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Dilemma beim Anfang einer Fantasy-Geschichte

Begonnen von Cailyn, 08. November 2013, 16:18:47

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Cailyn

Sanjani und Pygmalion,
Jein... ;) Natürlich bin ich auch der Ansicht, dass man etwas umso detaillierter beschreiben soll, wenn es später eine Bedeutung hat. Aber ob man sonst einfach alles so "puristisch" beschreiben soll? Ich bin mir da nicht sicher. Sind nicht gerade die individuellen Dinge / Gegenstände / Ausführungen das, was einer Geschichte Charakter verleiht? Logisch sind der Plot und die Figuren das Wichtigste, aber der Rest gibt doch dem ganzen eine ganz bestimmte Note, oder findet ihr nicht?
Ich weiss, ich gehe dem vielleicht grade etwas hartnäckiger auf den Grund, als es nötig wäre.
Und danke übrigens, Sanjani *zwinker*

Coehoorn,
Das mit dem detaillierten Stadaufbau ohne Zeichnung...phu, find ich jetzt heftig! Mein Löchersieb von einem Hirn wäre da einfach viel zu vergesslich. Kaum hätte ich den Westteil einer  Stadt im Kopf aufgebaut, wäre der Ostteil schon wieder in der grauen Hirnmasse untergegangen  :P

Sanjani

Hallo noch mal :)

Zitat von: Cailyn am 14. November 2013, 20:52:17
Sanjani und Pygmalion,
Jein... ;) Natürlich bin ich auch der Ansicht, dass man etwas umso detaillierter beschreiben soll, wenn es später eine Bedeutung hat. Aber ob man sonst einfach alles so "puristisch" beschreiben soll? Ich bin mir da nicht sicher. Sind nicht gerade die individuellen Dinge / Gegenstände / Ausführungen das, was einer Geschichte Charakter verleiht? Logisch sind der Plot und die Figuren das Wichtigste, aber der Rest gibt doch dem ganzen eine ganz bestimmte Note, oder findet ihr nicht?

Ja, das schon, aber ich glaube, ich habe da eine ganz andere Vorgehensweise als du. Ich glaube, ich bin schon eher der puristische Schreiber, aber gleichzeitig kann es ja nie völlig puristisch sein, weil das ja bedeuten würde, dass der Charakter, aus dessen Sicht ich gerade schreibe, seine Augen und Ohren zu hat und gar nichts mitbekommt sozusagen. So ist es natürlich nicht. Andererseits schreibst du ja nun auch keinen Reisebericht. Dein Charakter wird nicht überall stehen bleiben um sich jedes Gebäude und jeden Laden und alle Leute mit ihrer Kleidung, Kopfbedeckung usw. anzusehen. Falls das so rüberkam, möchte ich sagen, dass ich natürlich nicht bei jedem Detail abwäge, ob das irgendwie wichtig ist oder nicht, ich gehe da eher aus dem Bauch heraus dran. Ich setze mich hin, habe eine Szene im Kopf und den Chara, und dann schreibe ich los, wobei ich das aufschreibe, was ich denke, dass dem Charakter gerade auffällt, als wäre ich selbst gerade mitten in der Geschichte drin. Und auf diese Weise eröffnet sich mir das meistens, ohne dass ich groß darüber nachdenken müsste, welche Details ich wie ausführlich schildern muss. Mit dem einen Unterschied, dass ich Visuelles natürlich aus meinem Reppertoire an Gelesenem ergänzen muss, was mir manchmal sehr schwer fällt und weshalb ich vielleicht gerade in dem Bereich etwas puristisch bin :)
Die einzige blinde Kuh im Tintenzirkel :)

Pygmalion

Also, bei mir ist das fast genau so wie bei Sanjani...ich denke da nicht stundenlang drüber nach, ob ich jetzt die Stühle beschreibe, das ist auch eher ein Bauchgefühl, das stellenweise dann durch tatsächlich bewusste Beschreibungen ergänzt wird, oder wenn ich nachträglich merke, dass da was fehlt.

Klar geben individuelle Dinge Charakter, aber du kannst damit auch vieles überladen. Kommt wie gesagt ganz auf die Szene an. Ich sehe das  ziemlich so wie Sanjani :D

Eine Note ist wichtig, aber ich muss nicht jeden Gang zur Toilette und die Kachelung der Wände dort erfahren, überspitzt gesagt.

