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[Medizin] Verbrennung und folgende Ohnmacht

Begonnen von Christopher, 02. April 2014, 23:01:17

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Christopher

So, folgendes:
Ich habe gerade eine Szene fertiggeschrieben und wollte einmal wissen, ob das so (medizinisch gesehen) wenigstens ansatzweise Sinn macht.

Verlauf:
Prota hat im Kampf Verbrennungen am Oberschenkel (komplett Knie bis kurz vor Hüfte) erlitten. ca. 50% davon 2. Grades (ohne permanente Schädigung), der Rest irgendwo zwischen 1. und 2. dazu eine Stichwunde im Bauchbereich (nur oberflächlicher Einstich, kein tiefes Eindringen).
Anschließend wurde sie ohne Versorgung aus dem Kampfbereich geschafft. Heißt: Ihr wurde dabei geholfen, da weit genug weg zu humpeln. 10-15 Minuten später trifft sie auf die Nachzügler vom Gefecht, auf die sie gewartet hat. Es gibt ein kurzes Gespräch im Laufe dessen beschlossen wird, schnellstmöglich da zu verschwinden, auf die Nachfrage, ob sie klarkommt, realisiert sie erst wirklich das Ausmaß ihrer Verletzungen.
Plan von mir dann: Adrenalin lässt nach (Kampf auch gefühlsmäßig vorbei, die Situation hat sich deutlich entschärft), Realisierung des eigenen Zustands, Übelkeit, Schmerzen, Hyperventilation-> umkippen.

Nun die Frage:
Ist das so plausibel? Passt das so? Sie MUSS nicht zwingend umkippen, wenn Medizinisch die Voraussetzungen dafür da sind, wäre es aber praktisch (Dramatik und gibt mir eine schöne Möglichkeit für einen kurzen Zeitsprung :P ). Und wenn es so nicht plausibel ist: Wie viel schwerer müsste es sie erwischen, DAMIT sie davon umkippen würde? Die Flucht aus dem Kampfbereich muss dabei aber möglich bleiben.
Be brave, dont tryhard.

Sprotte

Verbrennungen hatte ich noch nicht.

Ich bin einmal sehr übel vom Pferd gestürzt und habe den Zügel festgehalten, bin im Galopp ein nettes Stück mitgeschleift worden. Bein von Hüfte bis Knie zum Teil blutig geschürft, Oberschenkel durch mehrfachen Kontakt mit Huf oder Fesselkopf meines Pferdes blaugeprügelt.
Ich bin noch alleine wieder in den Sattel gekommen und ca. zwei Kilometer bis nach Hause geritten. Absteigen zuhause ging auch noch alleine. Pferd wurde von jemand anders versorgt, und als ich mich aus der ziemlich ramponierten Reithose schälte und die Bescherung sah, habe ich das große Flattern, Zittern und Heulen bekommen, also eine saubere Schockreaktion. Ohnmächtig bin ich nicht geworden, aber ich denke, es hat nicht viel gefehlt.
Ist Dir das vergleichbar genug?

Christopher

Durchaus, ja. Die Frage die offen bliebe wäre, ob trotz der Reaktion des Körpers auf die doch recht großflächige Verbrennung, die Anstrengungen noch möglich sind. Ich kann mich im Notfall auf eine bessere Kondition als beim Menschen stützten, aber so sehr sollte es natürlich nicht abweichen. Blutig geschürft und blau geprügelt und Verbrennung lösen ja durchaus unterschiedliche Reaktionen des Körpers aus.
Be brave, dont tryhard.

Kuddel

Ich habe selbst noch keine Verbrennung gehabt, außer einem ordentlichen Sonnenbrand, aber ich weiß aus der Ausbildung beim DRK, dass Verbrennungen verdammt weh tuen. Besonders wenn sie 2.Grades sind (auch da unterscheidet man noch zwischen Brandblasen/Rötungen der Haut und bereits offenen Wunden). 3. Grades wäre leichter, da sind die Nerven angegriffen und das Opfer merkt nicht mehr so viel.

