Momentan plane ich einen Urban-Fantasy-Roman in einem leicht zukünftigen Berlin, wobei sich trotz der Tatsache, dass ich nicht besonders weit in die Zukunft springen will (ca 2030), viel in der Welt und natürlich in Berlin selbst verändert haben soll. Noch wälze ich Prognosen, Diskussionen über mögliche Stadtentwicklungen, philosophiere selbst, wie es mit der Welt in den nächsten zwei Jahrzehnten weitergehen könnte. Ein großes Was-Wäre-Wenn-Spiel, bei dem ich mich gerne ein bisschen politisch sowie von den Charakteren her austoben würde.
Heute habe ich begonnen, kleine Szenen zu schreiben, in denen ich die bisher noch namenlosen Figuren ein bisschen besser kennen lernen soll, doch mir ist aufgefallen, was mir schon bei meinem letzten Berlin-Projekt passiert war: Ich bin zu sehr Berlinerin, um zu wissen, wie gut stadtfremde Leute bescheid wissen. Beim letzten Mal hatte ich (für Berliner Ohren durchaus sehr bekannte) Straßennamen und Orte erwähnt, weil ich dachte, es gibt der Geschichte mehr Standfestigkeit. Die Distanzen und genauen Wege war ich fast alle schon mehrere Male abgelaufen, kannte sie aus meinem Gedächtnis. Doch jemand, der sich in Berlin eben nicht auskennt, fand das ganze sehr verwirrend, es wäre ihm zu viel Reiseführer.
Deswegen würde ich mich gerne dieses Mal auf das beschränken, was man durchaus kennt - denn gerade, da sich einiges verändert hat, kann man nicht anhand der Beschreibung abschätzen, was für ein Bezirk heute gemeint war.
Ich würde also gerne in die Runde fragen: Was für Berliner Bezirke und/oder Orte kennt ihr so und was verbindet ihr damit (arm, reich, viele Ausländer, schöne Gegend für Familien, eher politisch-links, wichtiger Treffpunkt, Knotenpunkt für Verkehrsmittel, eigentlich alles, was keine persönlichen Erinnerungen sind)? Weiß man als stadtfremde Person überhaupt etwas über die Veränderungen, die sich in den letzten ~5 Jahren getan haben?
Ich bin für jeden Input dankbar, damit ich diesmal nicht wieder zum Reiseführer mutiere. ;)
Als stadtfremde Person, die einmal für einen Wochenend-Trip dort war und viel fern sieht, sind mir folgende Namen bekannt:
Mitte ist da, wo GZSZ spielt... Ähm, nein, Spass beiseite. ;) Wie mir erzählt wurde beinhaltet das den Alexanderplatz und das Brandenburger Tor, da wo alle Touristen so bevorzugt hingehen.
Von Kreuzberg weiss ich, dass es das Türken/Ausländer-Viertel sein soll, allerdings glaube ich mich zu erinnern, dass es eigentlich ein recht grosses Viertel ist, dass aus mehreren kleineren Vierteln besteht.
In Friedrichshain war ich hauptsächlich, als ich die Stadt vor fast einem Jahr besucht habe, weil meine Freundin dort aufgewachsen ist und sich daher ein wenig auskannte. Ich hörte durch sie zum ersten Mal von der Ecke, fand es aber total schön. Eine Mitarbeiterin, der ich davon erzählt habe, kannte den Begriff, sie ist aber schon mehrmals als Touristin in Berlin gewesen.
Und den Begriff Potsdam habe ich auch schon gehört, habe aber keine genaue Vorstellung davon. Scheint aber vielen Leuten eher bekannt zu sein.
Damit du nicht zum Reiseführer wirst, versuche, den Leser nicht mit Namen zuzupflastern. Von meiner Leseerfahrung her denke ich nicht, dass es nötig ist, sich nur auf bekannte Stadtteile zu beschränken. Aber ich denke, die anderen solltest du eher bildlich beschreiben und mit Strassenbezeichnungen etc. sparsam sein. So bekommt man einen Eindruck von dem Ort, kann eintauchen und etwas Neues ,,kennenlernen", wird aber nicht von den Namen erschlagen. Ich muss auch zugeben, dass ich da als Schreiberin auch selbst noch auf der Suche nach dem optimalen Mittelweg bin.
