Hallo ihr Lieben,
vorweg: Ich weiß nicht, ob es das Thema oder zumindest ein ähnliches schon gibt, jedenfalls habe ich nichts gefunden. Wenn ja, nehme ich die Pfanne gern an.
Ich bin jemand, der Wert auf Prinzipien legt. Auf Fairness. Beides Dinge, die in der Wirtschaft nicht gerade selten untergehen oder gar nicht erst existieren. Im Verlagswesen bzw. der Buchbranche ist das natürlich nicht anders. Ich kenne das Prinzip von Angebot und Nachfrage. Das ist mir bekannt. Seit langem. Dennoch ärgere ich mich immer wieder maßlos darüber.
Das erste Mal, wo ich wirklich an dieser Erkenntnis zu knabbern hatte, war vor etwa einem halben Jahr. Als bekannt wurde, dass Julia Schramm, Politikerin der Piratenpartei, beim Knaus Verlag ein Buch veröffentlichen würde. Vorschuss: 100.000 €. Eine Frau, die geistiges Eigentum als "ekelhaft" bezeichnet und sich für das kostenlose Verbreiten von Literatur und überhaupt allen kulturellem Wissen aussprach, nimmt plötzlich das in Anspruch, was sie verurteilt. Ich spreche mal nicht von Glaubwürdigkeit, wenn man sich das Geschehen der letzten Tage um Frau Schramm ansieht, aber darum geht es mir hier auch nicht.
Für mich war es damals (und ist es heute noch) unverständlich, dass ein renommierter Verlag, dessen Existenz bei Durchsetzung der damaligen Forderungen von Frau Schramm und vielen ihrer Parteifreunde ebenso auf dem Spiel stehen würde wie die von Autoren und anderen Künstlern, mit dieser Frau Geschäfte abschließt. Wie groß muss die Gier nach Profit sein, wenn man sich in dieser Sache nicht ein bisschen solidarisch zeigen kann?
Anderes Beispiel: 50 Shades of Grey. Auch da kann ich nicht begreifen, wie man so viel Geld investieren konnte. Ich persönlich finde es sprachlich und inhaltlich schrecklich, aber das lasse ich mal als Geschmacksfrage stehen. Aber niemanden, auch den Verlag nicht, scheint es zu stören, dass das Meiste eben aus Twilight abgekupfert ist. Das Setting, die Charaktere, einige Handlungsparallelen. Hat niemand mehr Respekt davor? Und legen die Verlage keinen Wert mehr auf ein qualitatives Mindestmaß?
Das sind nur zwei Beispiele, die mich in letzter Zeit beschäftigt haben. Aber diese Fragen kommen auch jedes Mal wieder auf, wenn irgendein C-Promi "seine" Biographie herausbringt und sogar groß vermarktet wird. Man sehe sich Bettina Wulffs Biographie an, die von den meisten Rezensenten regelrecht verrissen wird. Aber mit Skandalen und bekannten Namen lässt sich eben einfach mehr Geld machen als mit einem talentieren Neuautoren.
Ich bin mir bewusst, dass meine Vorstellungen in dieser Hinsicht idealistisch sind. Das sind sie sicher. Aber manchmal frage ich mich, warum ich mich immer wieder durch nervenzerreißende Wartezeiten, seltsame Absagen, Vertrösten und andere Dinge kämpfe, während anderer, literarischer Mist mit Handkuss genommen wird. Das sind Momente, in denen ich mich derzeit ernsthaft frage: Willst du das wirklich? Willst du in dieser Branche mitmischen, in der es nicht gerade selten nicht darum geht, was du schreibst oder wie gut du schreibst, oder ob du originell bist, sondern in der offenbar andere Dinge oftmals wichtiger sind?
Für mich ist das Buchwesen immer noch eine Art Kunst. Aber manchmal habe ich das Gefühl, dass die Kunst und das, was den Reiz eines Buches ausmacht, immer mehr daraus vertrieben wird.
So, jetzt habe ich mir den Frust von der Seele geschrieben. :) Ich meine, bin ich die Einzige, die an diesen Stellen manchmal verzweifelt?
Das einzige Tröstende, was mir dazu einfällt. Es gibt halt "Bücher" ::) (verbindendes Element dieser ist meist Hype, 'Kunst', Promi oder Skandal) und Bücher.
Mit dem einen muss man leben, und ignoriert es bestenfalls. Das andere kann man selbst (mit)gestalten, nämlich die eigenen Produkte.
Da mir 'Bücher" nicht die Butter vom Brot nehmen, kann ich damit leben und ignoriere es so gut es geht. Und besser noch - solange Verlage Mischkalkulation betreiben, schafft so ein Skandälchen Geld in die Verlagskasse und finanziert damit eben auch echte Bücher ;)
Gruß,
Linda
Zitat von: Rigalad am 19. September 2012, 20:11:01
Für mich war es damals (und ist es heute noch) unverständlich, dass ein renommierter Verlag, dessen Existenz bei Durchsetzung der damaligen Forderungen von Frau Schramm und vielen ihrer Parteifreunde ebenso auf dem Spiel stehen würde wie die von Autoren und anderen Künstlern, mit dieser Frau Geschäfte abschließt. Wie groß muss die Gier nach Profit sein, wenn man sich in dieser Sache nicht ein bisschen solidarisch zeigen kann?
Wenn die Glaubwürdigkeit von den "Piraten" beschädigt wird, hilft das doch dem Verlag - von daher hat der Verlag imo alles richtig gemacht(jetzt aus Verlagssicht ).
Gefühlsmäßig würde ich dein Statement so unterschreiben, Riga. Viele der Bücher auf der Bestsellerliste, diverseste Biografien und so weiter finde ich (von den Leseproben her) schlecht geschrieben, unspannend oder einfach nur einen Abklatsch vorhandener Dinge. Aber solange ich meine (Edit sagt: also die Bücher, die ich lesen will) Bücher weiterhin im Handel finde, ficht mich das nicht besonders an. Ich lese brav das, was ich persönlich gut finde, lasse anderen ihren Spaß und denke mir meinen Teil. Wahrscheinlich genau so, wie die anderen sich ihren Teil über mich denken ;).
Aber, um mal den advocatus diaboli zu spielen und auf einen Punkt einzugehen, der damit in Verbindung steht und den Linda auch benannt hat:
Zitat von: Linda am 19. September 2012, 20:21:22
Und besser noch - solange Verlage Mischkalkulation betreiben, schafft so ein Skandälchen Geld in die Verlagskasse und finanziert damit eben auch echte Bücher ;)
Dazu habe ich just heute einen spannenden Denkansatz gelesen, wenn ich dem auch nicht ganz zustimme. Ausgangspunkt ist die These, dass der Preis, den jemand auf dem Markt zu zahlen bereit ist, den Nutzen repräsentiert, den der Käufer aus dem Produkt zieht.
