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[Biologie] Blaues oder violettes Blut bei Humanoiden möglich?

Begonnen von gbwolf, 10. Oktober 2012, 10:56:48

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gbwolf

Da ich gerade an einem SF-Roman plotte und in Versuchung bin, außerirdische Humanoide auftreten zu lassen, beschäftige ich mich mit deren Aussehen. Es wird eine Space Opera, der Coolness-Gesichtspunkt ist also etwas wichtiger als die absolute wissenschaftliche Korrektheit. Dennoch will ich natürlich keinen Stuss erzählen.

Zufällig habe ich gesehen, dass beispielsweise Pfeilschwanzkrebse und ähnliche Tiere (Molusken, Insekten, etc.) dank Hämocyanin blaues Blut haben und durch Hämerythrin violettes Blut möglich ist. Nun scheinen diese Sauerstofftransporter nur bei niederen Tieren vorzukommen, vorzugsweise bei denen, die schon lange keinen Evolution-Schritt mehr getan haben.
Kann es also sein, dass die Speicherung und Abgabe von Sauerstoff bei diesen Stoffen zu gering für größere Lebewesen ist und ein Humanoider mit solchem Blut quasi ersticken würde? Könnte man postulieren, dass ein Humanoider mit blauem oder violettem Blut auf einem Planeten mit hohem Sauerstoffgehalt besser zurecht käme als jemand mit Hämoglobin? Müsste man dann noch etwas am generellen "Design" beachten? Also beispielsweise zusätzlich zur Lunge noch Tracheen mitgeben?

Und zu guter Letzt: In den Wikipediaartikeln wird immer wieder betont, dass beide Blutarten ohne Oxidation farblos sind - würde das nicht auch auf Hämoglobinbasiertes Blut zutreffen?

Robin

Was ich dazu sagen kann:

Hämoglobin, wenn nicht oxidiert, wird lediglich dunkler. Hellrotes Blut ist oxidiert - also hämoglobin-basiertes Blut.

Wie das mit den anderen Blutarten aussieht... ich bin mir nicht sicher, wie man das am besten lösen könnte. Bei violettem Blut könnte ich mir noch am ehesten vorstellen, dass neben Hämoglobin noch Hämocyanin vorhanden ist - praktisch ein evolutionäres Steißbein, das noch immer übrig geblieben ist und sich wohl nie ganz zurück entwickeln wird. Durch die Engpässe, die es durch eine bestimmte Entwicklung in der Evolutionsgeschichte gibt, können manche Lebewesen eben nicht mehr weiter - wie zum Beispiel Tintenfische, deren Gehirn rund um den Schlund aufgereiht ist, in Form von Nervenknoten.

Ob da noch ein zusätzliches Design rein müsste, weiß ich nicht. Aber ich könnte mir vorstellen, dass violettes Blut durch einen solchen Engpass entsteht, oder eben durch sehr langsame Rückentwicklung.
~Work in Progress~

Alia

Tintenfische und Kraken haben auch das blaue Blut. Die sind zT sogar größer als Menschen und haben auch einen ziemlich klugen Kopf, der wohl auch gut Sauerstoff braucht. Von der Größe würde ich es also eher weniger abhängig machen. Vielleicht ist auch einfach der Anteil der Blutkörperchen entsprechend erhöht.
Wenn du SF schreibst, könnte theoretisch auch ein ganz anderes Metall die Aufgabe übernehmen. Nicht Kupfer oder Eisen, sondern etwas anderes, was den Sauerstoff bindet. M.E. könnten da zumindest hypothetisch die ganzen unedlen Metalle in Frage kommen. Auch Metalle, die hier auf der Erde extrem selten vorkommen. Die können ja wo anders in ganz erheblichem Maße vorhanden sein. So könnte man auch erklären, dass kein Eisen verwendet wird: ist dort einfach zu wenig vorhanden, als dass man es als Körper genug zur Verfügung hätte, um das Blut damit auszustatten.

