• Willkommen im Forum „Tintenzirkel - das Fantasyautor:innenforum“.
 

Unterschiedliche Arbeitsweisen in verschiedenen Genres?

Begonnen von Runaway, 07. April 2011, 15:14:31

« vorheriges - nächstes »

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

Sven

Hey zDatze,

ich wollte Dir nicht weh tun. Ich puste mal ...  :o
Was ich sagen wollte war, dass jedes Genre ein ganz individuelles Skelett hat. Ein Grundgerüst, das der Stammleser erwartet. Um dieses Skelett aufzubauen, erfordert es halt verschiedene Herangehensweisen. Danach kann man ganz nach eigenem Gutdünken den Rest erarbeiten und sich damit aus der Masse abheben, oder auch nicht.
Allerdings wage ich mal zu vermuten, dass man sich normaler Weise nicht so viele Gedanken darüber macht. Wer immer in seinem Genre schreibt, hat irgendwann SEINE Arbeitsweise gefunden.
Deshalb sollte man auch das Genre, indem man schreibt, gut kennen. Man muss ja dieses Skelett erst einmal finden, bzw. erkennen. Ich höre immer wieder solche Sachen wie: Ich lese grundsätzlich nichts aus dem Genre, in dem ich schreiben will, damit ich nicht irgendwelche Ideen kopiere. Das ist Quatsch. Man sollte schon wissen, was man tut und vor allem, was der Leser erwartet, so nervig das auch manchmal sein kann.
Beste Grüße,
Sven

zDatze

Vielleicht bin ich ja einfach blind, aber ein Skelett, das ich auf das Genre "Fantasy" anwenden kann, habe ich bisher nicht gefunden. Wobei mich jetzt interessiert, was genau du unter diesem individuellen Genre-Skelett verstehst. Möglicherweise verstehe ich es auch nur falsch, weil ich mir unter einem Skelett etwas anderes vorstelle als du ...

ZitatEin Grundgerüst, das der Stammleser erwartet.
Hm. Ich weiß nicht, ob ich diese Erwartung überhaupt erfüllen will. Klingt mir zu sehr nach ausgetretenen Wegen. :-\

Sven

Zitat von: zDatze am 08. April 2011, 12:18:00
Vielleicht bin ich ja einfach blind, aber ein Skelett, das ich auf das Genre "Fantasy" anwenden kann, habe ich bisher nicht gefunden. Wobei mich jetzt interessiert, was genau du unter diesem individuellen Genre-Skelett verstehst. Möglicherweise verstehe ich es auch nur falsch, weil ich mir unter einem Skelett etwas anderes vorstelle als du ...
Hm. Ich weiß nicht, ob ich diese Erwartung überhaupt erfüllen will. Klingt mir zu sehr nach ausgetretenen Wegen. :-\

Das mit den Erwartungen ist immer so eine Sache. Schreibst Du etwas Unerwartetes, kannst Du damit enorm erfolgreich sein. Wahrscheinlich ist das leider nicht. Zumindest nicht hier in Deutschland. Verlage sind konservativ. Und je mehr Leser Du erreichen möchtest, desto massentauglicher musst Du schreiben. Es gibt immer Ausnahmen und was die Leser wollen, ist nicht immer das, was die Verlage bieten.
Ich für meinen Teil schreibe Geschichten, wie ich es will. Allerdings pushe ich sie auf Massentauglichkeit.
Und eine Erwartung zu erfüllen, bedeutet nicht im Umkehrschluss, dass Du ausgetretene Pfade betreten musst. Da kommt dann das Skelett ins Spiel.

Das Genre Fantasy ist weit gefächert, daher würde ich es unterteilen.
Das Skelett bedeutet für mich die Grundbausteine, die ich in jedem Fall einbauen muss. In der High Fantasy wärendas wahrscheinlich der Held, der sich auf dem Weg macht, um den Bösen, der die Macht an sich reißen will, zu besiegen. Kommen Elfen vor, dürfen das keine Feen sein, sondern sollten den Konventionen entsprechen. Ebenso alle anderen Geschöpfe, die man so kennt. Schreibe mal einen High Fantasy Roman, in dem die Elfen Flügel haben und von Blüte zu Blüte flattern. Das wäre vielleicht originell, aber das entspricht nicht den Erwartungen der Leser und ich behaupte mal, dass dieser Roman bei den Fans durchfallen würde.
Verlage glauben, der Leser will immer das Gleiche. Guckt man sich das Kaufverhalten an, haben sie Recht. "Die Zwerge", Die Elfen", Die Trolle", "Die Goblins". Alles Bestseller, die den Autoren berühmt gemacht haben und Millionenfach verkauft wurden.
Ich hoffe, ich konnte meinen Standpunkt etwas deutlicher machen.