Cailyn

Ja, ich kann mir genau so gut vorstellen, dass diese Vorgehensweise klappt, wenn man dafür ein gutes Bauchgefühl hat. Aber vielleicht ist das halt einer meiner eigenen Stolpersteine, über die ich häufig hechte  :40°C:
Bei meinen vorigen Büchern hatte ich mir dies nicht einmal richtig überlegt, weil es grösstenteils in unserer Welt spielte. Da kann man teilweise auch über Klischees rasch ein Setting beschreiben. Da genügt ein Wort, und die meisten Lesenden können sich sofort etwas darunter vorstellen.


Fianna

Vielleicht wäre eine Lösung das puristische Schreiben, und der erste Korrektur-Zwischengang ist das Ausschmücken?
Dann kommst Du erstmal voran, hast aber genügend Details drin.


Lucien

Ich mache es ähnlich, wie Fianna es vorschlägt.
Zunächst konzentriere ich mich hauptsächlich auf die Handlung und die Ausarbeitung der Figuren, im nächsten Schritt füge ich dann Details der Umgebung hinzu. (Das mache ich immer nach einem Kapitel, einfach, weil ich mich selbst wohler fühle dabei  ::) ) Ich baue aber auch gerne eine Gegend Stück für Stück zusammen:
Da ich einige Figuren habe, die in meine Stadt kommen, habe ich auch einige Möglichkeiten:
1. Die Magier, die ständig dort sind, stören sich bloß daran, dass die weißen Hausfassaden so blenden, wenn die Sonne scheint.
2. Die Protagonistin, die noch nie in der Stadt war, erfreut sich an den zahlreichen Pflanzen und Grünflächen mitten in der Stadt.
3. Der Künstler liebt es, nachts die vielen Lichter zu betrachten.
...
So kann ich es eigentlich am besten.
Allerdings mache ich aber auch gerne von der Möglichkeit Gebrauch, die Figuren über ihre Umgebung (bevorzugt ihre Wohnsituation) zu charakterisieren (ordentlich, chaotisch, edel, schäbig...). Dann lasse ich die Figuren kurz innehalten und erstmal in sich aufnehmen, was sie sehen. Darf dann auch mal etwas ins Details gehen. (Dann erwähne ich sogar Farben!  ;D )

Ein Problem, das ich zu Beginn von Romanen allerdings IMMER habe: ich will unbedingt dem Leser ganz genau mitteilen, wie die Figuren aussehen, was sie anhaben...  :seufz:

Cailyn

Danke Fianna und Jenny,

Ich werde das beim nächsten Mal ausprobieren. Eigentlich erinnert es vom Prinzip her ein wenig an die Schneeflockenmethode. Man fängt mit dem Grobraster an und verdichtet es immer mehr. Bislang habe ich das nie so gemacht, weil ich einfach ins Blaue geschrieben habe, was mit ohnehin gar keinen guten Dienst getan hat. So werde ich nie mehr an ein Buch rangehen. Aber man lernt ja daraus.

Fianna

#22
Ich arbeite ein bisschen anders: vor jeder Szene überlege ich, was genau sie jetzt "bringen" soll (Informationen, Konflikt schüren, Charakter darstellen, Verhältnisse/Umstand in der Welt schildern).
Natürlich sind da immer mehrere Dinge, aber üblicherweise hat man ja ein Hauptziel, was die Szene bringen soll.
Dieses Ziel verfolge ich also, mit jeweils den Informationen, die wichtig sind.

Dass z.B. die Herrschaft über den Stadt-Staat in der letzten Generation ungefähr 3 x gewechselt hat, erwähne ich anfangs gar nicht. Es ist zwar eine der 3 wichtigsten und plotbestimmendsten Hintergrundinformationen über diese Welt - aber ich fand nicht, dass es sich schön in die Handlung einfügt, wenn erstmal so viel erklärt wird. Und während einer Aktion reflektiert man ja auch nicht über allseits bekannte Faktoren des Lebens.

Falls ich die wichtigsten Informationen (wie diese z.B.) innerhalb der ersten paar Szenen sinnvoll mit der Handlung verknüpfen und einfach zeigen kann, tue ich das auch. ich will den Leser ja nicht mit Informationen erschlagen. .
Ich habe allerdings auch "einheimische" Figuren, da kann man diese also nicht über die Stadt reflektieren lassen. Anders sähe das vielleicht aus, wenn mein Pprotagonist "neu" wäre (also in den letzten 1-5 Jahren eingewandert), da könnte man ihn ein Resümee ziehen lassen, was er erreicht hat oder die Häuser bewundern oder sonstwas - aber Einheimische machen sowas eben nicht.
Außer sie verbinden mit der Stadt oder dem Viertel bestimmte Gefühle (Vielfältige Möglichkeiten oder aber Einschränkung der Freiheit oder sonstwas), und diese werden in der Architektur gespiegelt - dann schreibe ich eigentlich über die Emotionen des Charakters, aber die Informationen zur Welt fließen dann nebenbei mit ein.

