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Handwerkliches => Workshop => Thema gestartet von: Fianna am 20. Januar 2013, 21:03:17

Titel: Rache als Sympathie-Faktor? (Prota-/Antagonisten)
Beitrag von: Fianna am 20. Januar 2013, 21:03:17
Wie steht ihr zu dem Antrieb "Rache" bei Protagonisten und Antagonisten?

Oft meine ich rauszulesen, dass Rache die Taten eines Protagonisten entschuldigt. Der Verlust zusammen mit der Affekthandlung scheint für viele Leser die Taten zu entschuldigen - zumindest zu einem gewissen Grad, so dass man weiter liest und für seine Anfangsziele mitfiebert.
Geht euch das auch so?

Jetzt die für mich momentan spannendere Hälfte: meint ihr, es gibt diesen Effekt auch bei Antagonisten? Negative Taten aus Rache (also einem Verlust/Verrat etc) machen ihn "grauer", heben ihn vielleicht sogar aus der klaren Antagonistenschiene raus - weil es einen Grund gibt und - eventuell - Taten im Affekt geschehen oder Pläne unter diesem Zorn beschlossen werden?
Rache fungiert handwerklich ein Stück weit als Sympathiefaktor für den Bösewicht?
Und abseits von dem, was "die Leser" denken könnten: wie ist Deine persönliche Meinung?
Titel: Re: Rache als Sympathie-Faktor? (Prota-/Antagonisten)
Beitrag von: Gwee am 20. Januar 2013, 21:09:28
Naja, Rache allgemein finde ich ein eher neutrales Mittel. Es kommt immer auf den Hintergrund an, der zur der Rache führt. Manchmal kann Rache auch sehr unsympathisch machen, besonders beim Protagonisten. Denn Rache ist ja auch ein sehr aggressives Verhalten, dass man eigentlich beherrschen können sollte.
Beim Bösewicht bin ich da anderer Meinung. Rache zeigt, dass er nicht bloß eine flache Figur ist, sondern etwas in ihm steckt. Man kann ihn besser verstehen und er wirkt dadurch nicht mehr ganz so böse. Das liegt aber eher daran, dass man den Bösewicht normalerweise als den Ultrabösen einstuft und jede Erklärung über ihn kann ihn besser darstellen. Wenn es Gründe gibt, die einen Bösewicht 'böser' machen überrascht das wenig, andersrum aber schon.
Titel: Re: Rache als Sympathie-Faktor? (Prota-/Antagonisten)
Beitrag von: Lemonie am 20. Januar 2013, 21:15:46
Ich denke auch, dass Rache zumindest den Antagonisten sympathischer machen kann, da es zwar nicht moralisch wünschenswert, aber immerhin nachvollziehbar ist, was bei größenwahnsinnigen Weltherrschafts - Antas ja nicht der Fall ist.

Bei Protagonisten kommt es für mich drauf an, ob das Ganze da diskutiert wird. Es kann einen Prota sympathisch machen, wenn im Buch auch damit umgegangen wird, vielleicht auch gezeigt wird, dass es eigentlich nicht der richtige Weg ist.
Meiner Meinung nach ist Rache nämlich keine Entschuldigung für schlechte Taten, es macht sie zwar nachvollziehbar, aber entschuldigt sie nicht. Stören würde es mich aber nur in Geschichten, wo es falsch dargestellt wird (also genau so, dass es alles moralisch richtig macht was der Prota tut).
Titel: Re: Rache als Sympathie-Faktor? (Prota-/Antagonisten)
Beitrag von: Ryadne am 20. Januar 2013, 21:25:02
In den fiktionalen Medien ist die Rache in der Tat ein häufig auftauchender und akzeptierter Rechtfertigungsgrund, allerdings ist natürlich auch immer die Frage, wofür die Figur Rache nimmt, egal ob sie nun Protagonist oder Antagonist ist. Es muss schon ein triftiger Grund sein; beliebt und "angesehen" ist natürlich der gewaltsame Tod oder die Schädigung einer der jeweiligen Figur nahestehenden "Person".
Aber es geht auch kreativer. ;) In Snow White and the Huntsmen wurde angedeutet, dass die Königin irgendwie Rache dafür nimmt, dass Frauen unter der Herrschaft der Männer zu leiden haben, mal ganz grob gesagt (an die Einzelheiten kann ich mich leider nicht mehr so ganz erinnern). Das war als Rechtfertigungsgrund in Relation zu den ganzen Untaten der Königin zwar nicht so der Bringer, als Versuch war es aber mal nett und hat sie zumindest ein bisschen zu einer "grauen" Antagonistin werden lassen.

Zitat von: Lemonie am 20. Januar 2013, 21:15:46
Bei Protagonisten kommt es für mich drauf an, ob das Ganze da diskutiert wird. Es kann einen Prota sympathisch machen, wenn im Buch auch damit umgegangen wird, vielleicht auch gezeigt wird, dass es eigentlich nicht der richtige Weg ist.
Meiner Meinung nach ist Rache nämlich keine Entschuldigung für schlechte Taten, es macht sie zwar nachvollziehbar, aber entschuldigt sie nicht. Stören würde es mich aber nur in Geschichten, wo es falsch dargestellt wird (also genau so, dass es alles moralisch richtig macht was der Prota tut).

Dem schließe ich mich an. Gerade, wenn man auf Graustufen setzt - was ich grundsätzlich schätze - sollte man beim Protagonisten möglichst auf Selbstreflexion achten, wenn er sympathischer sein soll als der Antagonist.
Titel: Re: Rache als Sympathie-Faktor? (Prota-/Antagonisten)
Beitrag von: Fianna am 20. Januar 2013, 21:31:44
Das ist ja spannend.
Irgendwie haben Diskussionen aus diversen Autorenforen sowie Rezensionen allgemein diesen Eindruck hinterlassen. Aber bei euch ist es ja KEIN Sympathiefaktor (dieses Wort ist etwas zu stark) für den Protagonisten.

Gerade wenn die wahre Liebe getötet wird, wird Rache nicht so negativ eingestuft. Hm... Da fällt mir grad kein Beispiel ein. Ich lese zuviele Buchrezensionen *lach*
Titel: Re: Rache als Sympathie-Faktor? (Prota-/Antagonisten)
Beitrag von: Runaway am 20. Januar 2013, 22:43:24
Wenn's erlaubt ist, zitier ich mich mal selbst, denn ich find Rache ziemlich nachvollziehbar. Ob es sympathisch macht, weiß ich nicht ... aber ich hab zumindest noch keine Haue dafür gekriegt.

Zitat von: Dani am 12. Januar 2013, 20:03:16
In meinen Geschichten gab es immer mal wieder Protagonisten, die Menschen getötet haben. Teilweise nicht auch einfach nur so, sondern auf ziemlich unschöne Art. Dem vorausgegangen waren aber auch unschöne Taten derjenigen, die die Protas da getötet haben. Ich kann das pauschal auf das Stichwort Rache runterbrechen.
Beim Schreiben habe ich mir auch die Frage gestellt, ob es okay ist, meiner Protagonistin eine Waffe in die Hand zu drücken, nachdem sie von zwei Männern vergewaltigt wurde. Lustigerweise haben dann hinterher sogar die Leser gesagt "wie, die hat die einfach nur erschossen? Also ich hätte ja noch ..."

"Noch" gab es in meiner Dark Fantasy-Geschichte. Auch da ging es um eine Vergewaltigung. Als mein Protagonist spitz gekriegt hat, was die Typen mit seiner Frau gemacht haben, hat er sein superscharfes Schwert gezückt und dann mit dem verbliebenen Täter ein paar unschöne Dinge gemacht. Er selbst hat in diesem Moment eine Art Blutrausch - ihm geht es tatsächlich darum, den Kerl möglichst brutal umzubringen. Seine Frau, seelisch immer noch tief verletzt, sieht ungerührt dabei zu.
Daneben steht dann die Freundin, die die Brücke zum Leser schlägt und nicht hinsieht, weil ihr das zuviel ist. Sie wundert sich auch darüber, daß der Mann, den sie als sanftmütig kennengelernt hat, zu so etwas in der Lage ist. Aber sie versteht es auch.
Sie drückt im Prinzip Zweifel und Skrupel aus und versucht, dem Leser zu erklären, warum er das tut.
Bis heute habe ich keine Klagen bezüglich dieser Stelle bekommen.
Titel: Re: Rache als Sympathie-Faktor? (Prota-/Antagonisten)
Beitrag von: Kati am 20. Januar 2013, 22:57:54
Ich finde nicht, dass Rachegedanken sympathischer machen. Aber auf jeden Fall interessanter. Ich bin ja eh kein Freund davon, dass oft mit zweierlei Maß gemessen wird: Mordet der Antagonist Unschuldige, ist er böse und fies. Tut der Held dasselbe, ist es für den guten Zweck. Oder können die erschlagenen Wachen etwas dafür, dass sie ihren Lebensunterhalt bei einem bösen König verdienen? Ich mag es nicht, wenn Helden, die sich durch die Welt morden als sympathisch und heldenhaft dargestellt werden. (Das heißt nicht, dass Helden nicht mehr morden dürfen. Mir fehlt da nur die Reflektion der Tat.) Auch nicht, wenn es aus Rache geschieht. Ich kann verstehen, dass es sehr heldenhaft und episch wirkt, wenn ein Held alles daran setzt, den Mann zu töten, der seine Geliebte auf dem Gewissen hat. Ich finde das auch interessant... aber nicht sympathisch. Sympathisch machen ihn für mich vielleicht Charaktereigenschaften.

Titel: Re: Rache als Sympathie-Faktor? (Prota-/Antagonisten)
Beitrag von: Alia am 21. Januar 2013, 10:44:23
Ein spannendes Thema. So etwas ähnliches habe ich vor einiger Zeit im realen Freundeskreis diskutiert.

Bösen Menschen (Mörder, Vergewaltiger, Kindesmisshandler, Tierquäler, Evil Overlord etc.) darf man als guter Mensch Böses zufügen. Das ist moralisch nicht verwerflich. Sieht man zB an so Diskussionen darüber, ob man bestimmte Straftäter in Gefängnissen schützen soll/muss/darf, die sich zB an Kindern vergangen haben. Es gibt immer sehr viele Stimmen, die  Parolen, wie "Haben die nicht anders verdient!", "Wenn der drauf geht, ist das kein Verlust!", etc. rufen. Auch sehr drastische Strafen, die bei solchen Verbrechen gefordert werden, sind anscheinend sehr "beliebt".

Das schlägt sich auch in Büchern/Filmen nieder:
Folter ist zB im Krimi oder Thriller auch durchaus moralisch vertretbar, wenn der Bösewicht zB ein Kind irgendwo versteckt hat, was dringend ein Medikament braucht und sonst stirbt. Der Ermittler, der da mal fünf Minuten mit dem Kerl allein in der Zelle war, ist dann der Held. Er hat schließlich das Kind vor dem Tod gerettet. Folter ist in so einem Moment anscheinend ein probates Mittel.

Wenn ich also als guter Prota an dem Bösen Overlord Rache für den Tod meiner kleinen Kinder nehme, ist das vollkommen ok. Wenn dabei ein paar (gesichtslose) Schergen des bösen Overlords dran glauben müssen, ist das auch ok. Gut wird die Geschichte m.E. dann, wenn der Prota erst ganz schreckliche Rache nehmen will, dann aber als er die Gelegenheit hat mit sich selbst hadert und letztlich den Weg von Recht und Gesetzt geht. Einfach weil er eingesehen hat, dass alleine ein Motiv die Tat nicht rechtfertigen kann und er sich in der Geschichte moralisch weiterentwickelt hat. Kann man natürlich auch genau andersrum machen. Erst will der Prota den Anta nur dem Gericht vorführen und er soll seine gesetzliche Strafe bekommen. Im Laufe des Buches wird aber der Zweifel an dem Rechtssystem immer größer (korrupte Richter, käufliche Zeugen, etc.) und die Taten des Anta werden immer schrecklicher, so dass dem Prota am Ende nur die Möglichkeit bleibt den Anta komplett zu vernichten, wenn er möchte, dass diese Taten aufhören. Selbstverständlich tut er das nur sehr ungern und mit erheblichen Gewissensbissen. Hier ist auch Entwicklung drin. Der Fall "Prota will sich rächen, versucht es das ganze Buch über und schafft es am Ende", ist mir persönlich etwas zu flach.

Ein Anta wird dagegen ein Motiv haben, was relativ klein ist und in keinem Verhältnis mehr zu den Taten steht. (z.B. Ein Zwerg hat ihn mal böse übers Ohr gehauen und dafür versklavt er jetzt alle Zwerge und lässt sie bis zum Umfallen in den Minen schufften.) Wenn der Grund zu gut ist, wird der Anta zu "gut". Ein bisschen grau ist m.E. gut. Aber die Schattierungen zwischen dem Prota und dem Anta sollten noch so unterschiedlich sein, dass der Leser eindeutig Stellung beziehen kann.

