Tintenzirkel - das Fantasyautor:innenforum

Allgemeines => Tintenzirkel => Phantastik und Fantasy => Thema gestartet von: Maria am 01. Juli 2012, 06:41:55

Titel: [link] Eine Lanze für Fantasy brechen: Artikel in der Stuttgarter Zeitung
Beitrag von: Maria am 01. Juli 2012, 06:41:55
Ich bin über Montsegur drauf gestoßen. Vielleicht ist Fantasy doch nicht soo tot....

http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.der-hobbit-und-seine-erben-nichts-gegen-fantasy.9ba613a7-8e96-4e54-95ee-85906fea5cec.html
Titel: Re: [link] Eine Lanze für Fantasy brechen: Artikel in der Stuttgarter Zeitung
Beitrag von: Aphelion am 01. Juli 2012, 12:40:38
Mit dem Artikel werden nur Fantasy-Freunde bedient. Schon alleine der Umstand, dass der Autor sich die Frechheit heraus nimmt, Nicht-Fantasy-Lesern "intellektuelle Beschränktheit" (2. Absatz) zu unterstellen, ist extrem kontraproduktiv. Hui, toll, da hat er es den bösen Nicht-Fantasy-Lesern ja mal so richtig gezeigt... Beleidigen geht imho gar nicht.  :nöö: Auch nicht, wenn man unterschiedliche Meinungen hat. Und Menschen, die etwas nicht mögen, haben auch das Recht, das zu äußern. Macht der Autor des Artikels ja auch. Er mag offensichtlich keine Menschen, die keine Fantasy mögen... Im Gegensatz zu den von ihm Zitierten schafft er es offensichtlich jedoch nicht, seine Meinung ohne Abwertung anderer zu äußern.

(Und *der* meint klugscheißen zu müssen, dass Hobbits behaarte Füße und nicht behaarte Ohren haben... Ja, toll. Ist das jetzt eine intellektuelle Höchstleistung?  :hmmm: )

Mit dem Artikel wurde der Fantasy-Literatur jedenfalls kein Gefallen getan. Schade eigentlich.
Titel: Re: [link] Eine Lanze für Fantasy brechen: Artikel in der Stuttgarter Zeitung
Beitrag von: Smaragd am 01. Juli 2012, 12:48:59
Ja, er polemisiert schon ziemlich, auch mit dem Vorschlag, Bücherregale doch bitte in Fantasy und Nicht-Fantasy aufzuteilen (letztere für die "Nichtschwimmer"). Als gäbe es sonst keine Genres *kopfschüttel* Der Kommentar, dass die Kirche schon immer auf Seite der Drachentöter stand, hat mich allerdings zum Kichern gebracht.
Titel: Re: [link] Eine Lanze für Fantasy brechen: Artikel in der Stuttgarter Zeitung
Beitrag von: Zit am 01. Juli 2012, 12:59:11
Ich weiß nicht, wenn der Artikel ohne Wertungen auskäme, würden er dann funktionieren bzw. gäbe es ihn dann überhaupt? Ob jemand Fantasy mag oder nicht ist ebenso als würde ich rot lieber mögen als blau. Das ist eine Tatsache und lässt sich nicht logisch erklären. Genauso kann ich den ganzen Genrediskussionen nicht mit Logik beikommen und tatsächlich soetwas wie eine Rangliste erstellen, welche Genres die logischsten und damit "besten" sind.

Ich denke, um die ganzen Fantasyvorurteile aufzuweichen, wäre es wichtig über die verschiedenen Fantasyspielarten zu berichten. Gibt ja nicht nur Elfen und Vampire -- und auch nicht nur Liebesplots. Ich find es immer etwas schade, wenn Fantasy nur auf HdR, Harry Potter und Twilight reduziert wird.
Auf der anderen Seite: Wenn jemand Fantasy nicht lesen will, kann ich schlecht daher kommen und ihn bekehren wollen. Ich hab ja auch meine Genres, die ich nicht lese, weil sie mir nichts geben.

Also am besten die ganzen Genrediskussionen für lächerlich befinden, sie sein lassen und einfach das lesen und schreiben, was einem gefällt.
Titel: Re: [link] Eine Lanze für Fantasy brechen: Artikel in der Stuttgarter Zeitung
Beitrag von: Franziska am 01. Juli 2012, 13:02:58
Ich mag Denis Scheck und ich finde es toll, dass er sich für Fantasy einsetzt. Und wenn man  sagt, dass man es ignorant findet, sich eine Meinung zu bilden, bevor man sich überhaupt mal mit Fantasy auseinandergesetzt hat, finde ich das nicht beleidigend.
Dass er überhaupt als Literaturkritiker Fantasy empfielt ist ja schon eine große Ausnahme in Deutschland.
Was ich weniger gut finde ist, dass er im Artikel nicht die Chance nutzt, zu sagen, dass Fantasy eben nicht nur Eskapismus ist und vor allem, dass Fantasy nicht nur aus Elfen, Drachen und Hobbits besteht. Ich weiß ehrlich nicht, wann ich das letzte Mal ein Buch mit solchen Wesen gelesen habe. War wahrscheinlich Herr der Ringe. ::) Und Denis Scheck müsste das auch wissen.

edit: Zit war schneller.
Es geht ja auch nicht darum, dass Elke Heidenreich jetzt Fantasy lesen muss. Aber sich ohne sich damit zu beschäftigen abfällig darüber zu äußern und alles abzutun, dass es keine "Literatur" sein kann. Aber das wird sich in Dtl. wohl nie ändern.
Titel: Re: [link] Eine Lanze für Fantasy brechen: Artikel in der Stuttgarter Zeitung
Beitrag von: Ryadne am 01. Juli 2012, 13:04:54
Ich finde es bemerkenswert, wie unterschiedlich der Artikel aufgenommen wird. Bei Facebook wurde der innerhalb weniger Stunden auch schon ordentlich verteilt und kommentiert.

Also, nehme ich ihn auch mal auseinander.

Punkt 1:
Zitatbegegne ich Menschen, die ganz genau wissen, was ein Gedicht ist und was nicht. Oder was Literatur ist und was nicht. Und Fantasy[...] so viel stehe doch bitte schön schon mal fest, Fantasy sei keine Literatur.
Ich teile den Unmut des Verfassers.

Punkt 2: Das Elke Heidenreich-Zitat darüber, was in den Belletristik-Listen zu finden ist
Als es aktuell war, hat mich das auch tierisch aufgeregt, aber nun mit einigem Abstand, muss ich zugeben, dass ich sie halbwegs verstehen kann. Wenn ich mal so tue, als würde ich sie nicht so verstehen, dass sie Fantasy allgemein blöd findet (dem widerspricht natürlich, was weiter oben im Artikel von ihr zitiert wird), sondern nur das, was zu diesem Zeitpunkt in den Bestseller-Listen zu finden war - naja, dann muss ich zugeben, dass da schon ein üble Sachen zusammenkamen. Allerdings glaube ich nicht, dass sie sich wirklich mit dem Inhalt dieser Bücher auseinandergesetzt hat, noch finde ich es sonderlich klug, einfach so unbegründet über Geschmäcker herzuziehen, wenn man sich als führende Literaturkritikerin Deutschlands sieht.

Punkt 3:
ZitatHartnäckig hält sich das Gerücht, es gäbe so etwas wie eine realistische Literatur.
Stimme im folgenden Abschnitt dem Verfasser zu, und freue mich, dass es mal jemand ausspricht, auch wenn er das ruhig etwas mehr hätte ausführen können.

Punkt 4: Das Kirchenzeug
Nichts Neues, spätestens seit der Harry Potter-Debatte (Magie ist böse vs. Das Gute sieht über das Böse) kann ich das gar nicht mehr ernst nehmen, deshalb kam es mir hier erst deplatziert vor. Die Einbindung in den Kontext finde ich aber gelungen.

Punkt 5: Verteidigung der Fantasy gegen die Reduktions-etc-Vorwürfe
Passt. Ich mag, dass der Verfasser im Folgenden den Postmoderne-Knüppel rausholt, der ist auch mein Liebling in solchen Diskussionen  ;D (kein Sarkasmus, auch wenn es vielleicht gerade so klingt)

Insofern: Oberflächlich betrachtet ein schöner Artikel, der eine Lanze für die Fantasy zu brechen scheint.
ABER: Ich muss auch Aphelion zustimmen, letztlich bestätigt der Artikel auch wieder die Vorwürfe gegen die Fantasy. Nichts davon, wie sie Bezug nimmt auf reale gesellschaftliche Probleme. Nichts davon, wie man sie als Metapher verstehen kann. Nichts von ihrer Vielfalt (wie Franziska und Zitkalasa ja schon sagen), immer nur das Rumwühlen in der High Fantasy! Das finde ich äußerst ärgerlich, da wurde eine Chance meiner Meinung nach vertan. Gewiss wird dieser Artikel keinen Kritiker zum Umdenken bringen.
Titel: Re: [link] Eine Lanze für Fantasy brechen: Artikel in der Stuttgarter Zeitung
Beitrag von: Zit am 01. Juli 2012, 13:13:35
Nein, natürlich muss Frau Heidenreich das jetzt nicht unbedingt lesen, weil der Herr Scheck da eine Lanze bricht (im Übrigen mag ich beide). Mir ging es ja auch nicht darum.

