Wir kennen das ganze doch aus wahnsinnig vielen Büchern und Filmen: Kurz bevor dem Protagonisten etwas passiert, passiert zufällig etwas, dass ihn aus der schlimmsten Bedriollie herausholt (bzw. die Situation ein wenig dramatisiert.)
Hin und wieder spöttele ich ein wenig über diese "Zufälle", erst neulich wieder bei einem Film, bei dem etwas eintraf, was unter den gegebenen - normalen - Umständen nie wirklich passiert wäre.
Doch dann fiel mir ein "Plädoyer für den Zufall" ein, ein Blogeintrag (? Ich weiß es wirklich nicht mehr), in dem der Zufall in Schutz genommen wurde, da man durch ihn - deus ex machina ähnlich - die Figur in die absurdesten, verrücktesten, gefährlichsten Situationen bringen kann...
...um sie letztendlich doch ungeschoren davonkommen zu lassen
Wie sehen Sie das mit dem Zufall? Spielt er in Ihren Geschichten und Romanen eine große Rolle? Oder nutzen Sie ihn nur hin und wieder? Oder ist es gar umgekehrt, dass Sie gar nichts dem Zufall überlassen und jede Szene so planen und schreiben, dass nichts, wirklich nichts, unlogisch erscheint?
LG
Feuertraum
Hallo Feuertraum,
ehrlich gesagt kann ich über meine Geschichten gar nichts Konkretes sagen, weil ich mir nicht sicher bin, wie viel ich dem Zufall überlasse. Ich versuche i. d. R. schon meinen Plot so zu gestalten, dass der Zufall nicht allzu offensichtlich wird, selbst wenn ich ihn mal brauche. Ich denke, man kann das auch machen, wenn es irgendwie Sinn für die Geschichte ergibt. Also, wenn ich z. B. einen neuen Charakter einführe, der dem Prota aus der Patsche hilft, dann müssen dessen Motive plausibel sein und er muss im weiteren Verlauf irgendwie wichtig sein und sollte nicht einfach wieder verschwinden. Im wahren Leben gibt es ja auch manchmal Zufälle, wo man denkt, das kann es eigentlch gar nicht geben. Aber es gibt auch Bücher, wo immer wieder dasselbe Schema bedient wird - Prota kommt in eine eigentlich völlig ausweglose Situation und dann passiert etwas total Abstruses und er kommt doch noch aus der Schlinge. Einmal ist das für mich ok, zweimal wird kritisch, dreimal ist ein absolutes No-go.
Kurz gesagt: Hin und wieder Zufall ist für mich in Ordnung, aber sollte durchdacht sein, und zu viel davon geht für mich nicht.
Das mal mein Senf dazu.
LG Sanjani
Zufälle sind bis zu einem gewissen Grad völlig in Ordnung.
Wenn es aber zu einer Verkettung von Zufällen führt, die alle schlichtweg für den Charakter vorteilhaft sind, dann verliere ich den Spaß an der Geschichte. Mal einen reinzubringen ist völlig in Ordnung, solange auch genug negative Zufälle dabei sind.
Nehmen wir an, wir würden alle Zufälle verbannen. Die Spannung wäre in schwierigen Situationen von vornherein nicht mehr vorhanden, da wir wissen, der CHarakter wird es nicht überleben. So gibt es die Möglichkeit der "göttlichen Fügung" - oder er stirbt.
Allerdings muss ich sagen, dass ich keine Zufälle mag, deren Wahrscheinlichkeit so gering ist, dass man sich fragt, was gerade passiert ist. Keine herabregnenden Klaviere also.
Ich selbst habe auch einen großen Zufall in meinem aktuellen Projekt verarbeitet. Ein Charakter trifft nach knapp 500 Jahren einen alten Bekannten wieder. Wieso nicht? Ob das wirklich Vorteilhaft ist, zeigt sich erst im Laufe der Geschichte.
Der "Zufall" ist kein wirklicher Zufall, sondern folgt der inneren Logik des Plots. Damit meine ich, dass man sich als Autor etwas dabei denkt und nicht auf den Zufall zurück greift, weil einem nichts anderes einfällt.
Nur so als Tipp: Da gab es vor Kurzem mal einen ähnlichen Thread --> http://forum.tintenzirkel.de/index.php/topic,12213.msg486113.html#msg486113.
Guten Morgen!
Danke ersteinmal für die Antworten.
@ HW: In dem verlinkten Thread geht es um Zufallsbegegnungen.
Ich beziehe mich aber eher auf den Zufall, der den Held in die Choose reitet bzw. diesen auf einer arg brenzligen Situation errettet.
@ Zurvan: Das mit dem herunterfallenden Klavier finde ich auch etwas sehr übertrieben. Das passiert schon eher durch herunterfallende Orgeln... ;D
Aber Scherz beiseite.
