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Handwerkliches => Workshop => Thema gestartet von: Cailyn am 08. November 2013, 16:18:47

Titel: Dilemma beim Anfang einer Fantasy-Geschichte
Beitrag von: Cailyn am 08. November 2013, 16:18:47
Nachdem ich die ersten paar Kapitel meines Buches schon mehrmals geändert, umgestellt oder gar neu geschrieben habe, gefällt mir der Beginn der Geschichte immer noch nicht. Und es ist mir auch schnell klar, woran es liegt. Ich hadere ständig mit zwei grossen Prioritäten, die ich nicht vereinen kann:

1. Priorität: die Figuren und der Plot (ich möchte Identifikation erreichen und eine Handlung generieren, die den Leser zum Weiterlesen vorantreibt)
2. Priorität: so viel von der für den Leser fremden Welt zeigen, dass er / sie sich orientieren kann und ungefähr weiss, was das für eine Welt ist (optimalerweise ohne jeglichen Infodump)

Ich denke, für einen berühmten Schriftsteller, der gerade an seinem 4. Bestseller schreibt, wäre dieses Problem nicht so gross, weil dieser sich einfach die Zeit in Form von Seiten leisten könnte, um beidem gerecht zu werden. Aber in einem Debütroman, der marketingtechnisch kein episches Werk werden darf, muss man als Autorin alles - also Figuren, Plot und Setting - auf ziemlich wenige Normseiten hineinquetschen.

Und das ist nun mein Dilemma.
Entweder kommt der Plot der Geschichte nur langsam in Gang, weil ich den Lesern eine Vorstellung von der Welt vermitteln möchte (=langweilig, macht nicht Lust zum Weiterlesen).
Oder aber der Plot geht flott, aber es mangelt dann im Text an Beschreibungen, an welchen sich die Leser orientieren können (=spannend, aber wenig Athmosphäre und Stimmung, was ich persönlich wichtig finde).

Womöglich habe ich auch einfach ein mangelndes Gespür dafür, wie viel Info die Lesenden überhaupt benötigen. Ich weiss es ehrlich gesagt nicht. Aber es fällt mir einfach auf, dass ich mit den zwei letzten Dritteln der Geschichte einigermassen zufrieden bin, mich aber das erste Drittel richtiggehend deprimiert. Allerdings habe ich keine Ahnung, wie ich das lösen könnte. Spielt eine Geschichte in unserer Welt, kann man so vieles mit wenigen Andeutungen gleich klarstellen. Das scheint mir ein grosser Vorteil zu sein. Aber in einer Fantasy-Welt, die der Leser nicht kennt, ist es sauschwer, eine geeignete Verteilung von Information, Handlung und Figurendarstellung zu finden. 

Was macht ihr für Erfahrungen mit dem Start der Geschichten (vorausgesetzt sie spielen in einer fremden Welt)?

LG, Cailyn

Titel: Re: Dilemma beim Anfang einer Fantasy-Geschichte
Beitrag von: Pygmalion am 08. November 2013, 17:40:30
Moin, also ich habe meinen Anfang einfach geschrieben und seitdem kaum noch verändert, bzw. tatsächlich nur um wenige atmosphärische Details verbessert.

Hilfreich wäre vielleicht, dir zu überlegen: Was MUSS der Leser gerade über die Welt wissen? Hat das Wissen, das ich ihm gerade vermitteln will, direkten Einfluss auf das Verständnis des Gesamtzusammenhangs? Oder kann ich das später im Verlauf noch näher erklären, wenn sich auch der Charakter an dieser Stelle befindet? Muss er wissen, dass König XYZ gerade versucht, Land ABC zu erobern, wenn der Prota in einer Taverne sitzt, seinen Roggenschnaps trinkt, dabei beklaut wird und den Dieb durch das Dorf verfolgt? Ich denke, die Details die sich aus der jeweiligen Situation ergeben, sind oft genug, vor allem am Anfang. DAss da einiges rätselhaft bleibt, kann auch zum Lesen anregen ;)
Ich glaube nicht, dass auf den ersten Seiten direkt klar sein muss, was es alles für Länder, Fraktionen, Herrscher, fremdartige Kreaturen gibt. Jetzt kenne ich natürlich deinen Roman nicht und weiß nicht, was man wissen muss, um der Handlung zu folgen. Läuft das ganze z.B. in einer "mittelalterlichen" Fantasywelt ab, reicht das ja eigentlich schon als Information, um gewisse Selbstverständlichkeiten verlangen zu können.
Vielleicht kannst du dich da auch ein bisschen an Kurzgeschichten orientieren? Da hast du überhaupt keinen Platz, die "Welt" an sich zu erklären, sondern nur den Ort des Geschehens. Das reicht da auch in der Regel auch völlig.
Titel: Re: Dilemma beim Anfang einer Fantasy-Geschichte
Beitrag von: Lothen am 08. November 2013, 17:54:36
Zitat von: Pygmalion am 08. November 2013, 17:40:30
Hilfreich wäre vielleicht, dir zu überlegen: Was MUSS der Leser gerade über die Welt wissen? Hat das Wissen, das ich ihm gerade vermitteln will, direkten Einfluss auf das Verständnis des Gesamtzusammenhangs? Oder kann ich das später im Verlauf noch näher erklären, wenn sich auch der Charakter an dieser Stelle befindet?

Mit dem Problem ärgere ich mich auch zur Zeit herum... Gerade bei personalen Erzählsituationen ist es oft merkwürdig, wenn der Protagonist plötzlich über kulturelle Besonderheiten, Glaubensinhalte, Geschichtswissen oder ähnliches erzählt, die für ihn völlig selbstverständlich sind. Oder die er als einfacher Bürger gar nicht wissen kann (was weiß ein Bauer schon über die Geschichte seines Landes, abgesehen von bedeutsamen aktuellen Vorkommnissen, von denen man ihm erzählt hat?).

