Aber ich denke da in einer filmischen Komponente: Habe ich eine ruhige Szene, brauche ich nicht viele Schnitte oder vielleicht sogar gar keine innerhalb der Szene. Habe ich eine actionreiche Szene, arbeite ich tendenziell eher mit vielen Schnitten, um die Hektik/Dramatik zu unterstreichen. Ähnlich konzipiere ich actiongeladene Szenen/Kapitel - kurze Absätze, schnelle Wechsel der Perspektiven (sofern mehrere vorhanden sind), während es ansonsten schon einmal etwas breiter und länger werden kann.
Prinzipiell gebe ich dir recht, wobei man schon darauf achten muss, dass Buch und Film in vielen Dingen grundlegend anders funktionieren.
Ich will auch nicht sagen, dass man es nicht so machen kann, aber zum einen wage ich zu behaupten, dass Leser eine Variation von Kapitellängen um vielleicht 10% ohnehin nicht wirklich wahrnehmen, auch nicht unbewusst. Von daher beziehe ich mich jetzt mal auf ein langes Kapitel von 8 Seiten und ein kurzes von 4 (damit wir nicht aneinander vorbeireden). Natürlich kann man spannendere Szenen dann auch durch schnelle Kapitelfolgen beschleunigen - ist halt nur die Frage, ob man das will.
In der Annahme, dass man in einem Thriller eigentlich immer damit zu kämpfen hat, dass auch nicht ganz so spannenden Dinge passieren müssen (bei mir z.B. auch Charaktereinführung, kriminalistisches Blabla und zumindest die Basisorganisationsarbeit bei der Polizei, damit es glaubhaft bleibt), empfinde ich es als verschenktes Potential, wenn man nicht auch versucht, durch Kapitellängen Ausgleich zu schaffen.
In einem Thriller (und bitte, alls Ausführungen beziehen sich nur auf dieses Genre!) geht es darum, den Leser von der ersten Seite an mitzureißen. Man bekommt da keine 50 Seiten Einführung der Figuren. Das Zeug muss aber trotzdem rein - also gehe ich hin und achte darauf, dass auch oder gerade meine etwas öderen Kapitel kurz sind, damit der Leser das Gefühl hat, er kommt schnell vorwärts. Genauso arbeite ich da sehr gerne mit Cliffhangern. Womit wir beim Thema Szenen / Sinnabschnitt sind bei Cliffhangern. Natürlich gibt es diese Cliffhanger auch, aber wenn man die Szeneninternen weglässt, verzichtet man eigentlich auf einen der einfachsten und ungefährlichsten Trick, um den Leser zum Weiterlesen zu animieren.
Klaus blätterte durch den Stapel Akten. "Das hätte ich nicht gedacht", murmelte er.
"Hast du etwas gefunden?", fragte Maria?
NEUES KAPITEL
"Sie war als kleines Kind in der Psychiatrie." Klaus zeigte ihr ...Da sind wir immer noch bei ödem Papierkram, aber durch den Mini-Cliffhanger wurde kurz Spannung erzeugt.
Bei den spannenderen Szenen ist dann eher die Frage, ob ich überhaupt will, dass der Leser das Gefühl hat, da schnell durchzukommen - man kann auch durch das Gegenteil Spannung erzeugen und wenn ja, ob es der Gesamtstruktur gut tut.
Ganz am Ende kann es hilfreich sein, wenn man nochmal alles auffährt, was die Werkzeugkiste hergibt, aber im letzten Drittel, wenn dann ein noch eher ruhigerer Moment kommt, kann es schaden.
Da stolpert der Leser eventuell von einem massiven Spannungshoch in ein Loch, das wir durch längere Kapitel noch besonders tief gegraben haben. Das will man beim Thriller nicht. Abwechslung im Spannungsniveau muss natürlich sein, aber es darf sichnicht zu massiv unterscheiden.
Verstehe ich dich denn richtig, dass du im Zweifelsfall ein ruhiges Gespräch im Büro kürzer beschreiben würdest als eine Verfolgungsjagd? Oder bleibt es bei dir relativ gleich lang/kurz und dir widerstrebt nur der Gedanke des "kürzer, wenn dramatischer"?
Ich verstehe die Frage nicht ganz. Ich dachte, wir sprechen von Kapitellängen? Wenn es darum geht- ja - solange wir nicht beim Finale (die letzten paar Seiten) sind, würde ich die Kapitel bei langsameren Szenen eher kürzer halten, als bei spannenderen / Szenen, die Spannung aufbauen. Wie gesagt, bedeuetet bei mir allerdings Szenenende nicht automatisch Kapitelende. Dementsprechend sagt es nichts über die Ausführlichkeit der Szene aus.
Ansonsten finde ich deinen Vergleich etwas schwierig. Nur weil eine Szene ruhig ist, bedeutet es nicht, dass sie nicht spannend sein kann oder dem Spannungsaufbau dient. Ganz im Gegenteil!
Bei Verfolgungsjagden und Actionszenen kann man im allgemeinen allerdings sagen, dass sie Spannungslöser sind und dem Spannungsabbau dienen.
Das ist ein Basisfehler, den viele machen, wenn sie sich an dem Genre versuchen. Wenn jemand sagt, dass ihm die Spannung fehlt, mehr Action einbauen - das führt meistens zum Gegenteil.