In Disneyfilmen ist es ganz oft so, dass der Gute am Ende gegen den Bösen kämpft. Dann ist der Gute in der Oberhand und führt den letzten Streich nicht aus, bzw. hilft dem Bösen. Der Böse versucht dann den Guten zu töten und stürzt dafür dann irgendwo runter, etc. Der Tod des Anta ist dort eigentlich immer selbstverschuldet. Den tötlichen Schlag führt der Held nie aus.

In normalen Märchen ist das nicht immer so. Hänsel und Gretel schubsen die Hexe ja zB in den Backofen, die böse Königin tanzt in glühenden Schuhen bis sie stirbt, etc. Da ist Rache noch ganz stark vorhanden. Die Bösen sollen für das, was sie den Guten angetan haben, bluten.

Interessant in der Hinsicht finde ich das Märchen vom Rattenfänger. Hier ist die Rache "alle Kinder der Stadt wegführen" vollkommen außer Verhältnis zu "keinen Lohn bekommen". Ein ziemlich zwielichtiger Geselle. Einen richtigen "Guten" und einen "Bösen" kann ich ihn dem Märchen nicht finden.

Ich denke in Hameln haben die Menschen einfach eine Begründung dafür gesucht, dass so viele "Kinder der Stadt" ausgewandert sind. Zu der Zeit gab es Männer, die junge Leute abgeworben haben, um diese gezielt wo anders anzusiedeln. Der "Auszug der Kinder" hat wohl tatsächlich stattgefunden und fällt in die Zeit, wo diese Werber durch die Städte zogen. Es gibt Wissenschaftler, die behaupten, dass so ein Ereignis Pate für das Märchen stand. Um sich selbst zu erklären, warum die jungen Leute weggegangen sind, hat man dann die Geschichte mit dem nicht bezahlten Rattenfänger erfunden. Einfach, weil man eine Begründung für so eine schreckliche Sache haben wollte. So waren letztlich die Stadtoberen Schuld, dass die Kinder gegangen waren, weil die so knausrig gewesen sind und ihr Wort nicht gehalten haben.

Auch Rumpelstielzchen ist so ein Fall. Sicher muss man seine Versprechen halten. Aber das Kind von jemandem fordern ist wirklich heftig. Dass Rumpelstielzchen sich aber gleich zerreißen muss, finde ich dann doch etwas zu schlimm.
Erst wenn man über die Geschichte hinausschaut macht es Sinn: Auf Meta-Ebene wird Rumpelstielzchen oft mit einem sehr großen Talent gleich gesetzt (aus Stroh Gold spinnen). Eine derartige Meisterschaft auf einem Gebiet fordert jedoch Opfer. (Die Königin hat ja die Wahl zwischen "Stroh zu Gold spinnen" und "Kind". Also zwischen einer meisterlichen Fähigkeit/Kunst und Familie/irdischem Leben) Sie wählt zunächst die Kunst und will dann aber dennoch die Familie/ein normales Leben. Beides geht nicht. Daher "zerreisst" sich das Rumpelstielzchen. Die Königin wählt also nun normales Leben/Familie und opfert dafür die Kunst/besondere Fähigkeit/das Talent.
Titel: Re: Rache als Sympathie-Faktor? (Prota-/Antagonisten)
Beitrag von: Envo am 21. Januar 2013, 11:40:13
Kein Mensch wird mit boshaften Gedanken in die Welt geboren. Deshalb gibt es in meinen Erzählungen keine "Helden" und "Bösewichte". Es gibt nur Charaktere. Alle haben ihre Gründe. Und ob jemand, der aus Rache handelt, Sympathieträger einer Geschichte werden kann, hängt wohl von der Erzählperspektive ab. Und von der moralischen Einstellung des Rezipienten ^^
Titel: Re: Rache als Sympathie-Faktor? (Prota-/Antagonisten)
Beitrag von: Zurvan am 21. Januar 2013, 13:55:04
Rache ist kein Sympathie-Faktor - einzige Ausnahme: verbitterte Anthagonisten.

Ich persönlich benutze den Grund der Rache sehr, sehr häufig und ausgiebig in Geschichten. Ich halte es ganz ähnlich wie Envo mit meinen Charakteren. Sie sind neutral betrachtet weder gut noch böse und folgen ihren eigenen Interessen und Zielen. Wenn jemand dazwischen kommt, dann wird daran etwas geändert. Wie das aussehen mag, sei dahingestellt.
Anthas ohne Hintergrund und gleichzeitigem Größenwahn, der nie erklärt wird, wirken auf mich flach und machen nie und nimmer einen guten Bösewicht aus (typischer Weltherrscher-Stereotyp bis zum Berater-der-die-Macht-will-Stereotypen). Bücher bei denen ich das bemerke sind bei mir ganz schnell unten durch.

Moralische Vertretbarkeit ist auch so eine Sache. Wie weit darf man gehen? Ich finde, man darf recht weit gehen. Aber man muss es angemessen behandeln. Man muss nicht alles ausschmücken, damit der Leser weiß, was abgeht.

Aber.
Die Rache muss glaubwürdig sein. Ganz unbedingt.
Ein unglaubwürdiger Rachegrund und eine Tat außerhalb des Verhältnisses macht alles kaputt.
Titel: Re: Rache als Sympathie-Faktor? (Prota-/Antagonisten)
Beitrag von: Fianna am 21. Januar 2013, 14:58:05
@Alia
@Zurvan

Danke für eure Meinungen.


Wie seht ihr es jetzt in meinem konkreten Fall? Zuviel Hintergrund, zu grau - oder kann man die Rachekombi nehmen?
Titel: Re: Rache als Sympathie-Faktor? (Prota-/Antagonisten)
Beitrag von: Zurvan am 21. Januar 2013, 15:16:40
Ich bin mir nicht ganz sicher in welchem Bezug du das meinst.

Dani hat ein Beispiel genannt, wobei ich letzteres ein wenig übertrieben finde. (Mann bringt zwei Kerle möglichst grausam um, um seine Frau zu rächen.) Da denke ich eher an Eigeninteresse, als an pure Aufopferung und Rache für seine Frau. Quasi weil er selbst auch durch ihre Vergewaltigung entehrt wurde oÄ. Zumal es auch kritisch ist Rache für jemand anderen zu nehmen. Da kommt einem viel schneller der Selbstjustizgedanke. Zumindest ist es bei mir so. Das macht die handelnde Person noch sehr viel aggressiver als wenn er sich dafür rächt, dass seine Frau ermordet wurde und seitdem keine Ruhe mehr findet.

