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[Physik/Schifffahrt] Wie schnell sinkt ein Segelschiff?

Begonnen von Arcor, 10. April 2012, 11:40:30

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Arcor

Ich habe für mein Projekt direkt auch noch eine zweite Recherchefrage, die ich trotz zahlreicher Bücher über Schifffahrt bisher nicht beantworten konnte. Das Setting ist vergleichbar mit unserem 18. Jahrhundert.

Und zwar geht es darum, wie schnell ein Schiff sinkt. De facto geht es dabei um zwei verschiedene Segelschiffe: einmal eine Karacke (http://de.wikipedia.org/wiki/Karacke) und einmal eine Brigg (http://de.wikipedia.org/wiki/Brigg).

Bei der Karacke schließt die Frage im Prinzip direkt an meine andere Frage zur Sprengkraft an: http://forum.tintenzirkel.de/index.php/topic,10092.0.html Wie viel Wasser müsste einströmen, damit das Schiff innerhalb von maximal einer halben Stunde sinkt, gerne auch schneller? Und wie groß oder zahlreich müssten dafür die Löcher im Rumpf sein?

Bei der Brigg stellt sich die Situation schon anders dar. Sie soll über einen längeren Zeitraum, genau über 72-96 Stunden, unbemannt im Hafen liegen und leise vor sich hin lecken. Also ohne, dass jemand die Pumpen bedient. Ich weiß, dass man mit Männern an den Pumpen durchaus auch stärkeren Wassereinbruch bei Segelschiffen überstehen konnte. Aber wenn niemand an den Pumpen steht und das Schiff leckt, ist es dann möglich, dass das Schiff sich mind. 72 Stunden über Wasser hält? Wenn es nicht zu stark leckt, müsste das doch eigentlich gehen. Daran schließt sich allerdings meine nächste Frage an, in der auch wohl das eigentliche Problem liegt. Würde man ein solches Lecken zuvor überhaupt als Problem registrieren? Oder wäre ein so starkes Lecken, dass man es als Problem für ein Segelschiff ansieht, sodass man es am liebsten in einer Werft überholen würde, so heftig, dass das Schiff sich unbemannt nicht 72 Stunden über Wasser halten kann?

Das klang jetzt etwas kompliziert, aber ich hoffe ihr versteht, was ich meine.
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Faye - Finding Paradise

Sprotte

Brüderchen ist soeben aufgestanden. Sobald er sich hier blicken läßt, werde ich ihm das Problem vortragen ...

Grummel

Grundsätzlich ist es so, dass allein von der Bauweise her, die Brigg bei einem kleinen leck gleichmässig vollläuft und aufgrund der relativ modernen Bauweise eine sehr gute Lastverteilung hat. Soll heißen, ein solches Schiff mit einem kleinen Leck kann durchaus mehrere Tage seetüchtig bleiben bevor es sinkt.
Die Karacke allerdings hat eine miserable Lastverteilung. Ein solches Schiff konnte eigentlich bei Vollast besser fahren als ohne Beladung. Eine Karacke wird mit einem großen Loch und ohne ordentliche Lastverteilung rasend schnell versinken.
"Kaffee?"
"Ja, gerne."
"Wie möchtest du ihn?"
"Schütte ihn mir einfach ins Gesicht!"

Sprotte

Brüderchen stimmt bei der Karacke zu: Großes Loch, blubb.

Beide haben keine Unterteilung mit wasserdichten Schotts, Kollisionsschutz wurde erst später bei den Klippern eingeführt. Gleich großes Loch bedingt also gleich schnelles Sinken.

Bei der Brigg schlägt Brüderchen eingedrückte Planken vor.

Farean

Das hängt ohnehin von sehr viel mehr Faktoren ab als nur der Größe des Lecks. Befindet sich das Leck am Bug oder Heck, so daß sich das Schiff am Ende hochkant stellt, dann wird es durch die ungleichmäßige Druckverteilung irgendwann auseinanderbrechen. Befindet es sich in der Mitte, kann das Schiff noch eine Weile durchhalten. Sind die Luken an Deck ordentlich dichtgemacht, dann kann sich eine Luftblase bilden, die das Schiff etwas länger obenhält.

