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Ritzen

Begonnen von Nycra, 07. Juni 2010, 11:19:53

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Nycra

Hiho Leute,

ich weiß, ich sollte an Sevan rumwurschteln, aber mir geht da eine fixe Idee nicht aus dem Kopf, mit der ich meine nächste Prota geißeln will, aber die Links, die ich gefunden habe, helfen mir nicht sonderlich weiter.

Es geht um das Thema "ritzen". Meine Prota ist eine ziemlich verkorste Lady, die aus drei Welten stammt und von einer in die nächste gestoßen wird. Es beginnt damit, dass ihre Mutter sie im Alter von vier Jahren  in eine Kiste steckt und zum Volk ihres Vaters schickt. Ich habe ihr Ritz-Narben verpasst, die sie mittlerweile zu einem echten Kunstwerk gemacht hat.

Mein Problem ist, wie ich das realistisch darstellen kann, ohne Klischees zu bedienen. Ich kenne mich damit gar nicht aus und weiß nicht, wie groß der emotionale Druck eines Kindes sein muss, um sich derartige anzutun. Beziehungsweise wie sie aus der Spirale wieder herauskommt, wenn es für sie keine Psychologen/Therapeuten gibt, der ihr dabei hilft.

Hat jemand einen Tipp für mich, wo ich nach leicht verständlichen Informationen suchen kann?

Schonmal danke!

Nyc

Kuddel

Hi Nycra,

hast du schon mal bei einer Schulseelsorgerin oder einem Arzt angefragt? Dort könntest du sicher zumindest die emotionalen Hintergründe verstehen lernen und gleich etwas medizinisches hinzufügen.

Ansonsten guck mal unter Border-Line-Syndrom. Das ist die offizielle Bezeichnung, auch wenn genau genommen noch viel mehr hinter diesem Syndrom steckt, als nur Ritzen.

Liebe Grüße,
Kuddel
The first draft of everything is shit - Ernest Hemingway

Ary

#2
Hi,
googel mal nach "ritzen" oder "Selbstverletzendes Verhalten". Natürlich bekommt man über Google viel Mist, aber es sind auch durchaus wissenschaftliche Seiten dabei, auf denen versucht wird, das zu erklären und die Hintergründe zu zeigen. Ein sensibles, schwierige Thema, mit dem Du dich da auseinandersetzen willst!

Edit: vielleicht wirst Du hier fündig: Link
Einfach mal machen. Könnte ja gut werden.

die_Hex

Hallo Nycra,
wenn du magst, schick ich dir mal meine Hausarbeit aus dem Grundstudium Sozpäd. über das Thema. Kann dir auch Literatur zum weiterlesen geben.

Wenn du Interesse hast, schreib mir einfach deine Emailadresse per PN.

Viele Grüße

Nycra

@Kuddel

Der Tipp mit dem "Fachausdruck" war Gold wert. Ich hab sofort eine perfekte Seite gefunden, die fast alle meine Fragen zu beantworten scheint.

@Aryana

Danke, das hab ich schon versucht, aber die meisten Seiten steuerten an meinem Problem vorbei. Die rein wissenschaftlichen Seiten behandlen leider nicht meine eigentliche Frage. Es ist halt auch schwer zu beschreiben, wonach ich genau suche. Insbesondere WEIL es so ein komplexes Thema ist, möchte ich nichts falsch machen, da ich kaum "Handauflegen" kann, um das Problem zu lösen. Dazu kam eben auch, dass mir Schlagworte wie "selbstverletztendes Verhalten" und "Boderline" nicht eingefallen sind  :wums:

Dein Link hat mir aber auch einen Einblick gezeigt, zumal es ja von einer Betroffenen richtige Erfahrungsberichte gibt - DANKE!


Kuddels Denkanstoß dagegen hat mich zu einer Seite gebracht, die sowohl Ratschläge, Lösungsansätze und Ursachen der Probleme aufgreift und behandelt. Es gibt ein Lexikon der Fachbegriffe, da mit geholfen hat. Sie ist von Betroffenen und deren Angehörigen erstellt und damit auch für Laien wie mich leicht verständlich aufbereitet. Darin gibt es sogar Vorschläge, wie man sich selbst behandeln kann, was natürlich für meine Prota nahezu ideal ist, weil ich darauf aufbauen kann. http://www.borderline-borderliner.de

Hex, du hast schon Post, das ein "Fachmann" unter uns ist, macht es noch besser, ich komme gern auf dein Angebot zurück.

Super, dass Ihr mir alle so schnell weiterhelfen konntet. Ich hoffe nur, dass ich dem Thema gerecht werden kann, in einem Fantasy bestimmt nicht allzu einfach...