Es ist ja nur so: Warum will man denn eine Lanze brechen? Weil man sich als Fantasyleser diffamiert fühlt? Weil man sich verteidigen will, warum man Fantasy liest? Für mich lesen sich solche Sachen immer so zwischen den Zeilen: Als Verteidigungshaltung, weil man sich in die Ecke getrieben fühlt. (Überspitzt gesprochen.) Sonst würde man sich ja kaum darüber aufregen, dass andere etwas doof finden. Ich hatte mal eine Freundin, die hat sich mir gegenüber voller Inbrunst abfällig über Manga und Animes ausgelassen, dass das doch der absolute Kinderquark sei. Was sie nicht wusste: Dass ich aus der Ecke komme und mich natürlich auf den Schlips getreten fühlte -- aber eher wegen der Inbrunst, denn der Tatsache, was sie davon hält. Ich habe es mir damals aber geschenkt, da jetzt in Diskussionen auszubrechen und ihr zu erzählen, dass es eben kein Kinderkram ist, dass es da eben auch Pornografie gibt und Manga, die Themen wie Krieg, Verlust oder die Frage "Was ist die Seele?" aufarbeiten. Eben weil ich gemerkt habe, dass sie ihre Vorurteile hat und es sie gar nicht interessiert, diesen nachzuspüren und wirklich heraus zu finden, was Manga und Animes tatsächlich alles sind.

Das ist hier genauso: Im Grunde erzählt der Artikel nur gegen die Wand, gegen die Leute, die eh nicht zuhören wollen. Wer aber zuhören will, findet eben nichts, was seine Vorurteile "widerlegt" bzw. mehr als diese bietet. Und das ist einfach schade.

edit: Jetzt war doch Ryadne schneller.
Titel: Re: [link] Eine Lanze für Fantasy brechen: Artikel in der Stuttgarter Zeitung
Beitrag von: KaPunkt am 01. Juli 2012, 13:55:24
Ich habe mir beim Lesen auch gedacht: Er hat ja mit allem Recht, nur ändern wird sich durch Artikel solcher Art auch nichts.

Es wäre vielleicht sinnvoller gewesen, Leuten, die Fantasy für Kinderquark oder Gewaltverherrlichend halten, ein paar sachliche Argumente zu liefern, ohne irgendjemand anzugreifen. Nur hätte sich das nicht so unterhaltsam gelesen, vermutlich.

Das einzige, was mich an der Haltung der 'Hoch-Literaten' stört, ist die Willkür, mit der da eine Linie gezogen wird: Da kommt etwas nicht Reales vor: Dass kann kein gutes Buch sein.

Genau so gut kann jemand urteilen: Die Geschichte spielt in Usbekistan? Dass kann keine gute Geschichte sein. :zombie:

Was hat die Verpackung mit der Qualität des Inhaltes zu tun?

Ich bin im Allgemeinen nur maßlos enttäuscht, wenn ich gebildeten Menschen begegne, die genau diese Trennung nicht leisten können.

Aufregen habe ich mir abgewöhnt. Aber vor langer Zeit mal einen Artikel in mein blog gestellt, nachdem ich mit einem Mitglied in einem anderen Forum mal wieder genau die gleiche Diskussion hatte.
http://luftschlossarchitektin.wordpress.com/2010/10/21/warum-fantasy/ (http://luftschlossarchitektin.wordpress.com/2010/10/21/warum-fantasy/)
(Falls das unter unerwünschte Eigenwerbung fällt, tut es mir leid, aber ich finde mein Gedanken von damals durchaus noch interessant im Rahmen dieser Diskussion. Im Zweifels bitte ich einen Mod, es einfach zu löschen, okay?)

Liebe Grüße,
KaPunkt
Titel: Re: [link] Eine Lanze für Fantasy brechen: Artikel in der Stuttgarter Zeitung
Beitrag von: Aphelion am 01. Juli 2012, 15:39:10
Zitat von: Franziska am 01. Juli 2012, 13:02:58
Und wenn man  sagt, dass man es ignorant findet, sich eine Meinung zu bilden, bevor man sich überhaupt mal mit Fantasy auseinandergesetzt hat, finde ich das nicht beleidigend.
Um diese Äußerung geht es ja auch gar nicht - aber schau dir bitte mal die Wortwahl an. ;) Wenn man etwas *nicht* tun sollte, wenn man jemanden überzeugen will oder wenn man etwas richtig stellen will, ist ihm (ich zitiere nochmal, wörtlich) "intellektuelle Beschränktheit" an den Kopf zu werfen. Der Ton macht die Musik...

Ein anderes Beispiel wäre "Handicap". (Seit wann ist es ein Handicap, wenn man etwas nicht mag?) Weiß der Autor des Artikel eigentlich, was er da schreibt? Auf der Straße hätte er wahrscheinlich zu seinem Kumpel gesagt: "Hey, voll behindert, die ganzen Nicht-Fantasy-Leser!" (Behinderungen sind nichts, was man jemandem andichtet, der eine andere Meinung hat. Punkt. Was für ein Bild von Behinderten wird da nebenbei eigentlich transportiert? Spätestens da hört es einfach auf. Das ist nicht einmal mehr polemisch. Das ist nur noch... Nein, ich schreib es jetzt nicht. Das kann sich jeder selbst denken. :) )

Ich wäre ja nicht hier, wenn ich Fantasy nicht gut fände. ;) Aber man muss auch aufpassen, wie man mit Menschen jenseits der eigenen Meinung umgeht. *Daran* misst man einen Menschen, nicht, ob er nett zu denen ist, die die eigene Meinung teilen.
Titel: Re: [link] Eine Lanze für Fantasy brechen: Artikel in der Stuttgarter Zeitung
Beitrag von: Lavendel am 01. Juli 2012, 15:54:15
Zitat von: Ryadne am 01. Juli 2012, 13:04:54
ABER: Ich muss auch Aphelion zustimmen, letztlich bestätigt der Artikel auch wieder die Vorwürfe gegen die Fantasy. Nichts davon, wie sie Bezug nimmt auf reale gesellschaftliche Probleme. Nichts davon, wie man sie als Metapher verstehen kann. Nichts von ihrer Vielfalt (wie Franziska und Zitkalasa ja schon sagen), immer nur das Rumwühlen in der High Fantasy! Das finde ich äußerst ärgerlich, da wurde eine Chance meiner Meinung nach vertan. Gewiss wird dieser Artikel keinen Kritiker zum Umdenken bringen.

Wieso aber? Das ist doch mit dem Exkapismus-Argument schon abgedeckt. Fantasy ist eben genauso viel bzw. wenig real wie jedes andere Genre der fiktionalen Literatur, und damit kann sie genauso viel oder wenig Bezug auf reale gesellschaftliche Probleme nehmen wie eben jedes andere fiktionale Genre.
Mal davon abgesehen, ist der Bezug zu "gesellschaftlichen Problemen" für mich auch nicht unbedingt ein Kriterium um einer Geschichte, das Prädikat "wertvoll" zuzugestehen (ich mag Bücher mit erhobenem Zeigefinger eh nicht besonders). Wertvoll ist für mich eher Geschichten, die sich um menschliche "Probleme" drehen, die etwas in mir ansprechen (um es mal pathetisch zu formulieren), und die vielleicht auch mehr als eine Bedeutungsebene haben.

Und warum man niemanden angreifen sollen dürfte, verstehe ich ehrlichgesagt nicht. Wenn Leute dummes und unreflektiertes Zeug von sich geben, dann kann man ihnen das auch ruhig direkt sagen. Mag sein, dass man sich in der Welt der Literaturkritiker wenig davon beeindrucken lässt oder dass sojemand wie Elke Heidenreich sich davon nicht umstimmen lässt. (Helmuth Karasek ist da ja zum Beispiel schon ein bisschen gemäßigter. Ich habe irgendwann mal ein Interview mit ihm gelesen, in dem er meinte, er könne mit sowas wie Fantasy zwar eigentlich nichts anfangen, aber genaugenommen sei "Gullivers Reise" eines der wichtigsten Bücher gewesen, die er in der Hand gehabt hätte. Also... ::))
Also ich unterstelle jetzt mal, dass Scheck überhaupt nicht vorhat, z.B. Elke Heidenreich zu überzeugen. Wenn ihr den Artikel allerdings noch mal lest, dann werdet ihr merken, dass weder Heidenreich noch irgendein anderer Literaturkritiker Adressaten sind ... Der Artikel ist nicht als sachliche Argumentation konzipiert, das heißt aber nicht, das er keine Berechtigung hätte. Man sollte nicht vergessen, dass es der Job von Journalisten und Literaturkritikern ist, kontroverse Diskussion zu führen. Gesprochen wird nicht über Dinge, die nett gesagt werden, sondern über die Dinge, die polarisieren.  Also, was hat der Scheck jetzt noch mal falsch gemacht? ???