Felsenkatze

Ich meine mich zu erinnern, dass das Hämoglobin tatsächlich der überlegene Sauerstofftransporteur ist, wenn ich da das Studium richtig im Kopf habe. Allerdings wird ja trotzdem pro Atemzug nur ein geringer Anteil des verfügbaren Sauerstoffs ins Blut aufgenommen (man kann eine ganze Weile lang noch die ausgeatmete Luft wieder einatmen und prima überleben), also glaube ich nicht, dass eine höhere Sättigung der Atmosphäre dazu beitragen würde, dass die "schlechteren" Blutfarbstoffe ähnlich viel Sauerstoff "liefern". Da müsstest du eher einen Körper konstruieren, der generell mit weniger Sauerstoff zurecht kommt, denke ich.


Sven

Zitat von: Felsenkatze am 10. Oktober 2012, 11:34:43
dass das Hämoglobin tatsächlich der überlegene Sauerstofftransporteur ist

Ja, weil Eisen recht reaktionsfreudig ist. Prinzipiell müsstest du nur das Eisen austauschen und bekämst eine andere Farbe. Mangan z.B. ist dem Eisen recht ähnlich und in der oxidierten Form braun. Mir Cobalt ergäbe es blaues Blut. Entfernt man sich im Periodensystem weiter vom Eisen weg, wird es natürlich schwieriger, den gleichen Effekt wie bei Eisen zu bekommen (mit Kupfer wäre das Blut grün, aber ob mit Kupfer der Sauerstoffübergang genauso schnell wäre wie mit Eisen, ist fraglich).
Darüber hinaus müsste man sich überlegen, wie häufig das genutzte Element in der Natur vorkommt. Eisen ist bei uns in rauen Mengen vorhanden. Was wäre, wenn man Eisen mit Cobalt austauschen würde?
Im Grunde kannst du die Farbe ändern, indem du das Metall austauschst. Das Molekül kann dadurch etwas anders aussehen, aber die Reaktionen (Aufnahme und Abgabe von Sauerstoff) wären die gleichen.
Beste Grüße,
Sven

Lemonie

ZitatIch meine mich zu erinnern, dass das Hämoglobin tatsächlich der überlegene Sauerstofftransporteur ist, wenn ich da das Studium richtig im Kopf habe. Allerdings wird ja trotzdem pro Atemzug nur ein geringer Anteil des verfügbaren Sauerstoffs ins Blut aufgenommen (man kann eine ganze Weile lang noch die ausgeatmete Luft wieder einatmen und prima überleben), also glaube ich nicht, dass eine höhere Sättigung der Atmosphäre dazu beitragen würde, dass die "schlechteren" Blutfarbstoffe ähnlich viel Sauerstoff "liefern". Da müsstest du eher einen Körper konstruieren, der generell mit weniger Sauerstoff zurecht kommt, denke ich.

Oder einfach mehr davon ins Blut? Also statt Hämoglobin Hämocyanin oder was auch immer du da nehmen wolltst, und dann eine erhöhte Konzentration?

gbwolf

Danke euch. Huh, das ist ja ganz schön was zu grübeln, wenn man ein paar Jahre raus ist, aus dem Thema. Meine 3 Semester Bio waren leider nicht besonders ausführlich.

Neben Hämoglobin ein weiteres Protein würde mir nicht so gefallen. Richtig blaues und grünes Schimmern unter der Haut wäre toll. Ich überlege, wie ein Planet aussehen könnte, auf dem Mangan und Cobalt dominieren.
Habe jetzt mal den Campbell aufgeschlagen und schnaufe ganz schön - meine Wissenslücken haben sich schon etwas vermehrt, in den letzten Jahren.  :d'oh: Hämocyanin scheint nur extrazellulär vorzukommen, Hämoglobin intrazellulär.

@Sven: In Hämocyanin ist wohl ein Kupfer-II-Baustein, weshalb es blau ist.

Dann baue ich mir vielleicht eine Spezies, die von einem Planeten mit viel Vulkanismus und hohem Wasserpegel stammt (Mangan) und eine, die eine Schwarmintelligenz auf Oktopus-Basis ist. Das passt auch sehr gut ins Reihenkonzept.

Zitat von: Lemonie am 10. Oktober 2012, 17:26:32
Oder einfach mehr davon ins Blut? Also statt Hämoglobin Hämocyanin oder was auch immer du da nehmen wolltst, und dann eine erhöhte Konzentration?
Hämocyanin scheint größer zu sein und sich nicht so kompakt packen zu lassen wie Hämoglobin. Dadurch würde sich der Umfang des Blutplasmas erhöhen und ich schätze, bei einem wesen mit menschenähnlichem Hirn müsste ich mir dann eine Hämolymphe zusammenstricken, die in dieser Größe funktioniert.