Simara

Ich würde an deiner Stelle ein wenig aufpassen, dass du Borderliner und Selbstverletzendes Verhalten nicht zu sehr in eine Schublade steckst. Immerhin gibt es viele Menschen welche sich (z.B.) ritzen ohne von dieser Krankheit betroffen zu sein.
Ritzt sich deine Lady denn immer noch? Wenn niemand für sie die war kann es leicht sein dass sie- auch wenn sie aufhören möchte- immer wieder Rückfälle erleidet.

Habe hier noch eine Seite mit Erfahrungsberichten:
http://www.spiegel.de/schulspiegel/leben/0,1518,524328,00.html

Und eine für und von Betroffenen:
http://www.rotetraenen.de/

Hoffe ich konnte ein bischen helfen.  :winke:

Nycra

Sie hat ihren gesamten Körper in eine Art Kunstwerk verwandelt, um zu verschleiern, was dahinter steckt. So wurden aus einfachem Ritzen auch mal ein Schnörkel hier und da. Wenn jemand sie darauf angesprochen hat, hat sie behauptet, es wären Kerben für Feinde, die sie zur Strecke gebracht hat.

Nachdem ihr Körper fast vollständig damit bedeckt ist, öffnet sie alte Narben wieder, braucht ja den "Kick". Jemand - ihr Lehnsherr sozusagen - sagt ihr auf den Kopf zu, was sie tut. Und dann ...

... hab ich hier meine Frage gepostet.

zDatze

Ein heikles Thema. Besonders wenn du Ritzen (bzw. das Ergebnis davon) als Kunstwerk bezeichnest... sehr heikel. Man könnte (und wird) es falsch verstehen.
Ich will dir hier nichts unterstellen! Du hast dich sicherlich genug mit den Problemen auseinander gesetzt, um das selber zu wissen, daher nur einen kurzen Kommentar von mir bezüglich Narben: Wenn ich mir da die Arme von einer Freundin ansehe ... nein, definitiv nichts zu machen, dass man das so hinkriegt dass es "schön" ist. Besonders wenn man kreuz und quer mit einer Klinge gewerkt hat.

Simara

Zitat von: zDatze am 07. Juni 2010, 13:28:44
nein, definitiv nichts zu machen, dass man das so hinkriegt dass es "schön" ist. Besonders wenn man kreuz und quer mit einer Klinge gewerkt hat.

Nun, das ist wahrscheinlich Ansichtssache. Für Aussenstehende wird es grotesk wirken, aber die Figur scheint es für sich als Kunstwerk sehen. Außerdem, wenn sie von Anfang an wirklich nach einem Bestimmten Muster schneidet und nicht einfach die Kontrolle verliert, wird sie auch nicht Kreuzt und quer geschnitten haben, so das eine Gewisse Ordnung über allem liegt. Allerdings muss ich dir zustimmen, es ist ein sehr heikles Thema und man sollte sich prinzipiell zweimal überlegen wie man damit umgehen muss wenn man es tatsächlich einbringt.

Elena

Hallo Nycra,

wie alt ist denn deine Figur, und in welchem Alter hat sie mit dem Ritzen angefangen? Letztendlich weist die Krankheit ja auch Züge einer Sucht auf, und je länger man süchtig ist, desto schwerer fällt es, damit wieder aufzuhören.
Was das Aufhören ohne Therapie-Möglichkeit betrifft, so ist sicher auch die Frage, was ein Grund für deine Lady dazu sein könnte und was genau für sie dahinter steht.

Ich hatte in meiner Schulzeit mit einigen Leuten zu tun, die sich selbst verletzt haben, und die Bandbreite reichte da von einem ausgeprägten Selbsthass (teilweise mit einem entsprechend gestörtem Körperbild) über Probleme, mit emotionalen Situationen umzugehen, bis zu der Unfähigkeit, vor allem Wut gegen andere zu richten, sodass sie sich gegen den eigenen Körper richtete. Auch Überforderung mit der eigenen Situation und entsprechendem Frust, der durch das Verletzen sogar noch verstärkt wird, kamen vor. (Auch eine "richtige" Borderlinerin mit einem entsprechendem Persönlichkeitsprofil.)
Die Übergänge waren da sicher fließend, und die Frage ist auch immer, wie viel von dem, was jemand erzählt, tatsächlich in ihm vorgeht. Bei einigen bin ich mir auch ziemlich sicher, dass sie nie damit aufgehört haben.