Aber zu deinem Problem: Grundsätzlich gibt es Menschen, die nach Verbrennungen diesen Ausmaßes durch die Adrenalinausschüttung noch Kilometerweit gelaufen sind, ehe sie zusammen brechen. Bei weniger als 5% verbrannter Körperoberfläche besteht beim ansonsten Gesunden eine gute Prognose. Sind 5-20% betroffen kommt es zu schwereren systemischen Auswirkungen. Es gibt die sogenannte 9% Regel. Ein komplettes Bein hat pro Seite jeweils 9 %, also 18%. Wenn der komplette Oberschenkel verbrannt ist, betrifft das ca. 9% des Körpers, was also zu Problemen führt.

Fazit: Mit Adrenalin und einer besseren Kondition klappt es sicher bis die Ruhephase übernimmt. Dann klappt die Person mit ziemlicher Sicherheit zusammen. Eine Ohnmacht ist nicht ausgeschlossen.
The first draft of everything is shit - Ernest Hemingway

Kraehe

#4
Ich hab mir mal heißes Wasser über den Oberschenkel gekippt, Resultat: etwa handgroße Verbrennung 2. Grades und Junge, Junge, das tat weh. Im ersten Moment erstmal wegen der Hitze, klar, abends war es dann die Hölle. Konnte ich kühlen wie blöd, hat nicht wirklich geholfen bzw. dann tat die Kälte wieder zu sehr weh. Und da es die Innenseite des Oberschenkels war, war Schlafen echt doof... Die hübsche Blase drüber war schön mit Wundflüssigkeit gefüllt, ist dann ein paar Tage oder eine Woche später beim Sport geplatzt.
So viel zur Erfahrung.

In der ersten Hilfe hieß es zu uns, dass es ab vier Handflächen verbrannter Korperfläche kritisch wird, glaube ich. Da schrammt deine Prota schon entlang. Ich traue ihr das Szenario zu, dass sie erstmal noch humpelt und steht. Und in Verbindung mit der Bauchwunde ist eine Bewusstlosigkeit auch ok, m.E. aber nicht zwingend notwendig. Ich bin insgesamt hart im Nehmen, weder bei meiner Verbrennung noch bei abgebrochener Nase hatte ich wirklich Schockreaktionen, obwohl ich sowas immer selber inspizieren und genau ansehen oder auch selbst versorgen muss. Ich denke, deine Szene ist so ok :)
Durch die schwere Verbrennung wird sie in den Folgetagen angeschlagen und matt sein, warmes Wasser wird verdammt wehtun an der Stelle und es wird Schmerzen.
(falls dich das interessiert: nach Blasenplatzen war die Haut rot und dünn und ich hatte etwa 2 Jahre lang eine rote Narbe, die dann aber netterweise verblasst ist. Inzwischen ist wirklich gar nichts mehr zu sehen)

Und aufpassen bei der Wundversorgung. Durch exzessives Kühlen, zumal so großflächig, kann es zu Erfrierungen und Unterkühlung kommen.

Vali

#5
Was die Verbrennungen angeht, habe ich nichts weiteres hinzuzufügen. Da war fachlich mMn alles richtig (bin Ärztin). Aber ich kann dir was zum Thema umkippen erzählen. Ist mir persönlich bisher nur zwei Mal im Chirurgiepraktikum im Studium passiert. Einmal nach einer ziemlich schweren OP mit lauter Komplikationen als die Anspannung abfiel. Da spürte ich schon wie das Blut in die Beine absackte und mir wurd schwarz vor Augen. Konnte aber noch einigermaßen kontrolliert mich in ein Eck zurückziehen, wo ich mich hingelegt habe (bin also nicht umgekippt) und in dem Moment an dem ich in der Horizontalen lag, konnte ich wieder was sehen und nach ner Minute auch ganz normal wieder aufstehen.
Ein anderes Mal mussten wir wegen einer infektiösen Patientin eine doppelte Lage Mundschutz tragen. Davon war der innere so dick und der dünnere darüber hatte noch ein Spritzschutzvisier und dazu noch die ganze sterile Kleidung. Da bekam ich nach mehreren Minuten Erstickungsgefühle und habe hyperventiliert. Da verkrampfen sich die Hände krass. Konnte noch sagen "Mir wird schlecht!", hab die Geräte losgelassen und bin einen Schritt zurückgetreten. Dabei habe ich fast wie im Lehrbuch meine Arme und Hände so krampfhaft gebeugt wie ein Hündchen, das Männchen macht und bin zusammengesackt (man hat mich noch aufgefangen *g*). Aber sobald ich auf dem Boden aufgekommen war, war auch schon wieder alles vorbei.
Ohnmächtig war ich beide Male nie. Wenn dann nur während ich zusammengeklappt bin.