Beste Grüße,
Sven

Judith

Also das mit den Grundbausteinen der Fantasy sehe ich insofern anders, weil ein Krimi ein Genre ist, das sich durch die Plotstruktur definiert: Es geschieht ein Verbrechen, ein (oder mehrere) Ermittler versucht es aufzuklären und löst am Ende den Fall.
Bei Fantasy hingegen definiert sich das Genre nicht durch eine Plotstruktur, sondern durch das Setting: Wir sind in einer fremden Welt. Und innerhalb dieser Welt kann eigentlich jede erdenkliche Art von Plot angesiedelt werden:
- die klassische Heldenreise (Herr der Ringe)
- wir kloppen uns alle um den Thron (Lied von Eis und Feuer)
- die Suche nach der eigenen Identität (Ascheherz)
- Entwicklungsroman (Stein und Flöte)
- Liebesroman
etc.

Es kann also nicht "ein" Grundgerüst für Fantasy geben (wenn man von der Welterschaffung im Vorfeld absieht). Schreibt man einen Krimi/Thriller in einer Fantasywelt, muss man vorher ebenso plotten wie für einen "herkömmlichen" Krimi.

Und hier schlage ich gleich die Brücke zu meiner persönlichen Erfahrung: Ich habe schon seit langem die Idee für einen Fantasykrimi im Kopf, aber ich bin leider eine schlechte Plotterin. Mit meiner üblichen "Ich plotte grob und schreib dann drauflos"-Methode komm ich aber bei einem Krimi nicht weit.
Insofern: Ja, hier brauche ich eine andere Arbeitsweise. Und zwar eine, die sich leider nicht gut mit meinen Schreibgewohnheiten vereinbaren lässt.

Kraehe

ZitatEs kann also nicht "ein" Grundgerüst für Fantasy geben (wenn man von der Welterschaffung im Vorfeld absieht).

Das hast du schön ausgeführt, finde ich, Judith.

Aber verschiedene Arbeitsweisen: ja, kenne ich auch.
Ich habe meinen letzten Sprung erst zwei Monate hinter mir, und der war sehr offensichtlich. Ich habe dann zwar nicht das Projekt geschmissen und gewechselt, aber ich habe deutlich gemerkt, dass was passiert ist. Weil ich ein Seminarwochenende mit viel Textarbeit hatte und ... ja. Zuhören, eigene Texte analysieren, fremde analysieren. Ich hätte echt nicht erwartet, dass sich gleich so viel tun würde.

Was ich nur merke ist, dass ich ein andere Schreibgefühl habe, wenn ich verschiedene Genres schreibe. Hängt natürlich auch vom Projekt ab.
Aber wenn ich etwas High-Fantasy  mäßiges schreibe, fühlt es sich einfach schon anders an, als wenn ich etwas ... realitätsbezogeneres schreibe. Und das sind die Sachen, zwischen denen ich mich gerade bewege.
Und klar ist die Arbeitsweise dann auch anders.

Fantasy ist ganz klar weltfixiert. Man muss sich da auskennen.
Wobei ich da dynamische Plots bevorzuge. Soll heißen ich gebe vor, wo ich wie hinwill und ändedre aber zwischendrin ab, sofern nötig und möglich.

Bei den anderen Sachen kommt es drauf an. Kurze Texte lasse ich mal planlos als Momentaufnahmen stehen.
Längere Projekte... da erprobe ich gerade. Aber meine sonstige Plotmethode oder auch das Verzichten auf den Plot geht nicht. Ich merke sehr, dass ich einen Plot brauche und dass der auch mehr Vorgaben braucht, die ich auch strenger einhalte...

Ich denke allerdings, dass es möglicherweise auch zweckdienlich ist, verschieden an verschiedene Genres ranzugehen. Das Resultat ist ja eventuell auch ein anderes ... ;)

zDatze

ZitatDas Skelett bedeutet für mich die Grundbausteine, die ich in jedem Fall einbauen muss. In der High Fantasy wärendas wahrscheinlich der Held, der sich auf dem Weg macht, um den Bösen, der die Macht an sich reißen will, zu besiegen. Kommen Elfen vor, dürfen das keine Feen sein, sondern sollten den Konventionen entsprechen. Ebenso alle anderen Geschöpfe, die man so kennt. Schreibe mal einen High Fantasy Roman, in dem die Elfen Flügel haben und von Blüte zu Blüte flattern. Das wäre vielleicht originell, aber das entspricht nicht den Erwartungen der Leser und ich behaupte mal, dass dieser Roman bei den Fans durchfallen würde.
Ah, okay. Da gehen unsere Meinungen schon auseinander. Dieses "muss" bezogen auf High-Fantasy stößt mir persönlich immer sauer auf. Muss es denn immer ein Thronfolger sein? Muss es denn immer die Weltherrschaft/Weltrettung sein? Mir hängt das alles so derbst zum Hals heraus, dass ich solche Bücher normalerweise nicht mehr anfasse, obwohl ich sie früher verschlungen habe. (Oder vielleicht gerade deswegen.) Aber das ist persönlicher Geschmack bzw. persönliche Abneigung.
Sollte ich doch noch einmal in die Verlegenheit kommen meine Uralt-HF-Story neu aufzurollen, dann würde ich wohl versuchen diesem Genre-Skelett das Rückgrat zu brechen.

ZitatIch hoffe, ich konnte meinen Standpunkt etwas deutlicher machen.
Ja, konntest du. Danke. :)

Alia

Zitat von: Judith am 08. April 2011, 13:57:50
Also das mit den Grundbausteinen der Fantasy sehe ich insofern anders, weil ein Krimi ein Genre ist, das sich durch die Plotstruktur definiert: Es geschieht ein Verbrechen, ein (oder mehrere) Ermittler versucht es aufzuklären und löst am Ende den Fall.

Das ist glaub ich auch nicht ganz so einfach. Ich kenne auch Krimis, wo nicht das "wie?" oder "wer?" im Mittelpunkt steht, weil von Anfang an klar ist, wer es gemacht hat und wie es passiert ist. Dort steht der Weg zu dem Verbrechen, also das "warum?" im Fordergrund. Dann gibt es auch die Variante, dass angekündigt wird, dass ein Verbrechen geschieht und es verhindert werden soll. Auch gibt es nicht immer zum Ende die Auflösung. Oder es gibt die Auflösung, aber der Täter wird nicht bestraft, weil er vom Ermittler laufen gelassen wird, etc. Einen sehr guten habe ich auch schon mal aus Sicht eines jungen Strafverteidigers gelesen und einen aus Sicht einer Staatsanwältin.

Ohne Plot drauf losschreiben, geht bei mir immer nach hinten los. Ich verliere vollkommen den Faden und fange an sinnloses Zeug zu schwafeln. Ein Rahmen, in dem ich mich bewege, gibt mir einfach halt. Bei dem Kinderbuch beschränkte sich der Plot auf eine Grundidee, die Charaktere und fünf "Abenteuer", die nach und nach durchlebt werden. Wobei die auch so einfach sind, dass ich dazu jeweils einen Satz geschrieben hab und das war es. Mein Wolf ist recht geradlinig. Eine Erzählerin, klarer Ablauf in der Handlung. Ich habe zwar grob geplottet, aber mich auch viel treiben lassen und beim Schreiben viel geändert. Mein Highfantasyprojekt hat Unmengen an kleinen Kärtchen, Zetteln, Landkarten, Zeitstrahl, Charakterbögen, etc. Aber dort jongliere ich auch mit 4 Erzählern und erzähle eigentlich drei Geschichten nebeneinander, die zwar immer wieder Berührungspunkte haben, aber doch auch allein stehen könnten. Dort wäre ich ohne die ganze Plotarbeit total aufgeschmissen. Wenn ich irgendetwas ändere, hat das auf so viel anderes Auswirkungen, dass ich es mich nicht ohne sehr ausgefeilten Plot trauen würde.

Manja_Bindig

An sich ist meine Arbeitsweise überall gleich, egal in welchem Genre ich arbeite.
1: Plot aus der Idee heraus entwickeln.

2: Charaktere entwickeln, eventuell bereits vorhandene Charaktere und Plot aufeinander abstimmen (manchmal sind die Biester ja vorher schon da.)

3: Mich mit den Charakteren vertraut machen. Indem ich ihre Vorgeschichte zusammenbaue, indem ich kurze Sequenzen mit ihnen schreibe, indem ich Iterviews mit ihnen führe...

4: Welt bauen

5: Schreiben.


5. ist ein Punkt, der immer ein wenig variiert. es gibt Geschichten da plotte ich einfach jedes Kapitel durch und tippe es dann einfach in den Computer. Grad bei Geschichten mit kurzen Kapiteln und handlungsgetragenem Plot geht das schneller, weil ich mich auf das wesentliche konzentriere und nichts unnötig in die Länge ziehe. Dann gibt es die Geschichten - das sind meine Babys, die die mir besonders am Herzen liegen - wo ich erst per Hand vorkritzel, es dann liegen lasse und dann abtippe. Ratet mal, was immer SEHR lang braucht...
Dann gibt es natürlich auch noch die Mischformen dazwischen - viel Plot, aber relevante Ecken schon ausformuliert.
Das hängt allerdings weniger vom Genre als vom Ton und dem Sujet der Geschichte ab.

4. ist ebenfalls so eine variable Sache. "Welt bauen" mache ich immer, auch wenn ich historische sachen schreibe - ich muss die Zeit ja irgendwie zum Leben erwecken und dazu muss ich sie mir selbst en detail zusammen setzen können. Entsprechend steht da für mich Recherche an (und hier kommt mir mein Geschichtsstudium zu Gute... es ist leicht, an Sachen heranzukommen und man lernt, sich in andere Denkmuster hineinzuversetzen, auch wenn sie dem eigenen fremd sind.).
Recherche ist logischerweise auch bei Fantasywelten notwendig, aber da kann ich natürlich freier mit dem Wissen umgehen und es aufeinander abstimmen. Bei Fantasywelten ist es wichtig, dass alles in sich stimmig ist. Bei historischen Welten ist es wichtig, dass es stimmig UND korrekt ist. Und wenn ich korrekt schreibe und das Mindset der betreffenden Zeit und Lebenswelt unterbringe und klar vermittle - DANN habe ich eine gute historische Welt entworfen.


Das wären die Teilschritte, in denen ich die meisten Unterschiede beim Schreiben bemerke - und ist es noch so, dass es variiert, in welcher Reihenfolge ich die Schritte abgehe. Meistens läuft das recht parallel - die Recherche und damit ein Großteil des Weltbaus läuft im Vorraus, der direkte Weltbau kommt zusammen mit Plotting und Charakteren - aber die Charaktere wieder setze ich immer einzeln um.


Diese Schritte kann man auf ALLE Genres anwenden, wenn ihr mich fragt. Auch oder GERADE den Schritt "Weltbau". Wie gesagt, sobald man eine Geschichte schreibt, ist die Welt, in der sie spielt, eine fiktive, auch wenn es eine Historie oder ein Allerwelts-Roman ist (mir fehlt hier das passende Wort.). Der Weltbau setzt da ein, wo man überlegt, welche Aspekte des realen Lebens man betont (was vom Charakter und seinem eigenen Umfeld abhängt) und welche man auslässt. Dadurch generiert sich die Welt und die Wirklichkeit des Charakters.

Was man wiederum recherchiert und wie man seine Geschichte dramaturgisch aufbaut - DAS hängt wiederum vom Genre ab.

Rakso

Zitat von: Runaway am 07. April 2011, 22:51:48
Was das Recherchieren für Fantasy angeht, bin ich zwiegespalten. Man muß definitiv eine ganze Menge recherchieren, denn sonst ist man unglaubwürdig und scheitert. Das stimmt.
Aber ich hab die Recherchearbeit nach dem Wechsel zu etwas "realistischem" doch als stärker erlebt. Was vielleicht daran liegt, daß ich mich immer schon schwer damit getan habe, nicht einfach alles so zu verbiegen, wie ich es gern hätte ;)
Ist aber letztlich auch wurscht. Wenn ein Autor für sein Buch, egal in welchem Genre, gut recherchiert hat, ist es auch egal, wieviel er im Vergleich zu anderen Büchern/Genres recherchiert hat.

Ich sagte ja, dass es vielleicht kein richtiger Wechsel ist, aber da ich das Genre zum Teil gewechselt habe (und die Art Text bei einem Durch-den-Kontinent-latsch-fantasy-Abenteuer schon mal ganz anders ist als bei einem Krimi) entstand eben diese andere Art des Arbeitens, die mich immer noch fasziniert. Es ist vielleicht ein halber Wechsel.
Natürlich ist mir klar, dass sich das bestimmt nicht mit einem Projekt vergleichen lässt, dass nur durch Recherche entstehen konnte, aber es ist eine Entwicklung dahin.