Was ich auch gesehen habe, war, dass es je nach Situation und Haltung zu der Sache unterschiedliche Ausgänge genommen hat. Ein wichtiger Punkt war sicher auch die Einstellung zu der Sache: Leute, die das ganze als nicht schlimm angesehen haben/es in irgendeiner Art und Weise glorifiziert oder mit einem gewissen Trotz gemacht haben ("Sollen doch alle sehen, was sie mir antun") sind in den seltensten Fällen wieder rausgekommen - weil sie nicht wollten. Da kann auch kein Therapeut helfen.
Bei anderen war der Grund eher eine Art Selbstbestrafung, aber auch wieder eine Strategie, mit Problemen umzugehen. Da stand am Anfang eines Heilungsprozesses oft erst einmal die Erkenntnis, dass es eben keine Lösung ist, und dann die schwierige Aufgabe, alternative Möglichkeiten zu finden und ein entsprechendes Selbstbewusstsein zu entwickeln. Das könnte zum Beispiel geschehen, indem sich die Person Herausforderungen stellt und sieht, dass sie in der Lage ist, diese zu überwinden oder mit ihnen umzugehen. Dadurch kann das Gefühl der Hilflosigkeit und der Überforderung angesichts schwieriger Situationen besser besiegt werden und (in diesen Fällen) auch der Drang zum Ritzen.

Das Problem bei der Darstellung einer solchen Figur ist sicher die Vielfältigkeit der Gründe, es zu tun, die dann in noch mehr möglichen Lösungsansätzen resultieren, und in der realen Welt hilft eben oft nur eine Therapie - wenn die Person wirklich gewillt ist, damit aufzuhören. (Womit ich jetzt nicht meine, dass die Person wirklich gut findet, was sie macht, aber es ist eben eine (Über)Lebensstrategie, die sich fest in den Alltag eingeschlichen hat und die nicht ersatzlos gestrichen werden kann. Deswegen muss die Motivation sehr groß sein, und das Durchhaltevermögen in einer Situation, in dem der/diejenige sowieso schon völlig am Ende ist.)

Ansonsten: Lithiumhaltiges Wasser hilft ... ;)

Liebe Grüße,

Elena

Thaliope

Zitat von: Simara am 07. Juni 2010, 13:47:48
Außerdem, wenn sie von Anfang an wirklich nach einem Bestimmten Muster schneidet und nicht einfach die Kontrolle verliert, wird sie auch nicht Kreuzt und quer geschnitten haben, so das eine Gewisse Ordnung über allem liegt.

Ich glaube, ein wesentliches Kriterium für das "klassische" Ritzen ist, dass es eben nicht "kontrolliert" ausgeführt wird, dass es eine Handlung unter einem ungeheuren Druck ist, bei der der Handelnde nicht klar denken kann, und sich nur noch "befreien" will. Diesen Zwang kann ich mir ehrlich gesagt nicht in Verbindung mit ästhetischen Interessen denken.

Andererseits gibt es aber auch das Cutting, wo man sich Muster in die Haut schneiden lässt, so wie man sich z.B. tätowieren lässt, das würde eher in die Richung gehen. Meiner laienhaften Ansicht nach, hat das dann aber weniger mit borderline zu tun.

LG
Thali

Hanna

Also, als jemand, der in der Jugend selbst geritzt hat, muss ich dir leider sagen, dass Schnörkel recht schwierig hinzubekommen sind. Ich hab es ein paar Mal mit Buchstaben versucht, aber auch mit einem guten Messer schafft man eigentlich nur gerade Linien. Vorallem, wenn du Narben erhalten willst, wie deine Lady. Haut und Gewebe zu zerschneiden ist nicht so leicht, wie durch Butter schneiden. Man braucht eine Menge Kraft dazu.

Ein junges Ding, mit dem ich mal vor Jahren auf einem Festival war, ritzte aus einem anderen Grund als ich. Sie wollte sich tatsächlich nebenbei verschönern, weil ihre Eltern (Pädagogen  :pompom:) ihr Tattoos und Piercings verboten hatten. Neben den Schnitten verwendete sie dazu allerdings die runden Narben von Zigaretten, die sie auf der Haut ausdrückte. Sie hatte sich damit ein verschnörkeltes Kreuz auf die Haut "gemalt".

Falls du Fragen hast (wie fühlt sich das an? Kostet es Überwindung? wie stehst du heute zu deinen Narben? - was auch immer dir einfällt), darfst du mir gerne ein PN schreiben.

Liebe Grüße,
Hanna
#notdeadyet

Rigalad

Ich sehe das ähnlich wie ein paar andere hier. "Ritzen" mit Ästhesie zu verbinden, finde ich sehr schwierig. Es ist nun mal meistens ein seelisches Trauma, das nichts mit Schönheit zu tun hat, ob objektiv empfunden ist nicht. Eine frühere Freundin von mir hat sich ebenfalls geritzt und das Resultat sieht nicht sehr schön, auch nicht sehr geordnet aus. Im Gegenteil. Das Thema ist psychologisch komplex und wenn man sich da etwas verstrickt, kann man damit bestimmt dem ein oder anderen auf die Füßchen treten.
Deswegen wird es auch schwierig sein, einen Lösungsansatz zu finden, wie man damit aufhört. Dafür gilt es natürlich, dass dein Prota erst einmal die Ursache des seelischen Problems findet und dieses beheben/verarbeiten kann, ehe man sich darüber Gedanken macht, wie man diese "Sucht" in den Griff bekommt.

