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Haltet euch an die Regeln! - Oder auch nicht.

Begonnen von HauntingWitch, 30. Mai 2013, 14:40:32

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HauntingWitch

Keine Angst, ich meine jetzt nicht die Forenregeln. Das wäre ja auch gar nicht mein Stand.

Nein, ich spreche von Regeln, die das Schreiben betreffen. Immer wieder hört man es: Tu dies nicht, achte auf das, lass das sein, befolge dieses und jenes! Man soll z.B. eisern nach ,,show don't tell" leben, keine plötzlichen Perspektivwechsel machen, ja, manch einer ist sogar für immer gleich lange Kapitel, es gibt Merkblätter und Schemata, wie man dies oder jenes "perfekt" darstellt.

Nun, das ist ja alles durchaus in Ordnung und ich möchte bestimmt niemanden verurteilen, der streng nach solchen Regeln geht. Trotzdem bin ich aber eher ein Gegner solcher Dogmen, denn beim Lesen von Büchern stelle ich immer wieder Folgendes fest:
Viele gute, gestandene Autoren halten sich kaum an irgendwelche Regeln. Viele, die mir sehr gut gefallen und deren Bücher ich sehr angenehm zu lesen finde, lassen die reinste Anarchie walten. Da hat ein Kapitel 2 Seiten und ein nächstes vielleicht 20, da gibt es mitten im Kapitel einen Sprung und plötzlich ist man in der Perspektive einer Person, die danach keine weiteren eigenen Parts mehr bekommt. Da wird vom allwissenden Erzähler in die personale Perspektive gezoomt und umgekehrt, Telling-Sätze werden vor spannende Ereignisse gestellt und so weiter.

Mir fallen diese Dinge auf als: ,,Hey, Moment, sollte man das nicht eigentlich vermeiden?" Aber andererseits: stört es mich beim Lesen des Buches, bringt es mich raus? Nein. Im Gegenteil. Gewisse Dinge, die auf den ersten Blick komisch oder ,,unzulässig" erscheinen, finde ich sogar durchaus gut gelöst. Warum also nicht?

Ich frage mich daher, wie wichtig sind Regeln wirklich? Klar, natürlich sollte man die eigene Sprache beherrschen, Rechtschreibung und Grammatik beachten. Und natürlich gibt es Kapriolen, die einfach nicht funktionieren. Und andere Dinge kann man sich ohne weiteres erlauben. Aber ist das eine Frage der Regeln, die man einhält oder nicht? Oder hat es nicht eher mit dem eigenen Sprachgefühl zu tun und damit, wie sehr man sich damit auseinandersetzt? Wie viel man selbst liest zum Beispiel, und vor allem auch, ob und wie man das Gelesene reflektiert. Werden die Bücher besser, wenn man sie nach Regeln schreibt? Werden sie schlechter, nur weil man das eben nicht tut? Ich denke nicht.

Mich würde jetzt interessieren, wie ihr das so seht. Seit ihr eher Feldwebel oder Rebell? Wie wichtig sind euch (Schreib-)Regeln und weshalb? Macht ihr euch während dem Schreiben und beim Lesen von Büchern Gedanken darüber?

Sunflower

Interessantes Thema. Grundsätzlich finde ich Regeln wie "show don't tell" schon sinnvoll. Das hat mir bei der Verbesserung meines Schreibstils enorm weitergeholfen und ich finde immer wieder neue Tipps und Anregungen, die mir helfen.
Mehr sehe ich in den "Schreibregeln" aber nicht. Es sind Tipps und Anregungen, aber wenn man eine Regel absichtlich oder unabsichtlich bricht, dann macht das den Text nicht automatisch schlecht. Wenn es so wäre, gäbe es vielleicht nur einen "richtigen" Schreibstil und die Vielfalt an Autoren, die es gibt, wäre überflüssig.

Zitat von: HauntingWitch am 30. Mai 2013, 14:40:32
Da hat ein Kapitel 2 Seiten und ein nächstes vielleicht 20, da gibt es mitten im Kapitel einen Sprung und plötzlich ist man in der Perspektive einer Person, die danach keine weiteren eigenen Parts mehr bekommt. Da wird vom allwissenden Erzähler in die personale Perspektive gezoomt und umgekehrt, Telling-Sätze werden vor spannende Ereignisse gestellt und so weiter.