Liebe + Rache = Geht ziemlich immer.
Verlust + Rache = Geht mit Sicherheit.
Machtbestrebungen + Rache = Heikel.

Gib deinem Antagonisten einen guten Rachegrund. Möglicherweise sogar einen, der mit dem Prota gar nichts zu tun hat und der Prota gerät irgendwie dazwischen und somit in die Schusslinie des Antas, der so verbittert und verrannt ist, dass es ihm egal ist.

Alia hat da einige wirklich gute Beispiele genannt.
Titel: Re: Rache als Sympathie-Faktor? (Prota-/Antagonisten)
Beitrag von: Alia am 21. Januar 2013, 16:06:08
Zitat von: Fianna am 21. Januar 2013, 14:58:05
Wie seht ihr es jetzt in meinem konkreten Fall? Zuviel Hintergrund, zu grau - oder kann man die Rachekombi nehmen?

Wie schon geschrieben. Rache bei Antagonisten würde ich persönlich immer außer Verhältnis zu der ursprünglichen Tat stellen. Ich möchte, dass die Leser mit meinem Protagonisten fühlen und sich gegen den Antagonisten wenden und mitfiebern, ob und wie er den Antagonisten besiegt. Daher würde ich niemals Antagonist und Protagonist gleich grau zeichnen. In Kinderbüchern würde ich sogar noch krasser ganz klar schwarz und ganz klar weiß schreiben. Kinder denken noch viel mehr in Schemata. Da gibt es "die Guten" und "die Bösen".  Die Guten sollen gewinnen. Man darf im Kasperl-Theater vollkommen ohne Grund auf den Räuber, die Hexe oder den bösen Zauberer einhauen. Die Kinder freut es. Denen reicht es einfach, dass die genannten Figuren "die Bösen" sind. Genau wie in Kinderbüchern (und auch bei Spielzeug) Charaktere stark überzeichnet werden dürfen/müssen. Zumindest bis zu einer bestimmten Altersgruppe.

Wenn ich zwei Figuren habe, die beide grau sind und der Leser mit beiden Mitfühlen kann, dann haben wir m.E. kein Buch, das den Leser bei der Stange hält. Das ist als ob ich einen Sportwettkampf anschaue, bei dem mir egal ist, wer gewinnt. Absolut langweilig... ich fiebere nicht mit. Freue mich höchstens mal über ein gelungenes Tor oder einen schönen Spielzug.
Zwei graue Personen geht m.E. nur, wenn das nur so ein kleiner Nebenschauplatz ist. ZB zwei Forscherteams wollen in abgeschlagener Wildnis etwas zu erst erreichen. Es geht um einen Wettkampf zwischen den beiden Gruppen (die beide eigentlich gleich sympathisch sind) aber vorallem geht es um das Überleben in der Wildnis. Hier kann man dann zum Schluss auch gut mit dem "kleinen Anta" spielen. Helfen die Forscher sich gegenseitig, damit sie überleben? Opfert sich einer für den anderen (der alte Prof, der krank ist, für den jungen Dr. zB)? Oder stellt sich eine Seite im Showdown dann als ganz fieser Typ raus, der über Leichen geht und der Leser bezieht dann eindeutig Stellung?

Anders beim Protagonisten:
Ein Protagonist soll meinem Gefühl nach eine Person sein, mit der sich der Leser identifizieren kann. Wenn der Leser auch nicht so handeln würde, muss er doch zumindest für das Handeln Verständnis aufbringen und darf es nicht vollkommen ablehnen. Bei einem Antihelden muss ich den Leser irgendwie anders bei der Stange halten. Evtl. hat der einen Kumpanen, mit dem man mitfiebern kann. Oder der Typ ist zwar fies, aber man fiebert aus anderem Grund mit, dass er gewinnt. (Selbst eingefleischte Fußballfeinde dürfen mal gewinnen, wenn sie einem damit dann den Nichtabstieg sichern.  ;) )
Also bei der Fantasy zB fieser Typ TM will Rache an Evil Overlord TM. Leser weiß, dass nur so die Welt gerettet werden kann (was der fiese Typ eigentlich ja gar nicht will - der hat nur seine Rache im Kopf).
Oder: Unsympathischer und blöder Kommissar jagd fiesen Serienmörder. Die Gerechtigkeit kann nur siegen, wenn der blöde Kommisar Erfolg hat. Das dem die Opfer vollkommen egal sind und er nur auf die Beförderung schielt, spielt für den Leser keine so große Rolle, solange am Ende die Gerechtigkeit siegt und am Besten noch ein unschuldiges Opfer TM gerettet wird.
Titel: Re: Rache als Sympathie-Faktor? (Prota-/Antagonisten)
Beitrag von: Fianna am 21. Januar 2013, 20:13:46
Verzeihung, ich dumme Nss.
Ich hab meine Frage vorm Posten in 2 Teile geteilt, "allgemein" und "projektbezogen".  :wums:

Ignoriert meinen letzten Post. Ich habe die beiden auf meinen Thread bei "Autoren helfen Autoren" aufmerksam gemacht.

Ich fand das Thema zu wichtig und hatte deshalb eine allgemeine, nicht problembezogebe Diskussion machen wollen... Sorry!!
Titel: Re: Rache als Sympathie-Faktor? (Prota-/Antagonisten)
Beitrag von: Fianna am 31. Januar 2013, 00:00:23
Zum Thema "Es ist egal, wenn der Held aus guten Gründen tötet": Sauron wird nicht getötet, sondern destroyed.

Titel: Re: Rache als Sympathie-Faktor? (Prota-/Antagonisten)
Beitrag von: Maran am 31. Januar 2013, 21:40:21
Fianna, ich kann Dir (und einigen anderen hier auch) nur ans Herz legen, den Grafen von Monte Christo aufmerksam zu lesen.
Titel: Re: Rache als Sympathie-Faktor? (Prota-/Antagonisten)
Beitrag von: Fianna am 01. Februar 2013, 01:21:46
Ich kenne das Buch (gut dass Du mich dran erinnerst - ich muss es wieder auf dui Kauf-Liste setzen. Hab meines verliehen und bin mit der Person nicht mehr befreundet).

Aber ich finde, sowas ist immer stark genreabhängig, wie es wirkt.
Titel: Re: Rache als Sympathie-Faktor? (Prota-/Antagonisten)
Beitrag von: Maran am 01. Februar 2013, 11:45:35
Das Genre ist dabei völlig unerheblich. Entweder ist Rache das Thema, oder es ist es eben nicht. Aber "Rache" in Verbindung mit "Sympathiefaktor" ist für mich ein bedenkliches Paradoxon. Rache als Motiv kann ich nachvollziehen und verstehen, gutheißen tue ich es nicht. Dabei ist es völlig unerheblich, ob es sich bei dem Rächer um den Antagonisten oder den Protagonisten handelt.