Was mich manchmal ein wenig ärgert ist der Punkt, dass [erfundenes Szenario] der Prota von einem mit einer Pistole bewaffneten Killer verfolgt wird, und kurz bevor der Mörder den tödlichen Schuss abgeben kann, wird dieser überfahren (oder selber erschossen oder so).
Oder - um beim Beispiel mit dem Auto zu bleiben- Prota wird verfolgt, und kurz bevor man ihn erwischt, kommt sein Compaignon mit dem Auto, so dass es sich mittels eines enormen Satzes in das Gefährt retten und somit seinen Verfolgern haarscharf entrinnen kann.
Und da stellt sich mir die Frage, ob das einfach nur Bequemlichkeit des Autors ist. Und ob es nicht die Pflicht jedes Autors sein sollte, ein Szenario zu erstellen, aus dass der Prota ohne solchen Zufälle wieder herauskommt.
@FT: Das war mir schon klar, aber für mich verfliest das teilweise ineinander. Deshalb dachte ich, es bringt vielleicht auch anderen etwas. :winke:
Ich sehe das einfach so, wie ich schon bei den Begegnungen geschildert habe: Natürlich sollte es nicht "erzeugt" wirken. Aber man schaue um sich, wie viele vermeintlich unglaubliche Zufälle im Leben wirklich passieren. Es sind mehr, als man denkt.
Zitat von: Feuertraum am 31. Mai 2013, 06:39:50
Und ob es nicht die Pflicht jedes Autors sein sollte, ein Szenario zu erstellen, aus dass der Prota ohne solchen Zufälle wieder herauskommt.
Ist das dann noch spannend? Ich meine, wenn man die ganze Zeit weiss, dass er es sowieso überlebt... Das ist wie bei Actionserien. Da gibt es die krassesten Szenen mit den verkapptesten Situationen und man ist völlig sicher: Die können das nicht überleben. Aber ach nein, man weiss ja, dass sie überleben werden, schliesslich sind sie die Actionhelden. Wirklich gut finde ich solche Szenen dann, wenn ich als Zuschauer/Leser tatsächlich um meinen Helden bange und nicht einfach davon ausgehen kann, dass er in der nächsten Folge/dem nächsten Band wieder mit dabei ist.
Wenn ich auf schicksalsträchtige Zufälle zurückgreife, dann nur, wenn es nicht anders geht. Denn Zufälle kategorisch auszuschließen wär ja nun auch wieder Quatsch. Ich versuche aber tunlichst, niemals das Gefühl beim Leser aufkommen zu lassen à la "das war ja nun wieder klar, was für ein blöder Zufall"!
Ich hab grad eine Weile überlegt, wo ich den blöden Zufall überhaupt benutze, und da das schon eine Weile gedauert hat, war ich eigentlich ganz zufrieden ;) Es gibt sie durchaus und ich würde die Zufälle auch nicht verteufeln, aber eine schicke Lösung ist natürlich meist eine andere.
Für mich sind Zufälle okay, wenn sie die Situation verschlimmern. Wenn sie etwas verbesser, sind sie ein "no go". Der Prota soll sich aus schlimmen Situationen gefälligst selbst befreien (es sei denn natürlich, es gehört zum Plot, dass er nichts kann und absolut vom Glück abhängig ist).
Also ich glaube einig sind wir uns alle darin, dass zu viele Zufälle einfach nur noch langweilig wirken und den Leser auch irgendwie etwas veräppeln.
Ich finde aber auch, dass der Zufall eine Daseinsberechtigung hat, denn sind wir ehrlich: Es gibt nun mal Zufälle, auch im richtigen Leben. Wäre dann ja fies diese dem Prota zu verweigern ;)
Ich versuche durchaus, immer eine plausible Erklärung für vermeintliche Zufälle zu finden und sie dem Lesen zu präsentieren. Dies ist aber schlicht und einfach nicht immer möglich. Und eine spannende Szene streichen, nur weil ein Zufallselement darin vorkommt, finde ich dann auch irgendwie schade.
Das wichtigste ist einfach, dass der Leser nicht das Gefühl bekommt, die Geschichte wird nur durch Zufälle vorwärts getrieben.