Ich habe auch schon Bücher gelesen, in denen vor allem viele Perspektivträger, die nur eine Szene haben, und "anarchistische" Kapitelaufteilungen vorkommen. Und ich finde das super. Klar, es sollte nicht gestellt wirken und ein Perspektivträger, der die Handlung nicht vorantreibt, macht nicht wirklich Sinn - aber es gibt dem Buch etwas Einzigartiges. Nicht nur durch den Schreibstil, sondern auch durch solche Dinge findet man seinen eigenen Stil.

Zu mir persönlich. Wie gesagt, ich nehme diese Tipps gerne an und versuche sie, wenn sie mir vernünftig erscheinen, auch einzuhalten. Show don't tell zum Beispiel. Aber darüber gibt es ja schon eine ganze Diskussion, deshalb hole ich nicht weiter aus.
Ich bin wohl eine Mischung zwischen Rebell und Feldwebel. Ich schreibe aber auch noch nicht lange genug, um "meinen" Stil gefunden zu haben - ich habe schon einen, aber der wandelt sich noch andauernd. Während dem Schreiben mache ich mir eigentlich gar keine Gedanken um Regeln etc, ich schreibe einfach. Dann falle ich sowieso irgendwann in eine Art Trance und bekomme gar nichts mehr mit außer dem, was ich gerade "erlebe". Am Ende sind aus meinem Schreiberlebnis Wörter geworden. Beim Überarbeiten schaue ich dann genauer. Wo habe ich das gleiche Wort zu oft benutzt? Kann ich es ersetzen? Habe ich Passagen, die die Handlung nicht voranbringen und eher stören? Wo kann ich Show don't tell einsetzen?

Im Endeffekt muss es aber einfach zusammenpassen. Und das erreicht man meiner Meinung nicht dadurch, dass man sich penibel an jede Regel hält und jedes Adjektiv, das man vielleicht auch durch Show don't tell ausdrücken könnte, streicht. Genauso wenig, als wenn man wie bei einer Liste nach und nach jeden Punkt abhakt und schaut, ob man jede Regel durchgehend beachtet hat. Es muss passen und diese Regeln sind Anhaltspunkte, damit ein Text flüssiger und spannender wird, ja. Aber letzen Endes entscheide ich selbst, wie mein Text klingt und nicht die Regeln ;)
"Stories are, in one way or another, mirrors. We use them to explain to ourselves how the world works or how it doesn't work. Like mirrors, stories prepare us for the day to come. They distract us from the things in darkness."
- Neil Gaiman, Smoke and Mirrors

Grey

Ich sehe solche Regeln nicht als Regeln. Es ist doch wie immer so, wenn man ein Handwerk erlernt, sollte man sich mit dem Werkzeug vertraut machen. Sobald man es beherrscht, kann man es benutzen, um Werke in seinem eigenen Stil daraus zu machen. Und diese "Regeln" sind doch nichts anders als Werkzeuge, mit denen man seinen Text bearbeiten kann. Wenn man weiß, wie sie funktionieren, kann man sie anwenden, oder es eben lassen, je nachdem, welche Wirkung man mit dem fertigen Text erzielen möchte. Man kann mit ihrer Hilfe herausfinden, woran es vielleicht liegt, wenn man unzufrieden mit dem Text ist, und muss sich nicht nur auf sein Bauchgefühl verlassen. Regeln sind keine Dogmen, und tatsächlich kann man auch ganz ohne Regelkenntnis eine gute Geschichte schreiben. Aber sie können ungemein hilfreiche Ratgeber sein, weil man eben weiß, wohin man schauen kann, wenn es denn einmal hakt.

Churke

Zitat von: HauntingWitch am 30. Mai 2013, 14:40:32
Werden die Bücher besser, wenn man sie nach Regeln schreibt?

Höchstwahrscheinlich schon. Grey bezeichnet solche Regeln als Werkzeug, aber da bin ich anderer Meinung. Regeln sind Arbeitsanleitungen, die einem sagen, wie man seine Werkzeuge benutzen soll. Wenn man sich an sie hält, spricht einiges dafür, dass man einen brauchbaren Text produziert.