Fizz

Zitat von: Sven am 08. April 2011, 12:41:44
Das mit den Erwartungen ist immer so eine Sache. Schreibst Du etwas Unerwartetes, kannst Du damit enorm erfolgreich sein. Wahrscheinlich ist das leider nicht. Zumindest nicht hier in Deutschland. Verlage sind konservativ. Und je mehr Leser Du erreichen möchtest, desto massentauglicher musst Du schreiben. Es gibt immer Ausnahmen und was die Leser wollen, ist nicht immer das, was die Verlage bieten.
Ich für meinen Teil schreibe Geschichten, wie ich es will. Allerdings pushe ich sie auf Massentauglichkeit.
Und eine Erwartung zu erfüllen, bedeutet nicht im Umkehrschluss, dass Du ausgetretene Pfade betreten musst. Da kommt dann das Skelett ins Spiel.

Das Genre Fantasy ist weit gefächert, daher würde ich es unterteilen.
Das Skelett bedeutet für mich die Grundbausteine, die ich in jedem Fall einbauen muss. In der High Fantasy wärendas wahrscheinlich der Held, der sich auf dem Weg macht, um den Bösen, der die Macht an sich reißen will, zu besiegen. Kommen Elfen vor, dürfen das keine Feen sein, sondern sollten den Konventionen entsprechen. Ebenso alle anderen Geschöpfe, die man so kennt. Schreibe mal einen High Fantasy Roman, in dem die Elfen Flügel haben und von Blüte zu Blüte flattern. Das wäre vielleicht originell, aber das entspricht nicht den Erwartungen der Leser und ich behaupte mal, dass dieser Roman bei den Fans durchfallen würde.
Verlage glauben, der Leser will immer das Gleiche. Guckt man sich das Kaufverhalten an, haben sie Recht. "Die Zwerge", Die Elfen", Die Trolle", "Die Goblins". Alles Bestseller, die den Autoren berühmt gemacht haben und Millionenfach verkauft wurden.



Das kann ich so nicht stehen lassen. Es ist wahr, dass ein deutliches Muster für Massen-Verkäuflichkeit existiert, aber nur deswegen ein Buch darauf zu trimmen würde ich auf keinen Fall.
In erster Linie würde ich so schreiben, dass es mir persönlich gefällt und ich zufrieden bin, wenn es beendet ist. Wenn man versucht es allen Recht zu machen kommt man letztendlich auf nicht mehr als eine Kompromisslösung. Kompromisslösungen sind für mich zumindest nicht vertretbar. Im schlimmsten Fall macht es meine Geschichte sogar unglaubwürdig. Ich finde es schwierig etwa in eine gewisse Form pressen zu wollen, nur damit es danach vielleicht massentauglich ist. Letztendlich macht das auch weniger Spaß und dämpft meine Lust am schreiben/designen/was auch immer.

Bis jetzt war es auch immer so, dass ich mit meinem eigenen Stil/ Plotart am besten gefahren bin - in allen Lebenslagen. Manchmal hatte ich damit sogar mehr Erfolg, als diejenigen, die sich streng an "ein idiotensichere Muster hielten" (z.B. Bewerbungsmappen, Produktentwürfe). Das ging dann auch soweit, dass ich teils bewusst gegen andere Meinungen arbeitete. Aber die Ergebnisse zeigten, dass es sich eigentlich immer auszahlt "sein eigenes Ding" zu machen.

Es mag sein, dass vielleicht jemand mit gleichem Niveau massentauglicher schreibt, als jemand anderes und nur dadurch Erfolg hat, aber das sind halt Faktoren die kann man kaum ändern (egal wie arg man sich bemüht).

Das bestimmte Muster eingehalten werden müssen - ich ziele jetzt auf "eine Elf ist ein graziles Wesen und keineswegs pummellich" ab - liegt wohl auch daran, dass sich ein gewisses Bild bei uns eingebrannt hat.
Wenn wir Harry Potter lesen und dort ein schwarzhaariger junger Kerl mit unzähmbarer Frisur erwähnt wird, wollen wir keinen blonden gestriegelten Typen auf der Leinwand sehen.

Ich selbst habe mal eine Kurzbeschreibung zu einem Buch gelesen, indem Drachen auf Pferden geritten sind (die waren ziemlich menschlich dargestellt). Ganz ehrlich - in mir hat sich da auch etwas gesträubt. Die Rezesionen haben dann gezeigt, dass das Buch ziemlich geteilte Meinungen hervorgerufen hat. Es ist halt schwierig ein Klischee zu durchbrechen.

Aber das ist meine Meinung ... andere sehen das vielleicht anders ;)

Judith

Zitat von: Alia am 08. April 2011, 19:46:55
Das ist glaub ich auch nicht ganz so einfach. Ich kenne auch Krimis, wo nicht das "wie?" oder "wer?" im Mittelpunkt steht, weil von Anfang an klar ist, wer es gemacht hat und wie es passiert ist. Dort steht der Weg zu dem Verbrechen, also das "warum?" im Fordergrund.
Literaturwissenschaftlich definiert ist das dann eigentlich kein Krimi, sondern ein Thriller. Selbes gilt dafür, wenn es darum geht, ein Verbrechen zu verhindern. So zumindest hab ich es bei verschiedenen Lehrveranstaltungen über Kriminalliteratur an der Uni gelernt.
Dass der Täter am Ende nicht gestraft wird, ändert ja nichts an der Grundstruktur mit der Auflösung am Ende.
Dass Krimis nicht ganz streng nach diesem Schema ablaufen (und sich untereinander auch unterscheiden), ist natürlich klar, aber dennoch gibt es eine grobe Plotstruktur, die sich über die meisten Krimis werfen lässt (auch, wenn ein Täter nicht bestraft wird bzw. entkommt, ändert das nichts an der Grundstruktur mit der Auflösung am Ende).
Bei Fantasy hingegen sehe ich nicht mal annährend eine Möglichkeit, eine vergleichbare Struktur über den Großteil der Romane zu werfen.

Runaway

Zitat von: Alia am 08. April 2011, 19:46:55
Das ist glaub ich auch nicht ganz so einfach. Ich kenne auch Krimis, wo nicht das "wie?" oder "wer?" im Mittelpunkt steht, weil von Anfang an klar ist, wer es gemacht hat und wie es passiert ist.
Zitat von: Judith am 08. April 2011, 23:07:09
Literaturwissenschaftlich definiert ist das dann eigentlich kein Krimi, sondern ein Thriller. Selbes gilt dafür, wenn es darum geht, ein Verbrechen zu verhindern. So zumindest hab ich es bei verschiedenen Lehrveranstaltungen über Kriminalliteratur an der Uni gelernt.
Echt jetzt??  :o Daran definieren Literaturwissenschaftler einen Thriller? Das find ich spannend. Ich kenn nur die Definition aus der Wikipedia: http://de.wikipedia.org/wiki/Thriller
Darf ich ganz neugierig fragen, was da noch für Merkmale bzw. Unterschiede festgestellt wurden? Sorry, falls ich jetzt in meinem eigenen Thread OT gehe ;D

Alia

Zitat von: Judith am 08. April 2011, 23:07:09
Literaturwissenschaftlich definiert ist das dann eigentlich kein Krimi, sondern ein Thriller. Selbes gilt dafür, wenn es darum geht, ein Verbrechen zu verhindern. So zumindest hab ich es bei verschiedenen Lehrveranstaltungen über Kriminalliteratur an der Uni gelernt.
Zwischen Krimi und Thriller ist m.E. kein richtiger Trennstrich zu ziehen. Ob Thriller oder nicht mache ich persönlich daran fest, wie die Spannung aufgebaut ist und ob der Held in Gefahr gerät und um sein Leben bangt. Ein Krimi beschäftigt sich mit einem Verbrechen - meist Aufklärung eines Mordes. Meist stimmt das dann mit dem Aufdruck auf dem Buch überein. Aber ich habe das ganze auch nicht studiert oder Vorlesungen dazu gehört. Ist nur die Definition, die ich anhand von gelesenen Büchern und über Bücher gelesenen Bücher selbst gebildet habe. Mich würde auch interessieren, wie die "öffizielle Definition" lautet. Wenn man bei Wiki schaut, gibt es bei Kriminalroman noch den Unterpunkt "Thriller". Aber irgendwie kommen wir gerade vom Thema ab.

Was mir gestern nacht beim Überarbeiten aufgefallen ist: Meine Sprache unterscheidet sich je nach Buch auch total von einander. Ob es eine eigene Sprache für jedes Genre gibt, weiss ich noch nicht - dafür muss ich einfach noch mehr Schreiben. Da reden wir dann in ein - zwei Jahren noch mal drüber  :engel:

Sven

Zitat von: zDatze am 08. April 2011, 14:36:25
Ah, okay. Da gehen unsere Meinungen schon auseinander. Dieses »muss« bezogen auf High-Fantasy stößt mir persönlich immer sauer auf. Muss es denn immer ein Thronfolger sein? Muss es denn immer die Weltherrschaft/Weltrettung sein? Mir hängt das alles so derbst zum Hals heraus, dass ich solche Bücher normalerweise nicht mehr anfasse, obwohl ich sie früher verschlungen habe. (Oder vielleicht gerade deswegen.) Aber das ist persönlicher Geschmack bzw. persönliche Abneigung.
Sollte ich doch noch einmal in die Verlegenheit kommen meine Uralt-HF-Story neu aufzurollen, dann würde ich wohl versuchen diesem Genre-Skelett das Rückgrat zu brechen.

