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[Recherche] Wie sieht das Leben im Internat aus?

Begonnen von Felsenkatze, 21. Juli 2011, 16:07:25

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Sprotte

Die Familie wohnte gemeinsam in der wirklich großzügigen (und meines Wissens mietfreien) Wohnung. Keine Trennung, nix da. Sie haben in der Woche auch die Mittagsspeisung im Internat mitgemacht. Und er mußte kein Schulgeld für sie zahlen.

Alia

Kannst du nicht in einem Internat in der Nähe mal anfragen, ob Interesse an einer Lesung besteht? Deine Schmetterlinge sind doch eine gern genommene Lektüre  ;)
Im Gegenzug bekommst du eine Einführung in das Internatsleben, darfst Schüler dazu befragen und bekommst eine Führung...  ;D

TheaEvanda

#17
Also, unangekündigte Drogentests hatten wir auch - das war auch nötig, etwa drei Viertel der Internen war auf dem ein oder anderen Rauschgift. Wir haben das natürlich unterwandert, und naja, einige der Delinquenten hatten auf einmal meine zweifelhaften Nierenwerte im Urintest.

Zitat@Thea: Okay, ich fürchte, ich muss eine Art Interview für all die ehemaligen Internatsschüler entwerfen. :) Vielleicht das Sinnvollste.
Wenn du sagst, die Schule war unabhängig geführt, gingen da auch Schüler hin, die nicht auf dem Internat waren? Und wenn ja, gab es da Animositäten zwischen den Schülern?
Betreutes Wohnen wäre auch ein tolles Konzept ... hm ... wie viel Freiheiten hattet ihr da? Gab es feste Schlafenszeiten, waren bei dem betreuten Wohnen ständig Betreuer da? Wie viele Leute waren da in einem Zimmer?

Die Schulstruktur war recht einfach: Ein normales Gymnasium in staatlicher Trägerschaft und ein darüberliegender Internatsteil in privater Trägerschaft. Interne gingen mit aufs Gym, Externe schliefen halt daheim.

Zwischen Internen und Externen gab es immer Rivalitäten - nicht unbedingt um bessere Noten sondern um größere Prügelfähigkeit, größere Sauffestigkeit, mehr ungestraftes Nerven im Unterricht. You get the picture? Ich als nicht-Alkoholtrinker habe mehrmals Schnapsleichen mit Alkoholvergiftung ins Krankenhaus bringen lassen. Die größte und ungeschlagene Leistung eines internen Mitschülers war es, sturzbesoffen am 11.11. in der ersten Stunde abgefragt zu werden und eine Eins nach Hause zu tragen. Danach ließ er sich wegen Kopfschmerzen befreien und verschlief den Tag...

Wir hatten feste Schlafenszeiten nach Alter, und je nach "Alter" (aka. Schulklasse) ging auch die Zimmerbelegung. Bis zur siebten im 5-6 - Bett - Zimmer, danach Vier- und Dreibettzimmer, und Kollegstüfler hatten den Luxus von 2er - und Einzelzimmern.

Später mehr, ich muss meine Küche zusammenbauen...

---Thea
Herzogenaurach, Germany

Edit: Ich habe ein paar Internatserfahrungen in meinem aktuellen Manuskript verarbeitet - soll ich dir die Auszüge schicken?

Faol

Eine Freundin von mir war jetzt gerade für ein Jahr in England in einem Internat. Ich weiß zwar nicht, in wie fern sich das unterscheidet, von den deutschen, aber ich hatte das Gefühl, gerade bei den Minderjährigen wird da sehr viel kontrolliert. Hausaufgaben mussten in bestimmten Zeiten unter Betreuung gemacht werden, nachmittags gab es irgendwelche Sportangebote, die man machen musste und am Wochenende durfte man zwar etwas später aufstehen als unter der Woche, aber es gab auch da eine feste Zeit, die ich noch sehr früh fand (ich glaube halb 9 oder so musste man beim Frühstück sein).
Two roads diverged in a wood, and I -
I took the one less traveled by,
And that has made all the difference.
(Robert Frost - The Road Not Taken)

TheaEvanda

#19
Noch mehr zum Leben im Internat - aus der Sicht der Außenseiterin:

Der ganz große Klassiker für Neue war das "Duschen": Der Neuzugang wurde inklusive Kleidung in die Dusche geschleppt und kalt abgeduscht. Wenn die Szene toll war, sogar mehrmals, und mit großem Geschrei auf dem Gang. Natürlich musste der Neuzugang hinterher auch die Schweinerei in Bad und Gang wegmachen. In einem Fall hatte das betreffende Kind nach sechs Duschgängen keine trockenen Kleider mehr.

Neue Interne wurden bei uns mit "Frischfleisch" tituliert. Andere Internate haben sicherlich andere Spitznamen?

Der Tagesablauf war theoretisch sehr geregelt. Unterricht begann um 7:15, Frühstück gab es von 6:30 bis 7:00 in einem selten variierten Buffet.
Heiß umkämpft in der Schüler-Mitverwaltung war die Auswahl aus den Müslis, die die Küche bereitstellte. Die Zini-Mini - Fraktion schlug sich regelmäßig mit der Müsli-ohne-Zucker - Fraktion, da es pro Großeinkauf nur eines von beiden gab - und dann für zwei Monate durchgehend das Gleiche.