Bei der Karacke brauchst du also nur eine "Sollbruchstelle" einzubauen, also eine Bedingung, bei der es nach einer halben Stunde "Knacks" macht, und bis dahin treibt es noch ganz gut an der Oberfläche, um kurz darauf rasend schnell zu versinken. Schwieriger stelle ich mir das bei der Brigg vor, und zwar wegen der Frage: wie kann es 72 Stunden lang übersehen werden, daß das Ding am Sinken ist? (Oder kriegen deine Charaktere das schon mit, sind aber zu beschäftigt, um sofort etwas dagegen zu unternehmen?)

Lynn

Zitat von: Sprotte am 10. April 2012, 12:00:51
Großes Loch, blubb.
:rofl:  :rofl:  :rofl:  :rofl:

Selbst wenn ein Schiff nur langsam vor sich hin leckt, müsste das dann nicht trotzdem allmählich immer tiefer im Wasser liegen? Und müsste spätestens das nicht irgendjemandem auffallen?  :hmmm:

Churke

Zitat von: Arcor am 10. April 2012, 11:40:30
Bei der Brigg stellt sich die Situation schon anders dar. Sie soll über einen längeren Zeitraum, genau über 72-96 Stunden, unbemannt im Hafen liegen und leise vor sich hin lecken. Also ohne, dass jemand die Pumpen bedient.

Holzschiffe sind nie wirklich dicht. Da dringt immer Wasser ein, das sich in der Bilge sammelt. (Bilgenwasser) Die Menge hängt vom Wartungszustand ab, also davon, wie sorgfältig die Nähte kalfatert (abgedichtet) wurden. Durch ein kleineres Leck kann das natürlich mehr werden.
Wahrscheinlich würde man vor dem Auslaufen aber das Bilgenwasser kontrollieren (pumpen muss man ja sowieso) und jemand, der neu ist an Bord, würde da sehr genau hin sehen. Bei den Wikingern galt da die Regel: Wenn der Rumpf zu viel Wasser ziehst, fährst du nicht mit!

Aber es kann natürlich sein, dass Käpten Geizkragen das Lecken für tolerabel hält (Überholen kostet Geld) und lieber in Manpower für die Pumpen investiert.


Arcor

Tausend Dank schon einmal für die Antworten.

Mit der Karacke scheint das Problem dann soweit gelöst zu sein, dank der Antworten im anderen Thread. Rum anzünden und der Kahn fackelt ab, damit ist das dann geklärt.  ;D

Bei der Brigg sehe ich aber, dass ich da etwas weiter ausholen muss. Und zwar soll es nicht übersehen werden, dass die Brigg zu sinken droht.
Es sollte so sein, dass der Kapitän gezwungen wird, noch eine Fahrt zu machen, obwohl er das Schiff gerne erst einmal überholen würde. Sie soll also für den Moment nicht mehr so gut in Schuss sein. Ich hatte mir bisher gedacht, dass einfach die Kalfaterung neu gemacht werden muss und das Wasser zwischen den Planken hindurchsickert. Solange gepumpt wird wäre das kein Problem.
Allerdings wird dann die gesamte Mannschaft ins Gefängnis geworfen, woraufhin das Schiff zu sinken droht. Am besten wären da etwa 72 Stunden oder etwas mehr. Der Kapitän türmt dann, um seine Unschuld zu beweisen und damit auch sein Schiff zu retten. Und den Leuten, die ihn eingesperrt haben, ist es ziemlich egal, ob sein Schiff sinkt - wobei ich mich gerade frage, ob das in einem Hafen realistisch ist, außer das Hafenbecken ist sehr tief. Denn sonst müsste das Wrack ja andere Schiffe stören.

@Sprotte
Kann dein wunderbarer Bruder noch ein wenig weiter ausholen?  :bittebittebitte: Was würden die eingedrückten Planken genau bewirken bzw wie kann es zu eingedrückten Planken kommen? Brauch man dafür einen bestimmten Vorfall oder kann das auch unter normaler Fahrt einfach durch Verschleiss passieren?
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Farean

Zitat von: Arcor am 10. April 2012, 15:48:32
Allerdings wird dann die gesamte Mannschaft ins Gefängnis geworfen, woraufhin das Schiff zu sinken droht. Am besten wären da etwa 72 Stunden oder etwas mehr. Der Kapitän türmt dann, um seine Unschuld zu beweisen und damit auch sein Schiff zu retten. Und den Leuten, die ihn eingesperrt haben, ist es ziemlich egal, ob sein Schiff sinkt - wobei ich mich gerade frage, ob das in einem Hafen realistisch ist, außer das Hafenbecken ist sehr tief. Denn sonst müsste das Wrack ja andere Schiffe stören.
Ein so tiefes Hafenbecken kann ich mir, ehrlich gesagt, nicht vorstellen.