Und als Fantasyleser in die Ecke gedrängt fühlt sich Scheck wohl kaum. Ich kann natürlich nicht sagen, was er privat so liest, aber er ist ja nicht so ein Typ aus dem Fandom, der sich ärgert, weil er wegen seiner zehn Silberringe, seiner Thor-Hammer Kette und seiner schwarzen Klamotten nicht ernstgenommen wird. Er rezensiert in seiner Sendung ziemlich viel "anpruchsvolle" Literatur.

Übrigens hat Scheck so ziemlich das Selbe schon in einer "Druckfrisch" Sendung Ende letzten Jahres gesagt, als er Patrick Rothfuss vorgestellt hat, also ist das eigentlich auch schon "von gestern". ;)

Ich finde auch vieles von dem, was unter dem Label Fantasy läuft, unter aller Kanone, aber vieles, was von irgendwelchen "Literaturmenschen" für Preise oder Stipendien vorgeschlagen wird, weil es ach so "problembewusst" ist, ist genauso stumpf und tausendfach von Leuten reproduziert, die sich für furchtbar tiefgründig und talentiert halten, nur weil sie im Schnitt zehn Mal mehr Metaphern in ihre Texte einbauen als Autoren, die für Leser und nicht für Stipendien schreiben (entschuldigt die Polemik ...)

Ich halte es schon lange für einigermaßen bedenklich, wie tief bei uns oft die Lücke zwischen dem, was die Leute lesen und dem was mit Stipedien und Preisen ausgestattet wird. Das ist so eine Subkultur, die eigentlich nur sich selbst fördert und die gar nicht begreift, dass sie sich damit langsam aber sich selbst überflüssig macht. Es gibt immer irgendwo Lichtblicke, das ist klar, aber insgesamt betrachtet ist der ganze Betrieb schon längst in weiten Teilen eine Farce, weil Kunst und Elite einfach zwei Dinge sind, die nicht zusammengehen. Selbst im Wikipediaartikel zur deutschsprachigen Literatur ist das offensichtlich. Gnädicherweise werden da Frank Schätzing und Andreas Eschbach aufgelistet, und dann eine Menge Leute, die wahrscheinlich (mit Ausnahmen) hauptsächlich von Germanisten und eben Literaturkritikern gelesen werden. (Die englischsprachige Wiki listet jedenfalls den ein oder anderen bekannteren Namen, so wie Hohlbein oder so ;)).

Und jetzt noch mal zum Punkt: Solche Sachen müssen eben angesprochen werden. Ich finde Scheck eigentlich noch viel zu freundlich, und ehrlichgesagt sollte jedem klar sein, dass es viel mehr bringt, Sachen zu sagen, als sie nicht zu sagen ... (auch wenn wir das alles schon längst wissen).
Titel: Re: [link] Eine Lanze für Fantasy brechen: Artikel in der Stuttgarter Zeitung
Beitrag von: Thaliope am 01. Juli 2012, 15:57:26
@Aphelion: Wenn man das "Handicap" aber nicht darauf bezieht, dass man etwas nicht "mag", sondern darauf, dass man etwas erst gar keines Blickes würdigt - und ich denke, das ist eigentlich der springende Punkt - ist der Vergleich schon eher angebracht. Dann gleicht es nämlich einem blinden Fleck, einer eingeschränkten Wahrnehmung, und das ist durchaus ein Handicap.

Es geht ja nicht unbedingt um persönlichen Geschmack - über den ließe sich tatsächlich nicht streiten - sondern darum, dass Fantasy oft aus Prinzip als nicht literarisch wertvoll angesehen wird. (Das mag zwar in ganz vielen Fantasy-Büchern der Fall sein, aber das ist auf der "Realo"-Seite wohl kaum anders :))

Klar ist es nicht besonders diskussionsförderlich, so offensiv vorzugehen, wenn man jemanden von etwas überzeugen möchte. Andererseits ... finde ich die Provokation in diesem Falle sogar ein klein weing reizvoll :) Wer lässt sich schon gerne intellektuelle Beschränktheit vorwerfen - nicht, weil man etwas nicht mag, sondern weil man sich weigert, es zu probieren? Dem lässt sich ja leicht Abhilfe schaffen :) Es gibt so viele Leute, die behaupten, mit Fantasy nichts anfangen zu können, ohne zu wissen, was es eigentlich ist. Und sich einfach nur hinzustellen  und zu sagen "ich finde Fantasy aber toll, solltest du auch unbedingt mal lesen" - damit erreicht man in bestimmten etablierten Kreisen einfach ... wenig. Also, ich bin gespannt auf die Reaktionen :)

LG
Thali
Titel: Re: [link] Eine Lanze für Fantasy brechen: Artikel in der Stuttgarter Zeitung
Beitrag von: Ryadne am 01. Juli 2012, 16:24:16
Zitat von: Lavendel am 01. Juli 2012, 15:54:15
Wieso aber? Das ist doch mit dem Exkapismus-Argument schon abgedeckt. Fantasy ist eben genauso viel bzw. wenig real wie jedes andere Genre der fiktionalen Literatur, und damit kann sie genauso viel oder wenig Bezug auf reale gesellschaftliche Probleme nehmen wie eben jedes andere fiktionale Genre.
Mal davon abgesehen, ist der Bezug zu "gesellschaftlichen Problemen" für mich auch nicht unbedingt ein Kriterium um einer Geschichte, das Prädikat "wertvoll" zuzugestehen (ich mag Bücher mit erhobenem Zeigefinger eh nicht besonders). Wertvoll ist für mich eher Geschichten, die sich um menschliche "Probleme" drehen, die etwas in mir ansprechen (um es mal pathetisch zu formulieren), und die vielleicht auch mehr als eine Bedeutungsebene haben.


Aber mir mangelt es hier an Überzeugungskraft, so wie er das alles oberflächlich kommentiert. Natürlich kann man unter den gegebenen Umständen nicht erwarten, dass er hier einen ultravielseitigen Artikel abliefert, aber das hier hat einfach keine Überzeugungskraft.

Natürlich nimmt nicht jedes Fantasybuch Bezug auf gesellschaftliche Probleme (was nur mal ein Beispiel sein sollte). Natürlich gibt es Fantasybücher, die gar nicht irgendwie anspruchsvoll sein wollen und es auch nicht zu sein brauchen, die einfach nur unterhalten wollen. Natürlich gibt es auch jede Menge Fantasybücher, die totaler Mist sind. So wie bei jedem anderen Genre auch, sicher.
Aber genau das führt Scheck doch kaum aus, diese Vielseitigkeit klingt höchstens mal an, erreicht aber sicher niemanden, der sich mit der Fantasyliteratur nicht auskennt. Wie wäre es mal mit ein paar Beispielen fern des "Herrn der Ringe"? Wie wäre es mal mit Details? Wie wäre es damit, den Eskapismus durch solche zwar nicht zu widerlegen, aber doch als relativ darzustellen?

Wie gesagt, die "gesellschaftlichen Probleme" waren nur ein Beispiel aus eben jenem Themenbereich "menschlicher Probleme", den du ansprichst und der auch für mich bedeutend ist. Wobei ich nicht die Verbindung zum "erhobenen Zeigefinger" sehe, nur weil ein Buch die Gesellschaft kommentiert, heißt das doch nicht, dass es mit dem Zeigefinger daherkommt. (Vielleicht habe ich das Wort "Problem" unglücklich gewählt, ich meinte eher "Gegebenheiten" oder sowas.)

Übrigens fände ich es auch nicht schlecht, in Bezug auf die Fantasyliteratur einfach mal auf die unglaublichen Möglichkeiten menschlicher Vorstellungskraft hinzuweisen. Ich meine, das hätte jetzt nicht so gut in den Artikelkontext gepasst, aber bei all den Versuchen, Fantasy in die Literatur einzuordnen, fehlt mir dieser Punkt irgendwie häufig. Warum sollte man die Möglichkeiten nicht nutzen, die einem die Vorstellungskraft bietet?