Nycra

Puh, ich wusste, dass das schwer wird, aber trotzdem bin ich überrascht über die Fülle an Dingen, auf die ich gar nicht gekommen bin.  :seufz: Gothanna, ich komme bestimmt auf dein Angebot zurück.

Ich danke euch für die Denkanstöße, die ich erst einmal verarbeiten muss, weil so, wie ich es mir überlegt hatte, geht es ja offensichtlich nicht. Da ich glücklicherweise noch am Plotten bin, ist das nicht so tragisch - nicht wie das Thema an sich. Trotzdem muss ich mich noch intensiver mit der Materie beschäftigen, dass sehe ich ein, bevor ich weiter mache. Und genau deshalb hatte ich hier ja auch gepostet.

Fakt ist, meine Prota hat ein schwerwiegendes Kindheitstrauma, sie will/muss sich selbst bestrafen und kommt erst im Erwachsenenalter davon los. Sie ist zwischen drei Welten zerrissen: Damonaei, Menschen und Göttern, weil sie von allen einen Teil in sich trägt. Ihre Mutter ist eine Göttin, die in Menschengestalt von einem wahnsinnigen Damonaei vergewaltigt wurde. Die Mutter hasst sie aus bekannten Gründen, schickt sie zu den Damonaei und dort wird sie, weil sie zum Teil menschlich, teils göttlich ist, als Missgeburt betrachtet. Man lässt sie diesen Hass spüren, weswegen sie sich in diese "Zuflucht" rettet.

Angefangen hat sie mit 10-12 Jahren, aktuell ist sie 29 Jahre alt. Sie wurde von einem Militär aufgezogen, der auch nicht vor Schlägen etc. zurückgeschreckt hat. Sie ist tough und hart, aber innerlich halt doch nicht so stark. Ich will sie nicht zur Alkoholikerin machen, weil ich nicht finde, dass das passt und Drogen sind bei ihr wirkungslos. Näher ins Detail wollte ich eigentlich nicht gehen, sonst müsste ich den Beitrag vermutlich unter eine andere Rubrik stellen, will ja keinen Ärger von den Obermotzen ..  :-\

Eine Frage habe ich aber dennoch (vielleicht auch an Gothanna):

Bei anderem Suchtverhalten kommt es doch auch vor, dass der Süchtige alles versucht, seine "Krankheit" vor Außenstehenden zu verbergen. Warum sollte es beim Ritzen nicht genauso sein? Okay, dass man keine Schnörkel hinbekommt, sehe ich ein, aber gradlinige Muster sollte doch machbar sein. Die symmetrisch angeordnet, könnten für Fremde doch als eine Art Körperkult durchgehen. Die eigentliche Bedeutung kennt ja nur die Prota.


Hanna

ZitatBei anderem Suchtverhalten kommt es doch auch vor, dass der Süchtige alles versucht, seine "Krankheit" vor Außenstehenden zu verbergen. Warum sollte es beim Ritzen nicht genauso sein? Okay, dass man keine Schnörkel hinbekommt, sehe ich ein, aber gradlinige Muster sollte doch machbar sein. Die symmetrisch angeordnet, könnten für Fremde doch als eine Art Körperkult durchgehen. Die eigentliche Bedeutung kennt ja nur die Prota.

Bei mir war es tatsächlich so. Ich habe das heimlich gemacht und versteckt. Ich wollte nicht, dass jemand etwas davon mitbekommt. Meistens habe ich mich im Bad eingeschlossen und mich anschließend gleich verarztet. Ich habe immer langärmelige Sachen getragen, auch im Sommer. Daei ging es mir aber auch darum, meine Eltern und Geschwister zu schützen. Ich wollte nicht, dass sich jemand Sorgen macht. Die wissen bis heute nicht, dass ich früher geritzt habe. Zum Glück habe ich auch nur wenige Narben, da ich immer die gleichen Stellen benutzt habe.

Symmetrische Muster als Körperkult kenne ich übrigens aus Afrika. Da gibt es diese Stammesnarben, die man im Gesicht und wohl auch am Körper trägt. Jeder Stamm verwendet ein anderes Muster. In diese Richtung kannst du sicher auch noch einmal recherchieren.
#notdeadyet