Ich habe mich jetzt für den Mittelweg entschieden, den auch Pygmalion im Prinzip vorschlägt: Was passt und stimmungsvoll ist, wird in den Plot eingebaut, und alles andere kommt in einen Anhang oder ein Glossar ;) Das lässt dem Leser auch die Wahl, ob er intensiv in die Hintergrundwelt eintauchen will oder ob er sich einfach durch die Stimmung des Romans "berieseln" lässt.
Titel: Re: Dilemma beim Anfang einer Fantasy-Geschichte
Beitrag von: Christopher am 08. November 2013, 19:29:40
Zitat von: Cailyn am 08. November 2013, 16:18:47
Spielt eine Geschichte in unserer Welt, kann man so vieles mit wenigen Andeutungen gleich klarstellen. Das scheint mir ein grosser Vorteil zu sein. Aber in einer Fantasy-Welt, die der Leser nicht kennt, ist es sauschwer, eine geeignete Verteilung von Information, Handlung und Figurendarstellung zu finden. 

Genau mein Gedanke. Ich hab mein erstes Kapitel ca. 5 mal inzwischen umgeschrieben, und es war immer noch... nicht gut. Dasselbe Dilemma wie bei dir: zuviele Infos, die die Handlung ersticken. Problem bei mir: da meine Protagonistin ein Sukkubus ist, und etwas abweicht von der zumeist gängigen Definition davon, MUSS ich zwingend vor ihrem Erscheinen oder direkt dabei eine Beschreibung bringen, Infodump die Folge, welcher die Handlung abtötet/so sehr verlangsamt, dass es nervt.

Die Lösung die ich aktuell favorisiere:

Ein Prolog.
Ich muss die handlnden Charaktere nicht zu sehr in den Vordergrund rücken. Ebenso wenig ihre Gefühlsmäßige Situation zu sehr ausmalen etc. Trotzdem kann ich schon einige Atmosphärenelemente einbringen, bzw die Story sanft anschieben und dann mit den dadurch geschaffenen Grundlagen in das eigentliche erste Kapitel einsteigen.

In wie weit das bei deiner Story machbar ist, ist schwer zu sagen. Da musst du mal in dich gehen.
Vorschlag: den großen Hauptplot in dem Prolog andeuten. Das lässt den Leser über ein paar Seiten zumindest dranbleiben. Und bis dahin, hast du dann ja schon den Plot soweit vorangebracht, dass es weiter interessant bleibt.
Titel: Re: Dilemma beim Anfang einer Fantasy-Geschichte
Beitrag von: Cailyn am 08. November 2013, 19:44:44
Pygmalion,
Ich versuche natürlich auch, dem Leser eher wenig "Kulturelles" aufzutischen oder gerade nur so viel wie nötig ist. Aber in meiner Geschichte fängt das Problem schon damit an, dass eine Elbe das erste Mal in ihrem Leben in eine Menschenstadt geht. Also erstens ist da der Leser, der sich nicht auskennt, und zweitens auch die Prota, die alles zum ersten Mal wahrnimmt. Da wäre es schon fatal, wenn ich z.B. die Beschreibung der Bauten, die Kleider der Menschen und das städtische Treiben einfach so weglasse. Andersrum harzt eben die Handlung, wenn man dem gerecht werden will...

Lothen,
ZitatGerade bei personalen Erzählsituationen ist es oft merkwürdig, wenn der Protagonist plötzlich über kulturelle Besonderheiten, Glaubensinhalte, Geschichtswissen oder ähnliches erzählt, die für ihn völlig selbstverständlich sind.
Ja, ich kenne das auch. Aber dies lässt sich bei mir jetzt einfach lösen, weil die erste Figur, die auftritt, diese Welt auch nicht kennt. Bei mir ist es dann eher ein Zeitproblem.
Aber zurück zu deiner Situation, wenn der Prota die Welt kennt. Das wird schon schwer, wenn ein Bauer dann plötzlich über Geschichtliches erzählen soll. Da muss man dann wohl eine andere Situation schaffen, um solche Inhalte zu transportieren.

Ich bin halt oft auch in der Situation, wo ich mir überlege: Überfordere ich die Lesenden oder lasse ich sie im Leeren stehen. Und je nach dem, wer es liest, bekundet ein vollkommen anderes Feedback darüber. Gut, das ist dann halt der Geschmack der Leserschaft. Aber ich denke, bis zu einem gewissen Grad müsste ich eben schon einen Mittelweg finden. Aber wo ist denn die Mitte?  :hmmm:

Ah, Christopher... ;D
Da ist mir mein "Betalist" gehörig auf den Fersen, hehe.
Das mit dem Prolog habe ich mir auch schon ausgedacht und für gut befunden. Aber ich wüsste dann gar nicht, was ich in den Prolog nehmen würde... Im Endeffekt hat es mich dann wieder noch mehr verwirrt.
Was die Beschreibungen angeht, welche die Handlung unterbrechen, habe ich schon eine bessere Lösung gefunden. Das erste Kapitel ist jetzt weitgehend chronologisch, und nur eine Szene binde ich in einen Traum ein im zweiten Kapitel. Das ist nicht einmal mehr das Problem. Aber nun habe ich den Eindruck, dass im ersten Kapitel einfach keine Spannung da ist, kein Konflikt. Erst am Ende kommt die Figur in Schwierigkeiten. Aber reicht das, wenn der Leser erst 10 Seiten lesen muss, bis der Prota in Bedrängnis, in einen Konflikt kommt? Vor allem am Beginn sollte das ja tunlichst vermieden werden, oder?
Titel: Re: Dilemma beim Anfang einer Fantasy-Geschichte
Beitrag von: Christopher am 08. November 2013, 19:47:42
Fang doch kurz vor der Kundgebung an. Dann hast du deinen Konflikt, deine Schwierigkeiten, nach 2-3 Seiten :P
Titel: Re: Dilemma beim Anfang einer Fantasy-Geschichte
Beitrag von: Rosentinte am 08. November 2013, 20:20:09
Hallo Cailyn,

Ich persönlich finde, dass am Anfang Plot und die Charaktere im Vordergrund stehen sollten. Das ist es, was am Anfang die Spannung aufbaut und den Leser dazu bringt, das Buch weiterhin zu lesen.
Alles weitere über die Welt ergibt sich eher nebenbei. Wenn man z.B. eine Person in einem Gasthaus essen lässt, kann sie die verschiedenen Essgewohnheiten der anderen Reisenden (Elfen essen vegetarisch, Zwerge hauen nur ein Messer ins Fleisch und beißen dann ab, Menschen sprechen dem Alkohol besonders zu usw.) beobachten und ihre eigenen bzw. die Norm ganz unauffällig in das Geschehen einbinden.
Die wichtigsten Elemente der Welt zeigen sich auf diese Weise ganz natürlich in der Handlung, z.B. willkürliche Wachen als Sinnbild des tyrannischen Despoten oder große Präsenz von Tempeln/Priestern als Zeichen für starke Religiösität.