Zwar sind alle diese Regeln da, um gebrochen zu werden. Aber es macht einen himmelweiten Unterschied, ob man Regeln übertritt oder ob man sie nicht beherrscht. Der Regelbruch braucht immer einen Zweck als Rechtfertigung - und daran entscheidet sich dann, ob es gut war oder schlecht. Es gibt eine Anekdote aus dem alten Griechenland über einen Bildhauerwettbewerb. Die Kritiker lachten einen der Bildhauer aus, weil seine Statue falsche Proportionen hatte. Dann standen die Statuen aber oben auf ihren Sockeln es zeigte sich, dass seine Statue die einzige war, bei er die Proportionen stimmten.

Thaliope

Ich glaube, es kann sehr interessant sein, sich die Stellen anzuschaun, an denen versierte Profis die Regeln gebrochen, übertreten, stark gedehnt oder sonstwie nicht beachtet haben, und sich dann die Frage zu stellen: Welche Wirkung wird durch diesen Regelbruch erzielt? Und wie würde es wirken, wenn die Regel an dieser Stelle strikt eingehalten werden würde? Ich glaube, dabei kann man eine ganze Menge lernen.

Ich würde es da mit Grey halten: Sich mit den Regeln auseinandersetzen, und dann gucken, wo und wie man sie für seine Zwecke einsetzen kann. Ich würde sie auch als Werkzeug bezeichnen, mit dem man bestimmte Effekte erzielen kann.

Lavendel

Wie auch immer man die Regeln nennt, Fakt ist, dass sich natürlich nicht jeder daran hält. Es ist schön, wenn jemand Regeln gekonnt bricht, aber ich schätze, dass sie weitaus öft ohne Können gebrochen werden, auch im professionellen Bereich. Man findet diese "No-Gos" des Schreibens doch in jeder Menge Veröffentlichungen - eben genau aus dem Grund, den HauntingWitch schon angesprochen hat: Den meisten Lesern fällt schlechter Stil vermutlich nicht auf.

Wie auch immer, natürlich sind diese "Regeln" keine Verbindlichkeiten. Niemand hakt über einem Manuskript irgendwelche Schreibregel-Checklisten ab (außer vielleicht Autoren ::)). Ich bin zwar persönlich der Meinung, dass es durchaus sinnvoll ist, sich intensiv mit diesen Regeln auseinanderzusetzen, aber man kann da sicherlich über Sinn und Unsinn diskutieren, wenn man in so manche erfolgreichen Titel reinguckt.

Zanoni

Man könnte "Regeln" auch als das sehen, was sie wirklich sind: Erfahrungswerte.

Ein bildlicher Vergleich dazu wäre vielleicht eine bevorstehende Durchquerung eines unbekanntes Moorgebietes. Wenn man selbst noch keine Erfahrungen sammeln konnte, kann es sich als sehr hilfreich erweisen, sich auf die Erfahrungen zu stützen, die andere vor einem gemacht haben. Ihre Regeln zeigen einen Pfad für eine möglichst sichere und erfolgreiche Durchquerung eines sehr schwierigen Gebietes. Müsste man ohne diese Erfahrungswerte losgehen, besteht ein weit größeres Risiko, nicht die andere Seite zu erreichen. Denn diese Regeln sind eine Art Markierung, die an den bereits bekannten Gefahren vorbeiführen.

Natürlich muss es sich dabei nicht um den einzig gangbaren Weg handeln, um den "besten", "schnellsten" oder "sichersten" ... oder um den, der einem selbst am besten gefällt. Aber es ist einer, den bereits viele vor uns erfolgreich gegangen sind.

So gesehen macht es gerade anfangs sehr viel Sinn, den bekannten "Regeln" zu folgen. Sobald man aber selbst ausreichend eigene Erfahrungen sammeln konnte, dürfte es für viele etwas interessanter werden, diesen bekannten Pfad auch mal zu verlassen. ;-)

dat xrüsli

An sich ist es doch so, dass man erst dann mit Regeln brechen kann, wenn man sie in und auswendig beherrscht. Und genau so gehe ich mit solchen Sachen wie "Show, don't tell" auch um. Für mich sind das alles durchaus Regeln, die einen Text flüssig machen und wer gerade erst mit dem Schreiben angefangen hat, findet in ihnen eine einfache Möglichkeit, die eigene Geschichte gut und rund werden zu lassen.

Aber keine dieser Regeln ist wirklich perfekt und auf jede Situation problemlos anwendbar. Wer diese Schwachpunkte kennt, weiß eben auch ganz genau, wo und wann er mit solchen Regeln brechen kann, damit der Text dadurch gewinnt.

Coppelia

#8
Früher habe ich die "Regeln" quasi auswendig gelernt und heruntergebetet. ;D Schon damals kamen mir einige sinnlos vor. Aber jetzt, viele, viele Jahre später mache ich mir deswegen nur noch wenige Gedanken. Ich suche mir sorgfältig aus, was mir sinnvoll erscheint, welche Regeln mir für meine eigene Geschichte etwas bedeuten, und danach richte ich mich. Ich würde das aber wahrscheinlich nicht können, wenn ich mich früher damit nicht intensiv auseinandergesetzt hätte.

Ich muss allerdings sagen, dass ich inzwischen von Schreibratgebern meist nur noch genervt bin und am allermeisten von kurzen Listen, die man oft im Internet findet, wo man anhand von 10 Punkten seinen Text überarbeiten soll oder so etwas. Diese Listen können derartig pauschal werden, dass sie auf keinen individuellen Text tatsächlich anwendbar sind. Und oft frage ich mich: Mit welchem Recht, mit welcher Autorität gibt mir diejenige Person diese Ratschläge? Wenn ich Ciceros Rede- und Schreib-Ratgeber lese, dann ist das eine Autorität, die ich anerkennen kann, und ich messe seinen Worten viel Gewicht bei. :rofl: Wenn es aber irgendein Autor ist, meinetwegen ein Krimiautor, dessen Bücher gerade "in" sind oder was auch immer, dann finde ich es zwar nett, dass er seine Erfahrungen und Meinungen mit anderen Leuten teilen will, mehr aber auch nicht. Wenn es dann heißt: "Beschreibungen dürfen nie länger als 2 Zeilen" sein - jetzt mal als fiktives Beispiel, ich habe aber gefühlt wirklich schon oft ähnlichen Käse gelesen - denke ich mir eher nur "Aha. Warum? Sehe ich nicht so.". ;)

Aber ich bin auch generell jemand, der es überhaupt nicht leiden kann, wenn mir andere sagen, was ich tun soll und wie. ;) Unter'm Strich würde aber wahrscheinlich an meinen Roman kaum jemals irgendein "Regelverstoß" auffallen, auch wenn sich das jetzt alles so anhört, als würde ich mich nie an "Regeln" halten ...
Und es ist auch keineswegs so, dass ich nicht bereit wäre, jederzeit etwas zu ändern, solange ich das sinnvoll finde.

Das ist jetzt meist auf den Stil bezogen; beim Plotten und beim Aufbau eines Romans bin ich viel eher offen für Vorschläge.

Feuertraum

Ich habe vor ellenlanger Zeit (lassen Sie es an die 22 Jahre her sein) ein Fernstudium zum Thema belletristisches Schreiben absolviert.
Ich habe die ganzen "Regeln" versucht zu verinnerlichen und danach meine Texte geschrieben. Und am Anfang war das eine große Hilfe.
Leider war es auch am Anfang so, dass ich jedes Buch, was sich nicht an mein Gelerntes gehalten hat, gnadenlos zerriss. "Und das schimpft sich Autor? Wie lächerlich!"
Doch im Laufe der Jahre entwickelte ich meinen Stil.
Ich merkte, dass jenes, was ich lernte, nicht so recht mit meinem Stil zusammenpasste. Ich lernte mehr durch das Lesen von Belletristik als durch manche Schreibratgeber.
Ich empfand den größten Teil der Bücher von Frey und von Stein als "nett, aber für mich nicht passend", und ich habe mich imer wahnsinnig drüber geärgert, wenn manch anderen Schreiberling mir erklärte, dass ein Text von mir nur deswegen schlecht sei, weil ich mich ja nicht an die Sätze von Stein halte.