Dann fülle ich die Szene neben diesen "vorherbestimmten" Informationen mit Details auf, wie es mir in den Kram passt, meistens unterstützen sie die vorher formulierten Ziele. Ich nutze also viele kleine Puzzle-Teile, um den Charakter, die Welt, die veränderten Umstände oder sonstwas zu beschreiben.

Während der laufenden Überarbeitung (Überarbeiten und dann das nächste Kapitel weiterschreiben) schaue ich schonmal, dass ich mehr Details einbaue, um Atmosphäre zu schaffen oder deutlichere Bilder zu erzeugen. Aber niemals während des Schreibens direkt, da bin ich auf den Zweck (oder mehrere) der Szene fokussiert.

Bei der abschließenden Überarbeitung ist einer meiner Durchgänge, ob die passenden Informationen zur richtigen Stelle gegeben sind, bei einem relativ spätliegenden Durchgang schaue ich aber auch, ob ich zuviel abschweife mit Erklärungen. dann wird entweder radikal gekürzt oder verpflanzt.





Ich finde es immer wichtig, Informationen eher zu zeigen als zusammen zufassen. ich nutze natürlich auch tell, aber immer nur sparsam, und ich versuche, nie mehr als wenige Sätze zu haben. Keinesfalls einen ganzen (langen) Absatz oder mehr, in solchen Fällen überlege ich immer, wie ich jetzt diese Informationen durch eine Extra-Szene zeigen kann.

Vielleicht hilft es Dir also, wenn Du erstmal mit "Was ist der Sinn / das Ziel dieser Szene?" arbeitest.

Cailyn

Liebe Fianna

Danke für deine Antwort. So wie du das beschreibst, machte ich es bisher genauso. Ich mache mir nämlich vor jedem Kapitel eine kleine Prämisse für dieses eine Kapitel, etwas, was den groben Bogen schon mal spannt. Dann überlege ich meist, wo ich den grössten Konfliktpunkt einbauen will. Das funktioniert grösstenteils gut, hat für mich aber mehr mit dem Plotten im Sinne von Spannungsaufbau zu tun. Aber es hat weniger mit dem Detailreichtum zu tun, den ich manchmal nicht genügend einplanen oder weglassen kann.

Häufig passiert es mir, dass ich den roten Faden sehr gut hingekriegt habe, aber sprachlich holt es den Leser zu wenig ab. Darum versuche ich oft über die Sinne (visuell, auditiv, olfaktorisch ...etc.) mehr Atmorphäse und Stimmung zu schaffen. Das trägt ja massgeblich dazu bei, dass der Leser sich mehr in das Geschehen einbezogen fühlt. Dabei würde es sicher nicht viel helfen, wenn ich  - wie in deinem Beispiel mit 3 Mal Wechsel vom Stadt-Staat - Politisches einflechten würde. Aber es würde sehr wohl helfen, wenn ich schreibe, dass es in der Strasse nach verbrannten Würsten riecht, dass der Prota im schlammigen Boden versinkt oder dass der ohrenbeteäubende Lärm vom Marktplatz Schwindel erzeugt. Solche Sachen halt. Aber die Dosierung finde ich da schon schwierig. Es darf eben die Handlung auch nicht zu lange unterbrechen. Wie machst du denn das, Fianna?

Lucien

Zitat von: Fianna am 26. November 2013, 21:22:16
Vielleicht hilft es Dir also, wenn Du erstmal mit "Was ist der Sinn / das Ziel dieser Szene?" arbeitest.
:hmhm?: So genau habe ich mir das noch nie vor Augen geführt! Da werde ich in Zukunft mal genauer drauf achten. Guter Tipp!  :jau:

Fianna

#25
Das kann ich Dir gar nicht sagen, ich mache es einerseits nach Gefühl und kontrolliere 2 x gegen (einmal unmittelbar mit mehr, einmal im finalen Durchgang ob es die Handlung hemmt). Ich setze es während des Schreibens gar nicht bewusst ein, erst in den Überarbeitungen und da nach Lust und Laune. Teilweise auch eher ungewöhnliche Bilder, z.b. "Die Zivilisation stinkt" (das war nur meine Zusammenfassung/Umschreibung für das Leben in den Städten). Sogar Rom mit seinen Äquadukten hat gestunken.
Es ist aber keine Regel, und ich hab auch schönere Vergleiche/Gerüche.
Nur dass was mir als Erstes einfällt - olfaktorisch etc mache ich lieber etwas Untypischeres.


