vorstellung von dem hat, was es werden soll.
Naja, nichtmal. Ich persönlich würde mir das eben ansehen und dann überlegen, ob es so, wie es ist, wirklich Sinn macht. Dafür muss ich nicht wissen, wie es aussehen soll.
Ich finde die Idee interessant. Vielleicht probiere ich es auch mal aus. Ich glaube auch nicht, dass man sich vorher unbedingt eine Idealkurve erstellen muss, sondern auch nur seine eigene Kurve analysieren kann.
Aber man könnte im Voraus vielleicht von Büchern, die man gut fand, Wohlfühlkurven erstellen. Einfach um zu kucken, wie es erfolgreiche Autoren machen.
@Araluen Ich würds auf einem Whiteboard machen...
Meine Vorstellung ist sehr grob: ein extremer Abfall und einige Schwankungen. Als Vorstellung würde ich das nicht bezeichnen.
Zitat von: Mondfräulein am 23. April 2016, 16:06:02
Naja, nichtmal. Ich persönlich würde mir das eben ansehen und dann überlegen, ob es so, wie es ist, wirklich Sinn macht. Dafür muss ich nicht wissen, wie es aussehen soll.
Aber Du musst wissen, was der Sinn ist. Und darum geht es Araluen (hoffe ich) und mir. das kannst du intuitiv machen aus dem Bauch oder planmäßig, indem Du Dir vorher überlegst, was für Dich denn Sinn macht. Im Endergebnis macht es kaum einen Unterschied.
@ Fianna
Nein? Als was denn? Das ist für mich unter all den Möglichkeiten schon eine recht konkrete Vorstellung.
Liebe Grüße
Trippelschritt
Zitat von: Trippelschritt am 23. April 2016, 20:38:21
Aber Du musst wissen, was der Sinn ist. Und darum geht es Araluen (hoffe ich) und mir. das kannst du intuitiv machen aus dem Bauch oder planmäßig, indem Du Dir vorher überlegst, was für Dich denn Sinn macht. Im Endergebnis macht es kaum einen Unterschied.
Ich habe ja auch nichts anderes sagen wollen, als dass ich für die Weise, auf die ich persönlich das nutzen würde, keine Idealkurve brauche, mit der ich das abgleiche, und man allgemein also nicht immer eine Idealkurve braucht, auch wenn sie für andere wiederum nützlich sein kann. Es geht beides. Ich würde das dann nach deiner Erklärung eher intuitiv machen, wenn ich dich richtig verstanden habe. Andere geplant. Jeder, wie er will und wie es ihm hilft.
Zitat von: Trippelschritt am 23. April 2016, 20:38:21
Aber Du musst wissen, was der Sinn ist. Und darum geht es Araluen (hoffe ich) und mir. das kannst du intuitiv machen aus dem Bauch oder planmäßig, indem Du Dir vorher überlegst, was für Dich denn Sinn macht. Im Endergebnis macht es kaum einen Unterschied.
Ja, wir verstehen uns in diesem Punkt, Trippelschritt ;D
Ich werde auf der X-Achse mir einen bestimmten Teil vorstellen (in meinem Fall: so lang, wie das Whiteboard eben ist), auf dem ich mir 100 % vorstelle. Da suche ich mir dann die markanten Punkte, die ich einpflegen will, im Handlungsverlauf.
Projekte, die mit 3-Akt geplottet wurden, haben dadurch schon einen Anhaltspunkt, beim Rest meiner Projekte muss ich ins Blaue raten, wo etwa die Hälfte des Manuskriptes sein wird.
Bei denem, die mit Dreiakter geplottet wurden, kann ich am Ende, nach Erstellen der Kurve, ja noch 2 senkrechte Linien in die Kurve ziehen, die den Übergang vom 1. zzm 2. bzw. vom 2. zum 3. Akt darstellen :hmmm:
Diesbezüglich habe ich gar keine "Idealkurve" im Kopf, noch nicht mal ganz grob.
Ich schau mir einfach den Kurvenabschnitt vom 1. Akt an und überlege, ob mir das so gefällt ;D
Hallo Fianna
Geht es dir denn mehr um die Stimmigkeit des Charakters (also dass jemand z.B. so und so viel überhaupt aushalten kann) oder um die Spannung, die beim Leser im Endeffekt erzeugt wird? Ich fände das noch wichtig zu unterscheiden. Du hast ja dieses eine Beispiel genannt, wo der Held sich gar nicht in Gefahr fühlt, weil er vom Antagonisten ausgenutzt wird. Das wäre ja dann eine typische Situation, wo die "Wohlfühlkurve" bei der einen Seite steil ansteigt und bei der anderen nicht. Aus meiner Perspektive wäre der Blick auf den Leser wichtiger, darum würde ich eher aufgrund der Handlung berechnen, wo sich beim Leser die Wohlfühlkurve verändert.
Nein, mir geht es um die Stimmigkeit des Charakters (wie Du es so nennst).
Das mit der Leser-Reaktions-Kurve finde ich schwierig. Ich reagiere beispielsweise meist ganz anders als berechnet. Beispielsweise war bei Elizabeth Haydon der ehemalige Assassine als böser-guter Sidekick dargestellt (hilfrech, aber eigentlich scheisse und kein Sympathieträger), dabei war er für mich sympathischer als Held und Heldin zusammen. Teilweise habe ich nur weiter gelesen, um zu erfahren, was mit dieser Figur so passiert...
jeder Mensch reagiert doch anders auf einen Text, abhängig von Erfahrungen, Vorlieben und zuvor Gelesenem.
Da erscheint es mir einfacher, mit solchen Werkzeugen rein auf der Ebene der Figuren zu bleiben
Der Ideal-Leser, den ich mir beim Bauen seiner Kurve vorstelle, gibt es vielleicht nicht oder nur in sehr geringer Anzahl (prozentual berechnet unter allen Leuten, die es lesen werden).
Ich bin ja schon stark damit beschäftigt, beim Schreiben die Leser im Kopf zu haben (wie bringe ich jetzz folgende Reaktion zustande?) anstatt mich von den Figuren treiben zu lassen wie die meisten hier.
Aber so eine abstrakte Kurve für einen hypothetischen Idealleser ist mir dann doch zuviel des Guten.
Wenn Du es mal erfolgreich ausprobiert , erzähle uns doch hier davon. :)
Also, so rein rechnerisch habe ich das noch nie betrachtet. XD
Aber ja, ich finde definitiv, dass der Held auch mal "Ruhepunkte", bzw positive Zeiten haben sollte. Was mir da spontan einfällt ist Charakterinteraktion, vielleicht so was wie "connecten" mit einem Freund, einen neuen Gefährten dazu gewinnen, eine neue Fähigkeit entdecken/trainieren/meistern, eine wichtige Information über den Bösen erfahren, etc. Sowas muss ja auch zwischendurch passieren. ;)
Persönlich bin ich ja ein Leser, der es einfach schätzt, wenn es zwischendurch schöne Charakterinteraktion gibt, zwei Charas sich helfen oder sich umeinander sorgen machen oder einfach mal über was reden. Ich kann ja mit den "lone Wolf/ich mach das alles alleine" Helden so rein gar nichts anfangen.
naja, bei der angedachten Kurve ist man ganz eng am Charakter, banal heruntergebrochen: empfindet er Angst, fühlt er sich sicher oder erfolgreich?
Sicherheit und Erfolg oder Gefahr haben für mich nichts mit Einzelgängertum oder Gemeinschaft zu tun.
So eine Interaktions-Kurve könnte man natürlich auch zeichnen, aber das ist nicht das, worum es hier geht.