Nehmen wir nun an, dass das Schlechte-Abklatsch-Buch A für 10 Euro zu kaufen ist. Dank einer Bestsellerauflage lohnt es sich, für den Verlag springt noch ein Gewinn heraus. Prima. So soll es sein auf einem funktionierenden Markt. Die Käufer sind glücklich, weil sie für ihre 10 Euro das Vergnügen bekommen, das sie wollen.
Gutes-Buch B, ebenfalls erhältlich für 10 Euro, verkauft sich nun nicht kostendeckend nur einige tausend Male. Dumm für den Verlag, aber weil der Verlag das Buch toll findet, macht er weiter Bücher in dieser Richtung und finanziert sie quer. Eine Kaufpreiserhöhung kommt nicht in Frage, weil sonst noch weniger Leute das Buch kaufen würden. Wirtschaftlich gesehen eigentlich Unsinn.
Es gibt nun mehrere Möglichkeiten, dieses Vorgehen zu rechtfertigen:
a) Irgendeinen Mehrwert, abgesehen von einem wie auch immer zu berechnenden Beitrag zum Kulturleben (den tausende nicht veröffentlichte, gut geschrieben Manuskripte auch bringen würden), muss das Buch haben. Das kann nicht der Nutzen der Käufer sein, in Form von Spaß und Lesefreude, denn sonst würden diese das Buch für kostendeckende 25 Euro kaufen - das Buch hat für die Käufer aber offensichtlich nur einen Nutzen von 10 Euro, sonst wäre der kostendeckende Preis ja am Markt durchsetzbar.
b) Es werden tausende Bücher veröffentlicht, die volkswirtschaftlich gesehen keiner wirklich braucht. Die sich höchstens in teuren Kleinverlagsauflagen rechnen würden, wo sie sich an genau die Käufer richten, die kostendeckende 25 Euro ausgeben würden. Die restlichen Zufallskäufer lohnen also nicht.
Ich fand beide Alternativen nicht ganz zufriedenstellend. Gefühlsmäßig würde ich dazu tendieren, Büchern einen Mehrwert zuzusprechen, der sich nicht saldieren lässt, und der über die reine Lesefreude hinausgeht. Das erklärt dann aber nicht den Unterschied, der zwischen Gutem-Buch B und einem nicht veröffentlichten, nicht markttauglichen, aber kulturell und volkswirtschaftlich ebenso viel Mehrwert bedeutenden Manuskript besteht.
Ist es also wirklich nur der Hype, der um ein Buch gemacht wird? Sprich: nicht unmittelbar marktbezogene Faktoren wie Promis, Skandälchen oder Pressegeschichten und Werbung? Wenn das alles ist, was den Unterschied ausmacht zwischen einem kostendeckenden und nicht kostendeckenden Buch, dann wäre der Buchmarkt in der Tat ein nicht wirklich funktionierender Markt...
So viel zu meinen Überlegungen, die ich mir heute in der Uni gemacht habe, und die hier gerade so schön passen...
Zitat von: Rigalad am 19. September 2012, 20:11:01
Für mich ist das Buchwesen immer noch eine Art Kunst. Aber manchmal habe ich das Gefühl, dass die Kunst und das, was den Reiz eines Buches ausmacht, immer mehr daraus vertrieben wird.
Und hier kommt wieder die Überlegung: was ist Kunst? Wenn viele ein mittelmäßiges Buch lesen wollen, ist das dann nicht auch Kunst? Diese Vielen fühlen sich offenbar gut mit dem, was sie lesen. Sie ziehen ihren persönlichen Spaß daraus. Viele Leute wollen offenbar nichts anderes lesen.
Aber ja, du bist nicht die einzige, die darüber gelegentlich verzweifelt. Das Gefühl: Wieso der und ich nicht? Wieso dieses qualitativ nicht allzu gute Buch, wo meines doch viel besser wäre? Ich glaube, das gehört dazu... und ich wage auch zu behaupten, dass jeder schon mal mit knirschenden Zähnen am Buchregal stand.
Zitat von: Linda am 19. September 2012, 20:21:22
Da mir 'Bücher" nicht die Butter vom Brot nehmen, kann ich damit leben und ignoriere es so gut es geht. Und besser noch - solange Verlage Mischkalkulation betreiben, schafft so ein Skandälchen Geld in die Verlagskasse und finanziert damit eben auch echte Bücher ;)
Natürlich habt ihr damit nicht unrecht, Linda und Snö. Solche Hype-Bücher, seien sie nun schlecht oder nicht, finanzieren natürlich andere Experimente mit.
Was ich mich in dem Zusammenhang dann frage: Gäbe es die Ausschläger nach unten nicht, gäbe es wohl trotzdem Hype-Bücher. Man nehme Harry Potter als eines von sehr vielen Beispielen. Das Phänomene von solchen Abräumern ist ja nie wirklich erklärbar. Sie geschehen einfach. Es gibt Bestseller, die qualitativ top sind, und sich wie verrückt verkaufen. Die finanzieren die Querschläger, Versuche und Richtungsänderungen ebenso mit.
Das Problem dabei wäre wohl nur, dass noch schlechter kalkuliert werden kann.
ZitatUnd hier kommt wieder die Überlegung: was ist Kunst? Wenn viele ein mittelmäßiges Buch lesen wollen, ist das dann nicht auch Kunst? Diese Vielen fühlen sich offenbar gut mit dem, was sie lesen. Sie ziehen ihren persönlichen Spaß daraus. Viele Leute wollen offenbar nichts anderes lesen.
Lesen die Leute das wirklich aus Spaß? Wenn ich mir bei "Klick mich", Shades oder auch der Wulff Biographie die Rezis ansehe, klingt das eher so, als würden solche Bücher aus Neugier gekauft, weil sie eben in aller Munde sind. Hohe Verkaufszahlen sagt ja nicht immer unbedingt aus, dass die Leute eben das auch lesen wollen, sondern nur, dass die Marketingstrategie aufgegangen ist. Da ist es schwer, genaue Erkenntnisse zu gewinnen.
Zitat von: Golden am 19. September 2012, 20:33:58
Wenn die Glaubwürdigkeit von den "Piraten" beschädigt wird, hilft das doch dem Verlag - von daher hat der Verlag imo alles richtig gemacht(jetzt aus Verlagssicht ).
Das war vor einem halben Jahr aber noch nicht abzusehen, dass Frau Schramm ihre Meinung ändert wie ein Fähnchen im Winde. Wobei ihre Glaubwürdigkeit natürlich schon da am Wanken war, als sie überhaupt erst den Vertrag unterzeichnet hat. Das hat sie damals allerdings als Selbstversuch bezeichnet.