Was die Ursache des Kollaps deiner Prota angeht, reicht das ja vollkommen. Sie kommt aus einem Kampfgetümmel bzw. musste da rausgeholt werden und ist verletzt (und so eine Verbrennung tut waaaaaahnsinnig weh!). Da kann man auch mal aus psychischen Gründen mal zusammenklappen, ganz gleich welche Physiologie dahintersteckt.

Christopher

Gut, dann bin ich beruhigt, dass das so klappen kann und darf. Danke für eure Auskünfte! Dann kann ich heute direkt weiterschreiben ohne mir n Kopf zu machen, wie ich den Zeitsprung nun anderweitig elegant löse ;D
Be brave, dont tryhard.

Coehoorn

Aus meinem Kampfsportverein ist jemand bei einer diesjährigen Karnevalsveranstaltung am Rosenmontag mit Alkohol bespritzt und gezielt angezündet worden.
Verbrennungen zweiten Grades an mehreren Stellen des Körpers. Er war nicht in der Lage noch irgendwohin zu humpeln sondern hat nur noch geschrien und musste von drei Mann festgehalten werden um ihn überhaupt in das Erstehilfezelt und aus seinem Papstkostüm zu kriegen.  :no:
Ich sehe das Problem also nicht in der Bewusstlosigkeit sondern eher im Weghumpeln  :versteck:

Christopher

Die Situation ist da denke ich rein psychisch eine ganz andere. Karnevalsumzug, ruhig, friedlich, fröhlich. Dann sowas... da rechnet keiner mit. Im Kampf/Gefecht steckt man einiges deutlich besser weg, aufgrund von Adrenalin und dem ausblenden der Geschehnisse. Das Adrenalin fehlt in der bedauernswerten Situation in der dein Bekannter war, daher denke ich die deutlich unterschiedliche Reaktion.
Be brave, dont tryhard.

Fynja

Medizinisch kenne ich mich nicht genau aus, aber zum Psychischen Teil kann ich beisteuern, da wir gerade in der Biopsychologie den Schmerz untersuchen. Christopher hat Recht, in einer akuten "fight & flight" Situation ist unser Körper so programmiert, dass eine vorübergehende Analgesie durchaus in dem Umfang möglich ist, dass man durch die Ausschüttung von Adrenalin und anderen Transmittern den Schmerz gar nicht mehr wahrnimmt. So ist es sogar schon vorgekommen, dass einem Mann durch einen Unfall ein Arm ganz abgetrennt wurde, und er danach noch 20km selbst zum Krankenhaus gefahren ist - erst da ist er dann umgekippt. Hätte er den Schmerz gespürt, den man normalerweise empfunden hatte, wäre er mit ziemlicher Sicherheit sofort ohnmächtig geworden. Hier habe ich einen Artikel zu dem Vorfall so wie eine Erklärung dazu gefunden.

Christopher

Danke für den Link Fynja! Damit ist die Sache entschieden: Szene bleibt so. ;)
Be brave, dont tryhard.

Naudiz

Ich habe mich zwar noch nie so übel verbrannt, kann aber die "fight & flight"-Situation, wie Fynja sie so schön nannte, aus eigener Erfahrung bestätigen. Vor ein paar Jahren hatte ich einen Unfall mit dem Fahrrad - Autofahrer kam mit Karacho von hinten, streifte mich und schleuderte mich vom Rad und auf den Bordstein. Resultat: Doppelt verstauchter, fast gebrochener Knöchel. Ich weigerte mich, einen Krankenwagen kommen zu lassen, und schleppte mich rund 5 km zu Fuß nach Hause. Schmerzen hatte ich die ganze Zeit nicht. Erst zuhause im Flur setzte dann der Schmerz ein, und ich bin zusammengeklappt. Von daher ist dein Szenario vollkommen realistisch, Christopher.

Vic

Also, auch eine oberflächliche Stichwunde im Bauchbereich blutet meistens ganz schön - von daher denke ich, sogar der Blutverlust , inklusive nachlassendem Adrenalin, etc. würde durchaus plausibel machen, dass sie umkippt.
Die Hyperventilation brauchst du nicht unbedingt, ich stelle mir das eher so vor: schlagartige geht das Zittern los, ihr wird übel und schwummerig und zack ist sie weg.