PS: Dieses Thema hat mich gerade wieder daran erinnert, dass ich noch eine Szene einfügen muss, um genau so ein Zufall zu erklären. Ich weiss schon seit langem, dass es sie braucht, aber ich vergess immer, sie zu schreiben. *g*
@Sven: Diese Logik verstehe ich nicht. Wieso gut, wenn es die Situation verschlimmert, aber nicht gut, wenn es sie verbessert? Das klingt für mich recht unrealistisch. Man nehme z. B. ein Unwetter. In einem Fall könnte es die Situation verschlechtern, z. B. Gefangener am Baum gefesselt wird klatschnass, unterkühlt sich, bekommt ne Lungenentzündung. Im anderen Fall könnte es die Situation verbessern, z. B. viel Regen führt zu Matsch, was die Verfolger ausbremst. Das erste wäre dann gut, das zweite schlecht oder wie? Im realen Leben gibt es ja auch nicht nur die schlechten Zufälle. Kannst du mir das erklären? ^^
LG Sanjani
@Sanjani: Da ich das ähnlich sehe wie Sven, versuche ich mich auch mal an einer Erklärung.
Ich glaube, dass es in Geschichten in der Regel oft darum geht, dass sich ein Held aus einer misslichen Lage befreit, und zwar aus eigener Kraft. Wir wollen lesen, wie er das schafft. Das ist jetzt ziemlich vereinfacht ausgedrückt, und natürlich gibt es auch andere Beispiele, aber im Allgemeinen dürfte das das Grundkonzept vieler Geschichten sein.
Zur Entstehung der misslichen Lage darf dann gern der Zufall eine Rolle spielen, damti eine nicht alltägliche Situation entsteht. Aber wenn der Held aus einer schier ausweglosen Lagen nur durch den Zufall gerettet wird, ist das für den Leser eben eine ganz bestimmte Aussage. Es gibt große Werke in der Literatur, in der genau das passiert und der sogenannte Deus ex Macchina eingreift, aber da soll es (laut der Literaturwissenschaft ;)) die Unauflösbarkeit der Lage hervorheben. Wäre das allerdings die Regel, gerade bei unterhaltender Literatur, würde sich der Leser wohl schnell langweilen. Ich glaube, die meisten Leser wollen eine Geschichte, in der die Hauptfigur kämpft (ob nun körperlich, geistig oder emotional) und dann siegt oder verliert, und nicht durch einen Zufall gerettet wird.
Dass in einzelnen, kleinen Situationen durchaus auch Zufälle zur Verbesserung der Situation beitragen dürfen, bleibt davon natürlich unberührt, trotzdem glaube ich, dass es in der Gesamtwirkung in die andere Richtung gehen sollte. "Der hat aber auch immer ein Pech", macht neugieriger auf die Lösung des Konflikts als "der hat aber auch immer ein Glück ..." Verstehst du, was ich meine?
Und @HauntingWitch: Ein ganz großartiges Beispiel dafür, wie sehr man mitfiebern kann, obwohl man weiß, das die Figur eh nicht überlebt, war für mich eine Verfilmung von Romeo und Julia aus den späten 90ern. Ich weiß noch, wie ich damals im Kino gesessen und an den Nägeln kauend gedacht habe: Bitte, lass ihn den Brief rechtzeitig finden, bitte!! Das war schon ziemlich gut gemacht :) Ich glaube, dass eine Geschichte einfach so gut erzählt sein muss, dass man das Konstrukt, das notwenidgerweise immer dahintersteckt, einfach vergisst.
Und die Aussage, dass die Situation so geschaffen sein muss, dass sich der Held aus eigener Kraft daraus befreien kann, beinhaltet ja nicht, dass das für den Leser von vorneherein ersichtlich ist. Der muss natürlich denken: Das schafft er nie, um Himmels Willen, wie soll das gehen? Aber wenn der Held dann eine Lösung findet, die schon in der Entwicklung des Romans angelegt ist, die man eben vorher nur noch nicht gesehen hat - dann ist eine Geschichte für mich besonders gelungen.
LG
Thali
Zitat von: Thaliope am 31. Mai 2013, 11:34:58
Ich glaube, die meisten Leser wollen eine Geschichte, in der die Hauptfigur kämpft (ob nun körperlich, geistig oder emotional) und dann siegt oder verliert, und nicht durch einen Zufall gerettet wird.
Genau das! Einen Zufall, der die Situation verschlimmert, lasse ich als Leser gerne zu. Das lässt mich weiter mitfiebern ("Der arme Prota hats aber auch nicht leicht, die arme Sau!"). Ihn aber nur mithilfe eines Zufalls aus dieser blöden Situation befreien? Das hinterlässt bei mir als Leser einen faden Geschmack. Was macht diesen Prota dann zu etwas Besonderem?
Wie wäre es bei "Harry Potter" gewesen, wenn nicht Harry Voldemort besiegt hätte, sondern ein zufällig herunterfallender Stein, den ein Riese nicht weit genug geworfen hat? Das Buch wäre wohl quer durchs Zimmer geflogen.