Der Buchmarkt heißt nicht umsonst BuchMARKT. Verlegt wird vorranging, was sich gut verkauft. Ist natürlich auch sinnvoll - von irgendwas muss der Verleger ja seine Miete, die Herstellung und die eigene Entlohnung bezahlen. Gewinn einfahren muss natürlich auch noch sein (für zukünftige Produktionen und als Gewinn an sich). Übers Studium schon und später bei der Arbeit in einer Buchhandlung (in meinem Fall Thalia ...) ist mir das immer vermehrte Gewinnstreben auch permanent begegnet. Mit ein Grund dafür, dass ich in diesem Bereich nicht mehr tätig sein möchte. Und irgendwie war es meistens immer das gleiche, was man ins Regal gepackt hat.Zuweilen auch ziemlicher Schrott, den tatsächlich Leute gekauft haben! Die Buchwelt als besondere Welt - das hab ich früher auch mal so gesehen. Aber es sind Unternehmen wie andere auch. Meistens. Ernüchternd, ich weiß. Deshalb bin ich jetzt auch ganz zufrieden als "nur" Leser und hin und wieder Schreiberling, auch wenn das in letzter Zeit eher brach lag.
Vielleicht ist das ganze jetzt eine eher ketzerische Frage, aber: wollen die Leute tatsächlich nichts anderes lesen oder wird ihnen von Werbung und Hype "eingeredet", dass sie nichts anderes lesen wollen?
Ich gebe ganz offen zu: ich ertappe mich hin und wieder dabei, dass mich ebensolche Informationenschon neugierig machen und auch ein wenig in die Richtung drängen, das Buch kaufen zu wollen. Und ich kann mir vorstellen, dass ich nicht der einzige bin, der in dieses Netz geht.
Gleichzeitig will ich aber nicht alle über einen Kamm scheren. Ich denke, man sollte unterscheiden zwischen dem Gelegenheitsleser, der vielleicht 3 Romane im Jahr liest und dem Bücherverrückten, der an die (aus der Luft gegriffen) 100 Romane p.a. liest. Der wird mit Sicherheit nicht nur zum Hype greifen. Der wird sich auch andere Autoren vorknöpfen, vielleicht sogar welche, die nicht unbedingt aus den großen Publikumsverlagen kommen.
Und gerade die Vielleser sind ja die, die sich über niedrige Preise freuen, weil sie ihren Hunger stillen können. Ich mein, entweder ein 200-Seiten-Diogenes-Buch für 15EUR oder zwei 350-Seiter für 20EUR ... Und von Fachliteratur oder Reise-/ Wander-Lit. u.ä. gar nicht zu reden.
Joachim Unseld hat letztens im Interview mit dem Börsenblatt gesagt (http://www.boersenblatt.net/547914/):
Zitat"Die Konzerne produzieren einen großen Scheißhaufen und decken damit alles zu", hat ein Verleger kürzlich gesagt. Liegt darin das Grundproblem? Die größeren Verlage haben ganz andere Fixkosten, die sind gezwungen, viele Titel zu machen. Wenn man noch in Rechnung stellt, dass die Auflagenzahlen enorm zurückgegangen sind, heißt das, dass immer mehr Bücher produziert werden müssen. Da bleibt es nicht aus, dass man nicht mehr so sorgfältig selektieren kann.
Ich warte drauf, dass diese Abwärstspirale auf dem Boden aufschlägt und in tausend Teile zerschmettert wird.
Ich dachte beim Titel, du meintest uns Autoren und nicht die Verlage, so nach dem Motto, ob wir vor lauter Dollarzeichen selbst die Qualität vernachlässigen.
Ich kann deine Gedanken gut nachvollziehen. Aber ich glaube, man muss sich davon auch ein bisschen freimachen. Klar, das sagt sich leicht. Man muss ja auch erst einmal Teil des ganzen werden. Und dafür hilft es sicherlich, die Verlagswelt zu verstehen. Aber ich denke, wenn man ein Autor ist, der schon ein paar Bücher veröffentlich hat, und man einen Agenten hat, dann sollte man sich nicht so viele Gedanken um die anderen Bücher machen, die rauskommen, sondern um die eigenen. Klar, ist das immer ein Konkurrenzverhältnis, aber beeinflussen kann man das dann auch nicht mehr. Man kann nur das eigene Buch so gut wie möglich bewerben.
Und ich frage mich gerade, ob man sich als Teil des ganzen Buchmarktes begreifen muss, wie Linda sagt, es gibt solche und solche Bücher. Es gibt so viele unterschiedliche Sparten, so viele unterschiedliche Lesergruppen. Klar ärgert es mich auch, wenn solche schlecht geschriebenen Bücher so erfolgreich sind. Aber erstens glaube ich nicht, dass das ein neues Phänomen ist und zweitens kann man das nicht ändern. Dass die Verlage so etwas überhaupt drucken ... kann man verwerflich finden. Aber wenn man sich nicht einen Verlag aussucht, der nur hochliterarische anspruchsvolle Bücher macht, dann ist das wohl so, dass die Verlage das machen, was Geld bringt.
Dass die Leute die Sachen auch wirkliche lesen wollen? Ich bin da skeptisch. Ich kenne auch kaum jemanden, der Feuchtgebiete wirklich gut fand. Das ist die Hypemaschine, die Marketingstrategie, die ab und zu aufgeht ... die Kulturindustrie ... aber davon will ich jetzt nicht anfangen. ;)
Ich mische mich da mal auch sehr ketzerisch ein: Was ist literarische Qualität? bzw. eher: Was ist keine?
Ich meine, ich habe auch schon Bücher in der Hand gehabt, bei denen ich dachte: "Mein Gott, das kannst sogar du besser!" und trotzdem pappte irgendwo ein Aukleber mit "Bestseller" oder "Der neue Tolkien" oder irgend ein Mist in der Hinsicht drauf. Das "Warum der, warum ich nicht?" habe ich als unveröffentlichte und bisher auch noch unverbrannte Autorin selbst nicht, bzw. ich habe keine Absagen, ich kann also auch still sein.
Aber ich habe auch schon ein paar Mal bei Büchern, die allgemein als "Hohe Literatur" gewertet werden, den Kopf geschüttelt und mich gefragt, wer denn da draufkam, dass diese Bücher irgend einen höheren Wert hätten, als das Papier, auf dme sie gedruckt sind.
Sprich, die Frage nach Qualität ist in meinen Augen kritisch. Irgend jemand wird sicher auch die Wulff-Biographie toll finden...
Und was das Profitstreben angeht: Ich glaube, schon in der Antike hat man schlechte Theaterstücke verramscht, um Geld zu machen und so weiter. Das ist glaube ich menschlich und wir Autoren müssen da unseren Elfenbeinturm auch mal verlassen und das akzeptieren, wenn wir veröffentlichen wollen.