:seufz: Soweit ich mich entsinne (es sind mindestens 30 Jahre vergangen, seitdem ich das Buch gelesen habe), hat der Graf niemals aktiv Hand an einen Gegner gelegt - bis zum Schluß, und da hat er noch die Kurve gekriegt, denn es hätte einen absolut Unschuldigen getroffen, was ich ihm als Leserin niemals hätte verzeihen können.
Alle anderen Ziele / Opfer seiner "Rachsucht" wurden, nach meinem Empfinden, letzten Endes durch eine höhere / andere Instanz gerichtet, wodurch sich zu dem "Rachethema" auch die "Gerechtigkeit" gesellt. Das sind zwei Paar Schuhe, und selbst in meiner damaligen jugendlich-romantischen Veranlagung (die zwar niemals extrem ausgeprägt, aber dennoch vorhanden war  ;D ), hätte ich dieses Buch ohne diese Feinheit(en) nicht zuende gelesen. Schon damals war ich der Ansicht, daß ein bloßes "Ich metzel mal eben alles nieder, und den Kolleteralschaden nehme ich in Kauf, auf den kommt es nicht an"-Rachenehmen nicht nur inakzeptabel, sondern zudem auch noch sterbenslangweilig ist.
Titel: Re: Rache als Sympathie-Faktor? (Prota-/Antagonisten)
Beitrag von: Dämmerungshexe am 01. Februar 2013, 13:18:36
Ja, beim Graf von Monte Christo sieht man wirklich einen wunderbaren Rachefeldzug für ein wirklich schweres Verbrechen, bei dem der Protagonist aber immer danach strebt bei allem Übel, das er seinen Peinigern antut, niemanden sonst zu verletzen, sondern im Gegenteil auch zu helfen. Ich liebe das Buch. Vor allem weil der Graf am Ende wirklich merkt, dass er auf dem Holzweg ist und sich zum Besseren wendet. Das wirklich Tolle an dieser Geschichte ist, dass die Gegner des Grafen sich durch ihre eigene Gier und Arroganz selber schaden, der Graf hilft eigentlich immer nur nach.

Ein anderes schönes Beispiel gibt es glaube ich in dem Midkemia-Büchern (ist ziemlich lange her, dass ich die gelesen habe, deswegen bin ich nicht ganz sicher, ob ich das hier richtig wiedergebe): da binrgt der "gute Zauberer" den "jungen Helden" dazu den Mörder seiner Eltern zu töten. Der "junge Held" bereut das aber gleich wieder, weil er seine Eltern ja nicht wirklich gekannt hat, also nicht mal genau weiß wofür diese Rache und ihm der Mörder zugleich Leid getan hat. Ist auch ein sehr schönes Motiv - die Rache wird als "Verpflichtung" angesehen, aber es steht ein sehr großer moralischer Konflikt dahinter.

Interessant finde ich auch noch, wo wir beim Thema "Rache als Verpflichtung" sind, den kulturellen Aspekt - wir Mitteleuropäer stehen dem Rachegedanken ja wesentlich skeptischer gegenüber. In anderen Kulturkreisen ist das ja noch wesentlich ausgeprägter. Gerade wenn man in seiner Fantasy-Welt eine Gesellschaft entwickelt, die auf Ehre und Gerechtigkeit mehr Wert legt als auf die Rechte und die Würde des Menschen als Individuum, dann hat man einen wunderbaren Nährboden um solche Sachen auszubreiten.

Ich denke Rache ist deswegen ein so interessantes Thema, weil der Wunsch danach (die Aggresion und der Drang etwas "auszugleichen") anscheinend in den Menschen noch sehr tief verwurzelt ist (wurde ja schon gesagt, wie schnell auch wir Mitteleuropäer bei scheußlichen Verbrechen wie Vergewaltigung und Kinderschändung jegliche Gnade beiseite lassen wollen). Gleichzeitig ist unsere Kultur durch Rechtsstaat und Vernunft geprägt - wir sind dazu erzogen zu wissen "Rache ist nichts Gutes". Dementprechend haben wir neben dem Bedürfniss nach Vergeltung auch das Bedürfniss zur Refelektion.
Ich denke das ist auch für Erzählungene in guter Weg - die Leser wollen Gerechtigkeit, wenn nötig auch mit Rache. Aber sie wollen auch die Hintergründe kennen und sehen, dass sich der Protagonist mit seinem Gewissen auseinander setzt. Genau dieser Einblick in andere "Menschen" (von mir aus auch Elfen, Zwerge o.ä.) ist es ja was die Figuren in Büchern für die Leser so spannend macht.
Titel: Re: Rache als Sympathie-Faktor? (Prota-/Antagonisten)
Beitrag von: Fianna am 01. Februar 2013, 13:33:47
Ich finde schon, dass es genreabhängig ist, denn in der (Low) Fantasy ist Rache ein ziemlich beliebtes/ausgelutschtes Thema.
Ich schau da immer kritisch auf die Umsetzung, einer meiner am höchsten geschätzten Kollegen dagegen (der im Gegensatz zu mir fast ausnahmslos jedes Buch bis zu den Midnineties gelesen hat und die meisten danach) hasst das inzwischen fast schon... Meine Worte.
Er würde sagen, er findet da nie etwas aneues und/oder Interessantes.

Und nicht-schreibende und nicht-alles-gelesen-habende Lesern haben da auch einen Übersättigungsfaktor - aber unterhält man sich mit denselben Forenmitgliedern oder Bloggern über Bücher anderer Genre, die ein starkes Rachethema haben, sieht es direkt ganz anders aus.

Von daher sehe ich das nicht als Einzelmeinung von mir.
Natürlich kann man anderer Meinung sein, aber mir/uns das mit einem pauschalen"Das Genre ist dabei völlig unerheblich" abzusprechen, finde ich nicht ganz angebracht.
Titel: Re: Rache als Sympathie-Faktor? (Prota-/Antagonisten)
Beitrag von: Maran am 01. Februar 2013, 19:25:21
Fianna, Du siehst mich verwirrt. Um ehrlich zu sein, ich weiß gerade nicht, ob ich schallend lachen oder zornig werden soll. Ob das Thema "Rache" ausgelutscht ist oder nicht, steht doch gar nicht zur Debatte, ebenso, ob Einzelmeinungen weniger oder mehr zählen, als Gruppenmeinungen. Habe ich etwas überlesen oder falsch verstanden? Ich dachte, der Thread beziehe sich auf Rache als Sympathiefaktor. Dazu habe ich meine Meinung geäußert.