Mittlerweile habe ich für mein Schreiben fünf Regeln aufgestellt, an die ich mich allerdings wirklich sklavisch halte:

1. Schreibe lebendig.
2. Achte auf die Sprachmelodie (Sch***egal, was andere über das Vermeiden von Wortwiederholungen sagen: wenn die Melodie stimmt, wird ein Wort wiederholt!)
3. Wage es ja nicht, den Leser zu langweilen.
4. Untersteh Dich, den Leser zu langweilen.
5. Komm nicht mal ansatzweise auf die Idee, den Leser zu langweilen.

Ich lehne mich einmal weit aus dem Fenster und wage zu behaupten, dass es dem Leser größtenteil egal ist, wie eine Geschichte geschrieben wird. Ihn interessiert die Geschichte. Zumindest habe ich noch nie erlebt, dass ein Mensch sich hinstellt und über ein Weihnachtsgeschenk sagt: "Oh, die Verpackung ist cool, ich packe das Geschenk gar nicht erst aus".
Es wird immer Leute geben, die einen Schreibstil gut finden und immer Leser, die ihn absolut nicht mögen.
Und?
Ich stehe dazu zu sagen: Es ist nicht wichtig, sich an die vorgegebenen "Regeln" zu halten.
Es ist nicht wichtig, "Regeln" zu brechen.
Es ist wichtig, seinen Stil zu finden, seine Art zu schreiben.
Ein Bekannter von mir liebt Bier so sehr - ich bekam als Schutzimpfung gegen Corona Astra Zenica, er Astra Pilsener ...

Simara

Zitat von: Grey am 30. Mai 2013, 15:21:53
Ich sehe solche Regeln nicht als Regeln. Es ist doch wie immer so, wenn man ein Handwerk erlernt, sollte man sich mit dem Werkzeug vertraut machen. Sobald man es beherrscht, kann man es benutzen, um Werke in seinem eigenen Stil daraus zu machen. Und diese "Regeln" sind doch nichts anders als Werkzeuge, mit denen man seinen Text bearbeiten kann. Wenn man weiß, wie sie funktionieren, kann man sie anwenden, oder es eben lassen, je nachdem, welche Wirkung man mit dem fertigen Text erzielen möchte. Man kann mit ihrer Hilfe herausfinden, woran es vielleicht liegt, wenn man unzufrieden mit dem Text ist, und muss sich nicht nur auf sein Bauchgefühl verlassen. Regeln sind keine Dogmen, und tatsächlich kann man auch ganz ohne Regelkenntnis eine gute Geschichte schreiben. Aber sie können ungemein hilfreiche Ratgeber sein, weil man eben weiß, wohin man schauen kann, wenn es denn einmal hakt.

Da kann ich ein ganz großes Amen drunter setzen, sehe ich genau so.  ;D

Minhael

Was ich mich immerzu frage, ist folgendes: Handelt es sich bei den "Großen" um bewusste Stilbrüche? Oder ist es schlicht mangelndes Interesse seitens Autor und Verlag? Bestes Beispiel ist für mich in diesem Zusammenhang Markus Heitz, der sich im Bezug auf Perspektivwechsel so gar nicht an das hält, was man selbst darüber weiß bzw. überall lesen kann.

Woran liegt's? Kann er es sich einfach "leisten"? Fällt es dem Leser in der Regel überhaupt auf?