Oder wir bleiben verkannte Genies und werden erst bekannt, wenn wir unsere Freunde bitten, unseren Nachlass zu verbrennen und diese es dann nicht tun. ;)
Im Urlaub mache ich mir immer den Spaß, einen aufwändig gestalteten und beworbenen Top-Titel, den ich auf dem Wühltisch erstanden habe, zu lesen. Zuletzt "Die Schattenkämpferin". Das sind zum Teil Werke, deren Plots sich inhaltlich auf dem Niveau eines LARP-Fanfilms bewegen. Aus dem "Oevre" wurde dann mit der großen Werbetrommel ein kurzlebiger Bestseller gebacken. Der Markt braucht schließlich Bestseller. Es ist gewiss auch kein Zufall, dass solche Werke den Zeitgeist kopieren.
Rege ich mich darüber auf? Nein - ich zahle ja auch nur den Ramschpreis. ;D
Mein Eindruck ist allerdings auch, dass die Verlagspolitik da eine Rolle spielt. Die genannten Titel in meinem Regal stammen ausnahmslos (!) aus der Random-House-Gruppe. Sowas gibt einem schon irgendwie zu denken. ::)
Zitat von: Franziska am 19. September 2012, 23:57:03
Ich dachte beim Titel, du meintest uns Autoren und nicht die Verlage, so nach dem Motto, ob wir vor lauter Dollarzeichen selbst die Qualität vernachlässigen.
Das dachte ich auch erst, aber das macht das tatsächliche Thema nicht weniger spannend. Die Geschichte mit Julia Schramm hab ich gestern auch gehört und erst mal laut gelacht, denn da wußte ich noch nichts von den 100.000 Euro. Aber es war schon lustig, wie die Frau sich selbst enttarnt und auch noch überhaupt keine Probleme hat.
Dann gibt's da Bücher wie das von Bettina Wulff angesprochene - das würde ich nienienie kaufen und es entsetzt mich, daß es anscheinend genug andere tun, denn die Buchcharts sprechen ja für sich. Das werde ich niemals verstehen.
Aber ich sag's mal, wie es ist: Wer hat schon Ahnung vom Buchmarkt? Diejenigen, die darin arbeiten - und Autoren. Wir. Meinem Mann muß ich die Mechanismen erklären. Meinen Freunden und Eltern auch. Die lesen alle grundsätzlich nur, was im Laden liegt oder groß beworben wird. Als ich seinerzeit bei BoD veröffentlicht hab, haben mich ganz viele Bekannte total überrascht angesprochen, weil sie ja mein Buch nicht im Laden finden konnten. Die fanden es völlig logisch, daß alle Bücher, die es gibt, im Laden liegen! :hmhm?:
Die Leute glauben den Hypes. Sie wissen es nicht besser. Ich distanziere mich von Hypes - ich hab mich z.B. auch erst für Panem nicht interessiert, bis ich hier im Forum aufgeschnappt habe, daß das wohl doch ein Hype ist, den es sich anzugucken lohnt.
Stimmt auch. Das Gleiche mit Game of Thrones. Also gibt es auch gerechtfertigte Hypes. Das ist ja schon mal schön.
Was natürlich trotzdem Shades of Grey nicht besser macht. Meine Brieffreundin hat mir total davon vorgeschwärmt und meinte, ich müsse das unbedingt lesen. Dabei hab ich schon genug drüber gehört, auch inhaltlich, um zu wissen, daß ich das nicht will. Die ganzen Verzerrungen darin will ich nicht haben. Mittelprächtige Sprache/Stil will ich nicht haben, ich arbeite jeden Tag selbst hart daran, besser zu arbeiten, und deshalb finde ich, hat so ein Werk mein (!) Geld nicht verdient.
Ich habe allerdings Achtung davor, daß das Ding anscheinend trotzdem irgendeinen Nerv ganz, ganz vieler Leser trifft. Das kann ich anerkennen. Ich weiß nicht, was uns das über diese Welt und das Buchpublikum sagen soll, aber grundsätzlich bin ich dafür, daß Bücher Spaß machen sollen. Ich ziehe bei einem Buch Unterhaltsungswert jederzeit einem literarischen Wert vor.
Und wenn Shades das liefert, ist zumindest nicht alles tot. Ist meine ganz subjektive Meinung.
Natürlich ist dieses Thema/Buch für mich trotzdem ein rotes Tuch, weil es mich genauso aufregt wie Riga,
Zitatwarum ich mich immer wieder durch nervenzerreißende Wartezeiten, seltsame Absagen, Vertrösten und andere Dinge kämpfe, während anderer, literarischer Mist mit Handkuss genommen wird. Das sind Momente, in denen ich mich derzeit ernsthaft frage: Willst du das wirklich? Willst du in dieser Branche mitmischen, in der es nicht gerade selten nicht darum geht, was du schreibst oder wie gut du schreibst, oder ob du originell bist, sondern in der offenbar andere Dinge oftmals wichtiger sind?
Das ist schlicht und ergreifend ätzend und lächerlich und unser Buchmarkt in Deutschland scheint ja auch ziemlich restriktiv zu sein. Aber mir geht's nicht darum, ob ich in dieser Branche mitmischen will oder nicht. Das muß ich, das ist ein notwendiges Übel auf dem Weg, einen Lebenstraum verwirklichen zu wollen. Und den verfolge ich weiter. Bis ich nicht mehr mag. Allen Shades zum Trotz.
Zitat von: Dani am 21. September 2012, 07:35:13Die Geschichte mit Julia Schramm hab ich gestern auch gehört und erst mal laut gelacht, denn da wußte ich noch nichts von den 100.000 Euro. Aber es war schon lustig, wie die Frau sich selbst enttarnt und auch noch überhaupt keine Probleme hat.
Bei dem Fall frage ich mich allerdings, ob Julia Schramm tatsächlich vorher all jene Dinge geäußert hat, die ihr jetzt zugeschrieben werden - beispielsweise persönlich die kostenlose Verbreitung aller Werke gefordert hat, unabhängig von den Wünschen der Rechteinhaber -, oder ob ihr da nur die Dinge untergeschoben werden, die irgendwann mal ein Pirat gefordert hat bzw. die irgendein Pirat in der Partei zu finden hoffte und die darum gleich in der Presse als "allgemeine Forderung der Piraten" vorgestellt wurden; oder, schlimmer noch, irgendwelche dramatisierende Vereinfachungen oder Fehldarstellungen, die man in der Presse gerne über "die Piraten" findet. Davon gibt es leider zuhauf - ich wüsste kaum eine Partei, über die die Presse so gerne herzieht und der so viel unterstellt wird.
Und da Presseerzeugnisse von denjenigen unter den Verlagen herausgegeben werden, die beispielsweise auch Unsäglichkeiten wie das Leistungsschutzrecht lobbyisiert haben, muss man auch nicht lange spekulieren, warum man Artikel über "die Piraten" nicht als unabhängige Berichterstattung glauben sollte :hmhm?:
Also, bevor ich mir darüber eine Meinung bilde, würde ich wirklich gerne wissen, ob Frau Schramm da tatsächlich gegen ihre eigenen vertretetenen Prinzipien verstoßen hat - oder eben nicht dem Vorurteil "der Piraten" entspricht. Was ja dann per se nicht weiter anstößig wäre und eher ihr persönliches Problem darstellte, wie sie dass denjenigen ihrer Parteifreunde vermittelt, die das anders sehen als sie.
Und was die literarische Qualität betrifft - die liegt ohnehin im Auge des Betrachters. Viele Hypes werden tatsächlich vom Publikum gemacht und nicht von den bösen Verlagen "gemarketingt" (wie Shades of Grey - ich hab jetzt leider keinen *würg"-Smiley gefunden). In den Fällen muss man also davon ausgehen, dass die Texte eine gewisse von den Lesern gewünschte Qualität haben, und der Mangel eher bei den Kritikern liegt, die diese Qualitäten nicht wahrnehmen können. Oder die einfach einen anderen Geschmack haben und die in den Qualitäten keine sehen (wollen) [ich versuche für mich persönlich, daran zu arbeiten, aber irgendwie habe ich da auch meine Grenzen :-X]. Umgekehrt ist vieles von der "verkannten Qualität", die gerne dagegen gesetzt wird, schlichtweg offenbar keine.
Solange sich das nicht sauber trennen lässt, laufen solche Diskussionen am Ende immer sehr allgemein und geschmäckerisch ab, und darum will ich dazu auch nichts sagen. Am Ende führt das doch nur zu falschen Schlussfolgerungen, wenn der ein Werk XY im Kopf hat und daraus eine allgemeine Aussage ableitet, die der nächste auf Werk ZZ bezieht und sich bestätigt fühlt ... obwohl bei Werk ZZ eigentlich ganz andere Marktmechanismen ausschlaggebend wären.
Zitat von: Franziska am 19. September 2012, 23:57:03
Ich dachte beim Titel, du meintest uns Autoren und nicht die Verlage, so nach dem Motto, ob wir vor lauter Dollarzeichen selbst die Qualität vernachlässigen.
Mir ging es da genauso wie dir und Dani. :)
Zum Thema: Linda hat recht. Es gibt einfach zwei verschiedene Arten von Büchern. Meine Freundin schaut gelegentlich mal so TV-Promimagazine und wenn dann wieder Katie Price oder sonstwer ihr X-tes Buch groß präsentiert, wo sie über ihre Schwangerschaft was faselt und damit irre viel Geld scheffelt, regt mich das jedes Mal auf. Aber diese Leute verdienen ihr Geld ja nicht über ihre Schreibe - sie schreiben das ja eh nie selber, sondern liefern nur den Stoff und segnen es ab - sondern über ihren Bekanntheitsstatus. Sie sind Promis, die einen Private-Life-/Seelenstriptease hinlegen, um noch ein wenig mehr Geld zu verdienen und sich - im Zweifelsfall - wieder ins Gespräch zu bringen. Es ist also keine Leistung. Klar kann man sich dann umso mehr darüber ärgern, aber irgendwo ist es auch beruhigend, wenn man es aus einem anderen Blickwinkel betrachtet.
Und da sollten wir uns auch einfach mal fragen: Würden wir das auch wollen? Jetzt unabhängig davon, dass wir alle vermutlich nicht die Fanzahl oder den Bekanntheitsgrad haben, um so etwas zu erzielen (ich hoffe, ich trete gerade niemandem auf den Schlips ;D): Würden wir wollen, dass sich ganz Deutschland über uns den Mund zerreißt für etwas mehr Geld? Und es begreifen die meisten Leute, dass so etwas wie Frau Wulffs Klagen gegen Google und Herrn Jauch wohl nur eine PR-Strategie für ihr Buch sind. Und weiter gefragt: Es kaufen ja genug Leute diese Bücher, damit sie mitreden können oder um ihre Neugier zu befriedigen. Würden wir diese Leute als Leser haben wollen? Ich könnte darauf verzichten.
Zitat von: Rhiannon am 20. September 2012, 22:32:34
Und was das Profitstreben angeht: Ich glaube, schon in der Antike hat man schlechte Theaterstücke verramscht, um Geld zu machen und so weiter.
Haben Sie definitiv. Und wir haben ja nur ein Bruchteil der Stücke von einigen wenigen Autoren und es gab zahllose mehr, die alle im Laufe ihrer Karriere 50 oder mehr Stücke geschrieben haben. Zum großen Teil ist sicher das Gute aus dieser Zeit bis zu uns überliefert worden, da es vielfach kopiert wurde. Es hat wohl auch damals schon eine Menge Mist gegeben - von wegen hohe Kunst und so. ;D
Zitat von: Arcor am 21. September 2012, 11:14:46wir haben ja nur ein Bruchteil der Stücke von einigen wenigen Autoren und es gab zahllose mehr, die alle im Laufe ihrer Karriere 50 oder mehr Stücke geschrieben haben. Zum großen Teil ist sicher das Gute aus dieser Zeit bis zu uns überliefert worden, da es vielfach kopiert wurde. Es hat wohl auch damals schon eine Menge Mist gegeben - von wegen hohe Kunst und so.
Das wiederum erinnert mich an einen kleinen satirischen Text, den ich mal für den Menhir zu einem Zitat von Diodor XV, 74.1-4 (http://www.perseus.tufts.edu/hopper/text?doc=Perseus%3Atext%3A1999.01.0084%3Abook%3D15%3Achapter%3D74%3Asection%3D1) geschrieben hatte. Wer also einen kleinen Einblick in den Literaturmarkt der Antike bekommen will, kann da gleich mal bei Diodor nachschlagen ;)
Zu Julia Schramm hat mich gestern die Tageswebschau (http://www.tagesschau.de/tageswebschau/) aufgeklärt. Der richtige Link ist gleich auf der Startseite.
Zitat von: Lomax am 21. September 2012, 11:13:29
In den Fällen muss man also davon ausgehen, dass die Texte eine gewisse von den Lesern gewünschte Qualität haben, und der Mangel eher bei den Kritikern liegt, die diese Qualitäten nicht wahrnehmen können.
Die These von der Weisheit des Lesers.
Es gibt Autoren, die waren zu Hochzeiten ihrer Karriere Superstars und gerieten in Vergessenheit, als sich der Zeitgeist drehte. Etwa Ernst Zahn oder auch Felix Dahn. Die Leserschaft urteilt nach dem sich stets wandelnden Bauchgefühl. Es rennen ja auch alle zu Ikea, obwohl deren "Möbel" immer schlechter werden... ::)
Für den Buchmarkt sind diese Erwägungen freilich irrelevant. Da geht's ums Verkaufen und es muss verkauft werden, weil die Rechnungen bezahlt werden wollen. Aber ich finde, dass man sich als Autor der Vergänglichkeit und oft auch der schwachen Substanz solcher Hypes bewusst sein sollte.