Ich hatte auch schon überlegt, ob sich das Blut basischer machen lässt, damit mehr Sauerstoff gebunden werden kann. Aber wenn das ginge, hätte die Natur es sicherlich schon gemacht.

Edit: Ich stelle mir gerade vor, wie die zwei dann meine Armen Menschen dissen. Da bekommt "Eisenarsch" eine ganz neue Bedeutung  ;D

Und ich freue mich natürlich über weitere Meinungen zum Thema.

gbwolf

Mit dem Mangan bin ich momentan etwas unschlüssig. Es wird wohl oft von Archaea verwendet und allgemein zur anaeroben Atmung. Größere Lebewesen nutzen oft diese Einzeller, um selbst in Gegenden zu überleben, in denen sie quasi nicht normal atmen können (Bspw. Riesenröhrenwurm am schwarzen Raucher).
Ich überlege, ob meine Alienrasse nicht nur violettes Blut hat, sondern auch noch das Zusatzfeature, im Notfall zumindest kurzfristig anaerob überleben zu können. Wird dann wahrscheinlich etwas hochspekulativ sein, dass sie auch noch einigermaßen humanoid sind, aber hoffentlich nicht völlig unglaubwürdig.

Verzettle ich mich da total, bei der Manganatmung?

Nach der Lektüre des Wikipediaartikels zu Desulfuromonadales (dreimal schnell hintereinander aussprechen!) bin ich etwas unsicher, ob Mangan, Cobalt und Co. bloß veratmet werden oder ob man sie wirklich statt Eisen ins Hämoglobin setzen kann.
Hachja, alles so schwierig, wenn man keinen guten Überblick über alles hat, was biochemisch so im Körper passiert.  :d'oh:

der Rabe

Gänzlich unfachliche Überlegung: Vielleicht haben die Aliens ja noch eine Art Enzym, die die Reaktion des entsprechenden Metalls mit dem Sauerstoff beschleunigt. (weil hier gesagt wurde, dass Eisen einfach am schnellsten reagiert.)
Bist du erst unten im Tal angekommen, geht es nur noch bergauf. (C) :rabe:

Sunflower

Was mir ganz spontan zu dem Thema einfällt (und eine sehr faule Variante wäre, das Ganze zu lösen): Die Aliens sind logischerweise ja aus einem anderen Sonnensystem, vielleicht aus einer anderen Galaxie? Jedenfalls kann ich mir vorstellen, dass deren Planet unserem nur entfernt - wenn überhaupt - ähnelt. Ich bin kein Chemie-Genie, aber könnte es auf anderen Planeten aus anderen Galaxien nicht auch andere Elemente geben als bei uns? Diese Elemente könnten ja auch die Eigenschaften in deinem Alienblut haben, die du brauchst.
"Stories are, in one way or another, mirrors. We use them to explain to ourselves how the world works or how it doesn't work. Like mirrors, stories prepare us for the day to come. They distract us from the things in darkness."
- Neil Gaiman, Smoke and Mirrors

gbwolf

Ein Enzym wäre eventuell eine Möglichkeit, aber ich bin in der Thematik nicht fit genug, ob das an den richtigen Stellen im Körper funktionieren kann.

Andere Elemente ... ich gebe zu, ich traue mich nicht. Zumindest ein Teil der Leser wird aus Naturwissenschaftlern bestehen und auch wenn es keine Hard-SF ist, ist es innerhalb der bekannten Naturgesetze schwer.

Momentan hänge ich mich am Mangan fest. Auch wenn ich es nicht 100% korrekt beschreiben werde, überlege ich an der Farbe herum. Von Mangan gibt es zig Oxidationsstufen. Cool wäre die komplette Bandbreite auszunutzen, von durchsichtig, über rot, bis zu Mangan(VII)-Oxid, das grünlich ist (Und bei sehr hohen Temperaturen verpufft und ätzt - das arme Viech sollte nicht zu nah an die Vulkane gehen oder saunieren  ;D ).