Hallo Thali,
ok, das leuchtet mir natürlich ein. Wobei ich auch hier denke, es kommt auf die Situation an. Ein Zufall im Showdown wäre lausig, aber in kleineren misslichen Lagen einer, der weiterhilft, ist für mich plausibel. Ich meine damit nicht, dass der Prota befreit wird, sondern dass er vielleicht irgendwas findet, das ihm hilft oder so. Was den anderen Teil angeht: Ich persönlich hasse es als Leser wie die Pest, wenn dieses "Der hat aber wirklich schlimmes Pech" Gefühl auftritt, v. a. dann, wenn es durchschaubar gemacht ist, wenn ich sehe, wie der Autor hingeht und die Steine in den Weg legt sozusagen. Das ist für mich einfach nur peinlich und schlecht gemacht. Deshalb denke ich, dass beides vorkommen sollte, damit es ganz natürlich wirkt.
Danke für die Erklärung.
LG Sanjani
@Sanjani: Nun, es geht ja immer eher um Tendenzen, nicht um das Extrem. Und die Kunst ist natürlich, das Erzählgerüst nicht durchschimmern zu lassen, finde ich :)
@Thali: Stimmt sicher, aber es gibt leider viele Autoren, bei denen es ziemlich deutlich schimmert - sogar für einen Blinden sichtbar sozusagen :)
LG Sanjani
Hallo nochmal!
Ersteinmal an dieser Stelle danke für die vielen Antworten.
Ich sehe das mit den Zufällen schon ein bisschen kritischer. Natürlich gibt es im Leben jede Menge Zufälle, da bin ich derselben Meinung.
Aber ich empfinde manche Zufälle einfach als arg doll kontruiert.
Bleiben wir bei dem von Witch erwähnten Actionfilmen: der Prota verlässt die Szenarie lebend. Vielleicht wird er verletzt, aber er entkommt. Er muss entkommen, weil sonst der Roman schon zu Ende wäre.
Wir sind aber erst in der Mitte, also muss etwas her, was eben für die Entschärfung der Situation sorgt, egal, wie konstruiert es ist.
Gleichzeitig stelle ich mir aber die Frage, ob dem Autor der Zufall überhaupt abgenommen wird.
In meiner (derzeit leider ruhenden) Krimikomödie brechen Homes und Wazn in das Haus eines Erfinders ein, um etwas für sie Wertvolles zu stehlen.
Der Eigentümer wird bei einem Kongress erwähnt und nicht vor dem morgigen Tag zurückerwartet.
Wie es sich gehört kommt der Zufall ins Spiel und der Erfinder kommt schon früher zurück. Genauer gesagt zu einem Zeitpunkt an dem der Detektiv und der Arzt sich noch im Haus aufhalten und Gefahr laufen, entdeckt zu werden.
Läuft man da nicht Gefahr, dass die Leute das Buch in die Ecke pfeffern?
Oder ist es eher so, dass ihre Erwartungen erfüllt werden ("Ich hab' s doch gewusst, dass dies passiert! Ich wusste, wusste, wusste es einfach!!") und der Leser - stolz wie Oskar - der Lektüre Lobeshymnen singt?
Wann sehen Sie Zufall als erlaubt an?
Zitat von: Feuertraum am 31. Mai 2013, 14:51:00
In meiner (derzeit leider ruhenden) Krimikomödie brechen Homes und Wazn in das Haus eines Erfinders ein, um etwas für sie Wertvolles zu stehlen.
Der Eigentümer wird bei einem Kongress erwähnt und nicht vor dem morgigen Tag zurückerwartet.
Wie es sich gehört kommt der Zufall ins Spiel und der Erfinder kommt schon früher zurück. Genauer gesagt zu einem Zeitpunkt an dem der Detektiv und der Arzt sich noch im Haus aufhalten und Gefahr laufen, entdeckt zu werden.
Läuft man da nicht Gefahr, dass die Leute das Buch in die Ecke pfeffern?
Oder ist es eher so, dass ihre Erwartungen erfüllt werden ("Ich hab' s doch gewusst, dass dies passiert! Ich wusste, wusste, wusste es einfach!!") und der Leser - stolz wie Oskar - der Lektüre Lobeshymnen singt?
Wann sehen Sie Zufall als erlaubt an?
Ich glaube, in diesem Fall ist es kein Problem. Ein erfahrener Leser wird sicher denken: "Jetzt kommt er zurück, jetzt kommt er zurück..." und dann: "Ach, hab ich's doch gewusst." Aber ich glaube, wenn das gut gemacht ist und das Buch ansonsten gefällt, wird es niemand deswegen abbrechen.
Das Problem liegt wohl eher bei Situationen, die "unecht" wirken. Bei Ihrem Beispiel, Feuertraum, ist es ja bestimmt so, dass man nicht so genau weiss, ob der Besitzer wirklich an diesem Kongress ist, oder? Das spielt ja auch noch mit hinein, der Interpretationsspielraum.