Wenn deine Prota zum ersten Mal in einer Menschenstadt ist, hast du es "vergleichsweise" einfach. Denn dann gehört es dazu, dass deine Prota sie "seltsamen" Handlungen beobachtet und kommentiert oder ab und zu in Fettnäpfchen tritt, weil sie es nicht besser weiß. Aber auch das kann neben der eigentlichen Haupthandlung stehen.

LG, Rosentinte
Titel: Re: Dilemma beim Anfang einer Fantasy-Geschichte
Beitrag von: Coehoorn am 10. November 2013, 10:09:03
Ich hatte das Problem gelöst, in dem ich mir meine Welt wie den weißen Kasten bei Matrix vorgestellt habe. Das Konstrukt. Mit der Handlung füllt sich dieses Konstrukt nach und nach auf, dass der Leser ein immer klareres Bild von der Welt erhält. Das Ganze beginnt mit einem sehr kurzen Prolog, wo der Leser nur mitbekommt in welche Richtung es geht. Dann fängt meine Geschichte mit einem Gasthaus an und das Bild im Kopf breitet sich dann praktisch in alle Himmelsrichtungen aus. Der Leser brauch am Anfang nicht zu wissen, wie die Katakomben der Kaiserstadt aufgebaut sind.  Als allwissender Erzähler kann man ja auch durchaus Fakten aufschreiben, die dem Character nicht bekannt sind.

Das führt auch dazu, dass sich meine Welt während des Schreibens selber baut. Es gab ganz grobe Umrisse (Hier ein großer Fluss, da Zwerge, da Nordmänner, da Kaiserstadt, da Elfen) und der ganze andere Rest, Sümpfe, Wälder, Dörfer, Ruinen, Höhlen, Wege, weißderteufelwasnochalles, all das findet sich inklusive der geschichtlichen Hintergründe erst, wenn der Protagonist dort vorbei kommt. Vorher bleibt die Fläche leer. Flächen die am Ende der Geschichte noch leer scheinen und nicht mal andeutungsweise Erwähnt wurden, fülle ich mit einer Karte auf, die ich parallel zum Schreiben zeichne.
Titel: Re: Dilemma beim Anfang einer Fantasy-Geschichte
Beitrag von: KaZuKo am 10. November 2013, 15:41:52
Hallöchen.

Ich stehe gerade vor demselben Problem - eine neue Welt, in die meine Protagonistin buchstäblich mit dem Leser geworfen wird. Und zwar nicht nur, dass sie eine unbekannte Stadt erreicht: Das arme Mädchen hat ihre kompletten Erinnerungen verloren, weswegen sie im Grunde zum ersten Mal einen Blick auf den Planeten wirft.

Bisher hatte ich mir vorgenommen, den Leser mit der Protagonistin und der Handlung entdecken zu lassen, statt ihm alles in tausenden Absätzen vorzukauen wie in einem Geschichtsbuch. Was in der bisherigen Handlung unwichtig ist, wird nicht erwähnt, bis es wichtig wird. So spare ich mir Unnötigkeiten und kann den Leser über Verhältnisse aufklären, wenn es unumgänglich wird. Natürlich ist es möglich, immer wieder kleine Hinweise in belauschten Gesprächen oder gewöhnlichen Unterhaltungen zu geben, um den Leser nicht immer in kaltes Wasser zu stürzen, wenn eine neue Info wichtig wird.
Bei mir gibt es noch den Vorteil, dass die Protagonistin gezwungenerweise mehrere Länder bereist, was einen Überblick über die ganze Welt geben wird, ohne gleich die von dir befürchteten tonnenschweren Beschreibungen abzuliefer. Sie wird sehen, was es zu wissen gibt, und es nicht unbedingt durch Worte erfahren. Das fand ich bisher immer ganz interessant und eigentlich spannender, als alles vorgeschrieben zu bekommen, wenn du weißt, was ich meine.
Diese Art von "how to introduce a new world" habe ich schon in mehreren Büchern gelesen, allerdings kann ich gerade kein Beispiel geben, weil alle High-Fantasy-Werke in meinem Kopf verschwimmen ...

Ich hoffe, das konnte dir etwas weiterhelfen.

Grüße,
Servi
Kazu
Titel: Re: Dilemma beim Anfang einer Fantasy-Geschichte
Beitrag von: Sanjani am 10. November 2013, 16:03:48
Ich selber kenne dieses Problem so gar nicht. Das heißt jetzt nicht, dass mir jeder Anfang leicht von der Hand geht, aber meistens schaffe ich es, Welt und Handlung gut zu verknüpfen, glaube ich jedenfalls :) Mir ist am Anfang meistens wichtig, dass es entweder spannend oder irgendwie neuartig losgeht, sodass der Leser erst einmal gefesselt wird und sich fragt, was sich noch im Verlauf der Geschichte tun wird. Danach darf es dann ruhig auch etwas langsamer weitergehen, aber der anfang, die erste Szene, muss für mich richtig einschlagen.