Dieses »muss« ist ein fieses, kleines Wort, dass eine Menge Ärger bedeuten kann. Wenn ich solche Sachen behaupte, sehe ich das immer aus zwei Blickwinkeln. Zum einen aus den Augen des Autors. Der will gerne etwas nie da Gewesenes schreiben. Möchte mit Konventionen brechen. Er will etwas anders machen, als andere. Prinzipiell hindert ihn keiner daran und er kann damit enormen Erfolg haben. Bei Lektoren wird er wahrscheinlich gut ankommen.
Aus der Sicht des Lesers sieht es anders aus. Ein normaler Leser (also der, der nach einem Arbeitstag nach Hause kommt und vor dem Schlafen ein wenig lesen will) möchte eine fesselnde Geschichte. Er geht in den Buchladen und kauft sich ein High Fantasy Buch, weil er sich davon ganz bestimmte Dinge verspricht, die er liebt. Das sind Dinge, die er aus anderen High Fantasy Büchern kennt. Jetzt kauft er sich das Buch des oben erwähnten ambitionierten Autors und bekommt eben nicht das, was er erwartet hat und ist entsprechend frustriert. So schlimm es für Autoren ist, die große Masse an Lesern ist nicht gerade experimentierfreudig. Wären sie es, würden Verlage öfter mal das Wagnis eines Risikos eingehen.

Dieses Skelett oder die Grundbausteine oder die Dinge, die in einen Roman hinein müssen, wie auch immer man sie nennen möchte, MUSS niemand benutzen. Will man aber die breite Masse ansprechen, wird man sich damit auseinander setzen müssen. Ich glaube aber nicht, dass man deswegen nicht innovativ schreiben kann. Es ist halt nur schwieriger.

Wenn ich schreibe, dann überlege ich mir, ob der Leser mir die Geschichte abnimmt. Harry Potter hätte NIEMALS sterben  dürfen (so häufig das auch diskutiert worden ist). Es ist ein Jugendroman und in einem Jugendroman ÜBERLEBT der Held. Punkt. Du kannst Dich als Autor darüber hinwegsetzen, aber Deine Leser würden Dir das nie verzeihen.

Zitat von: Fizz am 08. April 2011, 22:52:26
Das kann ich so nicht stehen lassen. Es ist wahr, dass ein deutliches Muster für Massen-Verkäuflichkeit existiert, aber nur deswegen ein Buch darauf zu trimmen würde ich auf keinen Fall.
In erster Linie würde ich so schreiben, dass es mir persönlich gefällt und ich zufrieden bin, wenn es beendet ist. Wenn man versucht es allen Recht zu machen kommt man letztendlich auf nicht mehr als eine Kompromisslösung. Kompromisslösungen sind für mich zumindest nicht vertretbar. Im schlimmsten Fall macht es meine Geschichte sogar unglaubwürdig. Ich finde es schwierig etwa in eine gewisse Form pressen zu wollen, nur damit es danach vielleicht massentauglich ist. Letztendlich macht das auch weniger Spaß und dämpft meine Lust am schreiben/designen/was auch immer.

Darüber sollte man sich als Autor immer im Klaren sein. Schreibe ich für mich oder für den Leser?
Schreibst Du für Dich, kannst Du tun, was Du willst und hoffen, dass die Verlage es genauso sehen und der Leser dennoch begeistert ist.
Ich für meinen Teil schreibe für den Leser. Daher muss ich mir immer Gedanken machen, was der Leser von dieser Geschichte erwarten würde.
Das bedeutet natürlich nicht, dass man immer richtig liegt. Wie überall wird es auch hier keinen Königsweg geben.
Am Ende hat es was mit »ich mache mir Gedanken« zu tun. Was mute ich meinem Leser zu?