Ich glaube, es muss einfach eine gewisse (objektiv nachvollziehbare) Wahrscheinlichkeit gegeben sein, dann kann man fast alles machen. Könnte ja sein, dass ein Familienmitglied des Eigentümers gestorben ist oder so, es ist
möglich, dass er früher nach Hause kommt. Hingegen, um zu Zurvans Beispiel zurückzukehren, dass ein Klavier vom Himmel fällt, ist doch eher nicht möglich, es sei denn, das sei eine gewöhnliche Eigenschaft der Romanwelt.
Zitat von: Feuertraum am 31. Mai 2013, 14:51:00
Der Eigentümer wird bei einem Kongress erwähnt und nicht vor dem morgigen Tag zurückerwartet.
Wie es sich gehört kommt der Zufall ins Spiel und der Erfinder kommt schon früher zurück.
Andererseits: Wenn der Eigentümer nicht auf dem Kongress vermutet würde, würden die Herrschaften wohl kaum bei ihm herum schnüffeln. Nun bringt jede Schnüffelei aber auch das Risiko des Entdecktwerdens mit sich. Ich finde das nicht "zufällig", sondern eher sogar "typisch". Es wäre sogar eher komisch, wenn immer alles glatt ginge.
Nehmen Sie Elsers Attentat auf Hitler. Er hatte alles genau ausgerechnet. Zufällig war aber Nebel und deshalb kam der Führer nicht mit dem Flugzeug, sondern mit dem Zug, und hielt den Zeitplan nicht ein. Hitler reiste früher wieder ab und als die Bombe hoch ging, war er nicht mehr da.
Oder ein Gegenbeispiel: Steven Seagal hat nie Pech und nie Glück, er ist einfach nur gut. Die einzigen Zufälle, die ihm passieren, sind Gangster, die jemanden töten/entführen, der ihm nahe steht. Die zufallfreie Marke Steven Seagal(TM) gehört zum Unrealistischsten, das mir je untergekommen ist.
Zunächst finde ich es interessant, dass so viele hier den Zufall in (ihren) Geschichten damit rechtfertigen, dass der Zufall ja auch im realen Leben zuschlägt und das sogar öfter als man vielleicht glaubt. Mag ja sein, dass das echte Leben voller Zufälle ist, aber ich lese keine Geschichten um das echte Leben nochmal serviert zu bekommen. Und ich schreibe auch nicht deswegen.
Für mich sind Geschichten immer noch Kunstgebilde, die einer eigenen, inneren Logik folgen. Sie sind keine Übertragung der Realität, auch wenn sie möglichst realistisch oder sagen wir besser glaubwürdig rüberkommen sollen. Das bedeutet für mich, dass es völlig egal ist, wie oft der Zufall im echten Leben zuschlägt. Für (m)eine Geschichte zählt nur, dass sie spannend, glaubwürdig und nachvollziehbar sein soll ob nun mit oder ohne Hilfe von Zufall.
Desweiteren kann man Zufälle in Geschichten in den meisten Fällen auch sehr gut umgehen oder besser gesagt vorbereiten. Beispielsweise könnte der Held, der gerade verfolgt wird und keine Möglichkeit sieht, den Verfolger abzuschütteln, doch einfach absichtlich in die Richtung rennen, von der er weiß, dass sein Kumpane dort parkt. Oder man lässt den Kumpanen etwas finden, z.B. einen Hinweis darauf, dass der Held sich gerade mit dem Antagonisten anlegt, woraufhin der Kumpane ihm folgt und ihn im richtigen Moment findet.
Ich mag Zufälle in Geschichten einfach nicht, weil sie für mich immer ein Beweis sind, dass der Autor die Logik seiner Geschichte nicht im Griff hat. Wer seine Geschichte kennt, dem werden auch Stellen im Plot auffallen, an denen er einen unvermeindlichen Zufall so vorbereiten kann, dass es eben kein Zufall mehr ist.
Da gab's doch mal diesen Spruch: "The difference between reality and fiction: fiction has to make sense" oder so ähnlich ;D.
Ich finde schon, dass man Zufälle in seinen Roman einbauen darf. Nicht nur, weil es realistisch ist, dass mal Zufälle vorkommen (im guten wie im schlechten), sondern auch, weil ich glaube, dass man sie eigentlich nicht vermeiden kann.
Zitat von: dat xrüsli am 31. Mai 2013, 17:48:41
Desweiteren kann man Zufälle in Geschichten in den meisten Fällen auch sehr gut umgehen oder besser gesagt vorbereiten. [...] Oder man lässt den Kumpanen etwas finden, z.B. einen Hinweis darauf, dass der Held sich gerade mit dem Antagonisten anlegt, woraufhin der Kumpane ihm folgt und ihn im richtigen Moment findet.