Zitat von: Arcor am 21. September 2012, 11:14:46
Und da sollten wir uns auch einfach mal fragen: Würden wir das auch wollen? Jetzt unabhängig davon, dass wir alle vermutlich nicht die Fanzahl oder den Bekanntheitsgrad haben, um so etwas zu erzielen (ich hoffe, ich trete gerade niemandem auf den Schlips ;D): Würden wir wollen, dass sich ganz Deutschland über uns den Mund zerreißt für etwas mehr Geld?
Sorry für das OFF-Topic, aber: Ja! Die Leute zerreissen sich ohnein das Maul, sei es ein Promi oder die Arbeitskollegin oder der Nachbar. Wenn sie es eh tun, dann kann man auch für ein bisschen mehr "Schmerzensgeld" "weghören".
Zitat von: Churke am 21. September 2012, 15:00:55Die These von der Weisheit des Lesers.
Ich sehe nicht, dass da Weisheit am Werk sein muss. Das zu treffen, was der Leser als lesenswert empfindet, was also das Bauchgefühl trifft, stellt ja schon eine gewisse Qualität dar. Das ist auch nicht so trivial. Dass der Zeitgeist schnell drehen kann und die vom Leser geliebten Erfolge von heute schon morgen in der Versenkung verschwinden, tut dem zunächst keinen Abbruch. Umso höher ist die Leistung eines Autors zu werten, der am Puls der Zeit bleibt und der diese schnelllebigen Qualitäten liefern kann ;).
Dass so ein Hype kurzlebig sein kann und dass man mitunter anderes liefern muss, wenn man längerfristig für "künstlerische" Qualität im Gedächtnis bleiben will, sich dessen bewusst zu sein, schadet natürlich nicht. Es hilft dabei, sich halt darüber klar werden, welche Art von Qualität man als Autor liefern kann und will und wo man sich positionieren möchte.
Das Grundproblem liegt ja eher darin, dass es diesen Gegensatz zwischen Hype und Substanz so nicht gibt. Denn dem Hype steht nicht die Substanz gegenüber, sondern der kurzlebigen und der nachhaltigen Qualität steht vielmehr die Masse an Werken entgegen, die keinen Hype auslösen
und die gleichzeitig trotzdem keine nachhaltige Substanz entwickeln. In den meisten Fällen ist es halt erst mal nur eine Behauptung dass das, was nicht kurzfristig erfolgreich ist, dann eben andere "Qualitäten" hat - und da ist nun mal jeder mit einem Mal ein "Weiser", der seinen Geschmack nur zufällig nicht im Hype repräsentiert findet :snicker:.
Aber über die Substanz und den nachhaltigen Erfolg entscheidet am Ende eben auch nicht die Weisheit, sondern doch wieder nur das Bauchgefühl der Leser - nur möglicherweise anderer Leser als beim Hype bzw. eine Fähigkeit des Autors, die Bauchgefühle der Leser nicht nur für ein zeitgenössisches Publikum zu treffen, sondern für zeitlosere menschliche Empfindung.
@Dani: Welcher der Links auf der Seite genau hat dich aufgeklärt? Das verlinkte Originalinterview mit typisch politischem Blabla, das sich schwer auf konkrete Aussagen festnageln lässt, in dem sie aber ausdrücklich auch sagt, dass die Rechte des Künstlers am Werk erhalten bleiben und kein anderer Anbieter ohne Beteiligung des Künstlers am Werk verdienen soll? Der ebenfalls verlinkte Blogbeitrag von Stefan Niggemeier, in dem konkrete Beispiele aufgezeigt werden, wo sie krumm und tendenziös zitiert und interpretiert wird? Oder ihr verlinkter Twitter-Account, wo ich mich jetzt nicht durch ihre weiteren Aussagen durchgewühlt habe?
Alles in allem seh ich da jetzt nichts, wo man einen greifbaren Widerspruch aufdecken könnte. Jedenfalls nicht, wenn man alles korrekt im Kontext betrachtet.
Zitat von: Dani am 21. September 2012, 07:35:13
Was natürlich trotzdem Shades of Grey nicht besser macht. Meine Brieffreundin hat mir total davon vorgeschwärmt und meinte, ich müsse das unbedingt lesen. Dabei hab ich schon genug drüber gehört, auch inhaltlich, um zu wissen, daß ich das nicht will. Die ganzen Verzerrungen darin will ich nicht haben. Mittelprächtige Sprache/Stil will ich nicht haben, ich arbeite jeden Tag selbst hart daran, besser zu arbeiten, und deshalb finde ich, hat so ein Werk mein (!) Geld nicht verdient.
wobei man allerdings nicht vergessen sollte, dass jedes Posting mit Titelnennung diesen Hype virusgleich verbreitet. Will man also etwas nicht fördern oder dehypen, ist totschweigen sicher eine angemessene Reaktion. Oder man verunglimpft den Titel in satirischer Weise. Das mischt die Suchroboter ein wenig auf.
Und ansonsten - "
Spades of Grey" ist Erotik, und
huch, auch noch sooooo 'verrucht'.
Da kann jeder mitreden, das kann jeder nachvollziehen, es ist ein Unterleibsthema, zu dem null intellektuelle Leseleistung oder auch nur Phantasie nötig ist. Natürlich ist das ein Renner. ::)
Aber - man will ja auch nicht immer nur Nobelpreisträger lesen, :snicker:, natürlich hat auch Erotik ihre Berechtigung. Genauso wie es bestimmt qualitativ höherwertige Erotikliteratur gibt, als ein S/M-Abklatsch von "Limelight".
Das eigentlich Nervige daran ist doch eher die penetrante Werbung/Medienpräsenz, der man ausgesetzt wird. Also dehypen, statt ärgern.
Zitat von: Lomax am 21. September 2012, 16:24:39
Umso höher ist die Leistung eines Autors zu werten, der am Puls der Zeit bleibt und der diese schnelllebigen Qualitäten liefern kann ;).
Das wäre dann ja auch eine Leistung, die entsprechende Anerkennung verdiente. Mein Eindruck ist jedoch, dass die meisten eben nur zufällig zur rechten Zeit das Rechte schreiben und, weil sie es eben nicht gezielt machen, bald vom Winde verweht werden. Daraus speist sich dann das Ungerechtigkeitsgefühl des Möchtern-Bestsellerautors. Und ich glaube auch, dass die Verlagskaufleute an diesen Erfolgen heute größeren Anteil haben als die Autoren.