Das Genre ist meiner Meinung nach unerheblich, wenn Rache das Thema ist. Einzig die ausführenden Mittel ändern sich. Ob der Rächende nun mit Schwert oder Hi-Tech-Waffe agiert, was macht da den Unterschied? Viel interessanter hinsichtlich der Geschichte und der Glaubwürdigkeit der Figuren ist die Frage der gesellschaftlichen Akzeptanz. Wenn ein Charakter, sei es nun der Protagonist oder der Antagonist, sich innerhalb der storyline glaubwürdig und nachvollziehbar dahingehend entwickelt, daß er zerstörerisch Rache übt, oder aber aus einer Racheaktion zum Umdenken kommt, dann ist das sicher interessant zu lesen. Sympathisch wird er mir dadurch nicht.
Titel: Re: Rache als Sympathie-Faktor? (Prota-/Antagonisten)
Beitrag von: Lucien am 02. Februar 2013, 01:12:05
Ich persönlich würde die "Attraktivität" von Rache als Motivation auch nicht so sehr an ein bestimmtes Thema anbinden.
Vielmehr kommt es für mich darauf an, warum der Autor/ die Autorin zur Rache gegriffen hat. Natürlich kann man nicht einfach drauf losschreiben und hoffen, dass etwas Anständiges bei rum kommt, aber ich finde, dass es schon einen Unterschied macht, ob zuerst eine Plotidee da war, in die sich das Rachemotiv quasi automatisch "eingeschlichen" hat, oder ob sich jemand gedacht hat: "Hey, ich mache mal irgendwas mit Rache!"
(Ich hoffe, ihr versteht, was ich damit sagen will. Leider fallen mir keine Beispiele dazu ein.)

Ob Rache sympathisch macht? Kommt ganz drauf an. Der Charakter - ganz gleich, ob Prota oder Anta - wird zumindest dadurch "sympathisch" (ist dafür vielleicht das falsche Wort), dass er zumindest eine, je nach Situation, nachvollziehbare Gefühlsregung zeigt, wenn er Rachegelüste hegt.
Ich persönlich hatte schon oft große Lust, mich für etwas an jemandem zu rächen, wenn auch nicht gleich mit Waffen und blutig.  ::)
Bei bloßen Rachegelüsten könnte ich mich also noch versucht fühlen, den entsprechenden Charakter sympathisch zu finden, vorausgesetzt, er hat außerdem auch noch andere Charaktereigenschaften anzubieten, die das unterstützen.  ;D
Interessanter finde ich da die Frage, wie der Charakter mit diesen Gefühlen umgeht. Und da es bei dieser Diskussion ja offenbar um wirklich Rache übende Charaktere geht: welchen "Stil" legt er an den Tag? Wenn sich z.B. der Anta für den Verlust seines geliebten Königspudels rächen würde, indem er die Welt in blutige Kriege stürzte, wäre das ein äußerst unsympathisches Racheverhalten, da es nicht im geringsten nachvollziehbar wäre.
Und an diesem Punkt stelle ich fest, dass mir nichts einfällt, warum ein Rache übender Charakter sympathisch sein könnte.  :P Ich glaube, ich habe mir selbst ein Bein gestellt.
Aber ihr versteht, was ich meine, oder? Alles eine Frage der Umsetzung.
Titel: Re: Rache als Sympathie-Faktor? (Prota-/Antagonisten)
Beitrag von: Maran am 02. Februar 2013, 12:23:32
Zitat von: Jenny am 02. Februar 2013, 01:12:05
Und an diesem Punkt stelle ich fest, dass mir nichts einfällt, warum ein Rache übender Charakter sympathisch sein könnte.  :P Ich glaube, ich habe mir selbst ein Bein gestellt.
Aber ihr versteht, was ich meine, oder? Alles eine Frage der Umsetzung.

Ich finde es klasse, daß Du darüber stolperst.  ;D Und das hat jetzt nichts mit Rache zu tun.
Ja, es ist eine Frage der Umsetzung - und der Autorenziele. Was will der Autor erreichen, wenn er Rache thematisiert? Ist Rache das Thema des Romans, oder sind Rachegelüste eine Charaktereigenschaft? Wenn es die einzige Charaktereigenschaft ist, na, dann vielen Dank. Genauso vielen Dank, wenn (umgesetzte) Rachegelüste einzig und allein dazu dienen sollen, einen Charakter sympathisch darzustellen. Ich denke nicht, daß das funktioniert. Sich als Leser mit einem rächenden Charakter auseinanderzusetzen, kann eine sehr schwierige und frustrierende Angelegenheit zu sein. Leichte Lektüre ist dieses Thema definitiv nicht - und auch nicht dafür geeignet.

Ich denke, wir alle kennen Rachegelüste. Diese aber auch umzusetzen, ist eine ganz andere Sache. Ein bloßes Dreinschlagen baut nur den inneren Druck ab, aber es ändert nichts, absolut gar nichts, an der Ausgangssituation, die zu diesen Gefühlen führte. Um auf Jennys abstruses Beispiel Bezug zu nehmen: Der geliebte Königspudel wird auch nicht wieder lebendig, wenn man in einem Anfall von Rachewahn die Welt zerstört. Und nebenbei vernichtet man bei dieser Zerstörung noch viel mehr Dinge, die einem lieb und teuer sind - und zu guter Letzt sich selbst. Insofern ist das Pudelbeispiel gar nicht so abstrus, wie mir gerade auffällt. Überzeichnungen bringen viele Dinge auf den Punkt.  :D

Titel: Re: Rache als Sympathie-Faktor? (Prota-/Antagonisten)
Beitrag von: Lucien am 02. Februar 2013, 12:40:49
Zitat von: Maran am 02. Februar 2013, 12:23:32
Insofern ist das Pudelbeispiel gar nicht so abstrus, wie mir gerade auffällt. Überzeichnungen bringen viele Dinge auf den Punkt.  :D
Und so reift Erkenntnis in jedem von uns.  ;D