Hier wäre dann vielleicht nicht mehr das Auftauchen des Kumpanen zufällig, wohl aber das Finden des Hinweises. Es sei denn, unser Held ist so clever, dass er das vorausplant. Das hat natürlich auch seine Berechtigung, nur finde ich das zum Einen tatsächlich unrealistisch und zum Anderen sind mir Personen, die immer an alles denken schon sehr unsympathisch und gleiten schnell ins Klischee ab. Im Übrigen kann es auch ziemlich an Spannung nehmen, wenn der Leser schon vorher weiß, dass der Kumpane ja auftauchen könnte.
Wobei ich dir aber darin Recht gebe, xrüsli, dass es in den allermeisten Fällen besser ist, einen Zufall vorzubereiten oder einen sich aus der Geschichte ergebenden Ausweg zu nehmen, als den Zufall zu bemühen. Aber manchmal geht es halt nicht anders oder passt so besser.
Was für mich, wie ja einige andere auch schon geschrieben haben, ein absolutes No-Go ist, sind Häufungen von Zufällen und zwar egal, ob sie in die gute oder die schlechte oder in beide Richtungen gehen. Außerdem Zufälle, die so eigentlich gar nicht vorkommen könnten.
Um nochmal zu Ihrem Beispiel zu kommen, Feuertraum: dass der Eigentümer früher heimkommt, ist etwas, was immer mal passieren kann. Weil der Kongress kürzer ist, er etwas Wichtiges vergessen hat, sich mit jemandem streitet oder er schlichtweg müde ist. Ich würde mal behaupten es ist nahezu ebenso wahrscheinlich, dass er kürzer oder länger dort ist, als dass er genau die geplante Zeit dort verbringt. Und deshalb wäre dasfür mich ein absolut zulässiger Zufall.
@Feuertraum: Das von Ihnen genannte Beispiel fände ich generell nicht so gut. Wenn der Eigentümer früher nach Hause kommt, wäre das so ein typisches Klischee, das mich total langweilen würde. Wenn aber alles gut geht, würde mich das wahrscheinlich auch langweilen. Ich glaube, die einzige Lösung für mich wäre, wenn man schon vorher klar macht, dass es eben nicht 100%ig sicher ist, dass der Eigentümer erst am nächsten Tag kommt und dass die Diebe ein Risiko eingehen müssen. Aber da sind Geschmäcker sicher verschieden.
LG Sanjani
@Feuertraum: Geht es bei Ihrem Beispiel wirklich um die Frage, ob die Zufälligket (im Sinne der Unwahrscheinlichkeit) der verfrühten Rückkehr vertretbar ist? Oder haben Sie eher Angst, dass die Leser sagen "boah, nicht schon wieder" - denn es handelt sich ja um eine recht klassische Situation.
Wie einige andere schon angeführt haben, finde ich es gar nicht soo unwahrscheinlich, es müsste also kein so großer Zufall passieren, damit der Eigentümer früher zurückkommt. Manchmal sind solche Kongresse ja auch so sterbenslangweilig ... Aber auf der anderen Seite aber ist die Situation, die Sie beschreiben, eine recht typische im Krimi: die Ermittler laufen bei ihren Nachforschungen Gefahr, erwischt zu werden. Kennt man, hat man schon hundert Mal gelesen. Aber wiederum andererseits gilt das ja für sehr viele Elemente eines klassischen Krimis. Da könnte man sich auch drüber beschweren, dass die blöde Story schon wieder mit einem Mord anfängt und einer Auflösung aufhört ... Was ich meine: Die allermeisten Geschichten und Story-Elemente hat es schon gegeben. Immer wieder. Die Kunst ist, wie ich vorhin schon einmal sagte, sie so zu erzählen, dass der Leser das vergisst. Deshalb kann man wohl nicht pauschal sagen, welche Zufälle die Leser dulden werden und welche nicht. Wenn es zu viel wird, werden sie natürlich stutzig. Aber ansonsten muss man wohl einfach ein Gespür dafür entwickeln, was einem die Leser abkaufen.
Ich stelle mir dazu gerade einen Dialog zwischen Homes und Wazn vor, in dem genau diese Frage thematisiert wird. Gerade in einer Komödie ist es ja reizvoll, klassische Schemata ironisch zu kommentieren:
- Sie sind sich wirklich sicher, dass der Herr auf der Konfrenz ist?
- Natürlich, sonst hätte ich Sie kam hierhergelotst.
- Elementar. Es wäre natürlich zu komisch, wenn der Herr ausgerechnet jetzt zurückkäme, nicht wahr?