Wenn der Prota am Anfang zum ersten Mal irgendwo hin kommt, finde ich, ist es eigentlich relativ einfach, die neue Welt zu beschreiben. Das schwierige daran ist m. E., dass die richtigen Details ausgesucht werden müssen, das muss alles irgendwie zusammenpassen. Cailyn, du erwähntest ja, dass du eigentlich alles beschreiben müsstest, die Gebäude, die Kleider, die die Leute tragen und noch irgendwas. Ich sehe das nicht so, denn wenn deine Prota irgendwo neu hinkommt, werden die vielen neuen Reize sie vielleicht erst einmal ziemlich erschlagen und sie wird vielleicht nur einzelne grobe Details wahrnehmen, bspw. wird sie vielleicht feststellen, dass die Gebäude alle mehrere Stockwerke hoch sind, wenn sie das noch nicht kennt, und dazu noch ein paar andere Details. Im Vorbeigehen wird sie vielleicht von der Kleidung der Leute auch nicht so viel mitkriegen, das kommt alles erst später. Sie wird vielleicht an einzelnen besonderen Bauwerken stehen bleiben und die anschauen, aber vielleicht auch nicht. In deiner Geschichte (ich kenne sie ja auch :) ) dürfte das Treiben in der Stadt ja sehr groß sein, das wird ihr vermutlich Angst machen, und sie wird sich von der Menge weiter treiben lassen. Ich würde es an deiner Stelle übrigens so ähnlich machen wie Christopher es beschrieben hat :)

LG Sanjani
Titel: Re: Dilemma beim Anfang einer Fantasy-Geschichte
Beitrag von: Pintana am 10. November 2013, 17:07:49
Die Grundfrage ist für mich immer, was für den Protagonisten neu/anders ist, das man es sehr genau beschreiben muss,
ansonsten würde ich mit dem Prota anfangen, alles andere eher beiläufig einflechten und dann nach und nach etwas
mehr ins Detail gehen. Einfach, weil die Hauptfigur in meinen Augen am wichtigsten ist um die Bindung zum Leser zu
entwickeln und dafür zu sorgen, dass deine Leser nicht schon nach wenigen Seiten aufhören. Das auch deine
Welt und der weitere Plot sehr gut ausgearbeitet ist lässt sich schon erahnen, wenn der Prota mitreißend ist  ;)
Titel: Re: Dilemma beim Anfang einer Fantasy-Geschichte
Beitrag von: Cailyn am 13. November 2013, 20:42:37
Ja, ich teile die gängige Meinung, dass Protas und Plot vor der Welt Priorität haben. Schwierig finde ich es vor allem zu entscheiden, wie viel Visuelles ich in einer Szene beschreibe. Was sieht die Figur aus ihrer Perspektive? Je nach dem, wie detailliert ich etwas beschreibe, beeinflusst das ja auch die Qualität des Textes.
Beispiel:
Sieht der Prota nur, dass da ein Tisch, ein Stuhl und ein Fenster ist? (= eher langweilig, aber Worte sparend)
Oder sieht er einen mit Samt überzogenen Holzstuhl, einen marmorierten Tisch mit Schnörkelbeinen und ein Fenster mit glitzernden Gardinen, die durch den hereinkommenden Wind leicht bewegt werden? (= viel interessanter, aber länger).
Genau dies zu entscheiden, bringt mich oft ins Grübeln. Mache ich den Text durch schmackhafte Beschreibungen attraktiver und verlangsame den Plot, oder spare ich mir den Schnickschnack, komme straight zum Eingemachten, was dann aber leider nicht mehr so attraktiv zu lesen ist. 

Christopher und Sanjani,
Ich habe den Anfang bereits so umgestaltet (Ganz kurz im Wald, dann Reise in die Stadt, Kundgebung, Gefangenschaft). Es fühlt sich momentan sehr stimmig an - ihr könnt es sehr bald lesen ;)
Die Beschreibungen habe ich teilweise gekürzt, andere wiederum verlängert. Eins kommt da immer zum anderen, und am Ende ist alles anders.  :40°C:  :rofl:

Rosentinte,
Ja, ich denke, was gewisse Spezialthemen angeht wie Religöses, Politik, Festivitäten, dann fällt es mir leicht, das in der passenden Situation hervorzuholen. Die Einflechtung des Alltäglichen ist dann eher die Krux beim Schreiben. Da ich drei verschiedene Erzählstränge habe, ist es in den ersten paar Kapitel am schlimmsten zu entscheiden, welche Info nötig ist.

Coehoorn,
Das mit der Karte ist ja interessant. Aber wie detailliert machst du das? Bei Naturbegebenheiten wie du sie beschreibst oder auch in Städten?

Kazu,
Oh là là, ein gänzlich neuer Planet. Das ist ja noch viel schlimmer als bei meiner Prota  :ätsch:.
Dass sie aber mehrere Länder bereist, kann dann auch ein Nachteil sein, oder? Da kann man selten irgendwo in die Tiefe gehen oder zumindest nicht zu oft. Und es erfordert viel Empathie, so dass man sich in die Lesenden einfühlen und entscheiden kann, ob er eine bestimmte Info braucht oder nicht.
Dass du vieles ohne Worte zeigen willst, ist aber schon eine Kunst, die ich vermutlich nicht beherrsche. Also vielleicht mache ich das unbewusst manchmal, aber etwas Atmosphärisches clever durch die Blume darzustellen...phu, das könnte ich nicht bewusst hinkriegen. Das schaffe ich vielleicht, wenn es um die Beziehungen unter den Figuren geht, aber nicht hinsichtlich Beschreibung der Welt. Hast du denn da einen Trick, salopp gefragt?

Pintana,
Ja, die Identifikation mit der Figur muss am Anfang sicherlich angestrebt werden, sonst will man nicht mehr weiterlesen.
Lustigerweise passt es dann später aber auch nicht mehr so mit den Details. Wenn sich dann die Konflikte steigern, die Handlung sich verdichtet, will man dann plötzlich auch nicht mehr Einschübe machen, um so Banales zu beschreiben, damit der Leser weiss, welche Architektur die Städte haben oder dass die Leute nur gelbe Kartoffeln essen. Kommt solches zu spät, treibt der Lesende dann zu lange mit falschen Bildern durch die Geschichte und ist plötzlich schockiert, dass dies und jenes nun ganz anders beschrieben wird als er angenommen hat.
Titel: Re: Dilemma beim Anfang einer Fantasy-Geschichte
Beitrag von: Sanjani am 14. November 2013, 10:48:01
Hallo Cailyn,

Zitat von: Cailyn am 13. November 2013, 20:42:37
Schwierig finde ich es vor allem zu entscheiden, wie viel Visuelles ich in einer Szene beschreibe. Was sieht die Figur aus ihrer Perspektive? Je nach dem, wie detailliert ich etwas beschreibe, beeinflusst das ja auch die Qualität des Textes.