Mir fällt da gerade auf, dass ich auch einen von Rache getriebenen Charakter erfunden habe, sie ist allerdings weder Prota, noch Anta, sondern diejenige, die meinen Prota, der es einfach nicht anders kennt, zu seinen Handlungen anstiftet (ich schreibe aus der Sicht der Bösen, der Prota wäre in anderen Romanen also der Anta). Und ich muss sagen, dass sogar mir selbst diese Frau unsympathisch ist, aber in meiner ersten Idee zu der Geschichte war sie gleich mit dabei und ohne sie würde es gar nicht funktionieren.
Wäre dann bei einem "Rachewerkzeug", wie meinem Prota, die Chance auf Sympathie auch von vornherein verspielt?   :hmmm:
Titel: Re: Rache als Sympathie-Faktor? (Prota-/Antagonisten)
Beitrag von: Maran am 02. Februar 2013, 12:49:03
Zitat von: Jenny am 02. Februar 2013, 12:40:49
Wäre dann bei einem "Rachewerkzeug", wie meinem Prota, die Chance auf Sympathie auch von vornherein verspielt?   :hmmm:

Ich weiß nicht. Das kann man so pauschal nicht sagen. Für mich als Leserin wäre in dieser Hinsicht entscheidend, ob der Protagonist sich dessen bewußt ist, daß er als Rachewerkzeug benutzt wird, und dies einfach mit sich geschehen läßt (aus welchen Gründen auch immer), oder ob er sich dagegen wehrt, oder ob er überhaupt keine Ahnung hat und aus gutem Glauben heraus handelt.
Titel: Re: Rache als Sympathie-Faktor? (Prota-/Antagonisten)
Beitrag von: Lucien am 02. Februar 2013, 12:58:03
Er ist sich dessen nicht bewusst. Er weiß, dass seine "Mutter" (die ihn als Baby geraubt hat) von ihm verlangt, ihm den Weg zum Thron ihres Heimatlandes zu ebnen und er glaubt, dass sie im Recht ist. Allerdings erkennt er irgendwann, dass er eigentlich nur ein Werkzeug ist und nach Erreichen des Ziels nicht weiter von Bedeutung wäre. Wie das Ganze ausgeht, steht noch nicht fest. Im Augenblick habe ich im Plot stehen, dass er sich am Ende gegen sie wendet und selbst den Thron besteigt.  :hmmm:
Titel: Re: Rache als Sympathie-Faktor? (Prota-/Antagonisten)
Beitrag von: Maran am 02. Februar 2013, 13:05:17
Also ganz klassisch?  :rofl: Ich denke, dann mußt Du Dir um Deinen Protagonisten keine Sorgen machen.  ;)
Titel: Re: Rache als Sympathie-Faktor? (Prota-/Antagonisten)
Beitrag von: Lucien am 02. Februar 2013, 13:12:30
 :vibes: Da bin ich ja beruhigt. Allerdings macht er nicht die völlige Kehrtwende zum Guten, denn eigentlich nimmt er ja auch wiederum Rache ...

Oder sind wir dann wieder an diesem Punkt gelandet:

ZitatOder der Typ ist zwar fies, aber man fiebert aus anderem Grund mit, dass er gewinnt. (Selbst eingefleischte Fußballfeinde dürfen mal gewinnen, wenn sie einem damit dann den Nichtabstieg sichern.  ;) )
Also bei der Fantasy zB fieser Typ TM will Rache an Evil Overlord TM. Leser weiß, dass nur so die Welt gerettet werden kann (was der fiese Typ eigentlich ja gar nicht will - der hat nur seine Rache im Kopf).
Oder: Unsympathischer und blöder Kommissar jagd fiesen Serienmörder. Die Gerechtigkeit kann nur siegen, wenn der blöde Kommisar Erfolg hat. Das dem die Opfer vollkommen egal sind und er nur auf die Beförderung schielt, spielt für den Leser keine so große Rolle, solange am Ende die Gerechtigkeit siegt und am Besten noch ein unschuldiges Opfer TM gerettet wird.
Titel: Re: Rache als Sympathie-Faktor? (Prota-/Antagonisten)
Beitrag von: Maran am 02. Februar 2013, 13:22:39
Zitat von: Fianna am 31. Januar 2013, 00:00:23
Zum Thema "Es ist egal, wenn der Held aus guten Gründen tötet": Sauron wird nicht getötet, sondern destroyed.

Ich weiß zwar gerade nicht, was dieses Beispiel in diesem Thread zu suchen hat, denn Saurons Vernichtung hat nichts mit Rache zu tun, sondern mit der Erfüllung einer Prophezeiung, aber da Du es gerade ansprichst: Da Saurons Macht an den Ring gebunden ist, diese Tatsache allgemein bekannt ist, und die Vernichtung des Ringes die einzige Möglichkeit ist, Saurons Macht zu brechen, ist die Vernichtung des Ringes gleichsam ein "Tötungsakt", bewußt geplant und ausgeführt, und somit ein Mord erster Klasse - überzeichnet gesehen. ;)

@Jenny: Diese Kehrtwende hatte ich auch schon bedacht. Ich finde es interessant, wie der Leser sich Dinge zurechtlegt, die eigentlich nicht in Ordnung sind, um die Handlungen eines liebgewonnenen Charakters zu entschuldigen, damit der aus anderen Gründen vorhandene Sympathiefaktor nicht verlorengeht, oder aber, wenn der Charakter eben nicht so sympathisch ist, den Fokus auf die storyline legt.
Titel: Re: Rache als Sympathie-Faktor? (Prota-/Antagonisten)
Beitrag von: Lucien am 02. Februar 2013, 17:43:29
 ;D Was das angeht bin ich Meisterin! Nun ja, ich habe eh schon eine Schwäche für fiese Charaktere, da dürfen sie ruhig auch mal ordentlich Rache üben. Sie dürfen sich bloß nicht völlig darin verlieren.  :no:
Titel: Re: Rache als Sympathie-Faktor? (Prota-/Antagonisten)
Beitrag von: Maran am 03. Februar 2013, 15:05:36
Zitat von: Jenny am 02. Februar 2013, 17:43:29
;D Was das angeht bin ich Meisterin! Nun ja, ich habe eh schon eine Schwäche für fiese Charaktere, da dürfen sie ruhig auch mal ordentlich Rache üben. Sie dürfen sich bloß nicht völlig darin verlieren.  :no:

Ich denke, das ist ein wichtiger Punkt. Besessenheit ist für mich unangenehm zu lesen.
Titel: Re: Rache als Sympathie-Faktor? (Prota-/Antagonisten)
Beitrag von: HauntingWitch am 03. Februar 2013, 15:15:11
Interessantes Thema. Ich habe jetzt ein Weilchen mitgelesen und frage mich etwas ganz anderes. Es gibt hier die grosse Diskussion, ob das "Sympathisch-machen-des-Protagonisten-durch-Rache" verwerflich oder in Ordnung ist, ob Rache jemals gerechtfertigt sein kann und so weiter.