Jenny,
eigentlich wollte ich das sogar noch detaillierter und vorab-geplanter machen. Die Anregung hab ich von Kerstin Pfliegers Blog.
Aber das ist nicht meine Arbeitsweise.
Den Zweckgedanken der Szene hab ich aber übernommen. Manchmal steht da "Umgebung" oder "Atmosphäre". Ich hatte bisher nur eine Szene, die das wirklich so stark als Zweck hatte, dass es dominiert hat. Da habe ich über die Gefühle der Protagonistin die Landschaft verknüpft. Die Prota musste sowieso grade von A nach B gegen, das gefiel mir dann besser als reflektierendes Schreiben.


Irgendwo hab ich mal aufgeschnappt, dass keine Szene überflüssig sein darf. Das passt ja gut zu dem (vorab-geplanten oder 5 Sekunden vor dem Szenen schreiben überlegten) Zweck der Szene.

Cailyn

Zitat von: Fianna am 27. November 2013, 21:21:06
Irgendwo hab ich mal aufgeschnappt, dass keine Szene überflüssig sein darf. Das passt ja gut zu dem (vorab-geplanten oder 5 Sekunden vor dem Szenen schreiben überlegten) Zweck der Szene.
Ich glaube, diese Aussage ist von James N. Frey. Ich habe beide Bücher von ihm. Am Anfang fand ich es total ermüdend, dass er wie ein Besessener auf seiner Prämisse beharrt, aber langsam verstehe ich, dass das wirklich wichtig ist. Es läuft ja genau auf das hinaus, was du auch machst. Wenn du nicht in einem Satz sagen kannst, worum es in einem Kapitel oder auch schon in einer Szene geht, kannst du sie gleich löschen. Ich halte mich meistens daran. Es gibt auch Ausnahmen, aber eher selten.

Klecks

Wenn ich eine Szene wirklich gerne schreiben möchte, ich aber trotzdem ahne, dass sie für die Handlung als überflüssig bezeichnet werden könnte, nutze ich solche Szenen, um Details über meine Welt darin unterzubringen. Vielleicht ein wichtiger Satz, der sonst erst auf Seite zweihundert in einem hitzigen Gespräch gefallen wäre, landet dann in der betreffenden anderen Szene, damit sie gerechtfertigt werden kann. Das setzt natürlich voraus, dass die Intensität, Bedeutsamkeit und Logik des hitzigen Gesprächs erhalten bleibt.  :lehrer:

Ich vergleiche das gern mit einer Operation: einem fitten Körperteil wird ein Muskel entnommen und an einer anderen Körperstelle wieder eingefügt, da sie schwächer ist und unterstützt werden muss.

Eine andere Möglichkeit wäre, in der vermeintlich überflüssigen Szene besonders viele Gedankengänge und Monologe einzufügen, vielleicht des Antas. Dazu passt als medizinisches Beispiel ein Bypass: eine Vene ist verstopft, also muss ein Weg her, der an dieser Verstopfung vorbei führt, da sonst das ganze System zusammenbrechen würde. Eine Szene mit einem Monolog, in dem die grausamen Absichten des Antas oder seine schrecklichen Beweggründe und Ziele vorgestellt werden, würde somit zum Bypass. Man schippert um die eigentliche Szene herum, nimmt den Weg des Bypasses, und kommt letzten Endes dort heraus, wohin man wollte - ohne die Szene noch als überflüssig bezeichnen zu müssen.

Ich hoffe, ich konnte meine Art, mit vermeintlich überflüssigen Szenen umzugehen bzw. sie umzugestalten, einigermaßen logisch erklären.  :versteck:

Cailyn

Hey Klecks

Deine medizinischen Metaphern sind wirklich lustig.  ;D

Ich habe über diese Umschreibung auch verstanden, was du meinst. Aber das mit den Monologen ist natürlich auch eine Grundsatzfrage. In einem Buch, das z.B. lediglich in personaler Perspektive erzählt ist und es keinen Antagonisten gibt, der in "menschlichen" Gedanken denkt, ist diese Variante nur schlecht umsetzbar. In meinem jetzigen Buch mische ich auch innerhalb der Kapitel nie zwischen den verschiedenen Hauptfiguren. Für ein anderes Buch könnte ich mir deine Variannte allerdings gut vorstellen.