Ich kenne ja dein Geschriebenes, und ich glaube, dass du dir da viel zu viele Gedanken machst und dein Licht da zu sehr unter den Scheffel stellst. Du machst das schon sehr gut.

Zitat
Beispiel:
Sieht der Prota nur, dass da ein Tisch, ein Stuhl und ein Fenster ist? (= eher langweilig, aber Worte sparend)
Oder sieht er einen mit Samt überzogenen Holzstuhl, einen marmorierten Tisch mit Schnörkelbeinen und ein Fenster mit glitzernden Gardinen, die durch den hereinkommenden Wind leicht bewegt werden? (= viel interessanter, aber länger).

Allgemein denke ich, dass man so ein Beispiel nicht einfach aus dem Kontext reißen und darüber entscheiden kann. Viel ist ja davon abhängig, in welcher Verfassung sich die Person befindet. Ist die Person z. B. gerade in tiefer Trauer, weil sie einen Verlust erlitten hat, dürften ihr die Gardinen vielleicht gar nicht auffallen. Oder vielleicht wird ihr gerade der Marmortisch auffallen, weil er die Überlegenheit der Feinde signalisiert oder die Gleichgültigkeit. Oder aber die Person ist bettelarm und kommt in einen prunkvollen Raum, wo ihr vielleicht sehr viele Details auffallen werden. Beides kann man interessant gestalten, aber für mich muss das passen. Wenn ich z. B. Aschenputtel neu schreiben müsste, und ich hab die Szene, wo sie auf den Ball kommt, fände ich es komisch, wenn ihr die vielen Details im Ballsaal, die von Reichtum und Anmut künden, nicht auffallen würden.

LG Sanjani
Titel: Re: Dilemma beim Anfang einer Fantasy-Geschichte
Beitrag von: Pygmalion am 14. November 2013, 11:05:57
Das sehe ich genau wie Sanjani. Es gibt Szenen, da ist die Einrichtung völlig nebensächlich, es gibt welche, da ist die Ausstattung des Raumes oder Hauses von Bedeutung. Das kann man überhaupt nicht pauschal entscheiden.
Geht jemand durch eine arme Gasse, wo sich der Dreck stapelt ist ein Marmortisch erwähenswert, ein ganz normaler hingegen wohl kaum. Ich beschreibe meistens auch nur die Gegenstände, die irgendeine Bedeutung haben oder die verwendet werden. Dass in z.B. in einem Speiseraum ein Tisch und Stühle stehen, halte ich für selbstverständlich und wenn der Tisch einfach nur zum Essen da ist, muss der meiner Meinung nach auch nicht näher beschrieben werden. Gleiches gilt für die Stühle. Es sei denn die sind zwar total hübsch verziert, aber so unbequem, das der Prota die ganze Zeit hin und her rutschen muss, um vernünftig zu sitzen. Dann fragt der Gastgeber was das soll, der Prota sagt, die Stühe sind unbequem, der jähzornige und sowieso verstimmte Gastgeber wird wütend und es kommt zum Duell, das auf dem vorher mit Essen überladenen Tisch stattfindet. Hier hätte der Stühl wieder Bedeutung :D Möglicherweise auch die Beschaffenheit des Tisches, wenn man jemanden auf edm glatten Marmor ausrutschen lassen will... :D
Titel: Re: Dilemma beim Anfang einer Fantasy-Geschichte
Beitrag von: Coehoorn am 14. November 2013, 17:58:07
Die Städte zeichne ich nicht genau ein, das wäre mir zu viel Arbeit, da meine Protagonisten sowieso nur kurz an den meisten Orten verweilen. Sie sind nur kleine schwarze Flecken auf der Landkarte. Ich hab nur einen detaillierten Stadtaufbau und den habe ich komplett erdacht, ohne ihn zu zeichnen.
Ansonsten beschränke ich mich auf Naturgegebenheiten und wichtige Anhaltspunkte.
Ich würde nicht sagen, dass die Karte genau den Wegabständen entspricht aber das ist auch gar nicht mein Anliegen. Ich hab sie für meine Ortientierung gemacht und weiß so immer wo sich meine Protagonisten aufhalten und wo sie in unbekanntes Gelände stoßen (denn da ist das Blatt noch weiß)
Titel: Re: Dilemma beim Anfang einer Fantasy-Geschichte
Beitrag von: Cailyn am 14. November 2013, 20:52:17
Sanjani und Pygmalion,
Jein... ;) Natürlich bin ich auch der Ansicht, dass man etwas umso detaillierter beschreiben soll, wenn es später eine Bedeutung hat. Aber ob man sonst einfach alles so "puristisch" beschreiben soll? Ich bin mir da nicht sicher. Sind nicht gerade die individuellen Dinge / Gegenstände / Ausführungen das, was einer Geschichte Charakter verleiht? Logisch sind der Plot und die Figuren das Wichtigste, aber der Rest gibt doch dem ganzen eine ganz bestimmte Note, oder findet ihr nicht?
Ich weiss, ich gehe dem vielleicht grade etwas hartnäckiger auf den Grund, als es nötig wäre.
Und danke übrigens, Sanjani *zwinker*

Coehoorn,
Das mit dem detaillierten Stadaufbau ohne Zeichnung...phu, find ich jetzt heftig! Mein Löchersieb von einem Hirn wäre da einfach viel zu vergesslich. Kaum hätte ich den Westteil einer  Stadt im Kopf aufgebaut, wäre der Ostteil schon wieder in der grauen Hirnmasse untergegangen  :P
Titel: Re: Dilemma beim Anfang einer Fantasy-Geschichte
Beitrag von: Sanjani am 15. November 2013, 08:45:46
Hallo noch mal :)

Zitat von: Cailyn am 14. November 2013, 20:52:17
Sanjani und Pygmalion,
Jein... ;) Natürlich bin ich auch der Ansicht, dass man etwas umso detaillierter beschreiben soll, wenn es später eine Bedeutung hat. Aber ob man sonst einfach alles so "puristisch" beschreiben soll? Ich bin mir da nicht sicher. Sind nicht gerade die individuellen Dinge / Gegenstände / Ausführungen das, was einer Geschichte Charakter verleiht? Logisch sind der Plot und die Figuren das Wichtigste, aber der Rest gibt doch dem ganzen eine ganz bestimmte Note, oder findet ihr nicht?