Wie wäre es mit folgendem Arrangement? Nach 72 Stunden ist der "Point of no return" überschritten, sprich: Dann bräuchte es schon ein Trockendock und eine Generalüberholung auf der Werft, um das Schiff noch zu retten. Vor diesem Zeitpunkt wäre die Mannschaft noch in der Lage, es irgendwie selbst wieder flottzumachen.

Der Hafenmeister ist sich dessen natürlich bewußt, sieht er dem Schiff ja genüßlich beim langsamen Absaufen zu. So sähe er sich nach Ablauf der 72 Stunden zu seinem größten Bedauern gezwungen, es von ein paar Ruderbooten aus dem Hafen schleppen zu lassen, damit es nicht das Hafenbecken blockiert. Er würde es dann in eine Bucht schleppen lassen, die "zufällig" einem ortsansässigen Kaufmann gehört (Vielleicht steht sein Stadtpalais direkt an dieser Bucht), und wenn das Schiff dann dummerweise dort auf Grund läuft, gehört es nach Recht und Gesetz besagtem Kaufmann? (Hinter den Kulissen hat vielleicht schon die Versteigerung unter den Kaufleuten angefangen, zu wem das Schiff geschleppt wird...)

Alternativ, wenn das Schiff eh nicht mehr viel wert ist, würde der Hafenmeister es dann einfach ein bis zwei Meilen aufs Meer hinaus schleppen lassen, und im tieferen Wasser kann es dann getrost untergehen, ohne den Verkehr zu behindern.

Volker

#9
Wenn wir mal davon ausgehen, dass das Schiff nicht aufgrund schiefer Ladung oder ungleichmäßiger Wasserbelastung kentert, sondern ganz gemütlich immer tiefer sinkt und schließlich im Stil der Captain-Sparrow-Eingangssequenz wegblubbt:

Wenn Du die mögliche Zuladung bis zur Untergeh'-Grenze kennst:

  • Liter Wasser = kg Zuladung
  • Kubikmeter Wasser = Tonnen Zuladung

Die Wikipedia nennt bis 500t Zuladung für eine große 40m Karacke. Die Santa Maria war auch eine Karacke, aber nur wenig mehr als halb so groß. Der einfacheren Rechnung nehmen wir mal 300t an - das müsste auch für eine Brigg passen.  Also müssen 300m³ = 300.000 Liter Wasser ins Schiff.

In einer halben Stunde - also 300.000/30/60 =  160 Liter pro Sekunde. Eine Badewannen pro Sekunde. Das Loch würde ich überschlagsweise dann ähnlich groß annehmen: 1-3 qm.

In 72 Stunden sind das dann nur noch 300.000/72/60/60 = 1,2 Liter pro Sekunde, ein Messbecher voll, also würde ich mal Honigmelonengröße schätzen.


Arcor

@Farean
Mh, deine Idee hat was.  :hmmm: Ich muss auf jeden Fall etwas in der Geschichte umstellen, da ein gesunkenes Schiff im Hafen ja ein echtes Problem darstellt. Das mit dem Stadtpalais funktioniert nicht, aber das Schiff könnte beschlagnahmt werden, immerhin sitzt die Mannschaft ja im Gefängnis, das Schiff ist somit herrenlos. Mal sehen. Ich brauche dann wohl definitiv noch eine Szene mit dem Hafenmeister. Unreperierbar ist die Brigg jedenfalls noch nicht, von daher würde sie wohl nur aus reiner Schadenfreude/Bosheit versenkt werden, wobei auch das wohl nicht ganz logisch wäre. Immerhin ist ein Schiff ja einiges wert.

@Volker
Tausend Dank für die Rechnungen! :) In so etwas bin ich katastrophal schlecht, von daher war das eine echte Hilfe. Das Loch in der Karacke lässt sich in der Dimension bewerkstelligen. Wie ich es dann bei der Brigg mache, muss ich mal sehen. Vermutlich werden es wirklich nur ein paar kleine Löcher und ich schraube die Sorge der Mannschaft um das Schiff zurück, bis sie im Gefängnis sind. Bisher dürfte die Diskrepanz da etwas hoch und damit unglaubwürdig sein.
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