pink_paulchen

Spannender Thread und ihr habt schon ein paar echt gute Beiträge generiert, die meine Haltung schöner erklären, als ich es selbst könnte. Auch ich meine, dass man die Meisten Schreibregeln ausprobiert haben sollte und mit Texten Erfahrungen sammeln muss, damit man weiß, wie sich Texte mit oder ohne Anwendung einer bestimmten Regel anfühlen.
Wenn man sich dann bewusst entscheidet, dass man einen blumig-adjektiv-überladenen Stil braucht, damit sich das Fantasy-Märchen richtig entfaltet, dann ist das prima.
Schade wäre im Gegensatz halt, wenn man noch nie ganz schnell und auf den Punkt geschrieben hat, weil man die Regel nie ausprobiert hat - und dann versemmelt man die actionreiche Kampfszene, weil der Held über den azurblauen Himmel und die rauchenden Nüstern der Drachen vergisst, dem Schurken das Schwert ins Herz zu schieben.
Also meine ich: erstmal nach Bauplan, dann probehalber anders, und schließlich so, wie es sich für einen selbst gut anfühlt!
Wer noch auf weitere Meinungen zu dem Thema aus ist: Ich mochte diesen Podcast gern: http://www.dieschreibdilettanten.de/folge-54-kann-man-schreiben-wie-ein-kochrezept-lernen/

Coppelia

#13
ZitatWas ich mich immerzu frage, ist folgendes: Handelt es sich bei den "Großen" um bewusste Stilbrüche? Oder ist es schlicht mangelndes Interesse seitens Autor und Verlag? Bestes Beispiel ist für mich in diesem Zusammenhang Markus Heitz, der sich im Bezug auf Perspektivwechsel so gar nicht an das hält, was man selbst darüber weiß bzw. überall lesen kann.

Woran liegt's? Kann er es sich einfach "leisten"? Fällt es dem Leser in der Regel überhaupt auf?

Gerade zum Thema Perspektive habe ich es schon in anderen Threads geschrieben: Das, was als strenge "Regel" verkauft wird, ist in Wahrheit überhaupt keine, sondern ein ziemlich beliebiger Beschluss, so und so müsse es sein. Stark wechselnde Perspektiven wirst du in vielen Klassikern der Weltliteratur finden. Und zwar nicht nur zwischen den Perspektiven von Figuren, sondern auch zwischen Erzähler- und Figurenperspektive (was auch gar nicht so leicht zu bemerken ist). Wenn einem das beim Lesen auffällt - mir fallen Perspektivenwechsel auch immer auf - dann ist das meiner Meinung nach antrainiert, weil wir glauben, es wäre ein Fehler. Leser, die sich nicht darauf konzentrieren, merken es nicht.

Diese "Regeln" sind zum großen Teil Modeerscheinungen und engen die künstlerische Freiheit ein, selbst wo sie ihren Sinn haben. Trotzdem macht man keinen Fehler, sich an sie zu halten, wenn man plant, einen Roman zu verkaufen. 

Es gibt auch "Regeln", die z. B. auf Aristoteles zurückgehen und sich daher in unserer Kultur so fest verankert haben, dass sie keine Modeerscheinungen mehr sind und wir alle der Meinung sind, so müsse es sein. Aber selbst Aristoteles hat die Dinge damals subjektiv gesehen. ;) Bei solchen Regeln denke ich mir trotzdem: Wenn sich die so lange halten, könnte etwas dran sein.

Runaway

Ich hab für mich die Erfahrung gemacht, daß es meine Texte nur verschlimmbessert, wenn ich anfange, mich an manche Regeln zu halten. Ich war zwischenzeitlich so gefangen in "das soll man aber nicht so, sondern so" und ähnlichen Gedanken, daß ich hinterher nur noch damit beschäftigt war, Sätze ja schön regelkonform hinzuschreiben, daß das hinterher der komplette Murks war. Da war kein Leben mehr drin. Das war auch nicht ich.
Deshalb schreibe ich mittlerweile wieder, wie der Schnabel gewachsen ist, und vielleicht stelle ich Sachen dann bei der Überarbeitung noch mal um. Aber sklavisches Befolgen halte ich echt für kontraproduktiv.
Viele Autoren sagen ja z.B., das einzig zu nutzende Wort im Dialogwechsel ist "sagte". Aha, und warum wurden dann schrie, rief, flüsterte und Freunde erfunden? Damit ich sie in die Tonne kloppe?
Und show, don't tell geht auch nicht immer. Wenn man wirklich jeden Pups hinschreibt, langweilt das irgendwann eher. Ich bin ein großer Freund davon, handlungstechnisch wichtige, aber erzählerisch langweilige Dinge schon mal eben zu raffen. Dann stehen sie immerhin da, öden aber niemanden an. Sollte man sich vielleicht auch zur Regel machen ;)