Vor ein paar Jahren war ich auch mal ein paar Tage in Berlin ...
Hm, das mit Kreuzberg habe ich auch gehört. Mitte ist da, wo die Touristen sind (und wo wir auch die meiste Zeit waren).
Potsdam gehört doch zu Brandenburg, oder? Bin ich mir jetzt aber auch nicht sicher, Erdkunde ... Jedenfalls war ich da im Schloss Sanssouci und wenn ich an Potsdam denke, dann immer an das Schloss mit dem Park :D
Ansonsten fällt mir noch der Wannsee als Ort ein, der sehr schön war, wo aber die Häuser sehr teuer sind.
Jepp, Postdam ist die Landeshauptstadt von Brandenburg und liegt südwestlich von Berlin. Im Prinzip könnte man Potsdam schon fast zu Berlin zählen, weil die Städte schon fast miteinander verwachsen sind, aber noch ist es eine eigenständige Stadt.
Öhm. Als ehemalige Berlinerin kann ich außer dem Klugscheißen zu Potsdam wohl kaum was beitragen :versteck:
Ich hab vor einigen Jahren einmal eine Freundin in Weißensee besucht, seitdem ist mir der Stadtteil ein Begriff (und er gefällt mir wegen seiner schönen Altbauten und der Ruhe unheimlich gut). Vorher hab ich davon aber noch nie gehört.
Der Prenzlauer Berg ist mir ein Begriff als Szene-/In-Stadtteil. Kreuzberg kenne ich hauptsächlich wegen den Krawallen und Ausschreitungen rund um den 1. Mai.
Und ist Neukölln nicht das Viertel mit extrem hohem Ausländer/Migrantenanteil, hoher Arbeitslosigkeit und hoher Kriminalität, Probleme an den Schulen etc.?
Ich muss mich als Berlinerin auch zurückhalten. :) Aber ich wollte nur anmerken, dass ich den Thread wahnsinnig spannend finde, um mal ein Gefühl für die Außenansicht anderer auf meine Stadt zu bekommen.
Und darüber hinaus: Klar muss man immer aufpassen, dass man es nicht übertreibt mit dem Lokalkolorit, ich finde aber, es dürfen in einem Roman, der in einer bestimmten Stadt spielt, durchaus einige Ortsnamen und ähnliches vorkommen. Wenn ich ein Buch über Köln oder München lese, muss ich auch nicht jedes Stadtviertel etc. kennen, solange wesentliche Dinge aus dem Kontext klar werden. Und ein bisschen Doppelbödigkeit, denke ich, ist auch immer erlaubt. Heißt, dass die Geschichte quasi eine zusätzliche Ebene für diejenigen hat, die den Schauplatz kennen - ohne dass dadurch aber etwas Wesentliches für den "auswärtigen" Leser verloren geht.
Soviel zu meinem Senf, und jetzt halte ich meine Berliner Klappe und bin gespannt, was noch so an Beiträgen kommt. :)
Also als Nicht-Berlinerin... (und abgesehen von den schon erwähnten Stadtteilen)
Ich meine, dass der Prenzlauer Berg ne zeitlang das hippe Künstlerviertel war und dort derzeit eine Gentrifizierung stattfindet, leider. Ist Friedrichshain nicht jetzt so etwas wie die neue Zentrale der Hipster geworden? Oder vertue ich mich da?
Charlottenburg liegt etwas außerhalb (da war ich mal am Schloss und erinnere mich an die Fahrt) und schien mir eher so...mittelständisch bis großbürgerlich.
Wilmersdorf ist meines Wissens nach ein etwas feinerer Stadtteil, und da mein Vater als Baulleiter mal eine zeitlang in Berlin für seine Firma Projekte geleitet hat meine ich mich zu erinnern, dass Pankow und Gatow ebenfalls am A*** der Welt liegen, Oder zumindest ziemlich weit draußen...
Natürlich muss ich mich auch zurückhalten, schließe mich aber in allen Punkten Malinche an.
