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[Religion] Hinduistische Götter im Alltag

Begonnen von Sascha, 15. März 2014, 16:59:26

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Sascha

Hi all!

Hab mich grad gefreut, daß Nadine diese Payer-Seite empfohlen hat (und dann ist da auch noch ein Indologe), aber leider hab ich da auch nix zu dem gefunden, was mich interessiert.
Also, folgendes, was mir vermutlich nur jemand beantworten kann, der zumindest mal eine Weile in Indien war.
Vielleicht findet sich zufällig jemand, der sich da auskennt, das wäre fein.

Wenn man so zum Thema Hinduismus herumgoogelt, heißt es einerseits, daß der Hinduismus (der ja selbst aus vielen Varienten/Strömungen besteht) 3500 bis 4000 Götter kennt, diese aber andererseits eigentlich alle für ein und dasselbe stehen, so eine Art Weltenseele (Brahman). Und es gibt ja auch einige Götter, die eigentlich nur verschiedene Inkarnationen bzw. Manifestationen des selben Gottes sind. Zumindest bei Vishnu finde ich das.
Okay, so weit die Theorie. Aber wie sieht das der "einfache Hindu vom Lande"? Es heißt ja auch, daß jeder Hindu-Haushalt morgens erst mal am Altar zu seinen Göttern betet, und man sieht ja wohl auch überall Figuren der diversen Gottheiten.
Sieht also der einfache Hindu seine Götter als eigenständige Personen? Ist der Hinduismus also im Alltag doch ein richtiger Polytheismus? Sind Vishnu, Hanuman, Ganesha, Lakshmi usw. im Kopf der Masse eigenständige Wesen? Von mir aus auch als Devas, Hauptsache, es sind mächtige Wesen, die verehrt werden.

Der Wiki-Artikel ist ja recht ausführlich, aber halt auch sehr theoretisch.
Interessant für mich ist aber die Praxis, der Alltag möglichst vieler Hindus.
Dazu steht dort:
ZitatDie meisten Gläubigen gehen davon aus, dass die Anbetung eines jeden Gottes dem Anbeten des höchsten Göttlichen entspricht, da alle Erscheinungsweisen des Einen seien.
Irgendwie geht das aber nicht in meinen Schädel rein, daß man X verschiedene Götter anbetet und damit doch immer denselben/dasselbe meint. :wums:

Also, wer war evtl. mal längere Zeit in Indien und kennt die Denke da?

Danke schon mal!

Alana

#1
Ich kann nun auch nicht aus langer Erfahrung sprechen, aber was ich so von Indien mitbekommen habe, würde ich sagen, dass das auf den Alltag ziemlich gut zutrifft.

Nimm mal als Beispiel einen Gott in Gestalt eines Menschen.

Dsiclaimer: Man möge mir diesen Vergleich verzeihen. Das Beispiel ist sicher nicht perfekt, aber ich glaube, es demonstriert, was ich meine. Ich hoffe, ich trete damit jetzt niemandem zu nahe, das ist nicht beabsichtigt.

Die Religionsanhänger dieses einen Gottes verehren ihn nicht im Ganzen, sondern jedes seiner Körperteile einzeln. Also die einen verehren seinen Daumen. Die anderen seinen kleinen Zeh. Wieder andere die Nase oder den Mund. Damit verehren sie zwar immer nur einzelne Teile, aber immer Teile desselben Gottes, also eigentlich immer den Gott an sich. Wenn nun zum Beispiel der Gott einen Gläubigen rettet, indem er mit der Hand einen Tiger wegstößt, dann verehrt diese Familie in Zukunft die Hand. Wenn der Gott jemanden rettet, in dem er durch die Gegend brüllt, verehrt diese Familie in Zukunft den Mund. Viele verehren auch mehrere Gottheiten, weil sie mehreren was zu verdanken haben. Es gibt zum Beispiel auch in sehr vielen indischen Tempeln einen Schrein für Jesus, weil die Inder eben auch ihn für einen Teil des großen Ganzen halten und nicht riskieren wollen, die Ferse zu verärgern, die sie sonst vielleicht zertrampeln könnte. ;)
Alhambrana

Debbie

Vorsicht: Brahmanismus und Hinduismus sind nicht das Gleiche! Und: das Internet (v.a. Wikipedia) ist nicht die beste Quelle, wenn es um Religion oder Myhtologie geht.

Da ich schon einige Bücher über indische Mythologie gelesen habe (ist aber schon eine Weile her), meine ich mich zu erinnern, dass die Gläubigen eben immer jene Inkarnation eines Gottes anrufen/anbeten, die für den Bereich zuständig ist, in den ihre Wünsche und Hoffnungen oder ihr Dank fallen. Und sofern nicht eindeutig klar ist, dass - wie bei Vishnu, Shiva oder Kali - die verschiedenen Inkarnationen Teil der selben Gottheit sind, werden die verschiedenen Götter auch nicht als Inkarnation des "Einen" gesehen. Die Hindus haben ebenso ein Pantheon wie die Germanen, Griechen, Kelten, etc.. mit eindeutigen Verwandtschaftsverhältnissen. Also definitiv nicht alles eins.

Alana

Oh je, ich hoffe, ich hab dann jetzt nicht zu großen Blödssinn verzapft. So wie ich es erklärt habe, hab ich es immer verstanden, aber ich habe in die Richtung auch nie tiefere Recherche betrieben.
Alhambrana

Sascha

Wow, ich sehe, ich muß noch einiges über den TiZi lernen. Eigentlich hatte ich das Thema schon längst abgeschrieben, und plötzlich geht hier die Diskussion los.
Übrigens hab ich inzwischen zwei Hindu-Tempel angeschrieben mit der Frage, aber leider keine Antwort bekommen. :(

Also, inzwischen hab ich mich entschieden, in den Nachbemerkungen zu schreiben, daß der Hinduismus offiziell kein wirklicher Polytheismus ist und diese komplizierte Sichtweise ganz kurz anzuschneiden, aber ansonsten die diversen Götter als eigenständige Wesen zu behandeln.
Ich kann mir auch eigentlich nicht vorstellen, daß man von Anfang an eine Religion so aufbaut, daß sie zwar im Kern eher eine Art Monotheismus ist, nach außen hin aber wie ein Polytheismus auftritt. Ich könnte mir vorstellen, daß vielmehr die vielen Götter der alten Naturreligionen und Polytheismen in die neuere, eher monotheistisch ausgerichtete Sichtweise mit eingebunden wurden. Das ist ja üblich, daß neu entstehende Religionen die wichtigen Elemente ihrer Vorgänger assimilieren, um überhaupt bei der Bevölkerung anzukommen.

Sascha

Ich denke, das hier kann man zumachen. Ist doch etwas zu ausgefallen, da muß ich, wenn ich es realistisch haben will, mal wo anders nach Hindus oder entsprechenden Fachleuten suchen.