Ja, das schon, aber ich glaube, ich habe da eine ganz andere Vorgehensweise als du. Ich glaube, ich bin schon eher der puristische Schreiber, aber gleichzeitig kann es ja nie völlig puristisch sein, weil das ja bedeuten würde, dass der Charakter, aus dessen Sicht ich gerade schreibe, seine Augen und Ohren zu hat und gar nichts mitbekommt sozusagen. So ist es natürlich nicht. Andererseits schreibst du ja nun auch keinen Reisebericht. Dein Charakter wird nicht überall stehen bleiben um sich jedes Gebäude und jeden Laden und alle Leute mit ihrer Kleidung, Kopfbedeckung usw. anzusehen. Falls das so rüberkam, möchte ich sagen, dass ich natürlich nicht bei jedem Detail abwäge, ob das irgendwie wichtig ist oder nicht, ich gehe da eher aus dem Bauch heraus dran. Ich setze mich hin, habe eine Szene im Kopf und den Chara, und dann schreibe ich los, wobei ich das aufschreibe, was ich denke, dass dem Charakter gerade auffällt, als wäre ich selbst gerade mitten in der Geschichte drin. Und auf diese Weise eröffnet sich mir das meistens, ohne dass ich groß darüber nachdenken müsste, welche Details ich wie ausführlich schildern muss. Mit dem einen Unterschied, dass ich Visuelles natürlich aus meinem Reppertoire an Gelesenem ergänzen muss, was mir manchmal sehr schwer fällt und weshalb ich vielleicht gerade in dem Bereich etwas puristisch bin :)
Titel: Re: Dilemma beim Anfang einer Fantasy-Geschichte
Beitrag von: Pygmalion am 15. November 2013, 10:36:17
Also, bei mir ist das fast genau so wie bei Sanjani...ich denke da nicht stundenlang drüber nach, ob ich jetzt die Stühle beschreibe, das ist auch eher ein Bauchgefühl, das stellenweise dann durch tatsächlich bewusste Beschreibungen ergänzt wird, oder wenn ich nachträglich merke, dass da was fehlt.

Klar geben individuelle Dinge Charakter, aber du kannst damit auch vieles überladen. Kommt wie gesagt ganz auf die Szene an. Ich sehe das  ziemlich so wie Sanjani :D

Eine Note ist wichtig, aber ich muss nicht jeden Gang zur Toilette und die Kachelung der Wände dort erfahren, überspitzt gesagt.
Titel: Re: Dilemma beim Anfang einer Fantasy-Geschichte
Beitrag von: Cailyn am 16. November 2013, 18:01:59
Ja, ich kann mir genau so gut vorstellen, dass diese Vorgehensweise klappt, wenn man dafür ein gutes Bauchgefühl hat. Aber vielleicht ist das halt einer meiner eigenen Stolpersteine, über die ich häufig hechte  :40°C:
Bei meinen vorigen Büchern hatte ich mir dies nicht einmal richtig überlegt, weil es grösstenteils in unserer Welt spielte. Da kann man teilweise auch über Klischees rasch ein Setting beschreiben. Da genügt ein Wort, und die meisten Lesenden können sich sofort etwas darunter vorstellen.

Titel: Re: Dilemma beim Anfang einer Fantasy-Geschichte
Beitrag von: Fianna am 25. November 2013, 15:53:48
Vielleicht wäre eine Lösung das puristische Schreiben, und der erste Korrektur-Zwischengang ist das Ausschmücken?
Dann kommst Du erstmal voran, hast aber genügend Details drin.

Titel: Re: Dilemma beim Anfang einer Fantasy-Geschichte
Beitrag von: Lucien am 25. November 2013, 22:35:08
Ich mache es ähnlich, wie Fianna es vorschlägt.
Zunächst konzentriere ich mich hauptsächlich auf die Handlung und die Ausarbeitung der Figuren, im nächsten Schritt füge ich dann Details der Umgebung hinzu. (Das mache ich immer nach einem Kapitel, einfach, weil ich mich selbst wohler fühle dabei  ::) ) Ich baue aber auch gerne eine Gegend Stück für Stück zusammen:
Da ich einige Figuren habe, die in meine Stadt kommen, habe ich auch einige Möglichkeiten:
1. Die Magier, die ständig dort sind, stören sich bloß daran, dass die weißen Hausfassaden so blenden, wenn die Sonne scheint.
2. Die Protagonistin, die noch nie in der Stadt war, erfreut sich an den zahlreichen Pflanzen und Grünflächen mitten in der Stadt.
3. Der Künstler liebt es, nachts die vielen Lichter zu betrachten.
...
So kann ich es eigentlich am besten.
Allerdings mache ich aber auch gerne von der Möglichkeit Gebrauch, die Figuren über ihre Umgebung (bevorzugt ihre Wohnsituation) zu charakterisieren (ordentlich, chaotisch, edel, schäbig...). Dann lasse ich die Figuren kurz innehalten und erstmal in sich aufnehmen, was sie sehen. Darf dann auch mal etwas ins Details gehen. (Dann erwähne ich sogar Farben!  ;D )

Ein Problem, das ich zu Beginn von Romanen allerdings IMMER habe: ich will unbedingt dem Leser ganz genau mitteilen, wie die Figuren aussehen, was sie anhaben...  :seufz:
Titel: Re: Dilemma beim Anfang einer Fantasy-Geschichte
Beitrag von: Cailyn am 26. November 2013, 20:25:34
Danke Fianna und Jenny,