Zitat von: Feuertraum am 21. September 2012, 15:35:59
Sorry für das OFF-Topic, aber: Ja! Die Leute zerreissen sich ohnein das Maul, sei es ein Promi oder die Arbeitskollegin oder der Nachbar. Wenn sie es eh tun, dann kann man auch für ein bisschen mehr "Schmerzensgeld" "weghören".
Interessant, wie Sie das sehen, Feuertraum. Fragt man sich ja, ob Frau Schramm jetzt im Nachhinein so glücklich ist mit ihrer Entscheidung, um mal bei einem aktuellen und hier angesprochenen Beispiel zu bleiben. Gemunkelte 100.000€ Vorschuss gegen einen Shitstorm sondergleichen im Internet, persönliche Beleidungen, 1,5 Sterne für ihr Buch bei Amazon (ob zurecht oder nicht, lasse ich im Hinblick auf den Shitstorm wegen der Doppelmoral mal dahingestellt, ich habs nicht gelesen), nicht zu vergessen, dass sie sich damit vielleicht ihre weitere politische Karriere in naher Zukunft verbaut hat, wenn man so auf die Meinungen aus der Piratenszene schaut. Ich bezweifele, dass sie damit jetzt wirklich "glücklich" ist, üppiger Vorschuss hin oder her. Und einen solch öffentlichen Shitstorm mit jeglicher Form der Beleidigung kann man wohl kaum damit vergleichen, wenn jemand aus dem Bekanntenkreis sagt "Ich find das albern/doof, dass du ein Buch geschrieben hast" oder Ähnliches.
Wobei mir gerade noch eine andere Frage zu dem Thema einfällt: Fallen größtenteils negativ bewertete und völlig zerrissene Bücher, die aber sehr medienwirksam sind und sich daher auch oft verkaufen - wie Frau Schramms "Klick mich", mal als Beispiel, oder Frau Wulffs Buch - eigentlich auf Verlage zurück? Schädigt so ein zerrissenes Buch dem Image des Verlags oder ist das denen egal, solange die Verkaufszahlen einigermaßen stimmen?
Seien wir doch mal realistisch: Wie lange bleibt jemand in der Schusslinie?
Jeder von uns erinnert sich noch daran, dass Guttenberg wegen seines Plagiats in den Schlagzeilen stand. Wochenlang. Und? Spricht da heute noch irgendjemand drüber? Ist das immer noch ein aktuelles Thema?
Ich glaube nein. Gras ist über die Sache gewachsen, der ursprüngliche Sturm der Entrüstung ist vorbeigestürmt und konzentriert sich auf andere Themen, über dass sich Alt und Jung aufregen kann.
Und genauso wird es sein mit Frau Wulff und mit Frau Schramm. Ein paar Tage/Wochen, in der diese Eisen geschmiedet werden, dann zieht man zur nächsten Esse weiter, in der alten ist das Feuer erloschen
Um die Frage nach den Verlagen zu beantworten: Ich vermute, dass diese jetzt keine allzugroßen Wunden lecken werden. Meiner Meinung nach schaut kaum ein Käufer/Leser nach dem Verlag und entscheidet, dass es nie wieder etwas aus diesem Verlag kauft. Wäre dass der Fall, würden die Verlage bei solchen "Biographien" allesamt den "Abgelehnt"-Stempel auf das Manuskript knallen und lieber auf Gewinn verzichten als einen herben Imageverlust hinnehmen.
Aber das ist reine Vermutung.
@Feuertraum: Sie haben schon Recht, dass solche Themen relativ schnell in der Öffentlichkeit an Interesse verlieren. Aber das ändert ja nichts an der Kritik und den Beleidigungen, die man für ein derartiges Buch eventuell aushalten muss, sofern es Mist ist. Dann stellt sich eher die Frage, ob man in der Lage ist, dass zu verkraften oder nicht - wobei das Geld dann finde ich, eher eine sekundäre Rolle spielt. Wobei natürlich derartig polarisierende Personen mit derartigen Büchern wissen sollten, worauf sie sich einlassen. Und bei Einzelpersonen bleibt immer etwas hängen.
Zitat von: Rigalad am 19. September 2012, 20:11:01
Für mich ist das Buchwesen immer noch eine Art Kunst. Aber manchmal habe ich das Gefühl, dass die Kunst und das, was den Reiz eines Buches ausmacht, immer mehr daraus vertrieben wird.
Aber mit solchen Büchern, die die Masse anziehen, wird doch das finanzielle Polster aufgebaut, mit dem man dann einen unbekannten (Fantasy-)Neuling ausprobieren kann...
... oder bin ich da einem literarischen Urban Myth aufgesessen?
Das war jedenfalls mein letzter Stand an Informationsgewinnung im Verlagswesen, und wenn ich so einen Schrott im Bücherregal sehe, denke ich mir:
Hm. Naja, in einem Jahr haben die dafür ein paar tolle ungewöhnliche Bücher :)
Zitat von: Fianna am 22. September 2012, 21:39:06
Aber mit solchen Büchern, die die Masse anziehen, wird doch das finanzielle Polster aufgebaut, mit dem man dann einen unbekannten (Fantasy-)Neuling ausprobieren kann...
... oder bin ich da einem literarischen Urban Myth aufgesessen?
Ich kenne mich da zwar auch nicht so aus, aber ich habe den Eindruck, die wenigsten Verlage gehen Wagnisse ein und importieren dann als Beispiel lieber wieder einen amerikanischen Autor, der gerade über den großen Teich Erfolg hat whatever, um noch mehr Geld zu verdienen :dollars: :dollars:. Sorry, ich habe bislang eine eher schlechte Meinung von Verlagen bekommen :seufz:. Schreiben die nicht oft dann den (Fantasy-)Neulingen, wenn sie das Exposée etc. ihres Herzblutes abgeschickt haben: "Äh sorry, schön geschrieben, dafür ist momentan nur leider kein Markt, wenn Sie vielleicht noch etwas [hier bitte den aktuellsten Trend, in den meisten Fällen etwas mit Romatik/Sex/bloß kein Fantasy, einsetzen] in petto haben, könnten wir vielleicht noch mal drüber reden"?
Na ja, vielleicht sehe ich auch wieder alles nur zu negativ ;D. Muss dann wohl an meiner momentanen Stimmung liegen.
Zitat von: Luna am 23. September 2012, 10:55:20Ich kenne mich da zwar auch nicht so aus, aber ich habe den Eindruck, die wenigsten Verlage gehen Wagnisse ein
Das Verlagsgeschäft
ist per se schon ein Wagnis. Die meisten Titel spielen nicht einmal ihre Investitionskosten ein, und ein paar wenige Titel sind es letztendlich, die dem Verlag seinen Gewinn bringen und die alle anderen Titel mitfinanzieren. Und das gilt selbst dann, wenn Verlage nur Titel kaufen, von denen sie sich einen tollen Erfolg erhoffen, und wenn sie möglichst sorgfältig versuchen, alle zu großen Risiken zu vermeiden.