Um zum Thema zurückzukommen, meine Herangehensweise an eine Geschichte hängt (von der Recherche einmal abgesehen) nicht vom Genre ab, sondern von der Geschichte.
Ich plotte wenig, schon weil ich dabei die Lust am Schreiben verlieren würde. Wenn ich mich beim Schreiben langweile, passieren immer unerwartete Dinge, die mich überraschen. Schon deshalb wäre das mit dem Plotten schwierig, weil die Chance, vom Pfad abzukommen, viel zu groß wäre. Ich habe häufig Enden, mit denen ich als Autor nicht gerechnet hätte. Und das ganze Plotting wäre in dem Fall umsonst gewesen.
ABER: Es gibt Geschichten, da komme ich um das Plotten nicht herum. Zum Beispiel, weil das Setting nicht viel Überraschungen zulässt. In der Geschichte, aus der ich im Willkommensboard zitiere, gibt es nichts außer Tod (bzw. wird es so sein, sobald sie geschrieben ist :D ) Da muss ich plotten, um eine Geschichte in Gang setzen zu können. Um beim Schreiben vorwärtszukommen.
Bei mir ist es also nicht so sehr das Genre, sondern eher die Geschichte, die eine individuelle Herangehensweise erfordert.

Es ist interessant zu sehen, das dieses Thema immer wieder heiß diskutiert wird. Mich würde die Meinung eines Verlages interessieren.
Beste Grüße,
Sven

Judith

Zitat von: Runaway am 09. April 2011, 00:43:33
Darf ich ganz neugierig fragen, was da noch für Merkmale bzw. Unterschiede festgestellt wurden? Sorry, falls ich jetzt in meinem eigenen Thread OT gehe ;D
Ich will das hier jetzt nicht zu sehr auswalzen, aber eigentlich ist die Einteilung Detektivroman - Thriller, wobei beide zur Kriminalliteratur zählen. Allerdings wird mittlerweile "Krimi" synonym für Detektivroman verwendet.
Zitat zum Thriller: "Weniger die hindernisreiche gedankliche Entschlüsselung des verrätselten Verbrechens wird dargestellt, als vielmehr die Verfolgungsjagd eines schon bald identifizierten oder von vornherein bekannten Verbrechers." (Nusser, Der Kriminalroman)
Wobei "von vornherein" bekannt sich nicht zwangsläufig auf den Ermittler bezieht, sondern teilweise darauf, dass eben der Leser die Identität des Verbrechers bereits kennt.
und dann weiter: "Da diese Form der Kriminalliteratur weniger das Geheimnis eines verbrecherischen Tathergangs als vielmehr die Person des Täters (oder einer Tätergruppe) als Zielobjekt des oder der Helden aufbaut, lassen sich grundsätzlich auch die Motive des Verbrechens in der Handlung mitentwickeln."
Nusser nennt übrigens als Merkmale des Thrillers auch eine größere Konzentration auf actiongeladene Szenen.

Ich halte übrigens an sich nicht sehr viel von solchen starren Definitionen, da man immer auch Ausnahmen findet, die diesen nicht entsprechen. Allerdings muss ich sagen, dass bisher sämtliche Krimis und Thriller, die ich gelesen habe, tatsächlich auch zu diesen Definitionen gepasst haben. Mag sein, dass mir da die Ausnahmen einfach bisher entgangen sind, aber da hat halt meine Leseerfahrung zumindest bisher die Theorie bestätigt.
Mag sein, dass andere da ganz andere Erfahrungen gemacht haben.

Aber selbst wenn man jetzt mal solche Definitionen außer Acht lässt und Krimis weitaus großzügiger einteilt, bleibt etwas, das zumindest für mich entscheidend ist:
- Ein Krimi definiert sich einfach grundsätzlich durch den Plot. Das Setting spielt bei der Genredefinition eigentlich keine Rolle. Eine Krimi kann praktisch überall angesiedelt werden.
- Und Fantasy definiert sich eben durch das Setting, nicht durch den Plot. Das ist für mich der Knackpunkt. 

Und auch in der High Fantasy sehe ich nicht so starre Strukturen wie Sven. Ich muss zugeben, dass ich mir hier wirklich schwer tue mit der Definition, aber in Ermangelung besserer Quellen guck ich da einfach mal in Wikipedia, und  da wird zumindest eingeräumt, dass moderne High Fantasy sich immer mehr von den Schablonen löst.
Wenn ich mir dann die beispielhaft genannten Autoren ansehe, wo auch Patricia McKillip, Steven Erikson, Guy Gavriel Kay und George R. R. Martin auftauchen, dann bestätigt das meinen Eindruck, dass auch veröffentlichte und erfolgreiche High Fantasy eben nicht wirklich auf ein "Schema" festgelegt werden kann. Denn gerade diese Autoren schreiben eigentlich zum Teil sehr "andere" Fantasy und sind weder mit einer Heldenreise noch mit Weltrettung so wirklich in Einklang zu bringen.