Ich werde das beim nächsten Mal ausprobieren. Eigentlich erinnert es vom Prinzip her ein wenig an die Schneeflockenmethode. Man fängt mit dem Grobraster an und verdichtet es immer mehr. Bislang habe ich das nie so gemacht, weil ich einfach ins Blaue geschrieben habe, was mit ohnehin gar keinen guten Dienst getan hat. So werde ich nie mehr an ein Buch rangehen. Aber man lernt ja daraus.
Titel: Re: Dilemma beim Anfang einer Fantasy-Geschichte
Beitrag von: Fianna am 26. November 2013, 21:22:16
Ich arbeite ein bisschen anders: vor jeder Szene überlege ich, was genau sie jetzt "bringen" soll (Informationen, Konflikt schüren, Charakter darstellen, Verhältnisse/Umstand in der Welt schildern).
Natürlich sind da immer mehrere Dinge, aber üblicherweise hat man ja ein Hauptziel, was die Szene bringen soll.
Dieses Ziel verfolge ich also, mit jeweils den Informationen, die wichtig sind.

Dass z.B. die Herrschaft über den Stadt-Staat in der letzten Generation ungefähr 3 x gewechselt hat, erwähne ich anfangs gar nicht. Es ist zwar eine der 3 wichtigsten und plotbestimmendsten Hintergrundinformationen über diese Welt - aber ich fand nicht, dass es sich schön in die Handlung einfügt, wenn erstmal so viel erklärt wird. Und während einer Aktion reflektiert man ja auch nicht über allseits bekannte Faktoren des Lebens.

Falls ich die wichtigsten Informationen (wie diese z.B.) innerhalb der ersten paar Szenen sinnvoll mit der Handlung verknüpfen und einfach zeigen kann, tue ich das auch. ich will den Leser ja nicht mit Informationen erschlagen. .
Ich habe allerdings auch "einheimische" Figuren, da kann man diese also nicht über die Stadt reflektieren lassen. Anders sähe das vielleicht aus, wenn mein Pprotagonist "neu" wäre (also in den letzten 1-5 Jahren eingewandert), da könnte man ihn ein Resümee ziehen lassen, was er erreicht hat oder die Häuser bewundern oder sonstwas - aber Einheimische machen sowas eben nicht.
Außer sie verbinden mit der Stadt oder dem Viertel bestimmte Gefühle (Vielfältige Möglichkeiten oder aber Einschränkung der Freiheit oder sonstwas), und diese werden in der Architektur gespiegelt - dann schreibe ich eigentlich über die Emotionen des Charakters, aber die Informationen zur Welt fließen dann nebenbei mit ein.

Dann fülle ich die Szene neben diesen "vorherbestimmten" Informationen mit Details auf, wie es mir in den Kram passt, meistens unterstützen sie die vorher formulierten Ziele. Ich nutze also viele kleine Puzzle-Teile, um den Charakter, die Welt, die veränderten Umstände oder sonstwas zu beschreiben.

Während der laufenden Überarbeitung (Überarbeiten und dann das nächste Kapitel weiterschreiben) schaue ich schonmal, dass ich mehr Details einbaue, um Atmosphäre zu schaffen oder deutlichere Bilder zu erzeugen. Aber niemals während des Schreibens direkt, da bin ich auf den Zweck (oder mehrere) der Szene fokussiert.

Bei der abschließenden Überarbeitung ist einer meiner Durchgänge, ob die passenden Informationen zur richtigen Stelle gegeben sind, bei einem relativ spätliegenden Durchgang schaue ich aber auch, ob ich zuviel abschweife mit Erklärungen. dann wird entweder radikal gekürzt oder verpflanzt.





Ich finde es immer wichtig, Informationen eher zu zeigen als zusammen zufassen. ich nutze natürlich auch tell, aber immer nur sparsam, und ich versuche, nie mehr als wenige Sätze zu haben. Keinesfalls einen ganzen (langen) Absatz oder mehr, in solchen Fällen überlege ich immer, wie ich jetzt diese Informationen durch eine Extra-Szene zeigen kann.

Vielleicht hilft es Dir also, wenn Du erstmal mit "Was ist der Sinn / das Ziel dieser Szene?" arbeitest.
Titel: Re: Dilemma beim Anfang einer Fantasy-Geschichte
Beitrag von: Cailyn am 27. November 2013, 11:51:14
Liebe Fianna

Danke für deine Antwort. So wie du das beschreibst, machte ich es bisher genauso. Ich mache mir nämlich vor jedem Kapitel eine kleine Prämisse für dieses eine Kapitel, etwas, was den groben Bogen schon mal spannt. Dann überlege ich meist, wo ich den grössten Konfliktpunkt einbauen will. Das funktioniert grösstenteils gut, hat für mich aber mehr mit dem Plotten im Sinne von Spannungsaufbau zu tun. Aber es hat weniger mit dem Detailreichtum zu tun, den ich manchmal nicht genügend einplanen oder weglassen kann.