Erst einmal meine fünf Cents dazu: Ich finde, es kommt darauf an, was der Verbrecher, an dem der Protagonist sich rächt, getan hat. Es gibt Gründe für brutale Rache, die ich durchaus nachvollziehen kann und die ich auch nicht verurteile. Ich nenne da gerne des Beispiel vom Film "The Crow": Der Protagonist rächt sich auf brutalste Art und Weise an den Vergewaltigern seiner verstorbenen Freundin. Ich nun, die auf das Thema Vergewaltigungen, Missbrauch etc. sehr empfindlich reagiert, sage also: Na und? Die haben es verdient. Dabei stellt sich für mich nicht einmal die Frage (@Alia  ;)), ob der, der dem "bösen" Mesnchen Rache antut, der gute Mensch ist oder ob der andere überhaupt böse war. Für mich ist es eher so: Aufgrund meiner Wertvorstellungen sehe ich es als in Ordnung an, eine solche Tat zu bestrafen, wenn auch die Art und Weise der Bestrafung vielleicht nicht in Ordnung ist - letzteres ist für mich aber nicht relevant, weil ich die Tat selbst noch schlimmer finde. Ich hoffe, das ist nicht allzu verwirrend.

Die Frage, die ich mir aber aus Autorensicht stelle ist: Ist es denn die Rache, die sympathsich macht? Ist es das Bestrafen der schrecklichen Tat, was uns auf die Seite des Bestrafers stellt? Oder ist es nicht eher so, dass wir uns nur auf seine Seite stellen, wenn er uns ohnehin bereits schon vorher sympathisch ist (was meistens auf den Protagonisten zutrifft) und uns gegen ihn stellen, wenn er uns von vornherein unsympathisch ist (was meistens der Antagonist ist)?
Ich glaube, viel hat auch damit zu tun. Um bei meinem Beispiel zu bleiben, den Protagonisten dieses Films finde ich ab der ersten Szene sympathisch. Die Schergen des Antagonisten hingegen finde ich unsympathisch und hässlich. Also ist das mit ein Grund, warum ich das Tun des Protagonisten in Ordnung finde. Den Antagonisten aber, finde ich ebenfalls sympathisch. Und auch sein Handeln ist nachvollziehbar. Bei ihm ist es so, dass ich beim Kampf zwischen den beiden immer wieder denke: Oh nein, oh nein, bring ihn nicht um, bring ihn nicht um, das kannst du doch nicht machen... Obwohl ich im Grunde immer noch auf der Seite des Protagonisten stehe. Aber ich finde sein Handeln plötzlich weniger in Ordnung als vorher, obwohl der Antagonist der ursprüngliche Auslöser der schrecklichen Tat war, die seine Schergen begangen haben. Nur kommt beim Antagonisten der Gedanke: Aber er hat es ja nicht selbst getan. Demzufolge finde ich auch den Antagonisten "verteidigungswerter" als die anderen. Also, langer Rede kurzer Sinn: Ich glaube, sehr viel von unserer moralischen Einschätzung einer Figur hat auch mit der Sympathie zu tun, die wir für diese haben, weniger umgekehrt. Zwar beeinflusst unsere moralische Einschätzung sicher auch unsere Sympathie, aber für mein Empfinden ist das eher ein untergeordnerter Faktor.
Titel: Re: Rache als Sympathie-Faktor? (Prota-/Antagonisten)
Beitrag von: Serena Hirano am 03. Februar 2013, 15:56:15
Zitat von: HauntingWitch am 03. Februar 2013, 15:15:11
Ist es denn die Rache, die sympathsich macht?

Moin,

den Punkt finde ich sehr wichtig. Irgendwo stand ja auch, dass ein Anta durch Rache viel Tiefe gewinnen kann. Sehe ich ebenso. Ich glaube Rache ist einfach ein sehr menschliches Verhalten. Für mich gibt es kein wirkliches gut und böse, aber wenn, finde ich zum Beispiel Habgier, Neid, Eifersucht etc. Punkte, die einen Bösewicht wirklich so ungeheuer böse machen.
Rache finde ich jedoch eher ein "weiches" Mittel. Es setzt voraus, jemand wurde zutiefst verletzt, ist nicht in der Lage es zu verarbeiten, wird von Wut überrannt und weiß keinen Ausweg, außer der eigentlichen Ursache den Gar aus zu machen, bzw ihr auch etwas anzutun (müssen ja nich alle aus Rache über die Wupper gehen)

Die moralische Empfindung sehe ich dort auch eindeutig im Vordergrund. Es gibt ja Protas, die in ihrer Vergangenheit Rache an jemandem nahmen und Unschuldige mit hineingezogen hatten. (z.B wutschäumend ein Haus bombardierd und nicht nur den Feind, sondern nebenbei nette Menschen gleich mit in die Luft gejagt). Im Nachhinein, leiden sie dann unter dieser "Schuld".
Ich finde das macht den Prota jetzt nicht direkt sympathisch, aber eben menschlich. Und menschlich sein, authentisch sein, bringt einen Charakter hervor, über den ich gerne lesen mag. Wahrscheinlich spielt da wie eingangs erwähnt auch eine Rolle, dass man raushört, wie falsch die Entscheidung für den Prota doch war. Oder wenigstens, dass er diese Rache durchgezogen hat, dazu steht und mit dem normalen, noblen Leben weitermacht. Rache als Randerscheinung im Lebenslauf wenn man so will.

Mal blöd gefragt: Ist ein Protagonist, der "Böses" tut und nicht bereuht, oder eben, der diese gewisse Lesersympathie nicht ganz erhaschen kann, dann eigentlich noch per Definition der PROTAgonist??? Also mal im Ernst. Protas sind doch auch meistens die Heldenhaften. Ich hab grad kein Beispiel im Kopf, in dem der Antagonist auf einmal der Tolle war und man den Prota nicht mehr leiden konnte. Das würde ja bedeuten, wenn mein Leser das Vertrauen in den Protagosnisten verliert und mehr Sympathie für einen anderen Charakter entwickelt, dann wechselt damit auch die Rolle des Protagonisten auf den oder? Geht sowas? Hat man in so einem Fall beschissen geschrieben und seinen Plot verhunzt oder im besten Fall eine gute Wende hinbekommen? Wie wäre es, wenn z.B. der Prota aus nachvollziehbarer Rache in sein Abenteuer aufbricht, sich aber dann wirklich von ihr "verderben" lässt.