- Nun, komisch fände ich das nicht gerade, Homes. Verdammt, mussten Sie davon anfangen? Jetzt höre ich schon Schritte ...
LG
Thali
Wenn es um Zufälle geht, kommt es für mich immer ganz stark darauf an, welche Rolle diese Zufälle tatsächlich für den Verlauf der Geschichte spielen. Ist der Zufall elementar, um unseren Helden wieder auf den richtigen Weg zur Problemlösung zu bringen? Für mich vollkommen i.O.. Oder ist es der Zufall, der das Problem unseres Protagonisten löst? Nicht so gut.
Extrem vereinfacht: unser Prota benötigt Gegenstand XY.
Fall 1: er trifft z.B. auf einen anderen Charakter, der ihm zwar nicht das Objekt der Begierde geben kann, aber ihm zumindest einen Tipp gibt, in welche Richtung er sich orientieren muss.
Fall 2: er trifft auf einen anderen Charakter, der ihm den Gegenstand aushändigen kann.
Fall 1 kann so gestaltet werden, dass er mir als Leser nicht negativ auffällt, bei Fall 2 ist das nicht so leicht, wenn nicht unmöglich. Quasi ein vom Autor geplanter Zufall, der nicht aus der Not heraus entsteht.
ZitatIch mag Zufälle in Geschichten einfach nicht, weil sie für mich immer ein Beweis sind, dass der Autor die Logik seiner Geschichte nicht im Griff hat. Wer seine Geschichte kennt, dem werden auch Stellen im Plot auffallen, an denen er einen unvermeindlichen Zufall so vorbereiten kann, dass es eben kein Zufall mehr ist.
Und was, wenn es genau das ist, wonach dem Autor der Sinn steht? Ein schlichter Zufall, wie er auch im wahren Leben vorkommen kann?
@Thali: den Zufall quasi als Stilmittel zu verwenden finde ich grossartig. Ein bisschen wie der unendliche Unwahrscheinlichkeitsgenerator.
Ansonsten finde ich grundsätzlich Zufälle viel weniger problematisch als die Mehrheit hier. Es ist auch Zufall, dass der Held gerade durch meine Geschichte läuft, auf meinen Schurken trifft, meinen Plot erlebt. Ich bin Gott, wenn ich schreibe. Ich bestimme auch Schicksal und Zufall. Klar sollte ichs nicht überreizen, aber Feuertraums Beispiel ist in meinem Empfinden vollkommen in Ordnung.
@ Thali: Eigentlich geht es mir grundsätzlich um das Thema "Zufall". Ich habe jetzt wahrscheinlich ein sehr ungünstiges Thema gewählt, da man es eben - wie Sie aufzeigten - auch aus einer anderen Fragestellung betrachten kann.
Aber grundsätzlich bezog ich es auf den Zufall...
Zitat von: Feuertraum am 29. Mai 2013, 21:15:33
Wir kennen das ganze doch aus wahnsinnig vielen Büchern und Filmen: Kurz bevor dem Protagonisten etwas passiert, passiert zufällig etwas, dass ihn aus der schlimmsten Bedriollie herausholt (bzw. die Situation ein wenig dramatisiert.)
Ich lese gerade den zweiten Band der "Gehemnis von Askir" Reihe von Richard Schwarz. Gerade da fällt mir so etwas extrem oft auf. Irgendwelche unvorhersehbaren Dinge passieren und kurz vorher hat der Prota dann irgendeinen Gegenstand oder irgendein Wissen erworben, was ihn GENAU DIESE SITUATION meistern lässt. Total nervend.
"Zufälle" spielen auch bei mir eine große Rolle, aber diese Zufälle müssen wohlvorbereitet sein. Ich HASSE es wenn ein Prota in eine Situation kommt und genau dann fällt dem Autor ein in nem Nebensatz zu schreiben: "Glücklicherweise hatte er Gegenstand xy vor seiner Abreise auch eingepackt!" Total bescheuert. Das empfinde ich, als Schreiberling, als mangelhafte/fehlende Planung des Autors. Hat der Autor den Protagonisten Gegenstand xy 2-3 Kapitel vorher, bei der Abreise, bewusst einpacken lassen, lass ich ihm das durchgehen. Empfinde es sogar als gut. Das zeigt lang vorbereitete Planung, macht den Leser aufmerksamer (huch, den Gegenstand hat er ja wirklich gebraucht, vielleicht sollte ich auf solche Details besser achten!) und verhindert das Gefühl von Willkür, welches dieses "Achja, das hatte er auch noch eingepackt!" bei mir auslöst.