Eigentlich wollte ich nur gerade noch zwei Punkte anmerken. Zum Einen könnte ich mir durchaus vorstellen, dass in zwanzig dreißig Jahren Potsdam von Berlin assimiliert wurde. (hm. oder auch nicht gänzlich, weil es schon ein gutes STück zu fahren ist, aber es könnte in Randgebieten übernommen worden sein)
Und zum anderen muss du bedenken, dass die hippen Bezirke von heute in zwanzig Jahren vermutlich ziemlich uniteressant sind. Vielleicht ist es dann hip, in Köpenick oder Tegel zu wohnen. Insofern sind die Szenebezirke von heute oder von "gestern" vielleicht ganz interessant um zu sehen, wie sich so ein Bezirk entwickelt. Und dann kannst du dir ein heute uninteressantes Eckchen suchen, und das zum Szeneviertel überhaupt machen.
Vielleicht will in zwanzig Jahren aber auch niemand mehr hier wohnen, weil alles totgentrifiziert wurde. :omn:
Zitat von: Steffi am 23. August 2013, 16:32:46
Ich meine, dass der Prenzlauer Berg ne zeitlang das hippe Künstlerviertel war und dort derzeit eine Gentrifizierung stattfindet, leider.
Entwickelt sich der Prenzlauer Berg nicht gerade weg vom Szeneviertel und hin in Richtung "schick und in"? (Ähnlich wie das Glockenbachviertel in München, falls es jemand kennt, wo schicki-micki-luxussaniert wird.) Oder hinke ich da der Veränderung schon wieder hinterher?
Wirklich interessant, das Thema. Da merke ich erst einmal, wie wenig ich über Berlin weiß, und dabei ist das ja wirklich keine unbekannte Stadt. ::)
Zitat von: Pestilenzia am 23. August 2013, 17:31:11
Entwickelt sich der Prenzlauer Berg nicht gerade weg vom Szeneviertel und hin in Richtung "schick und in"? (
Das meinte ich mit Gentrifizierung :)
Zitat von: Steffi am 23. August 2013, 17:33:26
Das meinte ich mit Gentrifizierung :)
Kaum zu glauben, aber das hab ich sogar kapiert. ;D
Aber bedeutet Gentrifizierung automatisch einen Wandel nach "schick und in" im Sinne von einem Ort, an dem man wohnt, um "in" zu sein? Ich dachte, es bedeutet, dass der Wandel lediglich dahin geht, dass nach und nach "statushöhere" Bewohner einziehen und die einkommensschwächeren dadurch verdrängt werden. Das müssen ja nicht immer Schicki-Mickis sein sondern "normale" Menschen, die über ein höheres Einkommen verfügen.
Mir als Stadtfremde sagen Neukölln, Kreuzberg, Charlottenberg, Weißensee, Moabit, Tiergarten und Wedding am meisten. Viel Neues beizutragen habe ich allerdings nicht und von den Bezirken auch generell nur so ungefähre Ahnungen (die womöglich noch völlig daneben sind).
Ich war in Neukölln mal in einem Hotel und hab da erst mitbekommen, dass das so als sozialer Brennpunkt gilt, ich dachte vorher, dafür wäre Kreuzberg bekannt. Weißensee und Charlottenberg verbinde ich eher mit so einem gutbürgerlichen, familiären Klima und Wedding mit Prostitution und Glücksspielen, wobei das glaube ich nicht mehr aktuell ist. Ich hab mal ein Buch gelesen, indem Wedding so dargestellt wurde, allerdings hat das... in den 30er? Jahren gespielt. ;)
@Pesti: oh Gott, jetzt bin ich überfragt ... :gähn:
Ach so, mir fällt noch Marzahn ein. Was ich, nicht zuletzt wegen der schrecklichen Cindy aus Marzahn, eher mit ...bildungsfernen Schichten assoziiere.
Zitat von: der Rabe am 23. August 2013, 16:44:10
Und zum anderen muss du bedenken, dass die hippen Bezirke von heute in zwanzig Jahren vermutlich ziemlich uniteressant sind.
Das glaube ich eigentlich nicht. Berlin ist durch 3 Dinge geprägt: 1. Hauptstadt des Deutschen Reiches (diese endlosen Gründerzeit-Straßenzüge zeugen von einer Epoche chinamäßigen Wachstums). 2. Teilung und Mauerbau. 3. Hauptstadt der BRD.
Epoche 2 führte zu einer Aufwertung des Westens und einer Abwertung des Ostens mit dem alten Stadtzentrum. Das ist heute Vergangenheit. Die protzigen Hauptstadtbauten in Mitte kommen mir vor wie ein modernes Echo des Größenwahns des Kaiserreichs. Auf jeden Fall ist Berlin keine Industriestadt (mehr) und die Gentrifizierung kommt m.E. durch Besserverdienende aus dem Polit- und Lobbybetrieb. Da der Staat immer Geld hat, so pleite er auch sein mag, wird sich an dieser kaufkräftigen Schicht nichts ändern. Wir dürften es also insoweit mit einer ziemlich statischen Situation zu tun haben.
Meine Großmutter hat in den 30ern in Berlin gelebt nach dem, was sie mir erzählt hat, hat sich trotz Flächenbombardements, Teilung, Mauerbau usw. an den Bezirken, von denen sie erzählte, nicht viel geändert. Sie wohnte hinterm Kurfürstendamm (das Haus steht noch), Großvater arbeitete unter den Linden (das Haus steht nicht mehr), Charlottenburg war was Besseres, die Schickimickis hatten ihre Villen im Grunewald und am WE fuhr man an den Wannsee. Diese Strukturen haben 2 Weltkriege und 2 Revolutionen überstanden, bis 2030 sind die nicht weg. Wenn sich was ändert, dann eher in Marzahn. Das war, als ich dort war, eine andere Welt.
Zitat
Vielleicht will in zwanzig Jahren aber auch niemand mehr hier wohnen, weil alles totgentrifiziert wurde. :omn:
So schnell nicht. Berlin ist die Stadt der Hartzer und der Wohnungsbaugenossenschaften.
Falls es dir auch hilft zu wissen, was eine Österreicherin, die überhaupt keine Ahnung von Berlin hat, so kennt: Mir sagt Kreuzberg etwas (verbinde ich mit multi-kulti-Bevölkerungsschicht und eher ärmerer Wohngegend) und Charlottenburg (aufgrund des Schlosses wohl eher teurer und grüner) und dank des Musicals "Linie 1" kenn ich auch noch Wilmersdorf. Da die Wilmersdorfer Witwen dort stockkonservative, hochnäsige, alte Schreckschrauben sind, würd ich dort mal eher eine feinere Gegend vermuten.
Ansonsten sind mir Bahnhof Zoo, Alexanderplatz natürlich, Kurfürstendamm, Potsdamer Platz und die Museumsinsel ein Begriff.
Und ja, viel weiter reicht mein Berlin-Wissen (noch) nicht.
Spontan ist mir als erstes Kreuzberg eingefallen, dann Schöneberg.
Wirklich assoziieren tu ich dazu aber nichts, was daran liegen mag, dass ich Berlin eigentlich eher abgeneigt bin :versteck: ;)
Vor ein paar Jahren hatte ich das Gefühl, dass Kreuzberg eher links orientiert ist. Ob das damals stimmte und wie es heute aussieht, keine Ahnung. Habe mich nicht ernsthaft damit beschäftigt, war nur so ein Eindruck.
Nachdem ich dann die Posts überflogen habe, ist mir eingefallen, dass ich auch schon von Charlottenburg, Neukölln und Mitte gehört habe ;)
Bei Neukölln denk ich auch eher an hohen Ausländeranteil und die sozial schwächere Schicht, außerdem diese Schule, an der's mal rund ging.
Ansonsten:
Potsdamer Platz, Checkpoint Charlie - Touris, Geldmacherei mit Mauer und DDR
Bahnhof Zoo - Drogen, weil ich immer an das Buch von Christiane F. denken muss
Alexanderplatz, Kudamm - Shopping, Menschenmassen
Vielleicht hilfts ja was :)
Als Berliner halte ich mich hier natürlich ebenfalls zurück, finde das Thema aber ebenfalls sehr interessant. :)
Spannender Thread! Als Berlinerin halte ich mich diesbezüglich ebenfalls zurück, finde es aber klasse, mal zu lesen, welche Ecken bekannt sind und welches "Image" diese haben.
Zitat von: Churke am 23. August 2013, 19:01:22
Meine Großmutter hat in den 30ern in Berlin gelebt nach dem, was sie mir erzählt hat, hat sich trotz Flächenbombardements, Teilung, Mauerbau usw. an den Bezirken, von denen sie erzählte, nicht viel geändert.
Hm, mein Großvater hat ebenfalls in den 30ern in Berlin gelebt und erkennt die Stadt heute - auch stimmungsmäßig - nicht wieder. Er ist inzwischen Anfang 90, noch gut beeinander und zurechnungsfähig. Ich denke nicht, dass man von der Erfahrung einer Person auf eine komplette Stadt schließen kann, Churke.