Häufig passiert es mir, dass ich den roten Faden sehr gut hingekriegt habe, aber sprachlich holt es den Leser zu wenig ab. Darum versuche ich oft über die Sinne (visuell, auditiv, olfaktorisch ...etc.) mehr Atmorphäse und Stimmung zu schaffen. Das trägt ja massgeblich dazu bei, dass der Leser sich mehr in das Geschehen einbezogen fühlt. Dabei würde es sicher nicht viel helfen, wenn ich  - wie in deinem Beispiel mit 3 Mal Wechsel vom Stadt-Staat - Politisches einflechten würde. Aber es würde sehr wohl helfen, wenn ich schreibe, dass es in der Strasse nach verbrannten Würsten riecht, dass der Prota im schlammigen Boden versinkt oder dass der ohrenbeteäubende Lärm vom Marktplatz Schwindel erzeugt. Solche Sachen halt. Aber die Dosierung finde ich da schon schwierig. Es darf eben die Handlung auch nicht zu lange unterbrechen. Wie machst du denn das, Fianna?
Titel: Re: Dilemma beim Anfang einer Fantasy-Geschichte
Beitrag von: Lucien am 27. November 2013, 19:06:14
Zitat von: Fianna am 26. November 2013, 21:22:16
Vielleicht hilft es Dir also, wenn Du erstmal mit "Was ist der Sinn / das Ziel dieser Szene?" arbeitest.
:hmhm?: So genau habe ich mir das noch nie vor Augen geführt! Da werde ich in Zukunft mal genauer drauf achten. Guter Tipp!  :jau:
Titel: Re: Dilemma beim Anfang einer Fantasy-Geschichte
Beitrag von: Fianna am 27. November 2013, 21:21:06
Das kann ich Dir gar nicht sagen, ich mache es einerseits nach Gefühl und kontrolliere 2 x gegen (einmal unmittelbar mit mehr, einmal im finalen Durchgang ob es die Handlung hemmt). Ich setze es während des Schreibens gar nicht bewusst ein, erst in den Überarbeitungen und da nach Lust und Laune. Teilweise auch eher ungewöhnliche Bilder, z.b. "Die Zivilisation stinkt" (das war nur meine Zusammenfassung/Umschreibung für das Leben in den Städten). Sogar Rom mit seinen Äquadukten hat gestunken.
Es ist aber keine Regel, und ich hab auch schönere Vergleiche/Gerüche.
Nur dass was mir als Erstes einfällt - olfaktorisch etc mache ich lieber etwas Untypischeres.


Jenny,
eigentlich wollte ich das sogar noch detaillierter und vorab-geplanter machen. Die Anregung hab ich von Kerstin Pfliegers Blog.
Aber das ist nicht meine Arbeitsweise.
Den Zweckgedanken der Szene hab ich aber übernommen. Manchmal steht da "Umgebung" oder "Atmosphäre". Ich hatte bisher nur eine Szene, die das wirklich so stark als Zweck hatte, dass es dominiert hat. Da habe ich über die Gefühle der Protagonistin die Landschaft verknüpft. Die Prota musste sowieso grade von A nach B gegen, das gefiel mir dann besser als reflektierendes Schreiben.


Irgendwo hab ich mal aufgeschnappt, dass keine Szene überflüssig sein darf. Das passt ja gut zu dem (vorab-geplanten oder 5 Sekunden vor dem Szenen schreiben überlegten) Zweck der Szene.
Titel: Re: Dilemma beim Anfang einer Fantasy-Geschichte
Beitrag von: Cailyn am 28. November 2013, 11:57:34
Zitat von: Fianna am 27. November 2013, 21:21:06
Irgendwo hab ich mal aufgeschnappt, dass keine Szene überflüssig sein darf. Das passt ja gut zu dem (vorab-geplanten oder 5 Sekunden vor dem Szenen schreiben überlegten) Zweck der Szene.
Ich glaube, diese Aussage ist von James N. Frey. Ich habe beide Bücher von ihm. Am Anfang fand ich es total ermüdend, dass er wie ein Besessener auf seiner Prämisse beharrt, aber langsam verstehe ich, dass das wirklich wichtig ist. Es läuft ja genau auf das hinaus, was du auch machst. Wenn du nicht in einem Satz sagen kannst, worum es in einem Kapitel oder auch schon in einer Szene geht, kannst du sie gleich löschen. Ich halte mich meistens daran. Es gibt auch Ausnahmen, aber eher selten.
Titel: Re: Dilemma beim Anfang einer Fantasy-Geschichte
Beitrag von: Klecks am 29. November 2013, 11:06:33
Wenn ich eine Szene wirklich gerne schreiben möchte, ich aber trotzdem ahne, dass sie für die Handlung als überflüssig bezeichnet werden könnte, nutze ich solche Szenen, um Details über meine Welt darin unterzubringen. Vielleicht ein wichtiger Satz, der sonst erst auf Seite zweihundert in einem hitzigen Gespräch gefallen wäre, landet dann in der betreffenden anderen Szene, damit sie gerechtfertigt werden kann. Das setzt natürlich voraus, dass die Intensität, Bedeutsamkeit und Logik des hitzigen Gesprächs erhalten bleibt.  :lehrer:

Ich vergleiche das gern mit einer Operation: einem fitten Körperteil wird ein Muskel entnommen und an einer anderen Körperstelle wieder eingefügt, da sie schwächer ist und unterstützt werden muss.

Eine andere Möglichkeit wäre, in der vermeintlich überflüssigen Szene besonders viele Gedankengänge und Monologe einzufügen, vielleicht des Antas. Dazu passt als medizinisches Beispiel ein Bypass: eine Vene ist verstopft, also muss ein Weg her, der an dieser Verstopfung vorbei führt, da sonst das ganze System zusammenbrechen würde. Eine Szene mit einem Monolog, in dem die grausamen Absichten des Antas oder seine schrecklichen Beweggründe und Ziele vorgestellt werden, würde somit zum Bypass. Man schippert um die eigentliche Szene herum, nimmt den Weg des Bypasses, und kommt letzten Endes dort heraus, wohin man wollte - ohne die Szene noch als überflüssig bezeichnen zu müssen.

Ich hoffe, ich konnte meine Art, mit vermeintlich überflüssigen Szenen umzugehen bzw. sie umzugestalten, einigermaßen logisch erklären.  :versteck:
Titel: Re: Dilemma beim Anfang einer Fantasy-Geschichte
Beitrag von: Cailyn am 30. November 2013, 06:21:42
Hey Klecks

Deine medizinischen Metaphern sind wirklich lustig.  ;D

Ich habe über diese Umschreibung auch verstanden, was du meinst. Aber das mit den Monologen ist natürlich auch eine Grundsatzfrage. In einem Buch, das z.B. lediglich in personaler Perspektive erzählt ist und es keinen Antagonisten gibt, der in "menschlichen" Gedanken denkt, ist diese Variante nur schlecht umsetzbar. In meinem jetzigen Buch mische ich auch innerhalb der Kapitel nie zwischen den verschiedenen Hauptfiguren. Für ein anderes Buch könnte ich mir deine Variannte allerdings gut vorstellen.