Mittagessen gab es in zwei Schichte für die gesamte Schule (Gymnasium und Internat) in der Mittagspause. Man denke sich pro Schicht 250-300 Schüler, die alle gleichzeitig in den Speisesaal stürmen und lange Schlangen bilden. Eine einzelne Essensausgabe, und die diversen Schülertypen stellen sich entweder brav hinten an oder drängeln sich mit unterschiedlichem Geschick und -er Chuzpe vor. Schüler der Oberstufe (11. und 12. Klasse) hatten Vorrangbehandlung. Die konnten einfach vorlaufen und sich einen Teller geben lassen.
Es gab zwei Tische für die Oberstufe, die ihr Sitzprivileg mit Klauen und Zähnen verteidigten. Ein interner Unterstüfler musste diese Tische abwischen. Ich habe nie überblickt, wie dieser Job ausgeteilt und/oder herumgereicht wurde. Manchmal wurde einfach ein armes Hascherl von einem Oberstüfler abgefangen und zum Dienst verdonnert.
Mittagessenbesteck war Privatsache; jeder musste sein Eigenes mitbringen und selbst abwaschen. Nach dem Anstehen kam das zu kurze Essen und dann die Schlange an den Spülbecken. Nach jeweils zehn Schülern sah das Waschwasser recht ekelig aus.
Meine Vermeidungsstrategie war es, mir beim Frühstück frisches Besteck einzustecken und es am Abend regulär in die große Spülmaschine zu stecken. Bei täglichem Umschlag stinkt es nicht so in der Tasche ...

Nach der Schule gab es schulische Arbeitsgemeinschaften oder Internatsgetragene "Gilden". Bei uns waren im Angebot: Rudern (unser Sportlehrer war Ruderweltmeister und hatte ein Hobby ;) ), Fotographie/Bildentwicklung, Schülerzeitung, Musik (Orgelunterricht auf der Orgel der Hauskapelle, die Schule hatte kein eigenes Orchester), Nähen (bei der Hausschneiderin, die hauptsächlich für die Wäschepflege des Internats zuständig war und mir einsamen Wesen ein ruhiges Plätzchen mit ordentlicher Anleitung gab, die regulären Nähkurse haben sich erst danach entwickelt), Modellbau.
Zwei Freizeitbeschäftigungen pro Woche ware Pflicht, der Rest Kür.

Ausgang in die Stadt gab es für die jüngeren Schüler nicht, für ältere Schüler nach Absprache und in der Oberstufe mit Eintrag in die Abwesenheitsliste (die lag im Erzieherzimmer aus).

Hausaufgaben waren zwischen 15:00 und 17:00 Uhr im Zimmer zu erledigen. Die Erzieher gingen rum und kontrollierten, ob auch jeder an seinem Platz saß. Natürlich hatte jeder Zimmertrakt irgendwo einen Schmieresteher, der auf nahende Erzieher hinwies. Oberstufenschüler hatten wieder ihre Extrawurst, die durften arbeiten, wann und wo sie wollten, solange sie die Jüngeren nicht störten (woran sich nie jemand hielt. Einmal haben die Jungs über uns zur Arbeitszeit Hockey geübt. Mit Holzkugel auf Holzfußboden ...)

Mädchen und Jungen wurden getrennt aufbewahrt, und Mädchen hatten im Jungstrakt, Jungs im Mädchentrakt nichts zu suchen. Diese Regel wurde meist ignoriert, bis ein Weiberl sich halbnackt im Bett eines Jungen überraschen ließ und die Kontrollen stark verschärft wurden. Ich bin mehrere Wochen lang von Taschenlampenstrahlen in meinem Gesicht geweckt worden, als die Erzieher mein Bett kontrollierten. Im Internat ist man immer in Sippenhaft.

Das Angebot mit den Textauszügen zum Internatsleben steht noch, die darf ich aber leider nicht posten.

Bis denne,

Thea
Herzogenaurach, Germany

Felsenkatze

#20
Boah, Thea, vielen, vielen Dank.  :knuddel: Ich war am Wochenende in Selsingen, deswegen die späte Antwort. Das hilft mir auf jeden Fall.  :knuddel:

Wenn dir das nichts ausmacht, würde ich mich über die Manuskriptauszüge auch freuen.  :vibes:

@Faol: Ich hab ehrlich gesagt auch keine Ahnung, wie sehr sich Deutschland und und England da unterscheiden. Aber ich glaube, die strengen Kontrollen sind relativ normal.

Kraehe

Zu internatsinternen Ritualen: Bei uns gab es Sklaven und Massas. 13er Internatler habenm sich jährlich die 11er versklavt - gab dann ein Einweihungsritual, am Ende eine Ausweihung, die die 11er dann für die 13er gemacht haben.  Und Sklave sein war zu verschiedenem da: 1) Kontakt schaffen - dadurch dass man Massas hat, die sich theoretisch im Sklavenvertrag auch verpflichten, mal ab und an was mit einem zu machen. 2) dei Sklaven konnten dann beim Buffet Brötchen o.ä. für ihre Massas machen, wenn z.B. Langzeitklausuren waren ;) 3) dann gab es noch die Sklavenschau, bevor die Sklaven überhaupt versteigert wurden. (man konnte sich den Sklaven sichern, indem man einander mit Getränken  überbot)

Felsenkatze

@Krähe: Das klingt irgendwie gruselig. Und politisch ... mittel korrekt. Aber danke.  :vibes:

Ich glaube, ich mache jetzt hier mal zu. Spätestens nach Theas Monster-PNs (Danke!) habe ich eine ganz gute Vorstellung. Ich danke euch allen für die Mithilfe. :gruppenknuddel: