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[Reitkunde] Reittiere für einen Wanderritt

Begonnen von Churke, 09. Oktober 2013, 11:56:30

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Churke

Zitat von: Luna am 10. Oktober 2013, 10:16:05
Du wirst Deine Prota, eine gestandene Ritterin, doch nicht im Damensattel reiten lassen :bittebittebitte: :bittebittebitte:, oder?
Das wäre nicht nur ziemlich sinnfrei, es würde auch schon in der 1. Szene scheitern.  ::)

Aber die Antagonistin galoppiert im Seitsitz ohne Zaumzeug und Zügel. Normal geht das nicht, aber sie ist halt ne Hexe...  ;)

Die Pferderassen sind auch soweit passend. Noriker und Thüringer gibt es mindestens seit dem frühen Mittelalter.

canis lupus niger

#16
Gerade habe ich die vorangegangenen Beiträge durchgelesen und würde nun auch noch meinen Senf dazu geben wollen.

Also, zum Thema Hengst als Streitross: keine Frage, das ist üblich gewesen. Das Packtier dagegen sollte eher ein Wallach sein, keine Stute. Man kann einen Hengst natürlich "funktionierend machen", und im Training und in der Schlacht hat man da bestimmt auch nicht lange gefackelt. Aber als Dauerzustand war es doch eher wünschenswert, dass das Tier sich auch mal entspannen und erholen konnte, statt dauererregt zu sein. Andererseits dreht ein Hengst nur dann auf, wenn die Stute rossig, also empfängnisbereit ist. Wenn sie tragend ist, dann stresst sie den Hengst und seinen Reiter nicht mehr als ein Wallach. Ein Fohlen kann man entweder behalten, oder möglichst bald verkaufen, oder (alle Tierfreunde bitte jetzt drüberweg lesen!!!) schlachten und aufessen. Das Essen von Pferdefleisch ist nicht überall auf der Welt, und auch bei uns erst seit einiger Zeit tabuisiert.

Dennoch: Als Packtier wäre meine Wahl ein Maultier. Schon seit der Antike hat man aus großen Eseln und guten Pferdestuten große und leistungsstarke Maultiere gezüchtet. Sogar Mohammed ritt trotz seiner Pferdeliebe am Liebsten auf einem Maultier! Sie sind körperlich und nervlich stärker, ausdauernder und langlebiger als Pferde. Allerdings wird auch eine Maultierstute ebenso rossig, wie eine Pferdestute, auch wenn sie in der Regel unfruchtbar ist. Also auch hier: Ein Wallach.

Und dann fiel mir noch ein, dass Du Pferderassen genannt hattest, Churke. Ein Thüringer (?) Warmblut und ein Noriker Kaltblut. Das halte ich für etwas unglücklich. In der Regel hat man doch die Pferde erworben und benutzt, die in der Region gezüchtet wurden, gerade in einer Zeit, in der Langstreckentransporte von Zuchttieren eher die Ausnahme waren. Wenn Deine Geschichte in Mitteldeutschland spielt, ist es fraglich, ob Deine Ritterin wirklich ein Kaltblut aus der Schweiz als Arbeitstier hätte. Selbst, wenn es so ein Pferd aus irgendwelchen Gründen dorthin verschlagen haben sollte (Um die Zucht durch Einkreuzung aufzubessern, hat man eher Hengste eingesetzt, deren Reproduktionsrate war größer.), dann würden die Leute es vermutlich nicht mit der Rassebezeichnung nennen/kennen, sondern nur als "Arbeitspferd" . Die Bezeichnungen "Warmblut" und "Kaltblut" entstanden erst lange nach dem Mittelalter. Ich vermute, dass ein Ritter, ein Pferdehändler oder auch ein Züchter eher von einem "Streitross aus Thüringer Zucht" und von einem kräftigen Packpferd (ohne Rassebezeichnung) sprechen würden. Überhaupt gab es die Trennung zwischen Reit- und Arbeitspferden ja noch nicht. Bis ins 19. Jahrhundert hat man zur Arbeit im "schweren Zug" Ochsen eingesetzt, weil die billiger zu ernähren waren und auch einfach stärker. Wenn Du also ein Pack"pferd" haben möchtest, dann wäre es wohl einfach ein Pferd minderer Qualität (weswegen man einen Hengst auch kastriert und zum Arbeitstier degradiert hätte). 

Julia

#17
@ Luna: Damensattelreiten macht super viel Spaß - wenn man ein zuverlässiges Pferd und einen Sattel mit vernünftigen Sicherheitsstandards hat (Bügelschloss und eventuell Sicherheitsbügel). Außerdem ist der Sitz viel sicherer als im Herrensitz, weil man bei dem "modernen" (also den maximal 100 Jahre alten) Damensattel durch die beiden Hörner kaum vom Pferd fallen kann. Man sollte nur nicht mit dem Pferd stürzen - aber das macht auch im normalen Sattel keinen Spaß ;-)

@ Churke: Bei der Rassenbezeichnung schwanke ich trotzdem noch - bestimmt gab es damals schon Pferde, die "aus Norikum" stammten, aber es wird eher eine bunte Mischung von kräftigen, trittfesten Pferden gewesen sein, die kaum dem heutigen Zuchtbild entsprachen, sondern vor allem nach ihren Fähigkeiten selektiert wurden. Bei den Islandpferden wurde es noch bis vor einigen Jahrzehnten so gehalten - obwohl es durch die Insellage und das Importverbot auf Island seit 1000 Jahren eine (fast) vollkommene Reinzucht der Isis gibt, können diese Pferde in Aussehen und Größe ziemlich stark streuen. Bis vor einigen Jahren wurden auf den Zuchtschauen noch Ponys mit einem Stockmaß von 124 cm vorgestellt, es gibt aber auch Knochenfunde aus Zeiten der Landnahme (und später), bei denen die Pferde 150 cm und mehr aufwiesen. Auch vom Typ her gibt es ganz unterschiedliche Pferde - manche edel, schon fast arabisch anmutende Pferdchen (oft Stuten), manche im Pony-Typ stehend und andere wiederum wie Kaltblüter im Miniformat. Grund dafür war vor allem der Pragmatismus der Isländer: Aussehen war schon immer schnuppe, wichtig war nur, dass die Pferde zuverlässig, mutig und trittsicher waren - und vor allem bequem. Alles was aufmuckte, feige oder schlecht zu Reiten war, kam in die Suppe (auch eine Form der Selektion ;) ) - mit dem Rest wurde gezüchtet.
Im Mittelalter wird es ähnlich gewesen sein - die Pferde mussten genügsam und mit möglichst wenig Futter möglichst große Leistungen bringen - wie der Zosse aussah, war dabei völlig egal. Von daher würde ich in einem historischen Roman zwar mit einem "Pferd aus der Provinz Noricum" oder einem "norischen Pferd" gut leben können, aber ein "Noriker", wie wir ihn heute kennen, wäre mir nicht sauber genug recherchiert (ich bin da überpinselig, ich weiß  ::) ).
Ähnlich wird es mit dem Thüringer Warmblut sein - es wird sicher weit ins Mittelalter reichende Wurzeln haben, aber DAS Thüringische (Schwere?) Warmblut mit einem einheitlichen Zuchtziel gibt es erst seit den letzten zwei- oder drei Jahrhunderten. Vorher war es auch aus rein logistischen Gründen nicht möglich, einen einheitlichen Pferdetyp über ein großes geografisches Gebiet zu erzielen - die Zücher waren oft Bauern, und die mussten nehmen, was in der näheren Umgebung an Hengsten zur Verfügung stand, während der Adel sich nicht mit dem hiesigen Pferdeschlag abgeben mochte - dort waren wie gesagt vor allem iberisch und neapolitanisch geprägte Pferde sowie die Vorläufer der sogenannten Barockrassen begehrt (sehr gute Informationen zu den einzelnen Pferderassen der "Ritter" finden sich übrigens auf den entsprechenden Seiten der klassisch-barocken Reitkunst, die aus der mittelalterlichen Kampfkunst zu Pferde hervorgegangen ist, z.B. http://www.hofreitschule.de/reitkunst-erleben/pferde-von-a-z.html

... und einen hab ich noch, bevor ich endlich meinen vorlauten Schnabel halte - nämlich einen Link zu einer Reitkunst-Vorführung, die eng an der historischen Vorlage (wenn auch eher barock als mittelalterlich) des Kampfes zu Pferde angelehnt ist: http://www.youtube.com/watch?v=QARmVFlxQB0

Edit: Ups, hat sich teilweise mit dem Beitrag von canis lupus niger überschnitten ...

Ratzefatz

ZitatAber ich muss da mal etwas anderes zu bedenken geben: Einen Hengst halte ich als Schlachtross für eine doofe Idee. Einmal eine rossige Stute vorgeführt und die Ritterin dürfte Meinungsverschiedenheiten mit ihrem Reittier haben.

Wenn ich mich recht erinnere, nutzt Martin diesen Effek in "A Song of Ice and Fire". Gregor Clegane reitet im Turnier einen Hengst, Loras Tyrell tritt ihm - ganz bewusst - auf einer rossigen Stute entgegen. Ergebnis: 1:0 für Loras.

LG
Ratzefatz
,,Dein Name ist Venko", raunte Zoya in sein Ohr. ,,Venko, Venko, Venko." Sie gab ihm für jedes ,,Venko" einen Kuss und ermahnte ihren Mann: ,,Vergiss deinen Namen nicht!"
,,Wie könnte ich ihn vergessen, meine Zoya", raunte er zurück, ,,wenn ihn vergessen auch dich vergessen hieße?"

Luna

Zitat von: Ratzefatz am 15. Oktober 2013, 17:09:02
Wenn ich mich recht erinnere, nutzt Martin diesen Effek in "A Song of Ice and Fire". Gregor Clegane reitet im Turnier einen Hengst, Loras Tyrell tritt ihm - ganz bewusst - auf einer rossigen Stute entgegen. Ergebnis: 1:0 für Loras.
Und einen Hengst ohne Kopf  ;D.

canis lupus niger

#20
Es ist ja auch nicht so, dass ein Hengst völlig unkontrollierbar wird, sobald er eine rossig Stute wahrnimmt.

Unter Wildpferden darf nur der stärkste Hengst die rossig werdenden Stuten dieser Herde decken. Die anderen zwingt er, außerhalb der Herde zu leben. Zwar testen die Konkurrenten immer wieder, ob der Chef seinen Machtanspruch tatsächlich noch durchsetzen kann, aber immerhin werden hier etliche potente Hengste durch Disziplin vom Decken abgehalten. Und genauso ist dies in Menschenhand möglich.

In einer Fachzeitschrift habe ich vor längerer Zeit einen Artikel darüber gelesen, wie gut erzogen manche Deckhengste sind. Zum Beispiel wurde von einem Quarterhorse-Hengst berichtet, der erst auf das Kommando seiner Betreuerin auf die bereitstehende (und sehr bereite) Stute aufsprang. Eine Freundin von mir ist Tierärztin, auf Pferde spezialisiert, und sie bestätigte mir diese Tatsache. "Es wäre für die Betreuer ja auch nicht machbar, wenn die Hengste, die genau wissen, worum es geht, schon auf den Hinterbeinen aus der Box kommen. Die Tiere müssen in jedem Augenblick kontrollierbar sein."

Wäre es anders, könnte eine berittene Armee die andere allein dadurch besiegen, dass sie durchweg mit rossigen Stuten antritt, So blöd waren die im Zeitalter der auf dem Pferderücken durchgeführten Kriege ja auch nicht. Ein gut erzogener Hengst ist ebenso kontrollierbar wie ein Wallach, vielleicht etwas unkonzentrierter in Anwesenheit einer betörenden Lady. Und dass das Streitross eines Ritters gut erzogen ist, kann man wohl annehmen, denn das Leben des Reiters hing davon ab.

Merrit

Wenn ich mich recht erinnere, dann wurden die Streitrösser (und ja, ein Hengst passt da sehr gut) auf "Reisen" nicht geritten. Sie waren dafür zu kostbar. Meist wurden sie mitgeführt und für die Überlandritte bequeme töltende (zeltende) Reittiere (Zelter) verwendet. Das konnten Pferde, oder auch Maultiere sein z.B..
Stuten waren dabei eher selten vertreten.
Zuchten wie heute gab es damals auch kaum. Es waren Landschläge, aus denen unsere heutigen Rassen hervorgegangen sind. Aber es gab berühmte Zuchten/Züchter, deren Pferde begehrt waren, oder die Hengste/Stuten importierten, welche der ländlichen Zucht Fortschritte und Verbesserungen bescherten.
Ich hoffe, die Antwort kam nicht all zu spät  :-\.

Liebe Grüße
Merrit

Churke

Der Text wartet noch aufs Lektorat, also Änderungen jederzeit möglich. Aber 3 Pferde stelle ich mir für eine Einzelperson ziemlich unpraktisch vor.

Merrit

Nun ja, ein Ritter war ja normalerweise nicht alleine unterwegs ;-).
Was du daraus machst ist ja immernoch deine Entscheidung. Nimm was du gebrauchen kannst, lass das andere weg.
Einen guten Rutsch ins Neue Jahr :-)