Titel: Re: [link] Eine Lanze für Fantasy brechen: Artikel in der Stuttgarter Zeitung
Beitrag von: Lomax am 02. Juli 2012, 00:02:19
Zitat von: Aphelion am 01. Juli 2012, 12:40:38Mit dem Artikel werden nur Fantasy-Freunde bedient. Schon alleine der Umstand, dass der Autor sich die Frechheit heraus nimmt, Nicht-Fantasy-Lesern "intellektuelle Beschränktheit" (2. Absatz) zu unterstellen, ist extrem kontraproduktiv. Hui, toll, da hat er es den bösen Nicht-Fantasy-Lesern ja mal so richtig gezeigt... Beleidigen geht imho gar nicht.  :nöö: Auch nicht, wenn man unterschiedliche Meinungen hat. Und Menschen, die etwas nicht mögen, haben auch das Recht, das zu äußern. Macht der Autor des Artikels ja auch. Er mag offensichtlich keine Menschen, die keine Fantasy mögen... Im Gegensatz zu den von ihm Zitierten schafft er es offensichtlich jedoch nicht, seine Meinung ohne Abwertung anderer zu äußern.
Nun ja, ehrlich gesagt sehe ich da nichts, was nicht von den Nicht-Fantasylesern gegenüber Fantasylesern vorgebracht wird. Und Augenhöhe ist ja erst erreicht, wenn das fantastische Genre sich dieselbe Überheblichkeit erlauben kann wie die Kontrahenten  ;). Ich würde also sagen, politische Korrektheit ist nicht unbedingt das maßgebliche Kriterium in einer Diskussion, bei der es vor allem um Diskurshoheit geht (zumal im vorliegenden Fall die "intellektuelle Beschränktheit" ja gar nicht pauschal einer Personengruppe zugeschrieben wird, sondern einem konkret gezeigten Verhalten, für das ich den Ausdruck sogar für sachlich begründbar halte - nicht, dass es letztlich irgendeine Rolle spielt).
  Überzeugungskraft darf bei solchen Artikeln ohnehin nicht überschätzt werden. Wen will man überzeugen? Die Leute, die keine Fantasy mögen? Den Versuch kann man sich schenken, das schafft man weder durch Polemik noch durch gute Argumente. In der Literatur kann man allenfalls durch Werke überzeugen - und damit, indem Leute, die durch Werke überzeugt wurden, in Schlüsselstellungen des Diskurses gelangen. Rezensenten und Essayisten überzeugen keine "Andersdenkenden", egal was sie schreiben. Diese Aufgabe nimmt uns Autoren niemand ab. Nur Autoren können Leser überzeugen und die Akzeptanz des Genres erhöhen, indem sie genug Leser überzeugen, die Rezensenten, Essayisten oder Literaturprofessoren sind oder irgendwann sein werden.
  Woraufhin sie dann gerne auch Polemiken schreiben dürfen :snicker: - denn das ist nicht der Ort, wo der Diskurs geführt und entschieden wird, sondern nur der Ort, wo man sehen kann, wie weit man gekommen ist und wie viel Akzeptanz das Genre erreicht hat.

Ach ja, und auch das Argument von der Abtrennung der "Nicht-Fantasy" anstelle der Fantasy in den Buchhandlungen sollte man durchaus mit etwas mehr Bedacht erwägen. Ich sehe darin auch einen Hinweis auf den Umstand, dass sich erstaunlich viele fantastische Elemente auch in der anerkannten Literatur finden. Da entscheidet oft nur das Etikett, ob ein Buch nun "Fantasy" ist oder nicht, und weniger der Inhalt.

Und, ceterum censeo, natürlich sind Zeilen ohne rhythmisierte Sprache kein Gedicht (Ich konnte den Artikel nicht vorbeiziehen lassen, ohne das noch zu erwähnen >:D)
Titel: Re: [link] Eine Lanze für Fantasy brechen: Artikel in der Stuttgarter Zeitung
Beitrag von: Zanoni am 02. Juli 2012, 01:07:07
Ach, sooooo sehr überzogen finde ich den Artikel auch nicht. Klar, der Autor formuliert provokant, aber durchaus noch im Rahmen des Vertretbaren.

Und im Grunde spricht er ja auch nur Tatsachen an. Die Geschmäcker sind nun mal unterschiedlich, und das ist auch gut so. Niemand muss alles mögen oder irgendetwas lesen müssen, was er nicht mag. Natürlich erfordert Fantasyliteratur mehr Offenheit, Toleranz und Vorstellungsvermögen. Die Phantasie wird beim Lesen phantastischer Literatur aber nicht nur gefordert, sondern gleichzeitig auch gefördert. Klar, dass das nicht jeder mag. ;-)

Besonders interessant finde ich in diesem Zusammenhang aber, dass sich ausgerechnet diejenigen, die offensichtlich über das am stärksten begrenzte Vorstellungsvermögen, Offenheit und Toleranz verfügen, sich Richter und höchsten Maßstab alle Bereiche und Aspekte der Literatur aufschwingen. Das erscheint mir etwas merkwürdig. Und wenn es nicht so wäre, dann würde dieser Artikel niemanden interessieren und er kaum Beachtung finden.

Überrascht hat mich nur, dass dieser Artikel von Herrn Scheck stammt. Zwar habe ich seine Sendung bisher nur wenige Male gesehen, aber da war er mir eher als jemand aufgefallen, bei dem es phantastische Belletristik grundsätzlich sehr schwer hat. Also habe ich entweder einen völlig falschen Eindruck von ihm gehabt, oder dieser Artikel war nicht ganz ernst gemeint ... wobei Letzteres ja eigentlich keinen Sinn macht.

Titel: Re: [link] Eine Lanze für Fantasy brechen: Artikel in der Stuttgarter Zeitung
Beitrag von: Franziska am 02. Juli 2012, 01:27:58
@Zanoni: Scheck "analysiert" ja immer die Bestsellerlisten. Da hatte er zwangsläufige viel Vampirromantasy. Stephenie Meyer landete bei ihm immer in der Kiste. Sehr gelobt hat er aber "Der Name des Windes" und auch Tolkien empfielt er hin und wieder. Er sortiert eben gute und schlechte Bücher. ;)
Titel: Re: [link] Eine Lanze für Fantasy brechen: Artikel in der Stuttgarter Zeitung
Beitrag von: Feuertraum am 02. Juli 2012, 06:31:07
Zitat von: Franziska am 02. Juli 2012, 01:27:58
Stephenie Meyer landete bei ihm immer in der Kiste.

Also, das ist jetzt aber ein wenig zweideutig...

Aber vom OT zum Thema: Ehrlich gesagt verstehe ich die Diskussion nicht. Fantasy gehört viele andere Genres eher in den Bereich der Unterhaltungsliteratur. Natürlich kann man die Probleme der heutigen (oder damaligen) Zeit darin thematisieren, aber es ist eben kein Muss.
Es wird auch immer Menschen geben, die sich nicht für Fantasy begeistern können, sei es, dass das Interesse nicht vorhanden ist, sei es, dass sie vielleicht einen Roman dieses Genres erwischt haben, der ihnen nicht zusagte.
Und?
Dann ist das seine Meinung und gut ist.
Titel: Re: [link] Eine Lanze für Fantasy brechen: Artikel in der Stuttgarter Zeitung
Beitrag von: Kaeptn am 02. Juli 2012, 08:04:35
Das Problem ist ja nicht, dass es Menschen gibt, die kein Fanatsy mögen, sondern dass die große Mehrheit der dt. Literaturkritiker Fantasy per se ablehnt, damit die Feuilletons gesperrt bleiben und somit Fantasy mediale Aufmerksamkeit entgeht - und das aus reiner Engstirnigkeit. Und Engstirnigkeit sollte man beim Namen nennen und darf die, die engstirnig sind, auch ruhig angehen - sie haben es nicht besser verdient.

Denn Scheck (der hier nur genauso schreibt, wie er in seinen Sendungen auch die Top 10 überspitzt auseinander nimmt. Hätte er lieb und brav geschrieben, wäre das eine Enttäuschung gewesen) hat doch völlig recht: Die Zahl der absolut fantasylosen Bücher ist doch eigentlich verschwindend gering und viele gefeierte Bestseller schrammen haarscharf an der Fantasy vorbei - auch wenn keine Sagengestalten darin vorkommen.

Aber - auch wenn ich dem ersten Absatz nun eigentlich widerspreche - im Grunde können uns die Literaturkritiker doch alle mal. Phantastik eilt trotz ihrer Häme und Kritik von Erfolg zu Erfolg, Herr der Ringe, Harry Potter, Völkerromane, Tintenherz..., Twilight und "aktuell" Panem. Der gemeine Leser schert sich ja sowieso einen Dreck darum, was die ach so intelektuellen Feuilletonisten von sich geben. Trotzdem finde ich es schön, das mit Scheck ein TV-Buchkritiker die Fantasy wohlwollend betrachtet und nicht per se in die Kiste schmeißt. Panem z.B. kommt bei ihm SEHR gut weg.
Titel: Re: [link] Eine Lanze für Fantasy brechen: Artikel in der Stuttgarter Zeitung
Beitrag von: Ryadne am 02. Juli 2012, 10:52:20
Zitat von: Feuertraum am 02. Juli 2012, 06:31:07
Aber vom OT zum Thema: Ehrlich gesagt verstehe ich die Diskussion nicht. Fantasy gehört viele andere Genres eher in den Bereich der Unterhaltungsliteratur. Natürlich kann man die Probleme der heutigen (oder damaligen) Zeit darin thematisieren, aber es ist eben kein Muss.

Jepp, da stimme ich Ihnen zu, nur wäre es halt ganz schön gewesen, auch mal auf die vielfältigen Möglichkeiten der Fantasy hinzuweisen, die vielen Leuten glaube ich ganz einfach gar nicht bewusst sind. (Zur Doppeldeutigkeit:  ;D)

Zitat von: Kaeptn am 02. Juli 2012, 08:04:35
Das Problem ist ja nicht, dass es Menschen gibt, die kein Fanatsy mögen, sondern dass die große Mehrheit der dt. Literaturkritiker Fantasy per se ablehnt, damit die Feuilletons gesperrt bleiben und somit Fantasy mediale Aufmerksamkeit entgeht - und das aus reiner Engstirnigkeit. Und Engstirnigkeit sollte man beim Namen nennen und darf die, die engstirnig sind, auch ruhig angehen - sie haben es nicht besser verdient. [...]

Die Zahl der absolut fantasylosen Bücher ist doch eigentlich verschwindend gering und viele gefeierte Bestseller schrammen haarscharf an der Fantasy vorbei - auch wenn keine Sagengestalten darin vorkommen.

Aber - auch wenn ich dem ersten Absatz nun eigentlich widerspreche - im Grunde können uns die Literaturkritiker doch alle mal. [...]

Panem z.B. kommt bei ihm SEHR gut weg.

Schön gesagt.  ;) Ich muss bei Absatz 2 gerade dran denken, wie Marewski, die Debüt-Gewinnerin vom Seraph meinte, sie hätte bis zur Nominierung gar nicht gewusst, dass sie Fantasy schreibt, darunter hätte sie mehr Elfen, Orks und so verstanden. *seufz* Ja, da wären wir wieder bei der Vielseitigkeit, die leider in der breiten Öffentlichkeit nicht so ankommt.

Zu Panem: Das scheint mir generell ziemlich gut bei den Kritikern angekommen zu sein, im Spiegel wurde das auch ziemlich positiv bedacht. Vielleicht waren die Kritiker so dankbar, ein Gegenbuch zu Twilight zu haben. ;)
Titel: Re: [link] Eine Lanze für Fantasy brechen: Artikel in der Stuttgarter Zeitung
Beitrag von: Zanoni am 02. Juli 2012, 23:35:52
@Franziska:
Dann habe ich dem Herrn offensichtlich unrecht getan. Danke für den Hinweis.
Titel: Re: [link] Eine Lanze für Fantasy brechen: Artikel in der Stuttgarter Zeitung
Beitrag von: Fianna am 03. Juli 2012, 00:21:40
Zitat von: Ryadne am 02. Juli 2012, 10:52:20
Ich muss bei Absatz 2 gerade dran denken, wie Marewski, die Debüt-Gewinnerin vom Seraph meinte, sie hätte bis zur Nominierung gar nicht gewusst, dass sie Fantasy schreibt, darunter hätte sie mehr Elfen, Orks und so verstanden. *seufz* Ja, da wären wir wieder bei der Vielseitigkeit, die leider in der breiten Öffentlichkeit nicht so ankommt.
Es ist noch schlimmer: sie hat ständig Phantastik und Fantasy verwechselt bzw. gleich gesetzt. Ich verstehe ja, dass das jemandem passieren kann, aber wenn man nominiert wird, und zur Preisverleihung fährt - da ist doch mal der Moment gekommen, an dem man sich informieren könnte, damit man sich bei der (potentiell im Raum stehenden) Preisrede nicht blamiert, ich meine, sogar Wikipedia hilft da auf die Sprünge.

Aber muss man nicht, wieso informieren, ist doch egal was man so redet.
Ich finde, sie hat sich bei der Preisrede richtig blamiert, und ich denke auch, es zeigt null Wertschätzung für das Genre und für den Preis, den sie erhalten hat, wenn man sich nicht einmal bei Wikipedia durchliest, was Fantasy ist und auf den Querverweis zur Phantastik klickt - diese 10 Minuten "Recherche" hätten schon geholfen, aber das war ihr der Preis bzw. die Nominierung offensichtlich nicht wert.

Bei der Preis-Lesung hat sie es übrigens wieder gemacht, also nachdem sie den Preis empfangen hat und wusste, sie muss später lesen und vorher ein paar Worte sagen - nee, Fehlanzeige, wieso denn informieren, Phantastik ist nur Fantasy, ist doch allgemein bekannt.   :-X

Ich rede mich gerade wieder in Rage - das hat mich total aufgeregt an diesem Abend.  :(
Titel: Re: [link] Eine Lanze für Fantasy brechen: Artikel in der Stuttgarter Zeitung
Beitrag von: Ryadne am 03. Juli 2012, 00:39:37
Zitat von: Fianna am 03. Juli 2012, 00:21:40
Es ist noch schlimmer: sie hat ständig Phantastik und Fantasy verwechselt bzw. gleich gesetzt. Ich verstehe ja, dass das jemandem passieren kann, aber wenn man nominiert wird, und zur Preisverleihung fährt - da ist doch mal der Moment gekommen, an dem man sich informieren könnte, damit man sich bei der (potentiell im Raum stehenden) Preisrede nicht blamiert, ich meine, sogar Wikipedia hilft da auf die Sprünge.

Naja, das finde ich jetzt nicht so dramatisch. Selbst hier unter den "Experten" ;) gibt es viele, die Phantastik mit Fantasy gleichsetzen. Mich nervt das auch ein bisschen, aber der Einfachheit halber muss ich zugeben, manchmal auch darauf zurückzugreifen, zumal ich Phantastik als Subgenre der Fantasy auffasse. (Was im strengen Todorov-Sinne natürlich auch eine zwiespältige Sache ist)
Manchmal ist die Trennung auch schwer zu machen - Kai Meyer beispielsweise hat seine Werke auf einer Lesung mal als "Phantastik" bezeichnet, aber - wenn man wiederum mit Todorov kommt - demnach müsste ja das Moment der Unsicherheit über das Wunderbare gegeben sein. Und das ist bei Kai Meyer nun wirklich nicht zu finden, zumindest in den Büchern, die ich von ihm gelesen habe, war immer klar, dass man sich in einer von fantastischen Wesen bevölkerten Welt befindet und das nicht nur einem Wahn entspringt.
Titel: Re: [link] Eine Lanze für Fantasy brechen: Artikel in der Stuttgarter Zeitung
Beitrag von: Lomax am 03. Juli 2012, 00:55:27
Zitat von: Ryadne am 03. Juli 2012, 00:39:37..., zumal ich Phantastik als Subgenre der Fantasy auffasse.
Ähm, du meinst "Fantasy als Subgenre der Phantastik"? Weil sonst wäre das eine dritte Definition der Fantasy, die noch einmal von allen mir bisher bekannten Begriffsverwendungen abweicht (als da wäre der "klassische" Genrebegriff der Fantasy, der sich im Deutschen ursprünglich ganz auf erfundene Welten beschränkte; und die Gleichsetzung von Fantasy und Phantastik, die seit gut einem Jahrzehnt aus dem englischen Sprachraum ins deutsche Verlagswesen rübergeschwappt ist - da würde die Vorstellung von "Fantasy als Über-Überbegriff und Phantastik als eingeschränktes Untergenre" ja noch mal eine Stufe draufsetzen)
Zitat von: Ryadne am 03. Juli 2012, 00:39:37Manchmal ist die Trennung auch schwer zu machen - Kai Meyer beispielsweise hat seine Werke auf einer Lesung mal als "Phantastik" bezeichnet, aber - wenn man wiederum mit Todorov kommt - demnach müsste ja das Moment der Unsicherheit über das Wunderbare gegeben sein. Und das ist bei Kai Meyer nun wirklich nicht zu finden, zumindest in den Büchern, die ich von ihm gelesen habe, war immer klar, dass man sich in einer von fantastischen - hier mit f -  Wesen bevölkerten Welt befindet und das nicht nur einem Wahn entspringt.
Der Todorov mag literaturwissenschaftlich interessant sein, und ich mache im Kopf auch gerne diese Trennung. Aber solange wir über die rein praktische Genreeinteilung auf dem Buchmarkt sprechen, kannst du das ziemlich getrost vergessen - ich denke mal, da wird man kaum jemanden finden, der Verständnis für den Gedanken hat, Fantasy (im klassischen Sinne  ;)) und SF nicht zu den "phantastischen Genres" zu zählen.
Titel: Re: [link] Eine Lanze für Fantasy brechen: Artikel in der Stuttgarter Zeitung
Beitrag von: Fianna am 03. Juli 2012, 01:14:50
Aber es stand doch auch so auf den Seiten des Seraph - ich hab die Seite natürlich aufgerufen, musste ja wissen, ob es interessant genug zum Anstellen, Hinsetzen und Rumsitzen ist (wenn ich kurz vor Schluss komme, krieg ich ja keinen Sitzplatz und keinen guten Platz mehr).

Wenn ich als popeliger Besucher schon die Seite des Preises anklicke und den Text durchlese - na dann sollten die Nominierten es doch auch tun  :( :( :( Die Mühe muss es einem doch wert sein.

ZitatDer SERAPH ist ein Jurypreis, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, die besten Romane des phantastischen Genres zu prämieren, vor allem aber den Nachwuchs mit einem dotierten Preis zu fördern.

Der Name SERAPH leitet sich von der judäo-christlichen Mythologie ab und bezeichnet die oberste Hierarchieebene unter den Engeln. Seraphim werden meist mit drei Flügelpaaren dargestellt, die in unserem Falle für die drei großen Untergenres der Phantastik, Science Fiction, Fantasy- und Horror-Literatur stehen.
Titel: Re: [link] Eine Lanze für Fantasy brechen: Artikel in der Stuttgarter Zeitung
Beitrag von: Zit am 03. Juli 2012, 21:43:18
Da springt natürlich das Gaffer-Gen in mir drauf an. Kann man die Preisrede irgendwo nachlesen oder anschauen? Würd mir gern ein eigenes Bild machen.
Titel: Re: [link] Eine Lanze für Fantasy brechen: Artikel in der Stuttgarter Zeitung
Beitrag von: Fianna am 03. Juli 2012, 22:07:10
Naja, das Wichtigste (und auch das Einzige, was mir nach 4,5 Monaten in Erinnerung geblieben ist) war das, was Raydne schon praphrasiert hat, etwa "Ich war schon bei der Nominierung ganz überrascht, denn bei mir kommen ja keine Elfen drin vor". Da blieb mir nur fassungslos der Mund offen stehen, denn ich dachte mir etwas ziemlich Böses und dann ein: da hätteste Dich ja nach der Nominierung mal informieren können.
Wie gesagt, der Seraph hat 3 Flügelpaare die für 3 Untergenre der Phantastik stehen, hätte sie nur einmal die Homepage des Seraphs angeklickt, hätte sie begriffen, dass Phantastik & Fantasy nicht identisch sind und demzufolge bei Phantastik nicht immer Elfen drin sein müssen.

Ich fand das ziemlich unverschämt.
Titel: Re: [link] Eine Lanze für Fantasy brechen: Artikel in der Stuttgarter Zeitung
Beitrag von: Lavendel am 03. Juli 2012, 22:38:50
Naja, das jetzt als "unverschähmt" zu bezeichnen, finde ich jetzt schon etwas überzogen. Ich wusste auch nicht, wofür die drei Flügel des Seraph stehen, bis du es erwähnt hast, und ich wäre auch nicht darauf gekommen, groß darüber nachzudenken. Sich mit einem Thema noch nicht auseinandergesetzt zu haben, bedeutet ja nicht zwangsläufig, auch gleich das Genre (oder gar den Fandom) für nichtswürdig zu halten.

Und wenn man so einen Preis danach vergeben würde, wie gut jemand über das Genre, für das er ihn bekommt, informiert ist, würde das doch irgendwo den Sinn verzerren. ::)
Titel: Re: [link] Eine Lanze für Fantasy brechen: Artikel in der Stuttgarter Zeitung
Beitrag von: Ryadne am 03. Juli 2012, 22:43:37
Ich kann leider auch keine Quelle bieten, kenne die gesamte Rede auch nicht. Das Zitat habe ich glaube ich aus einem Leipziger Zeitungsartikel gehabt, den ich aber beim Googeln nicht mehr finde.
Fand das aber wie gesagt auch nicht sonderlich dramatisch, was da von ihr zitiert wurde und ich habe nicht den Eindruck, dass daraus ersichtlich würde, dass sie den Preis und wofür er steht nicht wertschätzen würde.


Zitat von: Lomax am 03. Juli 2012, 00:55:27
Ähm, du meinst "Fantasy als Subgenre der Phantastik"? Weil sonst wäre das eine dritte Definition der Fantasy, die noch einmal von allen mir bisher bekannten Begriffsverwendungen abweicht (als da wäre der "klassische" Genrebegriff der Fantasy, der sich im Deutschen ursprünglich ganz auf erfundene Welten beschränkte; und die Gleichsetzung von Fantasy und Phantastik, die seit gut einem Jahrzehnt aus dem englischen Sprachraum ins deutsche Verlagswesen rübergeschwappt ist - da würde die Vorstellung von "Fantasy als Über-Überbegriff und Phantastik als eingeschränktes Untergenre" ja noch mal eine Stufe draufsetzen)

Ähem. *räusper* Du hast ja recht, tut mir Leid. Irgendwas hab ich da gerade durcheinander geworfen; weder ist Fantasy für mich alles mit phantastischen Elementen, noch ist die Phantastik für mich ein Subgenre der Fantasy. Ich war da in Gedanken glaube ich schon bei Kai Meyer und hab Phantastik mit Magischem Realismus durcheinandergeworfen. Ja... ich glaube, so war das. Hm. Es war schon spät.

Also ja, ich fasse Phantastik im weiteren Sinne auch als Obergenre auf, im engeren Sinne bin ich seit einer entsprechenden Seminararbeit irgendwie todorovisiert. Auch wenn das wohl in dieser Diskussion etwas fehl am Platze ist...
Titel: Re: [link] Eine Lanze für Fantasy brechen: Artikel in der Stuttgarter Zeitung
Beitrag von: Lemonie am 06. Juli 2012, 23:04:03
@Ryadne: Schade, nachdem ich das so gelesen habe hätte ich das gerne mal gesehen... ist ja immer ne Frage, wie Ernst das alles gemeint ist. Das mit den Elfen zum Beispiel (was hier zitiert wurde) hört sich ja ziemlich krass an, aber ich denke ich müsste erstmal hören, wie sie es gesagt hat, bevor ich mir da ein Bild mache...  wie viel davon wirklich ernst gemeint war.

Zu der Diskussion über den Artikel: Also ich finde es ja gut, dass er es versucht, es geht ja nicht darum, die Leute von irgendetwas zu überzeugen, das sie nicht wollen, sondern um die teilweise relativ falschen Meinungen.
Wenn ich mal versuche, jemandem aus meiner Schule etwas über mein Schreiben zu erzählen (selten, eigentlich nur wenn ich gefragt werde), wollen viele Leute nach "Fantasy" gar keine Beschreibung mehr, weil Fantasy schon reicht. Nicht, weil sie es überhaupt nicht mögen, sondern weil sie einfach nicht wissen, wie vielfältig Fantasy ist.

Gerade deshalb finde ich es tatsächlich eher schlecht, dass er nur mit Herr der Ringe als Beispiel kommt, wie hier schon gesagt wurde. Das bestätigt diese Ansichten doch nur. Und die ganze Zeit zu sagen: "In den anderen Genres ist es doch auch so", statt diese Vorurteile zu widerlegen, bringt meiner Meinung nach auch nichts. Dabei mangelt es ja nicht an Beispielen, die er da hätte nehmen können...
Titel: Re: [link] Eine Lanze für Fantasy brechen: Artikel in der Stuttgarter Zeitung
Beitrag von: Linda am 06. Juli 2012, 23:59:24
Um hier mal Butter bei die Fische zu geben. Der Artikel entstammt in der Print-Ausgabe einer 4-seitigen Sonderbeilage anlässlich des Fantastikfestivals Dragon Days im Literaturhaus Stuttgart, die um einiges vielfältiger ist, als nur das Phänomen Tolkien zu beleuchten.
So gibt es etwa einen "Genre-Stammbaum", der neben verschiedenen Mythen und religiösen Schriften exemplarisch auch Homer, Jonathan Swift, R. E. Howard, ETA Hoffmann, Fritz Leiber, George Martin, Neil Gaimans Sandmann und China Mieville etc. nennt. Man könnte sich höchstens aufregen, dass das etwas männerzentriert ist, und Autorinnen wie LeGuin oder McKillip fehlen, aber ok, geschenkt.
Klar müsste man auch viele andere nennen, (mir persönlich fehlt hier etwa der Märchenbereich) aber der Platz ist nun mal knapp.
Nach den Äußerungen hier hatte ich einen total polemischen Beitrag erwartet, was ich beim Lesen allerdings nicht so empfand.