Das Problem ist halt, das niemand so genau vorhersagen kann, welche der potenziell erfolgversprechenden Bücher am Ende tatsächlich erfolgreich laufen, und dass halt auch jedes erfolgversprechende Buch zunächst einmal, statistisch gesehen, vor allem ein Wagnis und eine Spekulation ist. Von wenigen Ausnahmen, die man fast als "sichere Bank" ansehen kann, mal abgesehen ... Aber man weiß ja heutzutage, dass selbst Banken nicht immer sicher sind. ;)
Insofern ist es also durchaus so, dass die erfolgreichen-und-vielleicht-umstrittenen Titel den Spielraum liefern, um auch mal neue Dinge auszuprobieren. Aber wenn man weiß, dass schon die erfolgversprechenden neuen Dinge ein Wagnis sind, ist es schon recht viel verlangt, wenn man von Verlagen erwartet, dass sie auch bei den Dingen ein größeres Risiko eingehen, bei denen sie von vornehherein eher keine Erfolgschance sehen.
Wobei sie da mit ihrer Einschätzung natürlich auch daneben liegen können und dann eben ein anderer das Geschäft macht, oder auch mal ein möglicherweise guter Titel untergeht. Aber die Spielräume, um daran etwas zu ändern, sind halt nicht so groß, wie mancher denkt. Ein paar einzelne Titel, die man mal gegen alle Trends ausprobiert, würden am Gesamteindruck ja nichts verändern, weil es immer noch so viel mehr gewagte Ansätze gibt, die man trotzdem ablehnen müsste ... und diese einzelnen Titel, bei denen man es einfach "trotzdem" wagt, gibt es ja auch immer wieder.
Zitat von: Lomax am 23. September 2012, 11:36:14
Das Verlagsgeschäft ist per se schon ein Wagnis.
Das ist nur allzu wahr. Ich vergleiche in dem Zusammenhang gern das Verlagsgeschäft mit Edelsteinschürfern.
Der Autor ist der Schürfer. Die Buchideen sind die Rohedelsteine. Der Autor steckt viel Können und Kunstfertigkeit darein, aus einem einzigartigen Edelstein, den er aus dem Stollen seines Seelenlebens gebrochen hat, mit handwerklicher Fertigkeit (Schleifen, Polieren) das Bestmögliche herauszuholen.
Der Verleger ist der Juwelier. Er investiert viel darin, den Edelstein zunächst einmal zu kaufen und dann mit einer ansprechenden Fassung zu versehen und zu bewerben. Damit geht er durchaus ein Wagnis ein, denn: einen Smaragd verkaufen zu wollen, kann furchtbar nach hinten losgehen, wenn sich Grün mit den Modefarben der kommenden Saison beißt.
Viele Juweliere verlegen sich daher lieber auf Industriediamanten (genrespezifische Auftragsschreiberei). Ihre Lieferung kann garantiert werden und hängt nicht vom Glück ab, in einem Stollen einen zu finden. Sie sind farbneutral und passen daher zu so ziemlich allem. Dummerweise ist der Markt auch sehr schnell mit ihnen gesättigt.
Kann man also dem Schürfer einen Vorwurf machen, der stattdessen ein Preßwerk für Industriediamanten aufmacht? Oder dem Juwelier, der seine Existenz lieber auf diese zuverlässige Quelle baut?
Meiner Ansicht nach: Nein.
Aber auch, wenn ich ihnen keinen Vorwurf mache, ich gehöre nicht dazu. Industriediamanten zu fertigen, erfordert großes Können, das ich respektiere, das mich persönlich aber erfahrungsgemäß nicht befriedigt. Ich weiß inzwischen, daß ich immer zu den Schürfern gehören werde, die in der Hoffnung auf den nächsten, einzigartigen Sternsaphir in ihrem einsamen Stollen schürfen... und dann auf den hinreichend idealistischen Juwelier hoffen, der sich sehenden Auges auf das Risiko einläßt, in mein nächstes Juwel zu investieren.
So oft ich also im Kielwasser der Absagen auf Verlage fluche (und es sicher auch in diesem Forum wieder tun werde): meinen Respekt allen Lektoren und Verlegern, die ihr Herzblut in diesen harten Markt einbringen. :prost:
Das war aber ein schöner Vergleich :vibes:, der wirklich sehr anschaulich auch mal die "Gegenseite" beleuchtet.
@Farean: Ich finde deinen Vergleich sehr interessant, und ich muss sagen, er spricht auch an. Denn es ist tatsächlich so, dass sie oft auch den Moden folgen müssen. Und da gibt es wirklich diese paar Sachen, die einfach nie aus der Mode sind, und immer Einnahmen versprechen (wenn ich auch nie ganz sicher bin was das sein soll).
Dennoch, es gibt ja auch diejenigen, die lieber die vielen verschiedenen Farben dieser Edelsteine wertschätzen. Irgendwann werden die ewig gleichen Diamanten ja auch fade. ;D
Ich muss erst mal mehr zustande bringen, ehe ich da viel dazu sagen kann. Aber es fällt schon auf, dass manche so hoch gelobten Geschichten einfach... mangelhaft sind. Sehr mangelhaft sogar. Wenn ich mir so überlege, eines der dicksten Bücher, die ich vor (glaube ich zumindest) 8 Jahren gelesen habe, war eines der Bücher aus der Ayla-Reihe. Die sind auch so in die Sparte gefallen, wo eine Frau die strahlende Heldin ist, der einfach alles gelingt und die allen Freude am Leben bringt.
Ich muss sagen, wenn es gut geschrieben ist, ist so ein platter Charakter durchaus erträglich. Aber... was mich besonders störte, waren die großen Wiederholungen. Wenn in einem Buch das wieder alles durchgekaut wird, nur um es ein wenig dicker und teurer zu machen... das ist so, als würde man absichtlich ein paar Verunreinigungen in den Edelstein hinein bringen, und das als die neue Mode verkaufen. Nur, wenn man es sich so ansieht, geht die Strategie durchaus auf.
Was man auch anrechnen muss, ist, dass durch diese Wiederholung auch Neulinge in einer Reihe nicht allzu große Probleme habe, sich zurecht zu finden. Allerdings wäre es doch wohl besser, wenn man sie dazu bringt, auch ein zweites Buch zu kaufen, weil sie heraus finden wollen, was es mit vergangenen und vielleicht nur erwähnten Ereignissen auf sich hat. Man muss also wirklich nicht die Qualität mindern, wenn man ein dickeres Dollarzeichen will, sozusagen.
Ich weiß nicht, ob ich jetzt irgendwie Sinn gemacht habe, aber das ist einfach meine Meinung zu dieser ganzen Geschichte. ;D