Zitat von: Churke am 23. August 2013, 19:01:22
So schnell nicht. Berlin ist die Stadt der Hartzer und der Wohnungsbaugenossenschaften.
Und das ist mal wieder so ein Satz, bei dem ich ein wenig aus dem Anzug springen möchte. Wenn irgendwo gerade eine Stadt totgentrifiziert und "ausverkauft" wird, dann ist das leider Berlin. Ich wohne hier, ich bekomme hautnah mit, wie sich die Lage in den Vierteln entwickelt. Und die Mieten steigen gnadenlos, Investoren bauen Lofts und Eigentumswohnungen und "Town houses" bis zum Abwinken und es gibt inzwischen Straßenzüge in Mitte, in denen Häuser nachts vollkommen unbeleuchtet sind - weil keiner der Besitzer der schicken Eigentumswohnungen dort lebt! Die Wohnung sind verkauft, aber leer, weil die Besitzer nur wenige Tage im Jahr überhaupt hier sind. Usw., usw., ...
Oh, und Berlin als Stadt der Hartzer zu bezeichnen, finde ich ziemlich daneben. Berlin ist ebenso eine Stadt der Selbständigen, der Arbeiter, der Studenten, der Familien, der Alleinerziehenden, der türkischen Gemüsehändler, der Yuppies, der Punks, der Investmentbanker, der Obdachlosen, der was-weiß-ich-noch-alles wie jede andere Großstadt. Und sie ist ebenso wie jede andere Großstadt dem Wandel unterworfen. Nur, dass man diesen eben auch ein wenig geschickter und menschenfreundlicher gestalten könnte.
Zitat von: Aquamarin am 24. August 2013, 09:32:20
Spannender Thread! Als Berliner halte ich mich diesbezüglich ebenfalls zurück, finde es aber klasse, mal zu lesen, welche Ecken bekannt sind und welches "Image" diese haben.
Hm, mein Großvater hat ebenfalls in den 30ern in Berlin gelebt und erkennt die Stadt heute nicht wieder. Er ist inzwischen Anfang 90, noch gut beeinander und zurechnungsfähig. Ich denke nicht, dass man von der Erfahrung einer Person auf eine komplette Stadt schließen kann, Churke.
Mir ging es nicht ums Wiedererkennen. Der Alexanderplatz muss nicht aussehen wie zur Zeit Alfred Döblins, um (wieder?) ein städtisches Zentrum zu sein.
Zitat
Oh, und Berlin als Stadt der Hartzer zu bezeichnen, finde ich ziemlich daneben. Berlin ist ebenso eine Stadt der Selbständigen, der Arbeiter, der Studenten, der Familien, der Alleinerziehenden, der türkischen Gemüsehändler, der Yuppies, der Punks, der Investmentbanker, der Obdachlosen, der was-weiß-ich-noch-alles wie jede andere Großstadt.
In Berlin beziehen 620.000 Menschen Leistungen nach SGBII, also mehr als die meisten anderen deutschen Großstädte Einwohner haben. Ich mache schwerpunktmäßig Sozialrecht und mir kann keiner erzählen, dass solche Strukturen ohne Auswirkungen auf Stimmungslage und Lebensgefühl bleiben.
Zitat von: Churke am 24. August 2013, 10:21:55
Ich mache schwerpunktmäßig Sozialrecht und mir kann keiner erzählen, dass solche Strukturen ohne Auswirkungen auf Stimmungslage und Lebensgefühl bleiben.
Hm? Das habe ich doch auch überhaupt nicht behauptet ???
Aber wieso eine Stadt grundsätzlich von Wandlungen durch Gentifizierung weniger schnell oder drastisch betroffen sein sollte, weil dort Wohnungsbaugenossenschaften und "Hartzer", wie du so schön sagst, in großer Zahl vorhanden sind, ist mir ein Rätsel. Dass eine Gesellschaft, in der viele Menschen unterhalb der Armutsgrenze leben, nicht gerade vor Glückseligkeit in die Luft springt und gelassen durchs Leben wandelt, steht außer Frage. Aber das ist kein grundsätzliches Problem von Berlin, sondern eine gesamtgesellschaftliche Fehlentwicklung. Und jetzt kehren wir vielleicht besser wieder zum Thema zurück, das wird wahrscheinlich sehr Off Topic.
Ach, schön, so viele Antworten :wolke:
Es scheint ja doch einiges bekannt zu sein, wenn auch natürlich sehr verallgemeinert. Aber eben genau mit solchen Erwartungen würde ich gerne spielen. Da tut es sehr gut, dass doch einigen das gutbürgerliche Charlottenburg-Wilmersdorf kennen, denn genau das war mein Knackpunkt, wo ich dachte, dass die Namen vielleicht nicht so bekannt sind, wie ich glaube.
Was die Gentrifizierung angeht - da passiert eine ganze Menge, selbst in kürzester Zeit. Ich komme aus dem tiefsten Nordneukölln und habe dort auch meinen jetzigen Urlaub verbracht. Als ich vor 2 Jahren ausgezogen bin hatte es zwar schon angefangen, aber jetzt ist das Leben dort ganz anders. Damals sah man fast nur türkische Familien auf den Straßen, es gab viel Geschrei, Graffiti, Knaller-werfen im November... heute erkenne ich den Teil meines Bezirkes kaum wieder. Eigentlich nur noch Studenten/Menschen unter 30, bestimmt 10 neue Cafés, Bars, Eisläden, Restaurants, Künstlerateliers. Alle gut bis sehr gut besucht und mit typischen "studentischen" Öffnungszeiten (14-22 Uhr). Die Mieten steigen, der Grund, warum meine Mutter also dort hin gezogen ist, verschwindet, sie kann sich das Leben dort kaum mehr leisten. Aber sie ist krank und allein, das heißt ein Umzug wäre sehr, sehr schwierig. Aber irgendwann wird es notwendig sein.
Mir gefällt es sehr, wenn ich dort hin komme, es ist nah am ehemaligen Flughafen, die Häuser sind wunderschön (Altbauten, aber zu großen Teilen saniert), es ist "ruhig", aber nicht abgelegen und durch die ganzen kleinen gastronomischen Einrichtungen entsteht Leben auf der Straße, genau das, weswegen ich immer nach Kreuzberg wollte. ;)
Aber das ist halt noch ein sehr kleiner Bereich - ein Kiez halt. Das trifft nicht auf ganz Nordneukölln zu. Aber es ist halt auch erst die Entwicklung der letzten 3-5 Jahre. Dementsprechend würde ich schon sagen, dass sich in einem Was-wäre-wenn-Szenario einiges verändert haben könnte.
Potsdam wird übrigens regelmäßig von Touristen für einen Stadtteil Berlins gehalten. Dennoch glaube ich nicht, dass ohne erneuten Versuch, Berlin und Brandenburg zu einem Bundesland zu machen, da irgendetwas einverleibt wird.
ZitatVielleicht ist es dann hip, in Köpenick oder Tegel zu wohnen
[/font]Für Köpenick habe ich ehrlich gesagt umgekehrte Pläne. ;) Wie ist das denn, hat man ein Bild oder eine Bevölkerungsschicht vor Augen bei dem Namen (Treptow-)Köpenick?Für mich ist es auf jeden Fall wichtig zu wissen, dass ausser dem Alexanderplatz, Bahnhof Zoo und richtigen "Touristenpunkten" (Checkpoint Charlie, Potsdamer Platz) keine genauen Orte bekannt sind. Sagt, kennt man den Spreewaldpark? Einen Freizeitpark, der seit über zehn Jahren geschlossen ist?
ZitatPotsdam wird übrigens regelmäßig von Touristen für einen Stadtteil Berlins gehalten. Dennoch glaube ich nicht, dass ohne erneuten Versuch, Berlin und Brandenburg zu einem Bundesland zu machen, da irgendetwas einverleibt wird.
Ich habe mich gestern übrigens auch mit einem Freund über diesen Thread unterhalten und über Rabes Gedanken, ob Potsdam von Berlin assimiliert werden sein könnte (also, im Rahmen dieses Zukunftsszenarios). Er meinte dazu, dass er das für sehr unwahrscheinlich hält, und dass Potsdam interessanterweise eine der am stärksten wachsenden Städte Deutschlands ist (er sprach von 11 % Wachstum, in Berlin sind es wohl deutlich weniger, um die 2 % - ich weiß aber nicht, ob diese Zahlen stimmen, wie aktuell sie sind und wo er sie her hat). Aber ich dachte, dass die Info möglicherweise für dein Projekt irgendwie interessant sein könnte, falls du planst, am Rande auch irgendwie mit Potsdam herum zu experimentieren. :)
Beim Spreepark würde ich übrigens meinen, dass der auch außerhalb Berlins ein Begriff ist, zumal die Geschichte mit der Schließung damals ja doch sehr durch die Presse ging. Also, da bin ich auf jeden Fall auch gespannt auf die Antworten.
Zitat von: Mogylein am 24. August 2013, 13:09:48
Sagt, kennt man den Spreewaldpark? Einen Freizeitpark, der seit über zehn Jahren geschlossen ist?
Bei Spreewald denke ich automatisch an die Wasserstraßen und die Spreewälder Gurken. Von dem Freizeitpark hab ich noch nie gehört ... :versteck: Ich hätte mit dem Namen einen "normalen" Park verbunden, eventuell zugehörig zu einem (ehemaligen) Adelssitz oder so etwas in der Richtung.
Ich denke ebenfalls an Gurken und vielleicht einen schönen Park. Vom Freizeitpark höre ich nun das erste Mal.
Zitat von: Sprotte am 24. August 2013, 14:46:14
Vom Freizeitpark höre ich nun das erste Mal.
Puh, bin ich froh. Ich dachte schon, ich wäre die einzige, die noch nie davon gehört hat.
Ich bin ja von ganz weit weg ;D
Einmal war ich 4 Tage in Berlin, das ist auch schon ewig her. In Erinnerung ist mir noch: Prenzlauer Berg, Kreuzberg, Berlin Mitte, und sowas witziges...Hackescher Markt? Letzteres haben meine grauen Hirnzellen schon fast wieder ausgelöscht. ;)
Ja, Hackescher Markt ist auch so ein Touristenort. Macht keinen Spaß mehr, da durchzulaufen. :-[
Wo ihr jetzt so drüber schreibt und ich etwas drüber nachgedacht habe, kommt es mir auch unwahrscheinlich vor, als könnte Potsdam in näherer Zukunft assimiliert werden. Da sind die Potsdamer zu stolz drauf, unabhängig zu sein. Ein bisschen so wie die Spandauer, die ja auch nur "bei Berlin" wohnen und nicht in Berlin. Was ihnen leider nix genützt hat. ;D
Gesellschaftsschicht von Köpenick ... hm. Da hab ich mir ehrlich gesagt wenig gedanken drüber gemacht. Aber spontan fällt mir da eher der kleinbürgerliche Einfamilienhausbesitzer ein. Köpenick ist für mich ein Dorf, das eher zufällig zu Berlin gehört. Stimmt vermutlich gar nicht, aber das ist das, was mir als erstes einfällt.
Und was mir noch zum Einfluss der Mauer auf die Berliner Bezirke einfällt: gerade Kreuzberg/Neukölln ist so ein Paradebeispiel, wie sehr sich die Mauer auf die Bevölkerung ausgewirkt hat. Zu Mauerzeiten waren das die Bezirke, die am Rand lagen, wo es billig war zu wohnen, und wo (nach "Herrn Lehmann" ;) ) die Leute teilweise nie aus ihrem Kiez rausgekommen sind. Es hat auch nach dem Krieg ziemlich lange gedauert, bis da aufgeräumt war. Jedenfalls kann sich meine Mutter noch an hohe Schuttberge erinnern, und das muss Ende der 50er gewesen sein. Als die Mauer weg war, waren beide Bezirke plötzlich mitten in der Stadt und daher natürlich hundertmal interessanter als vorher. Dass es so lange gedauert hat, bis sie richtig entdeckt wurden, ist eigentlich ein Wunder.
Ähnliches ist auch in Friedenau passiert, als der Tempelhofer Flughafen stillgelegt wurde. Vorher lag das in der Einflugschneise des Flughafens und war durch den Lärm entsprechend unattraktiv. Jetzt ist es eine der teuersten Gegenden in Berlin und die Klientel hat sich auch ziemlich geändert. Früher relativ gemischt mit Ausländern und unterschiedlicihen Einkommensklassen, heute fast nur noch wohlbetuchte Familien. :-X
Ende Rabes Stadtgeseier ;D