Was das (sinngemäß): es müsste Regale für Nicht-Fantasy geben angeht: das habe ich einfach als Vereinnahmung eines Großteils der Literatur verstanden. Romane, Geschichten (etc) sind Kopfgeburten, Produkte schöpferischer Phantasie, des Tuns und Denkens 'als ob'. Von einem bestimmten Blickwinkel aus sind auch Werke wie die 'Blechtrommel' "Fantasy". Denn soweit ich weiß, gab es keinen kleinwüchsigen Oskar Matzerath, und darum steht auch "Roman" drauf und nicht "Tatsachenbericht". Und hey, es kommt ein Zwerg drin vor.  ;)
Wenn es also Schriftstücke geben würde, die 100% realistisch, nachprüfbar und anwendbar sind, füllten die vermutlich eher eine kleine Nische unter den Fiktiven.
Und ach ja - 'in Europa nie ein Zeitalter der Aufklärung gegeben habe' ... Schweinezyklen funktionieren auch im Literaturbetrieb. Auf Aufklärung folgt überschwenglich der Sturm und Drang, darauf die vernünftige Klassik und dann wieder die elegische (Schwarze) Romantik. etc.
Revolutionen kommen und gehen - Archetypen bleiben.
Titel: Re: [link] Eine Lanze für Fantasy brechen: Artikel in der Stuttgarter Zeitung
Beitrag von: Fianna am 07. Juli 2012, 02:40:26
Zitat von: Lemonie am 06. Juli 2012, 23:04:03
@Ryadne: Schade, nachdem ich das so gelesen habe hätte ich das gerne mal gesehen... ist ja immer ne Frage, wie Ernst das alles gemeint ist. Das mit den Elfen zum Beispiel (was hier zitiert wurde) hört sich ja ziemlich krass an, aber ich denke ich müsste erstmal hören, wie sie es gesagt hat, bevor ich mir da ein Bild mache...  wie viel davon wirklich ernst gemeint war
Sie meinte es todernst, das fand ich ja so schlimm ^^ und das unverschämt ist meine persönliche Privatmeinung.
@Lavendel "Wer am besten informiert ist", darum gehts ja gar nicht, grundlegendste (!) Dinge könnte man ja wissen.

Die Autorin war auch sehr sympathisch, das Buch klang interessant, die vorgelesene Textstelle gut und ich habs auf meiner Leseliste (leider recht teuer. Teuer eigentlich objektiv nicht, da Hardcover, gute Verarbeitung und aus Kleinverlag, aber sind vom Preis eben 2-3 andere Bücher, daher hab ichs noch nicht gekauft).
Aber unabhängig davon finde ich das Verhalten dennoch unmöglich. Wer einen Preis verliehen bekommt kann ja wenigstens mal auf der Homepage des Preises (!) lesen, warum man erstaunlicherweise dennoch in dieses Genre passt, das hätte schon alle offenen Fragen geklärt.
Titel: Re: [link] Eine Lanze für Fantasy brechen: Artikel in der Stuttgarter Zeitung
Beitrag von: Zit am 07. Juli 2012, 10:26:48
Zitat von: Linda am 06. Juli 2012, 23:59:24
Um hier mal Butter bei die Fische zu geben. Der Artikel entstammt in der Print-Ausgabe einer 4-seitigen Sonderbeilage anlässlich des Fantastikfestivals Dragon Days im Literaturhaus Stuttgart, die um einiges vielfältiger ist, als nur das Phänomen Tolkien zu beleuchten.

Mea Culpa. Beim Online-Artikel steht das nirgendwo, also kann ich nur das beleuchten, was ich habe.
Wenn es tatsächlich so ist wie du sagst, dann haben sie in der Printausgabe scheinbar doch einen relativ differenzierten Einblick gegeben. Nur schade, dass sie es bei der Online-Version versäumt haben -- scheint mir zumindest so. (Ist ja genauso, wenn ich von einem Vierbänder nur den zweiten Teil auf den Markt werfe. Nichtssagend, aus dem Zusammenhang gerissen.)
Titel: Re: [link] Eine Lanze für Fantasy brechen: Artikel in der Stuttgarter Zeitung
Beitrag von: Lomax am 07. Juli 2012, 11:38:05
Zitat von: Linda am 06. Juli 2012, 23:59:24Der Artikel entstammt in der Print-Ausgabe einer 4-seitigen Sonderbeilage anlässlich des Fantastikfestivals Dragon Days im Literaturhaus Stuttgart, ...
Ich fühle durch dein Posting übrigens mein Leistungsschutzrecht verletzt. Immerhin waren es ja meine familiären Verbindungen, die uns diese Sonderbeilage besorgt haben  >:(
Titel: Re: [link] Eine Lanze für Fantasy brechen: Artikel in der Stuttgarter Zeitung
Beitrag von: Debbie am 07. Juli 2012, 12:33:32
Ich mag Dennis Scheck - und den Artikel. Er ist etwas provokant, aber das mögen die Leute ja gerne, und offenbar erreicht man so mehr Menschen und mehr Diskussion. Bösartigerweise fand ich allerdings gerade die Unterstellung der "Beschränktheit" bei chronischen Fantasy-Gegnern recht passend.  :snicker:  Warum?

Zuerst mal bin ich der gleichen Meinung wie Scheck - wenn man schon auf etwas schimpft (was Heidenreich ja offensichtlich getan hat) sollte man doch zuerst einmal wissen, wovon man spricht. Tolkien ist ja nun auch nicht gerade Irgendwer , und das gilt für die Betrachtung der gesamten Literaturentwicklung, nicht nur die der Fantasy. Insofern hat sie sich mit ihrer Falschaussage (Ohren mit Füßen der Hobbits zu verwechseln) m. E. schon ziemlich blamiert. Das sollte einer angesehenen und vor allem "kompetenten" Literaturkritikerin nicht passieren. Aber für wahnsinnig intelligent habe ich sie sowieso noch nie gehalten - intellektuell ja, wobei ich dann fairerweise dazu sagen muss, dass ich Intellektualität schon immer als Kompensation wahrer Intelligenz gesehen habe. Diesbezügliche würde ich hier auch nicht von beschränkter Intellektualität, sondern beschränkter Intelligenz sprechen. Jemand, der wirklich intelligent ist, hat es nämlich nicht nötig intellektuell daherzureden, oder dieses Image anzustreben. Dafür gibt es zahlreiche Beispiele der wirklich Großen, u. a. Jobs, Gates, Einstein, etc.. Keiner von denen hat sich durch Intellektualität hervortun müssen, viel mehr handeln ihre Reden und Zitate vom Kern der Dinge. Und so ist das bei Fantasy oftmals auch.

Das Genre versucht nicht sprachlich oder intellektuell zu glänzen, und die Werke, die es tun, haben nur mäßigen Erfolg. Bei Fantasy geht es nicht um die Anerkennung der Literaturkritiker, sondern darum Menschen zu bewegen. Insofern ist für mich die Meinung der Kritiker zu Büchern des Genres, nur bedingt von Bedeutung. Für mich ist Fantasy die Reduzierung auf das Wesentliche. Es geht nicht so sehr darum, sich wegzuträumen oder der Realität zu entfliehen, als vielmehr darum, sich daran zu erinnern was wirklich von Bedeutung ist.

Ja, hier geht es um Gut und Böse, Mut und Feigheit, Richtig und Falsch, Hass und Vergebung, Liebe und Selbstaufopferung, Stolz und Ehre. Und erschreckenderweise gehen diese Werte in unserer Gesellschaft immer mehr verloren - weil ihre Bedeutung in unserem täglichen Stress in Vergessenheit gerät, oder auch weil man sie sich manchmal nicht erlauben kann/darf. Ich sage nicht, dass es in anderen Genres nicht um diese Dinge geht - aber in der Fantasy sind sie das zentrale Thema, der Motor der Geschichte. Und dadurch, dass Alltägliches (selbst in Contemporary Fantasy) in den Hintergrund rückt und den wirklich wichtigen Dingen Platz machen muss, sind all diese Dinge viel präsenter, greifbarer, fühlbarer. Fantasy erinnert uns daran, wer wir wirklich sind, was wirklich wichtig ist ... Es geht um Moral und ja, wenn man so will, um den Sinn des Lebens. Es erinnert uns daran, dass wir alle kleine Helden sein können, wenn auch nur in unserem kleinen Umfeld.

Und ja, ich denke, dass Fantasy v. a. Idealisten anspricht, Menschen mit hohen moralischen Wertvorstellungen, denen die oben genannten Begriffe noch etwas bedeuten. Insofern würde ich Leuten, die den Wert von Harry Potter oder HdR nicht erkennen (den Wert anderer Fantasy Bücher können sie schwerlich erkennen, wenn sie sich nicht für das Genre interessieren, aber diese beiden Geschichten sind ja auch für Nichtleser zugänglich) nicht nur einen Teil Intelligenz absprechen, sondern auch - bis zu einem gewissen Grad - Charakterstärke und moralischen Integrität.