ZitatIn meiner (derzeit leider ruhenden) Krimikomödie brechen Homes und Wazn in das Haus eines Erfinders ein, um etwas für sie Wertvolles zu stehlen.
Der Eigentümer wird bei einem Kongress erwähnt und nicht vor dem morgigen Tag zurückerwartet.
Wie es sich gehört kommt der Zufall ins Spiel und der Erfinder kommt schon früher zurück. Genauer gesagt zu einem Zeitpunkt an dem der Detektiv und der Arzt sich noch im Haus aufhalten und Gefahr laufen, entdeckt zu werden.
Läuft man da nicht Gefahr, dass die Leute das Buch in die Ecke pfeffern?
Oder ist es eher so, dass ihre Erwartungen erfüllt werden ("Ich hab' s doch gewusst, dass dies passiert! Ich wusste, wusste, wusste es einfach!!") und der Leser - stolz wie Oskar - der Lektüre Lobeshymnen singt?
Da kommt es auf die Erwartung des Lesers an. Meinen Testlesern stelle ich nach jedem Schwung Kapitel den sie von mir bekommen haben die Frage:
Was erwartet ihr, wie die Story weitergehen wird?
Es ist interessant zu sehen, wie sie oftmals den Kern treffen. Die Story wird sich so, oder so ähnlich entwickeln wie sie es erwarten. Das ist aber nicht schlimm. Ich freue mich nur deutlich mehr darüber, wenn sie einen Storytwist den ich angelegt habe nicht vorhersehen, hinterher aber sagen, dass es absolut plausibel war ;D
Zu deinem Beispiel:
Die Erwartung wäre wohl auch bei mir gewesen, dass der Erfinder früher zurückkommt. Genausogut hätte es aber auch sein können, dass es nicht passiert, sie etwas interessantes finden oder etwas völlig anderes passiert. Der Nachbar hat etwas gesehen und die Polizei gerufen als Beispiel. Beim lesen fallen mir oft mehrere Dinge ein die nun passieren könnten, dass das wahrscheinlichste nun eintrifft, ist nicht schlimm. Mich würde es nicht stören. Solange das ganze dann interessant wird natürlich ;D
Ich verstehe aber deine Zweifel, wenn die Dinge immer so passieren wie man es erwartet, wird es auf dauer langweilig.
Zitat"The difference between reality and fiction: fiction has to make sense"
Ich lache nicht oft. Aber der hat mich zum lachen gebracht ;D Ein herrlicher Satz!
ZitatZunächst finde ich es interessant, dass so viele hier den Zufall in (ihren) Geschichten damit rechtfertigen, dass der Zufall ja auch im realen Leben zuschlägt und das sogar öfter als man vielleicht glaubt. Mag ja sein, dass das echte Leben voller Zufälle ist, aber ich lese keine Geschichten um das echte Leben nochmal serviert zu bekommen. Und ich schreibe auch nicht deswegen.
Das finde ich spannend, weil ich das ganz anders sehe: Ich versuche immer, in meine Geschichten auch Aspekte aus dem echten Leben einzubringen und dazu gehört auch der Zufall. Eine Geschichte, in der alles nach einem Plan zu verlaufen scheint, alle Figuren genau zu wissen scheinen, wann sie wo zu sein haben und nichts überraschend kommt wäre mir persönlich zu steif. Und genau da sehe ich das Problem: Wo bleibt denn der Überraschungsmoment ohne den Zufall? In Feuertraums Beispiel wäre es ohne den Zufall ganz schön langweilig denke ich, weil man ja von vorne rein wissen würde, der Erfinder kommt nicht zurück, schließlich ist er auf dem Kongress. Wenn man in der Geschichte aber Zufall erwarten darf, finde ich das schon viel spannender, weil es ja sein kann, dass etwas völlig Unvorhergesehenes passiert.
An sich finde ich, dass Zufall und Sinn ergeben sich nicht ausschließen. Ich mag auch keine großen Zufälle, wenn der Held jetzt zum Beispiel durch New York gejagt wird und im entscheidenden Moment zufällig der Komplize mit dem Auto vorbeikommt. Aber diese kleinen alltäglichen Zufälle... ohne die wäre es doch langweilig, wenn niemals zufällig etwas passieren würde, womit keine Figur und kein Leser gerechnet hat. Ich glaube, man kann Zufall auch gar nicht ausschließen. Wenn sich zwei Figuren unterhalten und eine dritte in den Raum kommt, ist das doch schon Zufall, wenn die Figuren sich nicht vorher exakt für diesen Zeitpunkt verabredet haben. Und, wenn man all diese Dinge rausnimmt und alles akribisch durchplant, ergibt das für mich weniger Sinn und ist unrealistischer, als wenn ein paar Zufälle den Figuren zuspielen oder ihnen Steine in den Weg legen.