So, jetzt dürft ihr mit Pfannen werfen  ;)
Titel: Re: [link] Eine Lanze für Fantasy brechen: Artikel in der Stuttgarter Zeitung
Beitrag von: Linda am 07. Juli 2012, 12:43:26
Zitat von: Zitkalasa am 07. Juli 2012, 10:26:48
Mea Culpa. Beim Online-Artikel steht das nirgendwo, also kann ich nur das beleuchten, was ich habe.
Wenn es tatsächlich so ist wie du sagst, dann haben sie in der Printausgabe scheinbar doch einen relativ differenzierten Einblick gegeben. Nur schade, dass sie es bei der Online-Version versäumt haben -- scheint mir zumindest so. (Ist ja genauso, wenn ich von einem Vierbänder nur den zweiten Teil auf den Markt werfe. Nichtssagend, aus dem Zusammenhang gerissen.)

da hat Print noch mal die Nase vorn.

Tolkien ist schon der Aufhänger. Es geht auch um den Hobbit-Film, die Schauspieler, namentlich Sherlock und John äh B. Cumberbatch und M. Freeman (letzterer einigen evtl auch aus der BBC-Anhalter-Serie bekannt), die Tolkiengesellschaft und S. Servos Herr-der-Ringe-Film-Seite-Community, die Dragon Days, Nina Blazons Leben und Werk und ein Kunstbuch zum Hobbit sowie ein Beitrag betitelt mit das älteste Erzählgewerbe mit dem bereits erwähnten Stammbaum. Das Ganze optisch sehr schön aufbereitet und mit kleinen Kommentaren zu Lieblingsfiguren aus Tolkiens Welt verbunden.
Klar, es ist viel Tolkien, es wird allerdings nicht behauptet, dass er der alleinige Herrscher im Reich der Phantasie ist. Wäre auch extrem kontraproduktiv. Und im Artikel geht es ja z.B. auch um Funke und ganz allgemein um Fabelwesen in der Literatur.
Außerdem hat die Auswahl natürlich einen ganz einfachen Grund. Der Artkel wendet sich nicht an Fantasy-Kenner, sondern die Allgemeinheit. Und wenn man dann dauernd Kleinverlagsautor xyz nennt, winken sie ab. Tolkien und Funke kennt 'man' aber nun mal inzwischen. Wobei Tolkien sich einfach gut zum Thema Eskapismus zitieren lässt, während man von Autor xyz wenig hört, weil sich das Feuilleton weigert, ihn zu interviewen oder gar wahrzunehmen. Und genau das beklagt der Autor des Artikels. 
Titel: Re: [link] Eine Lanze für Fantasy brechen: Artikel in der Stuttgarter Zeitung
Beitrag von: Linda am 07. Juli 2012, 12:48:32
Zitat von: Lomax am 07. Juli 2012, 11:38:05
Ich fühle durch dein Posting übrigens mein Leistungsschutzrecht verletzt. Immerhin waren es ja meine familiären Verbindungen, die uns diese Sonderbeilage besorgt haben  >:(

hättste ja auch selbst antworten können  :omn:
Titel: Re: [link] Eine Lanze für Fantasy brechen: Artikel in der Stuttgarter Zeitung
Beitrag von: Lemonie am 07. Juli 2012, 15:32:26
ZitatDer Artikel entstammt in der Print-Ausgabe einer 4-seitigen Sonderbeilage anlässlich des Fantastikfestivals Dragon Days im Literaturhaus Stuttgart, die um einiges vielfältiger ist, als nur das Phänomen Tolkien zu beleuchten.

Das ist dann natürlich was anderes, obwohl es schon schade ist, dass es in dem Online - Auszug nicht zur Sprache kommt. Vor allem, weil es im Internet ja wahrscheinlicher ist, dass Nicht - Fantasy - Leser darüber stolpern.


ZitatTolkien ist schon der Aufhänger. Es geht auch um den Hobbit-Film, die Schauspieler, namentlich Sherlock und John äh B. Cumberbatch und M. Freeman (letzterer einigen evtl auch aus der BBC-Anhalter-Serie bekannt), die Tolkiengesellschaft und S. Servos Herr-der-Ringe-Film-Seite-Community, die Dragon Days, Nina Blazons Leben und Werk und ein Kunstbuch zum Hobbit sowie ein Beitrag betitelt mit das älteste Erzählgewerbe mit dem bereits erwähnten Stammbaum. Das Ganze optisch sehr schön aufbereitet und mit kleinen Kommentaren zu Lieblingsfiguren aus Tolkiens Welt verbunden.

Ich finde es durchaus logisch, Tolkien als Aufhänger zu verwenden (auch mit dem Film als Anlass), und umgesetzt ist es in seinem Artikel meiner Meinung nach gut. Nur ist es halt leider so, dass ein Nicht - Fantasy - Leser, der da draufklickt, auch nicht mehr über die Vielfalt von Fantasy erfährt. Dabei ist das für mich gerade der springende Punkt (der ja auch im Artikel zur Sprache kommt), dass viele denken, Fantasy bestünde nur aus Orks und Elfen...

Was die Sprache betrifft, mache ich ihm keine Vorwürfe, er ist zwar schon provokant und es ist unwahrscheinlich, dass sich da jemand angesprochen fühlen möchte und das Ganze irgendetwas bewirkt, aber es ist auf jeden Fall mal gut, das öffentlich zu sagen.
Titel: Re: [link] Eine Lanze für Fantasy brechen: Artikel in der Stuttgarter Zeitung
Beitrag von: Linda am 07. Juli 2012, 19:30:27
Zitat von: Lemonie am 07. Juli 2012, 15:32:26
Das ist dann natürlich was anderes, obwohl es schon schade ist, dass es in dem Online - Auszug nicht zur Sprache kommt. Vor allem, weil es im Internet ja wahrscheinlicher ist, dass Nicht - Fantasy - Leser darüber stolpern.

das ist ein generelles Problem des Internets. Was Google / x (oder x = andere Suchmachine) nicht findet, oder was die Wikipedia nicht kennt, gibt's faktisch nicht.  Auszüge und Zitate sind leicht missverständlich, eine virtuelle Nachricht kann leicht verfälscht, ein Digitalfoto leicht ausgetauscht bzw bearbeitet werden. Internet ist einfach toll -  aber eine saubere und verlässliche Quelle sieht anders aus (die Rezeption bzw Verarbeitung von digitalen Texten auf Bildschirm und gedruckten Texten unterscheidet sich übrigens auch). Aber das ist eine andere Frage und soll ein anderes Mal beantwortet werden.  ;D



Titel: Re: [link] Eine Lanze für Fantasy brechen: Artikel in der Stuttgarter Zeitung
Beitrag von: Drachenkrieger am 05. April 2014, 18:39:00
Zitat von: Debbie am 07. Juli 2012, 12:33:32


Das Genre versucht nicht sprachlich oder intellektuell zu glänzen, und die Werke, die es tun, haben nur mäßigen Erfolg. Bei Fantasy geht es nicht um die Anerkennung der Literaturkritiker, sondern darum Menschen zu bewegen. Insofern ist für mich die Meinung der Kritiker zu Büchern des Genres, nur bedingt von Bedeutung. Für mich ist Fantasy die Reduzierung auf das Wesentliche. Es geht nicht so sehr darum, sich wegzuträumen oder der Realität zu entfliehen, als vielmehr darum, sich daran zu erinnern was wirklich von Bedeutung ist.

Ja, hier geht es um Gut und Böse, Mut und Feigheit, Richtig und Falsch, Hass und Vergebung, Liebe und Selbstaufopferung, Stolz und Ehre. Und erschreckenderweise gehen diese Werte in unserer Gesellschaft immer mehr verloren - weil ihre Bedeutung in unserem täglichen Stress in Vergessenheit gerät, oder auch weil man sie sich manchmal nicht erlauben kann/darf. Ich sage nicht, dass es in anderen Genres nicht um diese Dinge geht - aber in der Fantasy sind sie das zentrale Thema, der Motor der Geschichte. Und dadurch, dass Alltägliches (selbst in Contemporary Fantasy) in den Hintergrund rückt und den wirklich wichtigen Dingen Platz machen muss, sind all diese Dinge viel präsenter, greifbarer, fühlbarer. Fantasy erinnert uns daran, wer wir wirklich sind, was wirklich wichtig ist ... Es geht um Moral und ja, wenn man so will, um den Sinn des Lebens. Es erinnert uns daran, dass wir alle kleine Helden sein können, wenn auch nur in unserem kleinen Umfeld.

Und ja, ich denke, dass Fantasy v. a. Idealisten anspricht, Menschen mit hohen moralischen Wertvorstellungen, denen die oben genannten Begriffe noch etwas bedeuten.moralischen Integrität.


Das hätte ich auch nicht besser sagen können. Denn genauso empfinde ich das auch. :vibes:

Und wenn es Menschen gibt, die mit Fantasy nichts anfangen können.  Na und, das haben sie umsonst. Meine Schwester gehört leider auch dazu. Höre da schon nicht mehr hin, wenn sie sagt, ich soll ein richtiges Buch schreiben. Denn für mich schreibe ich ein richtiges Buch! Fantasy stirbt nicht aus! :ätsch: