Liebe Tintenzirkler,
ich bin nicht sicher, ob dieses Thema so allgemein gehalten in den Bereich hier passt, falls nicht, bitte ich um Verzeihung und Verschiebung.
Also ich stelle für mich beim Schreiben fest, dass es mir irgendwie gar nicht mehr abartig genug zugehen kann. Nicht nur, dass bei mir Kleintiere "aus Spaß" qualvoll getötet werden. Nun hat sich mein Antagonist auch noch entschieden, gegen die Menschenwürde zu hetzen und menschenverachtende Experimente mit Giften zu versuchen. Die Szenen werden immer blutiger, das schwache Opfer immer schwächer und verzweifelter, während der sadistische Antagonist seinen Triumph auskostet. Darf man das? Ich meine, als Autor - auch von Fantasy und Co. - hat man doch einen gewissen Bildungsauftrag. Ich lehne normalerweise das Lesen von Krimis ab, weil sie mir zu gewaltverherrlichend sind. Ok. Sie sind mir zu langweilig. Ich geb es ja zu. Die meisten sind zu einfach gestrickt, ihr kennt das Muster.
Wie handhabt ihr das? Habt ihr für eure Geschichten eine Grenze, bis zu welcher beinahe unvorstellbarer Grausamkeit ihr das Ableben eurer Charaktere beschönigt? Ich komme mir hier einerseits vor wie ein Psychopath, andererseits fühle ich tief in mir drin den Anta, der mir genau seine Gefühle vorgibt. Ich spüre ihn und er wird realer. Irgendwann kommt doch die berühmte Hemmschwelle. Man will gar nicht weiter gehen, will sich widersetzen und mit einem Mal hat man im Kopf, dass da mehr passieren muss. Man könnte ja den Leser langweilen. Wie wir wissen, wirkt Sensationslust bei sehr vielen Menschen. Sollte man das unterstützen? Ehrlich, ich bin grade ratlos. Ich möchte eigentlich gar keine Gewalt reinbringen, ganz im Gegenteil. Ich möchte mit meiner Geschichte auf die Leute zeigen, die Gewalt anwenden, als sei es so normal wie das Schuhe anziehen. Jetzt mutiere ich virtuell zu einem solchen Menschen. :wums:
Also, ich bin einfach dankbar, wenn mir jemand eine Meinung dazu sagen kann. :omn:
Hallo Darielle,
ich kann Dein Dilemma verstehen, geht mir manchmal ähnlich. Ich bin auch nie sicher, wie weit ich meinen Anta gehen lassen soll.
Andererseits will man ihn dem Leser ja auch schonungslos näher bringen?
Früher habe ich die Szenen dann verschoben - das ist jedenfalls keine Lösung. Jedenfalls für mich.
Heute schreibe ich sie erstmal. Wenn es mir dann beim Überarbeiten zu heftig erscheint, dann wird es nochmal geändert, aber wie Du schon bemerkt hast - man kommt ihm auch als Autor näher, wenn man ihn gewähren lässt. Als ein Kriterium bei der Entscheidung, was drin bleibt oder nicht, nehme ich immer: Würde ich es so lesen wollen? Muss man nicht als Leser auch erahnen können, zu was der Typ alles fähig ist? Ansonsten kratzt man nur an der Oberfläche.
Also lass ihn ruhig brutal sein, lass es dann ruhen und entscheide später im Zusammenhang, ob es zuviel ist.
Liebe Grüße
Sanne
Die Phantasie setzt die Grenzen. Beim Autor sowie beim Leser. Man muss nicht immer ins Allerkleinste gehen, um ein Bild hervorzurufen. Das ist zumindest meine Meinung.
Ich habe keine Probleme brutale Szenen zu lesen und auch keine zu Schreiben. Vorallem bei phantatischen Geschichten finde ich es nicht so schlimm, im Gegensatz zu geschichtlichen Büchern, bei denen ich weiß, dass ist wirklich geschehen. Z.B. bei einer Szene in "Stadt der Diebe", da habe ich mich beinahe übergeben müssen. Das muss ja nicht sein. Es kommt zwar auf den Leser und dessen dickes oder eben dünnes Fell an, aber trotzallem sollen Geschichten auch die Fantasie anregen.
Natürlich kommt es auch drauf an, welches Publikum du ansprechen willst. Da müssen Grenzen gesetzt werden. Schreibst du ein Kinder- oder Jugendbuch, oder eins für Erwachsene?
ZitatNun hat sich mein Antagonist auch noch entschieden, gegen die Menschenwürde zu hetzen und menschenverachtende Experimente mit Giften zu versuchen. Die Szenen werden immer blutiger, das schwache Opfer immer schwächer und verzweifelter, während der sadistische Antagonist seinen Triumph auskostet. Darf man das?
Da erinnere ich mich an die Chronik der Unsterblichen "Glut und Asche". Folter, folter, folter. Das war heftig. Versuche sehe ich da in der gleichen Sparte. Ob man es darf? Es verbietet ja niemand, oder? Die Menschheit ist leider verdammt grausam und die Menschenwürde wird auch im echten Leben oft verletzt. Es ist deine Geschichte. Schreib sie erst wie du sie willst und wenn es dann weitergeht musst / willst du sie vielleicht noch mal abändern, heftige Szenen rausschmeißen. Aber das steht ja noch nicht fest. Also hau in die Tasten.
In meinen beiden Romanen sind "brutale" Szenen drin, jedoch verzichte ich ganz ins Detail zu gehen und überlasse der Vorstellungskraft den Rest. Wenn ich von meiner eigenen ausgehe, ist diese oft schlimmer als die genauere Beschreibung wäre ;D
Zitat von: Darielle am 07. Oktober 2011, 04:26:49
Ich meine, als Autor - auch von Fantasy und Co. - hat man doch einen gewissen Bildungsauftrag.
Wenn du keine Sach- oder Schulbücher schreibst, hast du als Autor vor allem einen UNTERHALTUNGSauftrag.
Wieviel Brutalität ist unterhaltend, und ab wann kippt das Leserinteresse?
Ich glaube, das ist nicht so pauschal zu beantworten. Es kommt natürlich darauf an, für wen die Geschichte gedacht ist. In einem All Age Roman hat ausartende Brutalität nichts zu suchen. Da kann man Szenen entschärfen, oder als Autor "nicht so genau hinsehen".
In einem Horror-Roman darf es krasser zugehen. Da ist jeder Leser anders.
Dabei sollte man aber immer auch im Auge behalten, das zu viel grausame Beschreibungen den Leser auch abstumpfen lassen. Deine erste blutige Szene kann noch schockieren, die zweite wird schon nicht mehr so genau gelesen und bei der dritten nimmt der Leser sie nur noch wahr.
Eine brutale Schilderung ist in einer Geschichte nicht schmückendes Beiwerk, sondern soll im Leser etwas auslösen. Im besten Fall ist es ein Gefühl. Eine Abneigung dem Antagonisten gegenüber, oder Mitleid für den Helden. So etwas sollte wohl dosiert werden.
Darüber hinaus muss man immer im Blick haben, was ein Verlag dazu sagen würde.
Ich persönlich schreibe gerne brutale Szenen und musste mich in meinem All Age Buch ordentlich zurückhalten. Brutal geht es auch dort zu, aber wenn der "Held" im entscheidenden Moment die Augen schließt (und er der Perspektivcharakter ist), dann hört er nur, wie jemand abgeschlachtet wird, oder er spürt die warmen Blutspritzer im Gesicht, oder die Knochensplitter piksen ihn, oder ...
Also man kann Brutales schildern, ohne brutal zu schreiben. Wenn jemand im Vorbeigehen eine Katze von der Brüstung des 10. Stockwerks schubst und einfach weitergeht, ohne es zu beachten, ist das brutal, ohne dass man sich mit ausufernden Beschreibungen aufgehalten hat.
Beste Grüße,
Sven
Für mich kommt es immer darauf an, in welchem Zusammenhang eine brutale Szene steht und wie wichtig es ist, die Brutalität zu zeigen. Und vor allem, wie oft sie gezeigt wird. So schlimm das ist, wenn ich mit zu viel Brutalität überhäuft werde, die nur um der Brutalität willen in einem Buch ist, stumpfe ich irgendwann ab und lasse das Beschriebene nicht mehr an mich ran, weil ich mich überfüttert fühle, weil ich denke, ja, der Kerl ist ein brutales Ekel, ich weiß es jetzt.
Die Dosis macht es und die Art, wie es beschrieben wird. Ich stehe bei sowas ja mehr aufs Subtile und nicht auf Splatter.
Zitat von: Sven am 07. Oktober 2011, 08:57:06
Dabei sollte man aber immer auch im Auge behalten, das zu viel grausame Beschreibungen den Leser auch abstumpfen lassen. Deine erste blutige Szene kann noch schockieren, die zweite wird schon nicht mehr so genau gelesen und bei der dritten nimmt der Leser sie nur noch wahr.
Das Problem hatte ich mal als Leserin bei einem Buch, bei dem es reihenweise brutale Vergewaltigungen gab. Nach einer gewissen Zeit hab ich dann nur noch die Augen verdreht, was sicherlich nicht die Intention des Autors war (und mich nicht sehr stolz macht, aber es passierte halt).
Außerdem sollte es in deinem Buch auf jeden Fall noch einen richtigen, wichtigen Plot geben, in der die Gewalt integriert ist. Lynn Flewellings Roman "Shadows Return" zum Beispiel ist leider zu einer einzigen (ziemlich ekelhaften) Folterorgie geworden, bei der der Plot leider bloß wie nettes Beiwerk und notwendiges Übel erscheint, und das ist mir dann doch böse aufgestoßen. Weniger wäre da mehr gewesen.
Es kommt natürlich auch immer auf die Art des Buches an. In einem Thriller über Serienmörder und Profiler erwarte ich mehr brutale Morde als in Harry Potter, mal ganz doof gesagt.
Ich blende bei brutalen Szenen gerne aus und beschreibe eher die Gefühle meines Perspektivträgers, die Gerüche und die Geräusche, weniger das Geschehen selbst. Ich war noch nie ein großer Fan der Großaufnahme, weder im Film noch im Buch. Subtilere Gewalt, da schließe ich mich Aryana an, kann viel brutaler wirken als Splatter, der irgendwann von meinem Gehirn als überzogen, unrealistisch und lächerlich abgelehnt wird.
Natürlich ist das meine ganz persönliche Ansicht, so wie ich es gerne mag. Und genau so, wie ich es gerne lesen würde, schreibe ich es erst mal, selbstverständlich ein wenig angepasst an das angedachte Zielpublikum. In einem Horrorroman erwartet man mehr Splatter als in einem High Fantasy Buch, und in einem Romantasy haben blutige Szenen wenig zu suchen, meiner Meinung nach. Aber das ist nun nicht die neueste Erkenntnis ;).
Gewalt, wie sie in "Song of Ice and Fire" vorkommt, geht mir stellenweise zu weit. Wenn ich vor dem Buch sitze und mich der pure Ekel packt, steigert das nicht gerade das Lesevergnügen, vor allem, wenn die Gewalt keinen wirklich erhellenden Effekt in Bezug auf einen Charakter hat. Gewalt als Selbstzweck finde ich abstoßend und auch langweilig, dann lieber weniger davon, aber wohl dosiert. Auch bei Abercromies Klingenbüchern hat es mich an einigen Stellen wirklich geekelt, aber hier fand ich den Grat in den meisten Fällen für meinen Geschmack gut gewählt.
Andererseits finde ich es lächerlich, immer sofort einen Cut zu machen und die Gewalt nur von fern zu zeigen, um das Bild des edlen Helden nicht zu zerstören. Auch Helden töten ihre Feinde nicht mit Rosen; auch die Feinde verrecken gelegentlich unter Schmerzen und unnötigem Leid. Hier nur noch von fern zu beobachten und so zu tun, als wäre es alles nur ein großer Spaß, lässt auch einen schalen Nachgeschmack zurück.
Wie gesagt, ich selbst habe für mich den Weg gewählt, selten direkt auf das brutale Geschehen zu zeigen, sondern eher die Wahrnehmungen des Perspektivträgers dabei zu schildern und so zu zeigen, welche Auswirkungen die Gewalt auf ihn hat.
Die Frage, wie weit du gehen darfst, ist sicher noch einmal eine andere. Natürlich sind die Grenzen in Büchern sehr viel weiter als im realen Leben. Darüber würde ich mir jetzt erst einmal nicht den Kopf zerbrechen - wenn wegen irgendeiner Szene der Index droht, würde der Verlag es dir sicher rechtzeitig sagen und um Änderung bitten ;) . Ebenso, wenn irgendetwas zu heftig ist und damit das Zielpublikum verschrecken könnte. Wenn es dir so und nicht anders gerade aus den Fingern fließt, dann schreib es erst einmal und schwäche es vielleicht beim Überarbeiten ab. Das ist sicher besser als dich von vornherein zu beschränken und möglicherweise gar nicht weiterzukommen!
Hallo Darielle,
schwieriges Thema. Ich als Autorin schreibe eigentlich meist nur solche Sachen, die ich selber auch noch lesen könnte. Und meine Grenze liegt da sicher nicht im endlos brutalen Bereich. Auch kommt es darauf an, was geschildert wird. Wenn jemand z. B. schildert, wie er Menschen quält und sich dran erfreut, würde ich vermutlich irgendwann denken "Igitt so ein Ekel", aber es würde mich auch abstumpfen. Anders ist es, wenn aus der Sicht des Gequälten beschrieben wird, z. B. im Schwert der Wahrheit, wo Richard bei den Mord Sith landet. Das fand ich nicht nur ekelhaft, sondern es hat mich auch so sehr durchgeschüttelt, dass ich die ganze Nacht danach nicht schlafen konnte. Und das war mir definitiv zu viel, so etwas würde ich nicht noch einmal lesen wollen.
Ich würde vorschlagen, dass du erst mal alles schreibst und danach einen nervenstarken Beta dran lässt, der was dazu sagen möchte.
Ansonsten kann ich mich bzgl. Alter und Zielgruppe den anderen nur anschließen.
LG Sanjani
Ich schreibe Heroic Romantasy, und meine Helden müssen leiden.
Einem steche ich die Augen aus, einer wird mit Vergewaltigung bedroht, ein anderer mit Kastration. Dem vierten muß ich leider ein Bein absägen.
Es geht deutlich zur Sache, aber alle diese Szenen haben Sinn im Plot, sie sind nicht um der Gewalt wegen enthalten. Ich brauche sie für die Gefühlswelt und die Entwicklung des Helden - und zum Spannungsaufbau.
Eine Betaleserin sagte mir deutlich: Bis zu dieser Grenze ist es gut. Gehe nicht darüber.
Daran halte ich mich.
Zitat von: Sanjani am 07. Oktober 2011, 09:21:39
Anders ist es, wenn aus der Sicht des Gequälten beschrieben wird, z. B. im Schwert der Wahrheit, wo Richard bei den Mord Sith landet. Das fand ich nicht nur ekelhaft, sondern es hat mich auch so sehr durchgeschüttelt, dass ich die ganze Nacht danach nicht schlafen konnte. Und das war mir definitiv zu viel, so etwas würde ich nicht noch einmal lesen wollen.
Gerade die Szene fand ich besonders eindringlich. Ich persönlich fand das nicht zu viel. Die ganze Gewalt, die ihm angetan wurde, hatte meiner Meinung nach u. a. den Zweck, dem Leser die verquere Welt der Mord Sith und wie sie zu dem wurden, was sie waren, nämlich, dass sie auf die selbe grausame Art gequält wurden, nahezubringen. Und, um Richard noch strahlender zu machen ;D, dass er sogar für die Mord Sith noch irgendwie Verständnis aufbringen konnte.
Aber lange Rede, kurzer Sinn, Gewalt einzusetzen, nur der Gewalt wegen, halte ich auch für Schwachsinn. Bei Malus Darkblade haben mich die brutalen Beschreibungen irgendwann so genervt. Nicht weil ich sie eklig fand, aber spätestens nach der dritten blutigen Metzelszene dachte ich: OK, ich weiß jetzt, was der Typ für ein Schlächter ist, ich habs begriffen :seufz:.
Hingegen bei dem Buch "American Psycho", sorry, der Autor ist mir grad entfallen, das vor üblen Gewaltszenen nur so gestrotzt hat, hat mich das nicht gestört. Da hat das irgendwie gepasst. Das ganze Buch war sehr schräg: Ein serienmordender Wallstreet Börsenmakler, seitenweise Beschreibungen wie die Visitenkarten der Broker aussehen, mit welchen High-Tech Finessen ihre Wohnungen ausgestattet sind, welche Krawatten sie tragen, Lästereien über Visitenkarten/Ausstattung/Klamotten anderer Broker und dazwischen übelste Splatterszenen.
Ich bin mit Gewalt auch nicht zimperlich, meine Typen sind Söldner, Assassinen und Soldaten etc.. Aber die Dosis macht das Gift. Zuviel setzte ich sie auch nicht ein. Dazwischen gibt es auch noch Handlung ;D.
Das ist wohl wirklich eine Geschmacksfrage. Ich persönlich scheue mich ein bißchen vor zu viel Gewalt, wenn ich schreibe. Einfach deswegen, weil ich es nicht gerne lese. Ein bißchen ist okay, klar und es muss eben passen. Ich glaube das ist das Wichtigste, dass es zur Story passt, dass es den Plot vorantreibt und nicht einfach nur gesplattert wird. Spannung muss sein, aber wenn es zu eklig wird, lese ich es nicht gerne. Dann doch lieber nur andeuten und nicht allzu viele Gewaltszenen reinbringen. Wie bei allem: wohl dosieren.
Letztens habe ich ein Buch gelesen (von Nalini Singh, Titel weiß ich gerade nicht), da hat es mich schon gestört, wie sehr es dort ins Detail ging. Ich fand es einfach zu grausam. Allerdings hatte ich von Anfang an gedacht, es wäre eine Liebesgeschichte. Es ging um Engel und meine Freundin meinte sogar noch: Nein, das muss so brutal sein, sonst wäre es kitschig. Womit sie vielleicht Recht hatte, aber irgendwas an den Beschreibungen hat mich gestört. Es war einfach zu viel.
Aber wie einige hier schon meinten, ich würde es auch so machen: schreib es erstmal so, ohne inneren Zensor und dann beim Überarbeiten kannst Du immer noch gucken, wo es Dir zu viel und zu arg geworden ist. Ein Betaleser kann dann ja auch nochmal drübergucken.
Eine Buchhändlerin meinte letztens, der Trend ginge bei Büchern in Richtung mehr Gewalt.
@Steffi - da sieht man mal wieder, wie die Geschmäcker auseinandergehen - ich fand es bei "Shadows Return" nicht überzogen und fand auch nicht, dass der eigentliche Plot hinter den Folterszenen zurücksteht. Okay, "Shadows Return" war für mich bisher auch der schwächste Nightrunnerband, aber ich habe schon schlechteres gelesen.
Was mich zum beispiel unheimlich nervt, ist die "Quotenvergewaltigung". Manchmal glaubte ich schon, dass es keine Romanheldin mehr gibt, die nicht irgendwann irgendwo mal vergewaltigt wurde. Okay finde ich es, wenn eine Vergewaltigung in der Vergangenheit der Heldin stattgefunden hat und auf ihren jetzigen Gemütszustand noch immer Einfluss nimmt. Z. B. bei Rosa in "Arkadien erwacht" - man erfährt über sie, dass sich jemand an ihr vergangen hat, nachdem er ihr KO-Tropfen in den Drink getan hat. Rosa wurde schwanger und trieb ab - das wird nicht geschildert, aber wie es immer wieder in der Geschichte auftaucht und immer wieder in Rosas Gedanken herumspukt und wie es sie auch nach einiger Zeit noch immer beeinflusst, ist beklemmend.
Hallo Darielle,
zunächst einmal: daß dein Antagonist in seiner ganzen sadistischen Grausamkeit in dir selbst eine Saite zum Schwingen bringt, ist normal. Sich dem zu stellen, erfordert Mut, von daher meine Hochachtung. Mal ganz unabhängig vom Schreiben: wir sind nur dann komplette Menschen, wenn wir uns auch mit den finsteren Seiten unserer Seele befassen. Wenn wir das nicht tun, sondern die Augen davor verschließen, erwischen sie uns im entscheidenden Moment völlig unvorbereitet.
Beim Schreiben ist es meiner Ansicht nach OK, die Grausamkeit (je nach Publikum) beliebig intensiv zu schildern, solange dabei nicht rüberkommt, du als Autor würdest wollen, daß der Leser es genießt. Mein Trick dabei besteht in der Wahl der Perspektive: ich lasse den Antagonisten gern in all seiner Leidenschaft machen, aber ich schildere die Szene dann aus der Sicht seines Opfers bzw. des Helden, der ihm in den Arm fällt. Und in diesen denke ich mich genauso intensiv rein, so daß keinerlei Mißverständnis entsteht, die Szene solle "geil" auf den Leser wirken.
Als spontanes Beispiel fällt mir eine Vergewaltigungsszene ein, die ich einmal geschrieben habe, und zwar aus der Sicht des Opfers. Dabei habe ich das beschrieben, was in dem Moment das Opfer empfand, also hauptsächlich Ekel, Furcht und ein gewisses Gefühl der Unwirklichkeit. Nicht beschrieben habe ich, wo und wie der Täter das Opfer genau berührt. Auf diese Details legt vor allem der Täter wert, um sich daran aufzugeilen, das Opfer hat anderes im Sinn.
Sich damit auseinanderzusetzen, finde ich, wie gesagt, nicht nur im Hinblick aufs Schreiben wichtig, sondern im Hinblick aufs Menschsein insgesamt. Sie alle wohnen in uns: Täter, Opfer und Held. Leider gehört es in unserer Kultur dazu, daß wir die tugendhafte Heldenrolle als selbstverständlich ansehen und nicht hinterfragen, wogegen wir vor der Täterrolle die Augen verschließen und sie daher genausowenig hinterfragen. Darum erwischt uns der innere Täter manchmal unvorbereitet, während der innere Held schläft, weil er eigentlich noch nie ernsthaft auf die Probe gestellt wurde. Von daher: laß deinen inneren Täter sich in deinen Seiten austoben, aber vergiß bei der Schilderung seiner Taten nicht die Sicht deines inneren Opfers oder Helden.
Hochinteressantes Thema, muß ich schon sagen. Ich stell mir die Frage auch öfter und mache das mit mir und meinen Betas aus. Bisher hab ich auch noch nicht danebengelegen, aber man muß sich schon auch irgendwie damit auseinandersetzen, um ganz klar zu wissen, was man da überhaupt schreibt.
Will heißen: Für mich gibt es einen Unterschied zwischen körperlicher Brutalität, bei der Blut fließt, und seelischer Grausamkeit. Das ist für mich auch die wichtigste Unterscheidung überhaupt.
Wenn Blut fließt, kann das meinetwegen gern in Strömen fließen - es wird mich nie so berühren wie seelische Grausamkeit. In meinem ersten Fantasyroman hat der Antagonist meiner Heldin mal eben den Arm gebrochen, weil er Lust dazu hatte, und dann hatte sie erst mal eine Weile Freude an dem offenen Bruch, bis sie Hilfe bekam. Ist gemein, aber verkraftbar.
Was weniger schön war: In meinem letzten Fantasyroman gab es einen ziemlich irren, fiesen König, der seine Soldaten auf Raubzüge geschickt hat und sich durchaus sehr gefreut hat, wenn die ihm ein paar hübsche Mädchen mitgebracht haben, über die er sich hermachen konnte. Eins dieser Mädchen war die Schwester meiner Prota - und nachdem die ihre Schwester dann unter großen Anstrengungen befreit hat, stand sie hilflos davor und wußte nicht, wie sie dem traumatisierten Mädchen helfen soll. Das fand ich sehr viel eindringlicher.
Getoppt wird das nur, wenn beides sich trifft - auch sowas hatte ich schon und da kriege ich bis heute eine Gänsehaut, wenn ich das lese. Da hat mein Protagonist nicht die geringste Schwierigkeit, den Mann brutal zu ermorden, der zuvor seine Frau gequält hat. Er läßt ihn auch betteln und flehen und metzelt ihn trotzdem nieder.
Das ist schon hart an der Grenze, aber ich hab's bewußt geschrieben, um auch die Frage zu stellen: Ist das noch okay? Oder überschreitet er da die Grenzen alles Zumutbaren und ist hinterher nicht besser als derjenige, den er da umbringt?
Und das ist der springende Punkt. Was möchte man denn mit Brutalität und Gewalt transportieren? Ist das alles bloß Selbstzweck? Oder möchte man damit eine Botschaft rüberbringen? Ich hab zum Beispiel gar nichts gegen die detaillierte Beschreibung von Gewalt, wenn sie einen kathartischen Effekt bewirken und abschrecken soll. Das ist ganz klar eine Frage der persönlichen Vorlieben, aber die Welt ist nun mal nicht immer nur lieb und schön und ich habe nichts dagegen, mich damit auseinanderzusetzen.
Wo ich allerdings eine absolute Grenze habe, ist Ekel. Blut - ok. Seelische Grausamkeit - auch ok. Aber wenn's anfängt, eklig zu werden, steige ich aus.
Nur als Beispiel: Ich hab mir problemlos Saw 1-3 angeguckt, aber 4 war mir einfach zu eklig. Wer ihn kennt, wird wissen, was ich meine, wenn ich jetzt "Schwein" sage... brrr. Damit war das Ding für mich echt erledigt.
Zitat von: Steffi am 07. Oktober 2011, 09:06:34
In einem Thriller über Serienmörder und Profiler erwarte ich mehr brutale Morde als in Harry Potter, mal ganz doof gesagt.
Genau so einen Thriller habe ich ja geschrieben und irgendwo ist es natürlich auch genretypisch, daß es Morde gibt und sich jemand mit denen auseinandersetzt. Sonst wär's ja kein Thriller. Die genaue Schilderung der Ereignisse transportiert da natürlich auch was und es ist schon nervenzerrend, wenn die Profilerin sich erst detailliert mit den kranken Ideen des Mörders auseinandersetzt und sich ihm hinterher selbst gegenübersieht. Da betet der Leser dann schon mal für sie.
In diesem Moment ist die Schilderung grausamer Ereignisse natürlich ganz banal ein Mittel zur Spannungserzeugung und das finde ich auch legitim, wenn Gewalt nicht verherrlicht wird oder zum Selbstzweck verkommt. Und außerdem ging es dabei immer um die psychologische Komponente, um einen Erklärungsversuch. Keinen Verständnisversuch!
Ich habe unterschiedliche Rückmeldungen bekommen, die immer abhängig waren von der Persönlichkeit des Lesers. Die meisten fanden es angemessen, aber genauso gab es auch Reaktionen von "da hätte auch noch mehr kommen können" bis "das war mir so schon zuviel".
Aber ich muß auch Farean zustimmen: Interessant ist auch, sich selbst damit beim Schreiben auseinanderzusetzen. Ich hab mich auch gefragt: Was sagt es über mich, daß ich mir sowas ausdenken und hinschreiben kann?
Meine Schlußfolgerung war: Daß ich anscheinend abgebrüht genug bin, mich damit auseinanderzusetzen und daß ich auch etwas transportieren kann, das mir fremd ist.
Natürlich hab ich auch irgendwann gezuckt, als es darum ging, die Erlebnisse eines Mädchens zu beschreiben, das sein Dasein acht Jahre in einem Keller gefristet hat und da natürlich nicht gerade schöne Dinge erlebt hat. Aber meine Beschreibung ging immer nur so weit, daß ich sie selbst noch aushalten konnte und das ist ein ganz guter Indikator dafür, was geht und was nicht. Da muß man sich schon ein bißchen vertrauen.
Zitat von: Farean am 07. Oktober 2011, 10:34:46
Leider gehört es in unserer Kultur dazu, daß wir die tugendhafte Heldenrolle als selbstverständlich ansehen und nicht hinterfragen, wogegen wir vor der Täterrolle die Augen verschließen und sie daher genausowenig hinterfragen.
Genauso sieht es nämlich aus. Ich für meinen Teil war die plakativen, nicht erklärten Romanbösewichte satt und scheue die Auseinandersetzung mit dem "Bösen" nicht. Es gehört einfach dazu.
@Luna: Ich habe ja auch nicht behauptet, dass es überhaupt nicht nötig gewesen wäre die Gewalt zu schildern, aber Darielle fragte ja "wie viel" und mir persönlich war es einfach viel zu viel. Ich bin da aber vielleicht auch etwas zart besaitet, gebe ich gerne zu. Ich fand es auch ziemlich grenzwertig, dass er nach der ganzen Tortur noch in der Lage war die Mord Sith auf irgendeine verdrehte Weise zu verstehen. Für mich war das - hmmm, wie soll ich sagen? - irgendwie übermenschlich, also für einen Buchhelden schon irgendwie denkbar, aber gleichzeitig nicht realistisch.
@Farean: Eine Vergewaltigungsszene habe ich auch schon mal geschrieben. Auch aus der Sicht des Opfers. Ich hatte sie zuerst so, dass ich die Berührungen des Täters mit drin hatte, also nicht genau ins Detail, aber schon so dieses hilflose Ausgeliefertsein, wenn er die Frau begrapscht und küsst usw. Und natürlich dann auch die Gefühlswelt, dass sie sich z. B. wehrt und dann versucht wegzudenken. Ich habe dann irgendwann angefangen dieses Buch als Fortsetzungsroman in einer Blindenzeitschrift zu veröffentlichen und als ich bei der Szene ankam, habe ich sie noch mal umgeschrieben und die körperlichen Details, die drin waren, auch noch rausgestrichen. Das war für mich eine interessante Erfahrung, weil ich mich mit der Szene schon beim ersten Schreiben sehr schwer getan habe - ich fand sie nicht authentisch (hatte mich auch an anderen Büchern orientiert) und dann, als sie öffentlich werden sollte, war sie mir irgendwie peinlich und ich wollte sie so nicht mehr haben. Eine Leserin hat mir dann zurückgemeldet, dass sie u. a. diese Szene sehr eindringlich fand, obwohl sie durch das Umschreiben teilweise eher auf eine metaphorische Ebene gelangte. Und ich bin damit jetzt auch einverstanden.
Ich denke, runterschreiben ist erst mal am besten, dann sieht man, wie man sich fühlt, wenn man es einem Beta gibt, und dann, falls angedacht, ob man es gegenüber einem Verlag vertreten kann und zuletzt auch gegenüber dem öffentlichen Leser.
LG Sanjani
@Aryana: ich hab auch schon schlechteres gelesen ;) Aber mich überkam bei "Shadows Return" das beklemmende Gefühl, dass sich Flewelling diesen abstrusen Plot nur zusammen gesponnen hatte, um einen Vorwand für diese ganzen Folterszenen zu haben, und das hat bei mir einen fahlen Nachgeschmack hinterlassen.
Ich beobachte da so eine gewisse Manie zu Splatterorgien. Dazu kann man stehen wie man will, aber auf jeden Fall nützt sich der Effekt mit der Zeit ab. Außerdem muss ich sagen, dass Leute, die wirklich Gewalt erfahren haben, die Dinge eher abstrakt und nüchtern beschreiben.
Im Bereich der Heroic Fantasy wird das Zeug gerne verharmlost, vielleicht unter dem Einfluss von Filmen. Ein Schwertkampf endet wahrscheinlich damit, dass einem der Schädel eingeschlagen, das Gesicht weg gestochen, der Kopf abgetrennt wird. Das ist nun mal so, aber ein erfahrener Fechter wird sich da kaum mit langen Beschreibungen aufhalten. Ich weiß nicht mal, ob es da früher brutaler zuging als heute. Wenn ich die Wahl hätte zwischen einem Granatsplitter (Drohnenangriff), einer Tretmine oder einem Schwert, würde ich wahrscheinlich das Schwert bevorzugen.
Zitat von: Darielle am 07. Oktober 2011, 04:26:49
Ich möchte eigentlich gar keine Gewalt reinbringen, ganz im Gegenteil. Ich möchte mit meiner Geschichte auf die Leute zeigen, die Gewalt anwenden, als sei es so normal wie das Schuhe anziehen.
Das klingt für mich so, als ob du von diesen Gewaltanwendern fasziniert wärst. :) Ein solcher Typ sieht die Sache aber wahrscheinlich nicht als brutale Splatterorgie, sondern eher zielgerichtet. Welche Blüten das treibt, sieht man ja an den Schauermärchen über Gaddafis schwarze Söldner, an die Viagra ausgegeben wurde, damit sie mehr weiße Frauen vergewaltigen können. Nehmen wir mal für eine Sekunde an, diese Geschichte wäre wahr. Aus der Sicht eine Opfers wäre es nur eine *normale* Vergewaltigung. Um deutlich zu machen, worum es hier wirklich geht und wie der Täter tickt, müsste man die Sache m.E. zwingend aus der Sicht des Täters beschreiben. Dem hat man auf die Packung Viagra vielleicht 50 $ drauf gelegt - und noch mal 50 $ geboten, wenn er dem Opfer die Brüste abschneidet. Wie steht er jetzt zu der Sache?
Dieses Thema betrifft mich in letzter Zeit ziemlich oft. Ich habe eigentlich früher nie besonders brutale Bücher/Szenen gelesen oder Filme gesehen. Ich tue es sogar heute noch nicht sehr oft. Eigentlich könnte man sagen, dass ich gar nicht dazu in der Lage sein sollte, Dark Fantasy zu schreiben. Und doch habe ich es einfach mal versucht, ich weiß noch nicht einmal woher der Drang kam. Er war einfach da. Wenn ich heute ein paar Szenen aus Schlangenbiss lese, dann wird mir mulmig. Nicht weil die Szenen so wahnsinnig brutal wären dass ich sie nicht lesen kann. Sondern weil ich das geschrieben habe. Weil ich mir so etwas im Leben niemals zugetraut hätte. Und in meinem Kopf bahnen sich für das nächste Dark Fantasy Buch schon wieder neue Szenen an.
Wie weit kann ich gehen, was wird zuviel, woher kommt das alles überhaupt? Das sind also auf jeden Fall Fragen denen ich mich regelmäßig stellen muss. Eines ist mir dabei wichtig: Gewalt nur der Gewalt willen- nein, das möchte ich auf keinen Fall. So etwas würde ich auch nicht lesen wollen. In meinen Büchern geht es nicht zimperlich zu. Da geht es sogar sehr weit. Aber ich schreibe mit Dark Fantasy natürlich auch ein Genre in dem es schwer ohne so etwas geht: Wie will man Horror-Elemente hineinbringen, wenn die Gewalt fehlt? Damit meine ich körperliche und seelische.
Ich persönlich gehe nur so weit, dass sie noch einen Sinn hat. Ein neuer Aspekt an einem Charakter soll gezeigt werden. Ein Charakter erfährt aufgrund dieser Grausamkeit etwas. Sie dient meistens zur Charakterisierung, manchmal zur Erzeugung von Atmosphäre. Natürlich kommt es auch auf das Genre und das Thema des Buches an, ebenso wie auf die Zielgruppe. Weder in einem Jugendbuch noch einem All Ager hätte ich mir so etwas erlaubt.
Aber ich bin auch dagegen, sich vollkommen dagegen zu sträuben sich mit Gewalt auseinanderzusetzen. Sie ist da, sie ist in jedem von uns, in dem Einen mehr und in dem Anderen weniger und sie zu verleugnen bringt uns auch nicht weiter. Meistens sind es die Bücher, die am meisten und stärksten auf die Gewalt eingehen, die ihr eigentlich am kritischsten gegenüber stehen. Denn sie erzeugen eine wirkliche Abwehrhaltung von diesem Verhalten, wollen schockieren und Gewalt als etwas Grausames darstellen - nicht wie die viel genannten Schlachten bei denen Gewalt schon fast als Nebenbei-Unterhaltung verkauft wird. Das finde ich ehrlich gesagt viel makaberer.
Ich habe in meinem Fall übrigens auch den Weg genommen, dass ich erst einmal runtergeschrieben habe. Dann kommt die Rückmeldung der Betaleser und dann kann ich mich immer noch entscheiden, was vielleicht zu hart war. Bisher wurde mir nur gesagt, dass ich bis an die Grenze gehe, sie aber nicht überschreite. Das wäre genau das, was ich als absolut akzeptabel empfinden würde. Den Leser durchaus auch auf die Probe dessen stellen, was er ertragen kann - aber diese Grenze nicht überschreiten. Ich will ja immer noch dass er mein Buch mag und nicht 90% überspringen muss weil es ihm zu brutal ist.
Im Übrigen empfinde ich es als wichtig, dass man, wenn man einen Charakter hat der Gewalt eher positiv gegenübersteht, sie genießt und vielleicht von ihr abhängig ist, dass es dann eine positive Identifikationsfigur für den Leser gibt, die diese Haltung radikal in Frage stellt, schockiert davon ist und allerhöchstens ganz geringes Verständnis dafür entwickelt/entwickeln kann (in wie weit ein solches Verständnis gehen kann, hängt von den Gründen des gewaltliebenden Charakters ab, so zu handeln). Man könnte mir beispielsweise auch vorwerfen, dass mein religiöser Kult der Furien gewaltverherrlichend sei. Denn diese Furien leben von Gewalt, sie brauchen sie und sie lieben sie. Das wird auch entsprechend anschaulich geschildert - aus der Sicht einer Neufurie, die im Laufe der Zeit auch in diese kranken Vorstellungen hineinwächst.
Gleichzeitig wird aber permanent ein gewisser Abscheu den Furien gegenüber aufgebaut. Es wird klar, dass dieser Orden eine gefährliche Sekte mit absolut unhaltbaren Vorstellungen ist - die Sekte ist also durchaus gewaltverherrlichend, aber das Buch richtet sich gegen sie. Unter Anderem auch durch die Existenz eines Charakters, der ganz eindeutig unter den Folgen der Vorstellungen der Sekte leidet. Und er ist der eigentliche Identifikationscharakter. Nicht die Protagonistin, die in die Fänge der Sekte gerät. Die wird dauerhaft mit einer gewissen Distanz betrachtet.
Leider kann ich keine Beispiele aus anderen Büchern bringen weil ich selbst wirklich ganz selten so etwas lese. Aber ich würde es wie eben in meinem eigenen Projekt immer als wichtig empfinden, dass klar wird dass man sich mit der Gewalt auseinandersetzen soll- nicht identifizieren.
Um das Thema muss ich mir - genauso wie Valaé - neuerdings oft Gedanken machen. Zwar schreibe ich keine Dark Fantasy - jedenfalls nicht direkt -, aber ich neige dazu, meinen inneren Bösewicht rauszulassen. Und da ist halt schon jedes Mal die Frage, wie weit ich da gehen kann / darf / muss. Ich sage bewusst "muss", weil von vielen Büchern, besonders in der Fantasy, einfach erwartet wird, dass sie in einem gewissen Grade brutal sind. Ich meine, wer will schon von einem blümchenpflückenden Antagonisten lesen?
Das soll jetzt nicht heißen, dass der Anta zwingend brutal sein muss. Ganz und gar nicht. Aber es wird eben von vornherein angenommen, dass er einiges auf dem Kerbholz hat. Deswegen ist es für mich wichtig, dass der Anta zwar schon "Verbrechen" begeht, aber nicht ohne halbwegs triftigen Grund. "Er hatte halt Lust dazu" ist da für mich keine Erklärung - das Argument, dass ihm als Kind eingetrichtert wurde, dass Gewalt nichts Schlimmes sei, schon.
Noch viel wichtiger ist für mich allerdings, dass nicht nur der Anta, sondern auch der Prota einige Dinge tun, die jenseits von Gut und Böse sind. Das Leben ist nun mal kein Ponyhof, und das sollte man - vor allem in mittelalterlichen High Fantasy-Welten - nicht vergessen. Das Mittelalter war dunkel, dreckig, brutal und grausam. Das ist nun einmal so, und das sollte man nicht - wie diverse erfolgreiche Autoren - vergessen.
Die Frage nach dem Wie ist aber die interessanteste von allen. Ich bin da recht zwiegespalten und lasse in der Regel die Geschichte entscheiden, ob ich detailliert oder eher subtil vorgehe. Was bei mir aber auffällig ist: Gerade in den "sauberen" High Fantasy-Welten neige ich dazu, sehr brutal vorzugehen. Vielleicht, weil mich diese ganzen Heroensachen ziemlich anöden. Also sowas wie Paolini oder so, bei denen die Schlachten immer edelmütig sind, jedenfalls auf Seiten der Helden.
Meine Protas dürfen rauben, brandschatzen, vergewaltigen, foltern und morden, soviel sie wollen. Jawohl, richtig gehört: Meine Protas. Gerade diese sind nämlich nur sehr selten die braven Heldlein mit "richtigen" Moralvorstellungen.
Natürlich sind die Antas nicht unbedingt besser, aber gerade das ist es, was mich so reizt: Wenn nicht mehr ganz klar ist, wer nun eigentlich der Böse ist, weil beide Parteien brutal und grausam vorgehen.
Aber, ich betone es nochmal: Es muss alles zur Geschichte und vor allem in die Zielgruppe passen. Wenn man einen All Ager schreibt, kann man nicht einfach mal jemanden zu Tode foltern. Bei einem Horrorroman erwarte ich sowas hingegen.
Und ganz wichtig ist auch die Dosis. Der exzessive Gebrauch von Gewalt, egal ob physisch oder psychisch, stumpft ab und schockt irgendwann einfach nicht mehr. Man sollte da also vorsichtig sein. Vielleicht ein Grund, warum ich oft genug Gewalt "nebenbei" geschehen lasse - die Ignoranz gegenüber der Gewalt, die ich damit zeige, ist für den Leser oft sehr viel schlimmer als die Gewalt an sich.
Hu, interessantes Thema.
Ich kann mit Gewalt nur ganz schlecht umgehen. Im wahren Leben ebenso wie in Literatur und Film. Mir wird tatsächlich ziemlich schnell flau, und das schon bei Dingen, die anderen Leuten wahrscheinlich nur ein gelangweiltes Gähnen abringen würden.
Das hat zur Folge, dass ich immer "zu wenig" brutal schreibe. Und mich richtig zwingen muss, meine Figuren auch mal üble Dinge tun zu lassen. Im aktuellen Projekt foltert der Antagonist einen Jungen- ich drücke mich seit Ewigkeiten vor der Szene. :versteck:
Tja, wie weit man gehen sollte und kann, ist wahrscheinlich ohnehin bei jedem unterschiedlich. Dann ist die Frage, schreibe ich ein horrolastiges Buch, oder eben doch was anderes. Was den Buchmarkt angeht, so habe ich langsam das Gefühl, Gewalt wird alltäglich. Viel alltäglicher, als mir lieb ist. Das heißt nicht, dass ich nicht denke, man sollte sich mit seinen finsteren Seiten auseinandersetzen. Aber Gewalt zum Selbstzweck ist mir auch in Büchern zuviel.
Ich habe früher viel unglaublich brutales Zeug geschrieben. Gerade dadurch fällt es mir heute leichter, das ganze in Maßen zu halten.
Scar – wie der Name nahelegt – wurde als junger Mann über Wochen gefoltert, und ich habe diese Geschichte komplett aufgeschrieben. Als ich gemerkt habe, dass es mich irgendwann gelangweilt hat und selbst die Interaktion mit seinem Peiniger langweilig und die starken Szenen immer weniger wurden, habe ich den Text beiseite gelegt.
Aus gegebenem Anlass habe ich ihn noch einmal gelesen. Absolut brutaler, sinnloser Schwachsinn. Es sind durchaus einige sehr gute Szenen dabei, aber das sind Bruchstücke, und ich merke, dass es mir viel leichter fällt, dem Leser selbst zu überlassen, sich zusammenzureimen, woher er die Narben hat. Die erzählen genug, und die wenigen direkten Folterszenen beschränke ich auf die Träume, die Scar hat. Allein, wie sich sein eigenes Schmerzverständnis gewandelt hat, ist schon genug, um deutlich zu machen, was deutlich gemacht werden muss: er wurde gefoltert, es war grauenhaft, sein Peiniger verfolgt ihn noch immer, aber man hat ihm vollstes Verständnis für solches Vorgehen eingeredet, und er hat selbst gemerkt, dass man Leute so einfach am leichtesten zum Reden bekommt. Der Schmerz hilft ihm, weil er etwas Vertrautes ist, und die recht harmlosen Szenen, in denen das klar wird – er verstaucht sich das Bein – sagen so viel mehr über ihn aus als ein detailreiches Folterorgien-Flashback.
Brutalität so schlicht zu schreiben, dass sie zwar abstoßend, aber nicht ekelhaft ist, ist irgendwo eine zweifelhafte Kunst. Ich ekele mich ungern. Der Splattereffekt ist auf Ekel aus und nicht darauf, durch den Akt der Gewalt selbst abzustoßen.
An sich habe auch ich keine Probleme damit Gewalt zu beschreiben oder zu lesen - ich fürchte da kommt immer ein wenig der kleine Sadist in mir raus. Und als guter Autor muss man sich ja auch in den Antagonisten hineinversetzen können und dessen Grenzen austesten, genauso wie man die Grenzen des Protagonisten auslotet.
Aber irgendwann wird es auch mir zu viel. Diese ganzen Filme wie SAW schau ich mir nicht an, weil es da wirklich nur noch um das WIE der Gewalt geht und nicht das WARUM.
Das einzige mal, dass ich ein Buch wegen Gewalt weggelegt habe war "Kryson" - die andauernden Vergewaltigungen gingen mir irgenwann nur noch auf die Nerven, zumal ich keinen Sinn darin sah, außer zu zeigen "wie böse dieser Schurke doch ist". Mir kam das ganze ziemlich eindimensional vor (zugegeben, der Anta war auch nicht sonderlich intelligent, aber ich hatte mir trotzdem mehr erwartet). Und auch später waren die Beschreibungen der Grausamkeiten meiner Meinung nach eher Selbstzweck. Irgendwann war es mir dann einfach zu viel und ich habe den zweiten Band nach ca. Seite 20 weggelegt.
Es mag komisch klingen, aber brutale Szenen müssen für mich auch immer eine gewisse Ästhetik haben, so wie alles andere, was ich beschreibe. Ohne das wird beim Leser nur Abscheu ausgelöst. Ich denke dass beim Lesen solcher Szenen auch eine gewisse Faszination ausgelöst werden sollte. Wenn sich der Leser mit einem Schaudern fragt: "Könnte ich so etwas tun? Wie weit würde ich gehen?", dann ist man auf dem richtigen Weg.
Zitat von: Dämmerungshexe am 07. Oktober 2011, 17:16:53
Das einzige mal, dass ich ein Buch wegen Gewalt weggelegt habe war "Kryson" - die andauernden Vergewaltigungen gingen mir irgenwann nur noch auf die Nerven, zumal ich keinen Sinn darin sah, außer zu zeigen "wie böse dieser Schurke doch ist". Mir kam das ganze ziemlich eindimensional vor (zugegeben, der Anta war auch nicht sonderlich intelligent, aber ich hatte mir trotzdem mehr erwartet). Und auch später waren die Beschreibungen der Grausamkeiten meiner Meinung nach eher Selbstzweck. Irgendwann war es mir dann einfach zu viel und ich habe den zweiten Band nach ca. Seite 20 weggelegt.
Kommt mir bekannt vor. Bei "Kryson" war mir das auch zu viel sinnlose Gewalt. Aber ich kam auch generell nicht mit dem Stil und dem Plot klar, von daher hätte ich das Buch eh weggelegt.
Ich denke, wieviel Brutalität ein Roman verträgt, misst sich schon am ganzen "Tonfall" des Werkes. Wenn es von Anfang an härter zugeht, die Lebensumstände für die Figuren schwer oder unerträglich sind, wenn man sich in den Abgründen der konstruierten Welt bewegt, dann finde ich, ist eine präzisere Darstellung von brutalen Szenen auch gerechtfertigt, weil es nicht plötzlich wie ein Vorschlaghammer kommt, der schockiert, sondern weil es absehbar war.
Andererseits: Ist ein wirklich extremer Bruch innerhalb eines Romans gewünscht, könnte man auch hier eine bilderreichere Beschreibung der Gewalt nutzen, um den Leser zu irritieren und zu schockieren.
Ich persönlich mag zu ausufernde Gewaltbeschreibungen in Romanen nicht, kann aber mit ihnen leben, wenn ich finde, dass sie zur Atmosphäre des Werkes passen.
Ich schätze, jeder muss für sich selbst entscheiden, was und wieviel in seinen Roman passt. Ich stimme da den vielen anderen Postern zu: Erstmal alles runterschreiben was einem einfällt (und dabei keine Angst vor sich selbst bekommen ;) )... und später in der Überarbeitung prüfen, was wirklich notwendig ist oder was man abspecken oder in Andeutungen verpacken könnte.
Zunächst an dich, Darielle: Ich nehme an, du schreibst momentan noch an der ersten bzw. Rohfassung? Dann würde ich dir Sannes Tipp ans Herz legen. Schreib es erstmal so runter, wie es dir aus den Fingern fließt und lege die Szene/das ganze Manuskript für eine Weile zur Seite. Ich habe selbst vor kurzem eine Geschichte gelesen, die ich vor zwei Jahren verfasst habe und dabei gemerkt, dass die Gewaltszenen (und davon gab es einige, hat es sich doch um einen von Saw inspirierten Lost-Verschnitt gehandelt) teilweise too much waren.
Die Frage ist immer auch die, die Dani bereits gestellt hat. Was will man erreichen? Oder noch deutlicher, was will man
beim Leser erreichen? Soll er Mitgefühl für das Opfer empfinden? Ekel? Schlicht schockiert sein ob der Brutalität? Willst du ihm eine bestimmte Moral ans Herz legen? Diese Frage sollte man sich m.E. vorher überlegen - und zwar nicht beim ersten Niederschreiben, sondern schon vorher, beim plotten.
Ich denke außerdem, dass man mit seinen potentiellen Lesern behutsam umgehen muss, gerade bei Gewalt. Natürlich gibt es genretypische Standards und diese sind auch immer eine gute Richtlinie, um zu erkennen, ob man zu viel Gewalt beschrieben oder dabei zu sehr ins Detail gegangen ist. Dazu muss man seine Geschichte aber vorher gut kennen, in ein bestimmtes Genre einordnen und die rechte Zielgruppe definieren können.
Okay, ich gebe zu, irgendwo trifft das auf jede Szene einer Geschichte zu, aber gerade bei einem so heiklen Thema, wie (zu viel) Brutalität, sollte man die Zielgruppe im Blick behalten. Ein geübter Thriller-Leser wird um einiges detailiertere Gewalt vertragen können, als jemand, der hauptsächlich Fantasy liest und dieser wiederum wird mehr vertragen, als ein Freund romantischer Frauenromane.
Das ist besonders wichtig, um keinem potentiellen Leser auf die Füße zu treten. Wer Thriller liest, der weiß in der Regel, dass er darin auch mit einer brutalen Vergewaltigungsszene konfrontiert werden könnte. Wer paranormal Romance liest und ein Buch erwischt, in dem eine solche Vergewaltigungsszene enthalten ist, wird im besten Falle überrascht sein, im schlimmsten aber das Buch in die Ecke pfeffern und den Autor oder gleich das ganze Genre meiden.
Zitat von: Naudiz am 07. Oktober 2011, 17:18:45
Kommt mir bekannt vor. Bei "Kryson" war mir das auch zu viel sinnlose Gewalt.
Das ist auch ein sehr wichtiger Punkt: Gewalt sollte nicht sinnlos stattfinden, sondern vom Plot und/oder vom Charakter gefordert werden. Wobei es auch hier wieder Konventionen gibt, die von Genre zu Genre abweichen können.
Andererseits kann gerade sinnlose Gewalt eine grandiose Wirkung entfalten, wenn sie unvermittelt und einmalig erscheint. Wenn beispielsweise ein dem Leser bereits bekanntes Opfer vom Antagonisten regelrecht geschlachtet wird, ohne, dass diese Tat plotrelevant ist, dann wird sie sicherlich einen emotional starken Effekt auf den Leser ausüben.
@Kryson-Thema, die Gewalt ist ja nur dazu da gewesen, um zu zeigen, dass Krieg sinnlos und unendlich brutal ist. Mich hat das überhaupt nicht stärker tangiert als andere Sachen. Da fand ich die seelische Gewalt im dritten Buch um einiges heftiger, wo ich dann auch mal Tränen gelassen hab.
@Gewalt, immer Zielgerichtet, nur um etwas auszusagen, nie zur Schau. Action ist ein anderer Punkt, wobei das nicht zwingend mit brutaler Gewalt einhergehen muss.
Ich finde, man sollte zwischen purem Splatter und subtiler, unterschwelliger Gewalt unterscheiden. Gerade gewisse Thriller zielen mittlerweile nur noch auf die Splatter-Schiene, und die mag ich gar nicht. Kennt jemand den Film "Hostel"? Perfektes Beispiel. Eklig, brutal, unhaltbar und einfach nur übelst kotzwürdig. Und dabei habe ich nur Ausschnitte aus der angeblich zensierten Version gesehen.
Ich bin nicht gerade zimperlich, was Gewalt in Büchern und Filmen angeht. Ich liebe Actionfilme, es darf schön viel in die Luft fliegen und Leuten irgendwelche Gliedmassen abgeschossen werden. Aber dabei wird nicht alles minuziös gezeigt. Das Selbe gilt für historisches wie Braveheart - jeder weiss, wie brutal es damals zuging, im Film wird auch einiges gezeigt, aber eben nicht alles.
Meine beste Freundin ist fundamentalistische Pazifistin (ist das nicht ein Paradoxon?), aber sie liest nichts anderes als Joy Fielding und all diese Skandinavier. Sie sagt von sich selbst, sie bräuchte das irgendwie als Gegensatz. Ich hingegen habe den letzten Krimi vor gut drei Jahren gelesen. Thriller mag ich überhaupt nicht - ich werde schnell paranoid, und wenn ich von Psychopathen lese, die einer Frau nachts auflauern, habe ich die nächsten paar Wochen Panik auf dem Arbeitsweg (jetzt sowieso, wo die Tage wieder kürzer werden). Das geht also gar nicht. Komischerweise liebe ich Steven King, wahrscheinlich aus dem einen Grund, dass seine Bücher Gewalt nicht verherrlichen, sondern weil er sehr subtil schreibt. Sein Under the Dome ist da ein gutes Beispiel, all diese menschlichen Abgründe! Ich konnte das Buch kaum aus der Hand legen, so genial ist es, obwohl ich genau wusste, dass alles den Bach runter geht und einige Charaktere sehr viel leiden müssen werden (leiden werden müssen? Ach...)
Es kommt auf das Genre an, in dem man schreibt, und ob man auf Splatter oder subtile Gewalt setzt. Wenn es den Plot und/oder die Figur voranbringt, warum nicht? Ein Antagonist darf böse sein und man darf das ruhig auch zeigen. Aber ganz ehrlich? Es ist doch viel spannender, wenn man als Leser nicht immer detailgenau weiss, wie genau eine Figur reagiert/agiert hinsichtlich Gewalt.
Zitat von: Erdbeere am 07. Oktober 2011, 23:07:53
Komischerweise liebe ich Steven King, wahrscheinlich aus dem einen Grund, dass seine Bücher Gewalt nicht verherrlichen, sondern weil er sehr subtil schreibt. Sein Under the Dome ist da ein gutes Beispiel, all diese menschlichen Abgründe! Ich konnte das Buch kaum aus der Hand legen, so genial ist es, obwohl ich genau wusste, dass alles den Bach runter geht und einige Charaktere sehr viel leiden müssen werden (leiden werden müssen? Ach...)
Komisch - ich hab da ungefähr auf Seite 500 aufgegeben, einfach weil ich schon genau wußte, was kommt. Ich hab dann irgendwo eine Zusammenfassung gelesen (englische Wikipedia?) und ich hatte recht mit allem, was er sich noch überlegt hatte. Das war etwas ernüchternd.
Bis dahin hat mir diese Subtilität aber auch gefallen. Nur irgendwie hat der Handlung dann das treibende Element gefehlt.
Wenn man sich den Buch (und Film)-Markt so anschaut, ist es kein Wunder, dass man sich als Autor mit Fragen über das "wieviel" an Gewalt beschäftigen muss.
Ich gehöre zu der wohl eher unterbesetzten Fraktion derjenigen, denen die meiste Gewalt zu viel ist. Ich mag sie wirklich nur dann, wenn sie ganz ganz eng zum Plott gehört. Stieg Larson ist ein gutes Beispiel dafür, ein Genre, was ich sonst eher nicht lese und wo ich über die Filme zu den Büchern gekommen bin. Stieg Larson schreibt nicht brutal, obwohl seine Handlung oft mehr als abgründig und brutal ist. Wenn man es schafft, so intelligent zu schreiben, so genau zu wissen, was man bei seinem Leser an Gedanken auslöst, dann kann man selbst eine so abgründige Geschichte schreiben und trotzdem von Leuten gelesen werden, die nicht gern über Gewalt lesen.
Gewalt muss nicht immer eklig und körperlich sein. Kennt jemand "The Road" (Film oder Buch), eine Endzeitgeschichte. Eine der brutalsten Szenen zeigt, wie der Vater einen Mann, der sie bestohlen hatte, zwingt, sich mitten im Winter nackt auszuziehen und ihn dann zurück lässt. Erst die Frage seines kleinen Sohnes, ob sie selbst denn nun "die Bösen" sein, bringt ihn dazu, seine eigene Grausamkeit zu erkennen. Eine Szene, in der kaum etwas geschieht und die doch ganze Abgründe offenbahrt. Und die vor allem - und das ist mir am Wichtigsten - die Frage aufwirft: wie würde ich in dieser Situation handeln, wie grausam könnte ich selbst sein?
Ich mag diesen eher subtilen Umgang mit Gewalt und werde mich nicht dem gerade vorherrschenden Mainstream anschließen, möglichst viel Gewalt, Blut und Tod in meinen Plots unterzubringen. Meine Helden leiden auch, oft sogar ganz furchtbar, doch nicht, weil man ihnen ein Auge ausgestochen hat, sondern, weil ihr Leben sie quält. Da finden sie die Verbindung zum Leser, der solche Moment wahrscheinlich selbst kennt.
Als letztes Beispiel, weil es auch unseren Reihen kommt: Der Kuss des Kjer. Ein fantastisches Buch, das ich wirklich liebe (ich hoffe, es gibt eine Fortsetzung), aber auch dort viel grenzwertige Grausamkeit für meinen Geschmack. Besonders das Ende ... die Beschreibung all dessen, was sie meinem Helden angetan hatten - war das nun wirklich nötig, dem Ende damit noch eine "dramatische" Note zu geben?
Ich hätte es nicht getan, aber ich habe auch keine grausame Ader, die irgendwie raus will. In meinen Geschichten gibt es nicht mal einen Anta, wie meine Beta-Leser staundend feststellen, denn in jedem von uns liegt das Böse und hinter jeder bösen Handlung steckt ein Grund. So sehe ich das jedenfalls und so sieht es in meinen Geschichten aus.
Also ich habe persönlich nichts gegen Gewaltbeschreibung, so lange sie in die Story und zu den Charakteren passen, obwohl ich finde, dass man mit weniger mehr rüberbringen kann, will sagen wenn man sich weniger in blutige Details vertieft sondern eher das Grauen beschreibt, kann der Leser sich die grausigen Details selbst ausmalen, was finde ich meistens mehr Effekt hat.
Worauf man aber vielleicht achten sollte, ist auch wieviel man seinen Helden zumuten kann, ohne das sie "daran zerbrechen". Man lebt nicht ein normales Leben, wird dann 4 Stunden lang gefoltert, und kann dann ganz normal weitermachen. Natürlich gibt es stärkere uns schwächere Charaktere, aber im Endeffekt sind sie alle Menschen (nun ja zumindest im übtertragenden Sinne ;D ) und können nur ein begrenztes Maß an Gewalt aushalten ohne "kaputt" zu gehen.
Und natürlich muss die Gestalt an das Alter der Leser angepasst sein, wie schon gesagt.
;)
LG
Nocturne
Zitat von: Erdbeere am 07. Oktober 2011, 23:07:53
Kennt jemand den Film "Hostel"? Perfektes Beispiel. Eklig, brutal, unhaltbar und einfach nur übelst kotzwürdig. Und dabei habe ich nur Ausschnitte aus der angeblich zensierten Version gesehen.
Hmhm, den kenne ich. Ich habe nicht lange zugesehen. Nicht, weil ich mich davor geekelt hätte oder so, da bin ich ziemlich belastbar (na gut, mir ist noch nie bei einem Film schlecht geworden, egal, was da gerade mit den armen Opfern angestellt wurde). Aber ich fand es kacke, dass alles nur auf Splatter ausgelegt war und da gar keine wirkliche Story hintersteckte. Sowas ist mir einfach zu doof.
@Luciel: Einen wirklichen Anta habe ich auch nicht, jedenfalls nicht in meinem NaNo-Projekt. Dort sind eigentlich alle an der Misere schuld - die Protas, die Feinde, gegen die sie ankämpfen, schlichtweg jeder. Auch wenn es nur die wenigsten wissen.
Zitat von: Dämmerungshexe am 07. Oktober 2011, 17:16:53
Es mag komisch klingen, aber brutale Szenen müssen für mich auch immer eine gewisse Ästhetik haben, so wie alles andere, was ich beschreibe. Ohne das wird beim Leser nur Abscheu ausgelöst. Ich denke dass beim Lesen solcher Szenen auch eine gewisse Faszination ausgelöst werden sollte. Wenn sich der Leser mit einem Schaudern fragt: "Könnte ich so etwas tun? Wie weit würde ich gehen?", dann ist man auf dem richtigen Weg.
Das unterschreibe ich einfach mal. :)
Ich beschreibe die Dinge so, wie sie passieren und möchte dabei möglichst wenig beschönigen. Interessanterweise habe ich bisher von meinen Testlesern eher für das gehäufte Auftreten von Krabbeltieren Schelte bezogen als für Blutvergießen, was auch recht oft vorkommt. Aber wie gesagt, alles sollte eine gewisse Ästhetik, oder einen angenehmen Gruselfaktor behalten - sonst ist es einfach nur ekelhaft und man möchte nicht weiterlesen.
Mir scheint es so, dass man sich gerade in der Thriller-Ecke an Grausamkeiten übertreffen möchte. Da brauche ich nur auf das Cover schauen, wo sich Fleischerhaken oder sonstiges Gerät tümmelt. Ich bin nicht empfindlich, aber sowas spricht mich einfach überhaupt nicht an.
Noch ein explizites Beispiel: "Der Kinderdieb" von Brom - viel Gewalt, Gedärm und Gehecksel, doch in diesem Fall empfand ich es durchaus passend für die Gesamtaussage der Story.
Gefährlich wird es meiner Meinung nach, wenn Protas zum Zweck der Leserbegeisterung / entgeisterung misshandelt werden. So a la "starker Kerl wird gefoltert, bis ihm das Fleisch vom Rücken hängt, damit er dann von bravem Mädchen umsorgt werden kann." Kommt das jemandem bekannt vor? ;)
Zitat von: Mohnrote am 08. Oktober 2011, 14:57:59
Gefährlich wird es meiner Meinung nach, wenn Protas zum Zweck der Leserbegeisterung / entgeisterung misshandelt werden. So a la "starker Kerl wird gefoltert, bis ihm das Fleisch vom Rücken hängt, damit er dann von bravem Mädchen umsorgt werden kann." Kommt das jemandem bekannt vor? ;)
Ja, in der Fanfiction-Szene nennt man das Hurt-and-Comfort und das ist da gaaanz groß... oder war's zumindest, als ich noch in dem Bereich unterwegs war. Fand ich immer höchst merkwürdig...
Genau mein Thema. ;) So etwas wie ein schlechtes Gewissen kenne ich da nicht. Ich habe keine Skrupel, einen Chara ein bisschen leiden zu lassen, wenn es die Story erfordert. Das kann ja mitunter auch förderlich sein, insofern, dass man mehr mit ihm mitfühlt und die ganze Geschichte/Sequenz mehr an einem nagt. Was Sinn und Zweck der Sache ist, denn ich schreibe teilweise Horror und ich als Horrorleser will, dass irgendetwas an dem Buch mich aufkratzt. Sonst würde ich keinen Horror lesen, für alles andere gibt es nettere Sachen.
Allerdings muss die Story oder der betreffende Abschnitt der Story es erfordern. Wenn etwas einfach nur brutal ist um der Brutalität willen, wird es schnell abstossend. Nicht weil, es mir zu krass wäre, sondern weil es mir sinnlos erscheint. Eine gewisse Brutalität in der Kunst muss immer auch ihre Substanz haben, sonst löscht es mir ab, einach weil ich es blöd finde.
Dazu kommt, dass körperliche Gewalt nicht alles ist. Psychoterror finde ich viel schlimmer und lese und schreibe ich auch lieber. Man kann meiner Meinung nach einfach die viel stärkeren Emotionen erzeugen, indem man eine qualvolle Szene ein bisschen hinauszögert. Wird zum Beispiel einfach nur irgendein ein kleines Kind in der Schlacht zertrampelt, ist es eben tot. Aber wird über eineinhalb Seiten lang immer mal wieder erwähnt, dass das Kind da noch liegt und noch lebt, nachdem es früher in der Geschichte ausführlich vorgestellt wurde, einfach weil es gerade zur falschen Zeit am falschen Ort war - das wühlt mich viel mehr auf und wirkt auf mich auch realistischer. Was mehr Substanz ausmacht, als ein unbekanntes x-beliebiges Kind. Ist jetzt nur ein Beispiel von vielen. ;)
Zitat von: Dani am 08. Oktober 2011, 15:10:27
Ja, in der Fanfiction-Szene nennt man das Hurt-and-Comfort und das ist da gaaanz groß... oder war's zumindest, als ich noch in dem Bereich unterwegs war. Fand ich immer höchst merkwürdig...
Dann muss ich zugeben, dass ich totaaal auf H/C stehe ;D ;D ;D Allerdings finde ich immer, in "echten" Romanen sollte das wohldosiert passieren und außerdem zum Plot passen, für alles andere gibt es ja eben Fanfics ;)
Das ist eben genau der Punkt - wie so oft entscheidet das Maß! Klar leidet man gern mit, aber wenn Storys bloß zum Zweck des Hurt and Comfort geschrieben werden, ist der Rest meist etwas dürftig ;D
Zitat von: Dani am 11. Oktober 2011, 11:50:51
Das ist eben genau der Punkt - wie so oft entscheidet das Maß! Klar leidet man gern mit, aber wenn Storys bloß zum Zweck des Hurt and Comfort geschrieben werden, ist der Rest meist etwas dürftig ;D
Das ist exakt das Problem, das ich mit dem bereits erwähnten "Shadows Return" von Lynn Flewelling hatte. Irgendwie war es ein einziges großes H/C Gedöns mit vorgeschobenem Plot... :hmhm?: Aber als Fanfic? Immer gerne ;D Ich muss bloß selber aufpassen, dass ich das Element nicht zu häufig in meinen Romanen verwende. Meistens ist es zwar irgendwie drin, aber ich habe mir selber die Vorgabe gemacht, das nicht mehr als einmal zu benutzen und es nicht zu klischeehaft aufzublasen. (Ich sollte meine eigenen Fanfics schreiben... ::) )
Ich überarbeite gerade meinen "Styx", und fühl mich gerade sehr von der Diskussion hier angesprochen. Aus dem ganz aktuellen Anlass der letzten drei Kampfszenen, die ich gerade durchgegangen bin. :-X
Das ist ja Heroic Fantasy, allerdings unter der Prämisse geschrieben, dass man im Gegensatz zu Conan & Co. halt nicht sein Leben mit Gewalt verbringen und davon unberührt ein netter Kerl bleiben kann - sprich, im Grunde hab ich das bekannte Zitat "Wer mit Ungeheuern kämpft, mag zusehen, dass er nicht dabei zum Ungeheuer wird. Und wenn du lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein" als Leitmotiv in dem Roman.
Und irgendwie muss man das auch deutlich machen. Was bedeutet, dass meine Hauptfiguren halt ein kalt kalkulierender Söldner sind, der für eine Handvoll Geld auch seine Großmutter umbringen würde, eine ziemlich gestörte Söldnerin, die mit Gewalt ihren persönlichen Lebensfrust übertüncht, und ein Barbar, der nach heutigen Maßstäben wohl zu den Typen gehören würde, die vor einem Richter "Der hat mich komisch angeguckt" als gute Begründung vorbringen würden, warum sie jemanden zusammengeschlagen haben.
Und was das im Einzelfall bedeutet, hab ich beim Schreiben immer wieder bemerkt und merke es jetzt beim Überarbeiten - dass ich an vielen Stellen bei dem, was diese Leute realistischerweise tun würden, nicht mitgehen möchte. Und an anderen Stellen, wo ich es storytechnisch tun muss, zumindest ins Grübeln gerate. Vor allem, weil das halt nicht die "Bösen" sind. Die Bösen müssen davon ja noch abgegrenzt werden und halt noch böser sein :o - wenn auch letztendlich wohl eher in der Bedrohung, die sie fürs große Ganze darstellen, in ihren Motiven und ihrem "bösen Willen", und nicht mehr unbedingt in dem Maß an Gewalt, das sie anwenden.
Ich bin letztendlich zu dem Schluss gekommen, dass es wohl nicht schlimm ist, wenn man als Autor nicht alles mitgehen möchte und nicht alles zeigen, was die Figuren eigentlich tun müssten. Vielleicht ist es dadurch an manchen Stellen etwas "weichgespült", die Gefahr besteht. Vielleicht leidet die Eindringlichkeit. Andererseits können zu krasse explizite Szenen auch die eigentlich wichtige Psychologie zukleistern, so dass man nur noch den Effekt sieht, aber nicht den Hintergrund, auf den er verweisen soll. Oder es tut schlicht der Story - der Leserführung, der Dramaturgie - nicht gut, wenn man zu "krass realistisch" ist. Oder vielleicht könnte man damit etwas herausholen, aber schadet der Geschichte trotzdem eher, weil man es als Autor persönlich einfach nicht kann und damit nicht nur die Grenzen irgendeines "guten Geschmacks" überschreitet, sondern einfach auch die Grenzen dessen, was man selbst wirksam darstellen kann.
Denn das ist ja auch zu bedenken, nicht alles wirkt bei jedem Autor gleich. Der eine Autor kann bei krassen Szenen vielleicht weitergehen, trifft den Nerv seiner Zielgruppe und erreicht damit etwas, während ein anderer Autor gut beraten ist, es gar nicht erst zu versuchen. Ich denke also nicht, dass es eine allgemeingültige Grenze gibt für "brutale und blutige Szenen" - es hängt sehr von den angesprochenen Lesern, von der Einbettung in der Geschichte und vom Vermittlungsgeschick des Autors ab.
Aber da den richtigen Kompromiss zu finden, das finde ich schwierig. Vor allem dann, wenn man eigentlich wirklich bis an die Grenzen dessen gehen will, was die Geschichte wirken lässt, und sich nicht durch persönliche Skrupel oder Feigheit daran hindern lassen will, etwas zu schreiben, was eindringlich wirkt. Aber wo traut man sich nicht genug, wo geht man schon zu weit aus lauter Angst, zu früh aufzuhören? Das ist eine Frage, über die ich eigentlich bei jeder einschlägigen Szene in diesem Buch aufs neue nachgrübele und bei der man sich vermutlich letztlich auf seine ganz persönliche Einschätzung verlassen muss - vielleicht mit Hilfe durch seine Betaleser, die in dem Falle hoffentlich auch gut ausgewählt sind ;)
Ich beneide jedenfalls jeden Autor, bei dem ich am Endergebnis sehe, dass er's draufhat und bei dem ich mir denke, "Wow. So würde ich es auch gerne hinbekommen."
Zitat von: Lomax am 11. Oktober 2011, 12:55:31
Ich überarbeite gerade meinen "Styx", und fühl mich gerade sehr von der Diskussion hier angesprochen. Aus dem ganz aktuellen Anlass der letzten drei Kampfszenen, die ich gerade durchgegangen bin. :-X
Kampfszenen gelten gemeinhin als Maßstab des Brutalen. Dabei folgen sie letztlich nur Notwendigkeiten. Eine Figur, die wirklich um ihr Leben kämpfen muss, wird nicht zögern, den Gegner mit den klassischen Methoden ins Jenseits zu befördern. Da gibt es wenig Raum für Edelmut. Ich hielte es auch für falsch, eine halbe Seite zu splatten, wenn ein abgebrühter Killer jemanden köpft. Das ist für den einfach keine Begebenheit.
Davon abgesehen halte ich eine blutige Szene, die kein Selbstzweck ist, und deren Beschreibung sich in die Wahrnehmung des Perspektivträgers einfügt, niemals für unpassend.
Zitat von: Churke am 11. Oktober 2011, 13:48:51Kampfszenen gelten gemeinhin als Maßstab des Brutalen. Dabei folgen sie letztlich nur Notwendigkeiten. Eine Figur, die wirklich um ihr Leben kämpfen muss, wird nicht zögern, den Gegner mit den klassischen Methoden ins Jenseits zu befördern. Da gibt es wenig Raum für Edelmut. Ich hielte es auch für falsch, eine halbe Seite zu splatten, wenn ein abgebrühter Killer jemanden köpft. Das ist für den einfach keine Begebenheit.
Nun ja, die Kampfszenen sind in meinem Fall auch nicht unbedingt die Problemfälle, die an die Grenzen gehen. Andere Stellen, wo die Figuren mehr Zeit haben, bringen einen da schon mehr ans Grübeln. Wenn ich an Stellen komme, wo ich sexualisierte Gewalt thematisieren müsste, dann frage ich mich schon eher, wie weit ich da explizit werden will.
Und auch "Kampfszenen" sind ein weiteres Feld. Auch da kämpft nicht immer ein Protagonist um sein Leben, oder geht einfach nur routiniert seinem Geschäft nach. Die letzte Szene, die ich bearbeitet habe, war technisch eine Kampfszene - aber sehr asymmetrisch. Eher das Gemetzel einer Protagonistin an hoffnungslos unterlegenen und unterbewaffneten Gegnern, und zwar von ihr ganz bewusst gesucht, damit sie in dieser Situation das Gefühl von Stärke genießen kann, das ihr Partner ihr in ihrer Beziehung konsequent ausgetrieben hat.
Und das ist dann durchaus eine Kampfszene, wo der Protagonist "Zeit" hat und die Gewalt auch genießt - und wo sich damit dann auch die Frage stellt, wie viel von dieser Sicht des Protagonisten man in der Geschichte wirklich nacherleben lassen will.
Ich denke also schon, dass deine Sicht auf Kampfszenen sich schon sehr auf "klassische" Kampfszenen fokussiert, und dass man auch dabei schon zu Recht in grenzwertige Bereiche geraten kann, die nicht mehr so selbstverständlich von bloßen Notwendigkeiten diktiert werden und sich auf die Wiedergabe derselben beschränken. Und selbst bei klassischen Kämpfen macht es durchaus einen Unterschied, ob man die Sache klinisch sauber oder schmutzig verlaufen lässt.
Zitat von: Lomax am 11. Oktober 2011, 12:55:31
Ich bin letztendlich zu dem Schluss gekommen, dass es wohl nicht schlimm ist, wenn man als Autor nicht alles mitgehen möchte und nicht alles zeigen, was die Figuren eigentlich tun müssten.
Zitat von: Lomax am 11. Oktober 2011, 18:22:19
Und das ist dann durchaus eine Kampfszene, wo der Protagonist "Zeit" hat und die Gewalt auch genießt - und wo sich damit dann auch die Frage stellt, wie viel von dieser Sicht des Protagonisten man in der Geschichte wirklich nacherleben lassen will.
Ich finde auch, dass es in solchen Fällen völlig legitim ist, als Autor die Szene zu verlassen und "abzublenden". Wenn die Intention klar ist, kann man sich (und auch dem Leser) so ein gewisses Übermaß an Gewalt ersparen. Bevor man eine Szene schreibt, bei der einem selbst unwohl wird, ist es sicherlich besser, ein wenig zu zensieren.
Ich hab irgendwie genau das umgekehrte Problem: Ich bin immer viel zu nett in meinen Texten! Neulich haben meine Protagonisten ein Kaninchen gegessen - das tat mir fürchterlich Leid, das Tierchen. ::)
Und meine Kampfszenen:
Szene 1: Prota wird von allesfressenden Monster-Zentauren angefallen, ich hab mir fest vorgenommen, sein Pferd zu opfern - und schaffe es nicht. Das Pferd lebt und muss nun versorgt werden, ebenso wie der Prota.
Szene 2: Auftragskiller gelangt in den Palast und wird vom König entwaffnet und eingesperrt. Da ist noch nicht mal einer verletzt! :d'oh:
Szene 3: eh schon angeschlagener Prota geht in eine Höhle, um seine Begleitung zu retten, wird vom Monster zusammengeschlagen und von seiner 16jährigen Begleitung gerettet, die es dann auch noch witzig findet, nicht zu erzählen, wie sie das gemacht hat.
Fazit: Ich drücke mich vor den Gewaltszenen. Und zwar weniger, weil ich selber so sanftmütig bin, sondern einfach, weil ich ständig Mitleid mit allem und jedem habe! Ohne Witz: Als Kind hab ich mich mal beim Tisch entschuldigt, als ich in einem leichten Wutanfall mit dem Fuß gegen das Tischbein getreten hatte.
Filme wie SAW gehen gar nicht, dafür aber problemlos Das Schweigen der Lämmer und nachfolgende, American Psycho hab ich mit einer gewissen Begeisterung gelesen, während der Mitbewohner meiner Freundin es nachts um vier ganz unten in der Altpapiertonne vergraben hat.
Ich nehme Gewalt in Büchern wahr und reagiere emotional darauf, ich begreife, dass sie wichtig ist, damit der Leser das Buch stärker empfinden kann, aber ich schaffe es nicht, selber überzeugende Gewaltszenen zu schreiben.
By A Song of Ice and Fire hab ich den Atem angehalten, als Bran aus dem Fenster "gestoßen" wurde, hätte ihn am liebsten eigenhändig am Fallen gehindert und fand die Szene schrecklich - aber sie ist wichtig für die Story und muss daher auch in dieser Direktheit erzählt werden. Das würde ich gerne können.
Für mich ist klar: Gewalt ist wichtig in Büchern, weil sie Teil der Welt ist. Als solche darf sie auch sehr explizit sein, wenn sie damit zur Geschichte beiträgt. Gewalt, die nur für sich steht, halte ich für etwas, das ich zumindest selber weder lesen noch schreiben will.
Zitat von: chaosqueen am 11. Oktober 2011, 23:43:53Szene 1: Prota wird von allesfressenden Monster-Zentauren angefallen, ich hab mir fest vorgenommen, sein Pferd zu opfern - und schaffe es nicht. Das Pferd lebt und muss nun versorgt werden, ebenso wie der Prota.
Hm, ja - gutes Beispiel für eine konkrete Grenze im Thema "wie weit würdet ihr gehen". In einer Szene des Romans halten zwei der Protagonisten es für eine gute Idee, mit den Pferden der Feinde, die ihnen ein Stück entfernt einen Hinterhalt gelegt haben, abzuhauen. Ihr Kumpel, den sie zurückgelassen haben, als sie sich bei Annäherung der Feinde unauffällig entfernt haben, sorgt für die nötige Ablenkung und dafür, dass sie wohl eine Weile Zeit haben, bis die Besitzer der Pferde auftauchen.
Nun stellte sich die Frage, was passiert mit den Pferden, die sie nicht zur Flucht benutzen? Unrealistisch, dass sie die intakt dalassen, damit die Feinde kurz darauf die Verfolgung aufnehmen können. Schlimmer noch, ich weiß, dass die Söldnerin zuallererst auf die blutigste Methode kommen würde, gar nicht mal auf die effizienteste, um die Pferde unschädlich zu machen, und dass sie selbst gar kein Gespür für Grenzen hat. Das wäre nicht mal eine sinnlose Gewalttat am Rande, sondern genau diese Eigenschaft der Protagonistin ist am Ende sehr entscheidend für das Finale - es wäre also ein Punkt, wo man zeigen kann, dass die Figur Grenzen sehr leichtfüßig überschreitet, was dann das Finale vorbereiten würde.
Es würde sich also nicht nur realistisch aus den Figuren ergeben, sondern wäre sogar dramaturgisch richtig gesetzt. Trotzdem habe ich an der Stelle beschlossen, dass ich so weit nicht gehe - einfach aus der Überlegung heraus, dass Gewalt gegen Tiere auch für viele Leser eine Grenze ist. Da habe ich die Befürchtung, dass einfach zu viele Leser zu empört wären und das als sinnlose Gewalt ansehen würden, so dass jeder tatsächliche Sinn dieser Szene darunter verloren ginge. Warum auch immer, ist aber so, dass Gewalt gegen Tiere problematischer ist als Gewalt gegen Menschen (und menschenähnliche), weswegen ich da auch eher eine Grenze ziehe.
Aber Zurückhaltung aus Mitleid gegen Figuren - das halte ich für mich persönlich für eine Sünde, die ich mir eigentlich eher austreiben möchte. Ich habe oft mit Figuren mitgelitten und saß sogar heulend vor dem Monitor beim tippen. Aber ich hatte immer das Gefühl, dass ich das
gerade dann durchziehen muss, weil es sich einfach falsch anfühlt, dann die Figuren schonen zu wollen. Denn emotionale Höhen und Tiefen sind ja gerade das, was man aus einer Geschichten herausmodellieren möchte - und nicht glätten und vermeiden.
Persönliches Mitfühlen beim Schreiben also ja - aber bei mir zumindest ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass ich mich gerade dann, wenn ich merke, dass meine persönlichen Gefühle mich zurückziehen wollen, mit einem trotzigen "jetzt erst recht" umso tiefer eintauche. Persönliche Grenzen überschreiten beim Schreiben möchte ich eigentlich, auch wenn es natürlich nicht immer klappt. Da halte ich es für legitimer, sich von dramaturgischen Erwägungen oder äußeren Einflüssen zurückhalten zu lassen.
Ob das immer die gesündere Einstellung, sei dahingestellt. Jedenfalls ist es für mich persönlich so, dass ich einen Kompromiss, den ich beim Schreiben für mein persönliches Wohlbefinden eingehe, immer als "faul" empfinde, wohingegen ich mich vorbildhaft vernünftig fühle, wenn ich mir wenigstens einreden kann, ich wäre zum Besten der Leser, der Vermarktbarkeit und des Buches an sich nicht weiter gegangen. ;D
Zitat von: Lomax am 12. Oktober 2011, 10:55:49
Ich habe oft mit Figuren mitgelitten und saß sogar heulend vor dem Monitor beim tippen. Aber ich hatte immer das Gefühl, dass ich das gerade dann durchziehen muss, weil es sich einfach falsch anfühlt, dann die Figuren schonen zu wollen. Denn emotionale Höhen und Tiefen sind ja gerade das, was man aus einer Geschichten herausmodellieren möchte - und nicht glätten und vermeiden.
Richtig heulend vielleicht nicht, aber bestimmt nicht weit weg. Mir ist schon oft gesagt worden, meine Charaktere kämen so lebendig rüber. Warum? Weil ich sie total ernst nehme und für echt halte. Für mich geht das auch gar nicht anders. Ich gehe sogar bewußt so weit, daß ich mir manchmal - nicht nur beim Schreiben - vorstelle, ich wäre gerade mein aktueller Held und dann stelle ich mir eine bestimmte Szene vor, die ich bewußt als dieser Held durchlebe. Und dann schreibe ich das auf.
Und diese Szene kann
alles sein. Im Moment schreibe ich ja Thriller und da kommen manchmal Sachen vor, da sträuben sich mir alle Haare. Aber das muß ich ja auch glaubhaft für meine Heldin feststellen können und deshalb geh ich da auch so tief rein wie möglich. Da ergibt sich dann meist von selbst, wie weit man irgendwelche Grausamkeiten beschreiben will.
Zitat von: Mohnrote am 11. Oktober 2011, 22:13:12
Ich finde auch, dass es in solchen Fällen völlig legitim ist, als Autor die Szene zu verlassen und "abzublenden". Wenn die Intention klar ist, kann man sich (und auch dem Leser) so ein gewisses Übermaß an Gewalt ersparen. Bevor man eine Szene schreibt, bei der einem selbst unwohl wird, ist es sicherlich besser, ein wenig zu zensieren.
Das ist eine interessante Sichtweise und ich finde sie auch völlig legitim. Ich selbst verspüre jedoch gerade in diesen Momenten immer den besonderen Reiz, dann eben genau nicht abzublenden. Das verstärkt meiner Meinung nach den Effekt der Szene, wie gesagt, der Leser kommt mehr hinein, scheint mir. Doch andererseits ist es natürlich auch so, dass es bei manchen Szenen sogar mehr Effekt hat, wenn man abblendet, weil der Leser ja das, was nicht explizit beschrieben wird, sich im Kopf selbst zurechtlegt. So gesehen hat der gewohnte Horrorleser dann sein krasses, aufreissendes Bild und der eher zart Beseitete sein gerade mal noch so verträgliches. Einfach aufgrund der Gewohnheiten und Vorerfahrung, die man als Betrachter hat. Das ist vermutlich genau diese Gratwanderung zwischen subtiler Gewalt und unmittelbarem Schock, die man dem Leser nahebringen will. Je nach Absicht wird wohl das eine oder andere geeigneter sein. Aber wichtig ist natürlich immer, dass man als Autor selbst dahinter stehen kann und die Szene für gut (oder mindestens adäquat) empfindet, wie sie ist. Tut man das nicht, quält man sich a) nur selbst und geht b) die Intensität sowieso verloren.
@Dani: Mache ich auch so. Ich habe auch das Gefühl, es geht dann leichter und kommt detaillierter. Was mich hin und wieder beim Zurück-/Korrekturlesen erschreckt. "Was? Das habe ich geschrieben? Was ging da in meinem kranken Gehirn gerade vor?" ;D Aber das verfliegt, denn wenn ich soweit bin, habe ich in der Regel genau das, was ich wollte. Auch auf die Gefahr hin, dass das dann dem ein oder anderen Leser zu viel wird. ;)
Dazu fällt mir noch eine Frage ein: Kennt ihr das auch, dass ihr manche Szene selbst als weniger brutal/krass/gewalttätig wahrnehmt, als der Testleser? Weil ich es letztens hatte, dass meine Testleserin mir gesagt hat, diese eine Szene sei ihr fast zu heftig gewesen. Ich finde aber, dass es eine der harmloseren in dem Skript ist. Ist das so, weil ich den ganzen Hintergrund kenne, weiss wie es ausgeht? Weil ich im Gegensatz zu ihr von Anfang die Kontrolle darüber hatte? Das ist auch noch ein Aspekt, über den ich in letzter Zeit viel nachgedacht habe.
Zitat von: HauntingWitch am 12. Oktober 2011, 11:43:49
Kennt ihr das auch, dass ihr manche Szene selbst als weniger brutal/krass/gewalttätig wahrnehmt, als der Testleser?
Nein, so in der Art eigentlich nicht. Generell sind wir uns da eher einig, aber abhängig vom Testleser findet der eine es vielleicht zu heftig und der andere gar nicht.
Aber in der Gesamtwirkung kenne ich dieses Phänomen. Manche Sachen machen Leser völlig kribbelig und mich als Autor gar nicht, weil ich ja weiß, was noch kommt. Das ist schon gut möglich.
Ich denke, daß wir als Schreiber die Kontrolle haben, ist ein wichtiger Punkt. Wir wissen ja, was wir bezwecken wollen und müssen das "nur" noch rüberbringen.
Zitat von: Lomax am 12. Oktober 2011, 10:55:49
Trotzdem habe ich an der Stelle beschlossen, dass ich so weit nicht gehe - einfach aus der Überlegung heraus, dass Gewalt gegen Tiere auch für viele Leser eine Grenze ist. Da habe ich die Befürchtung, dass einfach zu viele Leser zu empört wären und das als sinnlose Gewalt ansehen würden, so dass jeder tatsächliche Sinn dieser Szene darunter verloren ginge. Warum auch immer, ist aber so, dass Gewalt gegen Tiere problematischer ist als Gewalt gegen Menschen (und menschenähnliche), weswegen ich da auch eher eine Grenze ziehe.
Oh, da sprichst Du aber was wichtiges an. Mit Gewalt gegen Menschen in Büchern kann ich gut umgehen und habe auch schon einiges davon gelesen. Aber Gewalt gegen Tiere? Das kann ich irgendwie überhaupt nicht abhaben (ok, bis auf Spinnen :seufz:, aber das ist eine andere Geschichte). Da habe auch ich meine Grenzen. Ich denke, dass es vielen Lesern ähnlich gehen dürfte. Warum auch immer? Die Frage habe ich mir ebenfalls schon gestellt und leider keine Antwort gefunden.
Ich weiß noch, in der Schule mussten wir mal den Schimmelreiter lesen. Der Typ hat auf den ersten Seiten die Katze seiner Oma an die Wand geworfen und gekillt :'(. Das wars dann für mich. Hauke Heien war sowas von gestorben. Ich wollte dieses verdammte Buch nicht mehr lesen :brüll:!
Wie hast Du denn dann das Pferdeproblem gelöst? Hast Du ihnen die
Schnürsenkel zugebunden Beine gefesselt? Oder sie auch losgebunden und die sind dann als brave Herdentiere den anderen hinterhergaloppiert? Wäre ja für den Leser nachvollziehbar. Die wurden deshalb nicht gekillt, weil sie als Ersatz- oder Packpferde zu wichtig waren ;).
Zitat von: Luna am 12. Oktober 2011, 12:37:58bis auf Spinnen
Grrr. :darth:
Zitat von: Luna am 12. Oktober 2011, 12:37:58Wie hast Du denn dann das Pferdeproblem gelöst?
Ihr Begleiter setzt sich durch und versucht, alle Pferde mitzunehmen. Wie sinnvoll das ist und wie sehr sie das behindert, hab ich erst mal außen vor gelassen - es spielt in der Geschichte keine Rolle mehr, und der Begleiter ist sowieso die ganze Zeit nur auf Beute aus, dass es wohl als glaubwürdig durchgehen sollte.
Aber ich knabbere immer noch an der Szene.
Zitat von: Lomax am 12. Oktober 2011, 10:55:49
Warum auch immer, ist aber so, dass Gewalt gegen Tiere problematischer ist als Gewalt gegen Menschen (und menschenähnliche), weswegen ich da auch eher eine Grenze ziehe.
Ich denke, die Ursache liegt in einer Art germanischrechtlichem Gerechtigkeitsgefühl. Ein Tier ist per Definition unschuldig. Wer Gewalt gegen Tiere einsetzt, ist ein ganz fieser Typ.
Zitat von: HauntingWitch am 12. Oktober 2011, 11:43:49
Kennt ihr das auch, dass ihr manche Szene selbst als weniger brutal/krass/gewalttätig wahrnehmt, als der Testleser?
Das kenne ich sogar sehr gut! Ich würde auch vermuten, dass man als Autor eher gelassen bleiben kann, weil man ja weiß, wie es dem Charakter am Ende der Geschichte geht, ob der für sein Leiden Verantwortliche noch irgendwann zur Rechenschaft gezogen wird, ob das Ganze vielleicht doch Sinn macht, etc. Der Testleser ist dem Geschehen hingegen vollkommen ausgeliefert und muss alles ertragen, was ihm vorgesetzt wird! ;D
Was das Thema Gewalt bei Tieren / Menschen betrifft:
Es ist ja schon ein recht bekanntes Phänomen, das sowohl in Büchern als auch Filmen auftritt. Gewalt gegen Menschen wird teilweise sogar begrüßt, aber wehe, der Katze wird ein Haar gekrümmt! Ich kann beide Seiten verstehen - also diejenigen, die sich darüber aufregen, dass Tiere wichtiger seien als Menschen, aber auch die Tierverteidiger. Ich denke viele von uns (mich eingeschlossen) reagieren hier so sensibel, weil wir Tiere mit Kindern vergleichen, die in Gefahrensituationen völlig wehrlos und der Gewalt von Erwachsenen ausgeliefert sind. Und sie sind unschuldig, da ohne Hintergedanken oder Böswilligkeit.
Im Grunde genommen ist es so: Wenn du zeigen willst, dass ein Charakter abgrundtief böse ist, lass ihn ein Tier auf qualvolle Art und Weise töten.
Mir geht es ja genauso, deshalb ist und bleibt Gewalt gegen Tiere in meinen Geschichten ein extremes Mittel, das ich nur in den seltensten Fällen anwenden möchte. (Und das gilt auch für Spinnen. Ich fürchte mich zwar vor ihnen, kann sie aber nicht leiden sehen ;) Ein ewiges Dilemma.)
Edit: Ich sehe gerade, dass sich meine Antwort mit der von Churke kreuzt. Aber ich lasse es jetzt mal so stehen.
@Lomax: Zu deinem Pferdeproblem gefällt mir Lunas Vorschlag sehr gut. Die Pferde müssen ja auch regelmäßig gewechselt werden, und vielleicht können sie später verkauft werden, um ein bisschen Profit zu machen?
Das Maß an Brutalität hat sich bei mir sehr gewandelt. Ich hatte vor ein paar Jahren eine Phase, in der ich Gehirne und Gedärme und deren Verteilung auf Wände beschrieben habe, aber mittlerweile hat sich das fast vollkommen gelegt. Und wenn ich so darüber nachdenke, stelle ich fest, dass meine Antagonisten in der Regel nicht sonderlich brutal sind (meinem Empfinden nach). Sie verfolgen zwar unerbittlich ihr Ziel, setzen aber Brutalität nur dann ein, wenn es ihnen einen direkten Vorteil bringt und jeder andere Weg langwieriger oder fehleranfällig wäre.
Wenn es darum geht, meine Protagonisten oder auch nur deren Tiere umzubringen, habe ich immer wahnsinnige Probleme. Ich bringe es einfach nicht übers Herz. Das geht in der Regel nur, wenn die Geschichte entweder bereits kurz vor dem Ende steht und ich mich ohnehin von den Charakteren verabschieden muss oder wenn ich von Anfang an festgelegt habe, wer stirbt. Dann habe ich, bis ich zu der Szene komme, genügend Zeit, mich darauf einzustellen.
Zitat von: et cetera am 12. Oktober 2011, 15:59:30
Wenn es darum geht, meine Protagonisten oder auch nur deren Tiere umzubringen, habe ich immer wahnsinnige Probleme. Ich bringe es einfach nicht übers Herz. Das geht in der Regel nur, wenn die Geschichte entweder bereits kurz vor dem Ende steht und ich mich ohnehin von den Charakteren verabschieden muss oder wenn ich von Anfang an festgelegt habe, wer stirbt. Dann habe ich, bis ich zu der Szene komme, genügend Zeit, mich darauf einzustellen.
Bei mir klappt es manchmal nicht mal dann. In einem meiner Romane hatte ich einen Nebencharakter, dessen einzige dramaturgische Aufgabe darin bestehen sollte, frühzeitig zu sterben, um dem Protagonisten was vor Augen zu führen. Denkste. Der Kerl hat sich so was von ans Leben geklammert, der lebte am Ende immer noch.
Oh ja, Charaktere, die sterben sollen... Einmal habe ich den Bruder einer Heldin im dritten Band der Trilogie sterben lassen. Er hat sich für sie geopfert. Das war schon hart, weil man ihn schon so lang kannte und man nie damit gerechnet hätte.
Umgekehrt war ich mir bei meinem ersten Thriller bei einer Figur nicht sicher, was jetzt aus ihr werden soll. Mein Killer hatte sich meine Heldin und ihre Freundin gemeinsam gegriffen und jetzt hatte die Freundin das Pech, schon ein bißchen länger diesem fiesen Typen ausgeliefert zu sein... Details lasse ich jetzt mal außen vor ;)
Ursprünglich hatte ich es so konzipiert, daß sie dann eigentlich sterben sollte. Das konnte ich dann aber irgendwie nicht. Ich hab zwar erst geschrieben, daß er sie erwürgt und dann wegbringt, aber hätte ja sein können, daß sie das trotzdem überlebt. Und so war es dann auch, ich ertappte mich dann dabei, wie ich hinterher schrieb, daß sie lebend gefunden wurde.
Daraus gab sich ein - so blöd das jetzt klingt - interessanter Konflikt. Natürlich haben sich alle gefreut, aber als sie hinterher im Krankenhaus aufwachte, wurde es schlimm. Richtig schlimm. Ich hab mir nur vorgestellt, wie es ihr wohl geht, nach all dem, was sie da durchgemacht hat und hab recht ausführlich beschrieben, wie sie sich verhält und wie man versucht, ihr zu helfen. Einfach weil ich fand, daß sowas sonst immer vernachlässigt wird. Sonst haben die Helden in z.B. einem Thriller immer unmenschliche Sachen durchgemacht, aber psychologisch nachvollziehbar wird das selten geschildert. (Hat jemand Cupido von Jilliane Hoffman gelesen? Da guckt die Heldin ihrem tiefsten Horror ins Auge und ist nachher totaaal fröhlich im Krankenhaus! :hmhm?: )
Aber so oft ich das dann auch gelesen hab - ich fand es anstrengend zu lesen. Eigentlich sollte man sich als Leser ja freuen, daß alles vorbei ist und es sollte bergauf gehen, aber für die Freundin ging nichts bergauf. Es war ein einziges Jammertal.
Ich hab das Jammertal immer weiter zusammengekürzt, bis es total sinnlos rüberkam und hab mich dann letztlich dafür entschieden, doch wieder zu meinem Ursprungsplan zurückzukehren und sie sterben zu lassen, einfach weil der schöne Plan, die Folgen mal nicht zu verschweigen, nicht aufgehen wollte. Das war schlichtweg nicht lesbar.
Und irgendwie fand ich das so schade. Ich hab mir auch von den bisherigen Lesern sagen lassen, daß sie es eigentlich gerade gut finden, daß ich auch ansonsten diesen Aspekt nicht totschweige. Meine Heldin selbst muß hinterher (in der Fortsetzung) feststellen, daß sie doch ein größeres Trauma davongetragen hat, als sie sich eingestehen will. Deshalb jagt sie auch Verbrecher - einfach weil sie den Spieß umdrehen will.
Das finde ich immer ganz wichtig, wenn ich irgendwelche grausamen Sachen beschreibe. Ich blende auch die Folgen nicht aus.
Zitat von: Farean am 12. Oktober 2011, 17:33:19
Bei mir klappt es manchmal nicht mal dann. In einem meiner Romane hatte ich einen Nebencharakter, dessen einzige dramaturgische Aufgabe darin bestehen sollte, frühzeitig zu sterben, um dem Protagonisten was vor Augen zu führen. Denkste. Der Kerl hat sich so was von ans Leben geklammert, der lebte am Ende immer noch.
Ich habe eher das gegenteilige Problem. Ich komme häufig an den Punkt, an dem Charaktere mir auf die Nerven gehen. Was liegt näher als sie um die Ecke zu bringen? Das verursacht mir seltsamerweise wenig Bauchschmerzen, auch wenn ich dann im Nachhinein häufig selbst weine wie ein Schlosshund, wenn es auf die entsprechenden Szenen zugeht. Ich habe es sogar geschafft, eine meiner Protagonistinnen auf diese Weise loszuwerden :) . Ich habe bis heute keine Gewissensbisse deswegen, weil es die logische Folge aus der Geschichte ist, aber ein wenig abgemildert habe ich die Szene inzwischen. Als sie mir so richtig auf die Nerven ging, konnte es nicht grausam genug sein. :darth:
Zitat von: Dani am 12. Oktober 2011, 18:41:41
Das finde ich immer ganz wichtig, wenn ich irgendwelche grausamen Sachen beschreibe. Ich blende auch die Folgen nicht aus.
Oh, das ist dann aber richtig hart! Die Folgen von Gewalt sind ja meistens schlimmer als die rein körperliche Gewalterfahrung. Ich halte es da aber ähnlich wie du, ich versuche, das ganze nachvollziehbar zu gestalten, auch auf psychologischer Ebene. Nach einer Gewalterfahrung stehen die wenigsten Menschen auf und machen weiter wie vorher. Das finde ich bei vielen Fantasybüchern immer ein wenig schade, wenn der Held sich zuerst durch einen Krieg metzelt und danach nach Hause geht als wäre nichts gewesen. Zumindest irgendeine Auswirkung auf seine Psyche muss es doch haben?! Einer meiner Hauptcharaktere fängt nach dem Krieg an, seine Frau zu schlagen, was nicht gerade nett ist, aber meiner Meinung nach die einzig mögliche Reaktion auf die Gewalt, die er erlebt hat. Ich hasse diese Szenen wirklich, es macht ihn unsympathisch, aber ich kann nicht so tun, als würde er das alles einfach mal so von heute auf morgen verarbeiten.
Ja, das macht ihn vielleicht nicht sympathisch - aber sehr menschlich. Alles andere ist auch unrealistisch... ich meine, es gibt wirklich Leute, die stecken so Sachen einfach weg. Aber das ist wohl nicht die Regel, wohingegen es allgemein üblich ist, so zu tun, als wäre es das. Dabei sind psychologische Konflikte doch so spannend...
Und ja, tatsächlich ist es manchmal härter, die Folgen zu beschreiben als die Gewalt selbst.
Zitat von: Dani am 12. Oktober 2011, 20:57:40
Ja, das macht ihn vielleicht nicht sympathisch - aber sehr menschlich. Alles andere ist auch unrealistisch... ich meine, es gibt wirklich Leute, die stecken so Sachen einfach weg. Aber das ist wohl nicht die Regel, wohingegen es allgemein üblich ist, so zu tun, als wäre es das. Dabei sind psychologische Konflikte doch so spannend...
Dito. Ich erwische mich manchmal, wie ich zu sehr psychologisiere, das will dann auch keiner mehr lesen. Psychische Schäden nach Gewalt hin oder her, irgendwann wird der Leser dann doch etwas ungeduldig.
Zitat von: HauntingWitch am 12. Oktober 2011, 11:43:49
Dazu fällt mir noch eine Frage ein: Kennt ihr das auch, dass ihr manche Szene selbst als weniger brutal/krass/gewalttätig wahrnehmt, als der Testleser? Weil ich es letztens hatte, dass meine Testleserin mir gesagt hat, diese eine Szene sei ihr fast zu heftig gewesen. Ich finde aber, dass es eine der harmloseren in dem Skript ist. Ist das so, weil ich den ganzen Hintergrund kenne, weiss wie es ausgeht? Weil ich im Gegensatz zu ihr von Anfang die Kontrolle darüber hatte? Das ist auch noch ein Aspekt, über den ich in letzter Zeit viel nachgedacht habe.
Um das nochmal hochzuholen: Ich habe die Fähigkeit, sowohl beim Lesen als auch Schreiben ziemlich gut abzuschalten und einfach nur die Wörter auf das Papier zu bannen bzw. zu lesen, ohne zu verstehen, um was es geht. Daher passiert es mir Öfteren, dass meine Betaleserin sich danach beschwert und meint, es wäre zu viel gewesen. Meine Beta hat vor allem mit Gewalt gegen Frauen ein Problem, da ist sie sehr empfindlich, während ich das eher nüchtern sehe. Ich finde Gewalt gegen Frauen nicht mehr oder weniger schlimm als Gewalt gegen Männer. Bei sexualisierter Gewalt ist bei ihr unwahrscheinlich schnell Schluss, während ich meine Charaktere diese Form der Gewalt gerne einsetzen lasse. Es ist für mich eine der krassesten Formen von Gewalt, kann daher schnell zu Geständnissen führen, macht ganze Familien kaputt und hat unglaublich langwierige Folgen (womit wir wieder beim Psychologisieren wären). Leider gehe wir da ziemlich auseinander von unseren Grunddispositionen her, so dass ich nicht wirklich einschätzen kann, ob ich nun zu viel Gewalt schreibe.
Zitat von: Snöblumma am 12. Oktober 2011, 21:09:29
Dito. Ich erwische mich manchmal, wie ich zu sehr psychologisiere, das will dann auch keiner mehr lesen. Psychische Schäden nach Gewalt hin oder her, irgendwann wird der Leser dann doch etwas ungeduldig.
Richtig, das war auch genau bei mir das Problem. Es war hinterher nur noch nervig ;)
Zitat von: Snöblumma am 12. Oktober 2011, 21:09:29
Bei sexualisierter Gewalt ist bei ihr unwahrscheinlich schnell Schluss, während ich meine Charaktere diese Form der Gewalt gerne einsetzen lasse. Es ist für mich eine der krassesten Formen von Gewalt, kann daher schnell zu Geständnissen führen, macht ganze Familien kaputt und hat unglaublich langwierige Folgen (womit wir wieder beim Psychologisieren wären).
Das ist wirklich so eine Sache. Ich hab's auch oft drin, es ist wohl auch nicht überraschend, daß meine Heldin als Profilerin häufig damit zu tun hat. Und ich stimme dir zu, es ist ein sehr vielschichtiges Thema, das man weitläufig ausschlachten kann und ich muß auch immer gucken, daß ich es nicht übertreibe... ich sehe, wir verstehen uns ;)
Ich äußere mich zwar erst spät, aber besser als nie ;)
Bei mir unterscheidet sich die Genauigkeit meiner Gräuel sehr - sexuell motivierte Grausamkeiten sind bei mir regelrecht spartanisch. Ich fühle mich nicht wohl dabei es zu schreiben und meistens nicht wohl, es meinen Figuren anzutun. Sexuelle Gewalt ist, wenn ihr so wollt, ein Tabu-Thema, das ich nicht in einem Roman ausschlachten muss, um irgendjemandes Albträume oder kranke Phantasien zu befriedigen. Was nicht heißt, dass ich es nicht passieren lasse - aber ich würde niemals auf 10 Seiten beschreiben, wie meine Protagonistin ihren persönlichen Horror-Porno durchlebt.
Was ich dagegen sehr gerne tue, ist Figuren klassisch foltern und gerne auch mit genauen Beschreibungen der Wunden und viel Blut. Ich glaube das liegt an der Sanitäter-Ausbildung, dass ich Verletzungen extrem spannend finde. Im Grunde kann man sagen, je mehr ein Charakter psychisch und physisch leidet, desto lieber mag ich ihn. Allerdings werden sie - mit einer Ausnahme - nie solche Wracks, dass ich sie am liebsten aufknüpfen würde.
Ich weiß nicht wieso, aber schwere Verletzungen gehören irgendwo zu dem heldenhaften Tun meiner PCs dazu - genauso wie der innere Antrieb, der sie alles überstehen lässt.
Und was den Probe-Leser angeht, wenn dem schlecht wird, habe ich mein Ziel erreicht.
Ich glaube, Gewalt ist etwas, was schnell polarisieren kann. Gleichzeitig ist es ein sehr heikles Thema - wenn man sich als Autor beim Schreiben schon unwohl fühlt, kann man sein Werk auch nicht verteidigen und sollte es lassen. Spannung kann manchmal mehr ausrichten als Blut. Wie gesagt, ich persönlich habe einen blutigen Stil und das wird sich wohl auch nicht mehr ändern...
Zitat von: Kisara am 24. Oktober 2011, 22:06:41
Ich weiß nicht wieso, aber schwere Verletzungen gehören irgendwo zu dem heldenhaften Tun meiner PCs dazu - genauso wie der innere Antrieb, der sie alles überstehen lässt.
Und was den Probe-Leser angeht, wenn dem schlecht wird, habe ich mein Ziel erreicht.
Das unterschreibe ich. ;) Aber wie gesagt, das muss ja nicht zwangsläufig in einer Blutlache enden.
Zitat von: Kisara am 24. Oktober 2011, 22:06:41
Ich glaube, Gewalt ist etwas, was schnell polarisieren kann. Gleichzeitig ist es ein sehr heikles Thema - wenn man sich als Autor beim Schreiben schon unwohl fühlt, kann man sein Werk auch nicht verteidigen und sollte es lassen. Spannung kann manchmal mehr ausrichten als Blut. Wie gesagt, ich persönlich habe einen blutigen Stil und das wird sich wohl auch nicht mehr ändern...
Du meinst unwohl im Sinn von Abscheu, oder? Weil ich denke, ein gewisses Unbehagen zu spüren, während man schreibt, garantiert, dass der Leser diese Stimmung auch wahrnehmen kann. Und das will man ja. Ich habe letztens mal eine Szene geschrieben, da hatte ich solche Angst, ich hätte am liebsten aufgehört, aber ich war genug weg, um eben doch weiterzutippen. Noch jetzt kann ich das fast nicht lesen, ohne das mir ein Schauer über den Rücken läuft. Das finde ich aber mitunter die beste Szene, die ich überhaupt je verfasst habe, denn die hat genau den Horror-Faktor, den ich selbst als Leser bei anderen Büchern so schätze.
Mir ist da noch etwas untergekommen zu Gewalt gegen Tiere. Ich weiss jetzt gerade nicht mehr, wer, aber weiter oben hat jemand geschrieben, dass man jemanden gegen Tiere gewalttätig werden lässt, wenn man zeigen will, dass er wirklich abgrundtief böse ist. Ich würde dem grundsätzlich eigentlich zustimmen. Aber was ist, wenn eine Kreatur, die kein Mensch ist, Tiere aufreisst und ihre Organe untersucht, um zu lernen? Nur um zu verstehen, wie die funtionieren. Dann tut er ihnen zwar auch Gewalt an, aber er macht ja das aus einem ehrlichen Motiv heraus. Ist er dann immer noch abgrundtief böse? Das hat mich so ein bisschen zum Nachdenken gebracht, einfach noch so als Einschub.
So wenig, wie ein Kind böse ist, wenn es den Kanarienvogel zerpflückt, weil es wissen will, wie der von innen aussieht- Mitgefühl mit anderen Arten ist etwas, was man lernt (im Zuge einer normalen Sozialisation).
Aber: es gibt natürlich auch bei Kindern schon welche, die ihre Spielkameraden regelrecht quälen, mit eindeutiger Absicht.
Es ist die Intention , die wirklich böse macht.
Zitat von: FeeamPC am 25. Oktober 2011, 15:53:35Es ist die Intention , die wirklich böse macht.
Das ist eine Ansicht, die ich in meinen Büchern auch gerne hinterfrage - ich denke oft, dass es den Schrecken und die Anmutung von "Böse" noch unterstreichen kann, indem man etwas etabliert, was Dinge tut, die Angst und Schrecken bei Leser wecken können, und zugleich deutlich macht, dass dem Verursacher entsprechende gerichtete Absichten völlig fremd sind, indem man womöglich sogar Verständnis für seine Abweichungen weckt.
Denn was ist letztendlich böser, als eine böse Tat, bei der dem Verursacher letztlich überhaupt das Verständnis für das fehlt, was daran als "böse" aufgenommen werden könnte - und damit aber gerade auch die Kontrollinstanz, die sein Verhalten zügeln könnte. Das erzeugt ein Gefühl von Fremdheit und Unkontrollierbarkeit, das sich sehr gut für einen beängstigenden Bösewicht eignet.
Und schlimmer noch, wenn einem die Intentionen nicht fremd sind, sondern man sich als Leser dabei ertappt, dass man in irgendeiner Hinsicht selbst mit dem Bösewicht übereinstimmt und schon damit anfängt, dessen Taten rechtfertigen zu wollen, selbst wenn es Taten sind, die man an sich nicht rechtfertigen will. Das lässt einen Leser auch zurückzucken und eignet sich, einen Bösewicht zu etablieren, den der Leser mit einer Ambivalenz von Faszination und Abscheu verfolgt und der darum umso leichter unter die Haut geht.
@FeeamPC: Ich glaube, du hast mir gerade eine ganz wesentliche Erkenntnis eingebracht. Dem stimme ich zu, dass die Intention es ausmacht.
Nun, wie aber Lomax sagt: Wenn dem Bösewicht nicht bewusst ist, dass das, was er da tut, böse ist bzw. sogar ein nachvollziehbares Motiv hat. Aber das ist wohl dann das, was dieses subtile Böse macht, wenn es nicht schwarz oder weiss ist. Wenn es verwischt und die Moral des Lesers während dem Leseerlebnis in Frage gestellt wird. Aber ist dann diese Kreatur noch von Natur aus böse? Oder ist es einfach nur neutral deren Natur, weil sie ja nicht weiss, dass sie böse ist? Somit wäre die Gewalt, die dann wiederum von dieser Figur ausgeht, auch nicht Gewalt, sondern natürliches Verhalten. Das wir aber als Gewalt verstehen.
Blutige Szenen ... hm...
Nun, ich schreibe das, was mir mein Kopfkino zeigt. Das kann unter Umständen Enthauptungen und Blutfontänen enthalten, aber auch schlimmer kommen.
Eine Freundin von mir war ein wenig schockiert, als ich plötzlich einen überaus blutigen Spießrutenlauf, eine Arena zur Belustigung der bösartigen Leute, in meine Geschichte einbaute und mein Protagonist dazu gezwungen war, einem kleinen Kind das Genick zu brechen.
Man will ja das Fantastische ein wenig realistisch rüberbringen und ich für meinen Teil gehe dabei schon über die ein oder andere Grenze hinaus. Allerdings könnte ich diese blutige Linie nicht über mehrere Kapitel hinweg verfolgen, weil mir das wiederum zu geschmacklos wäre; ich will ja nicht das Drehbuch für den nächsten "Saw"-Streifen schreiben.
Ich denke, dass man ab und zu auch mal den Finger in die Wunde legen muss, wenn man bei seinem Leser etwas anstoßen will.
Gruß,
Nirathina
Meine bisher blutigste Szene spielt hinter einer verschlossenen Türe und läßt sich nur indirekt erahnen durch das, was die Wachen draußen hören, und durch ihre Kommentare.
Aber es reicht vollauf.
Zitat von: Nirathina am 25. Oktober 2011, 16:46:02
Eine Freundin von mir war ein wenig schockiert, als ich plötzlich einen überaus blutigen Spießrutenlauf, eine Arena zur Belustigung der bösartigen Leute, in meine Geschichte einbaute und mein Protagonist dazu gezwungen war, einem kleinen Kind das Genick zu brechen.
Man will ja das Fantastische ein wenig realistisch rüberbringen und ich für meinen Teil gehe dabei schon über die ein oder andere Grenze hinaus.
Stimmt, irgendwie gehört so ein Funke Grausamkeit und Brutalität zum Fantastischen dazu, das haben meine Armen Protagonisten auch schon öfter erfahren müssen.
Aber ich glaube man darf beim Schreiben nicht zu weit von dem moralischen Ansichtspunkt abweichen. Wenn du jetzt also deinen Prota einem Kind das Genick brechen lässt finde ich musst du vorsichtig sein. Der Leser erwartet ja (außer in wenigen Ausnahmefällen) einen moralisch korrekten und "guten" Protagonisten. So wie auch oft ein Happyend erwartet wird.
Es ist sicher spannen und schrecklich, einen Charakter so auf die Probe zu stellen, aber man sollte sich glaube ich davor hüten, dass seine Psyche zu sehr verkommt...
l.g.
Toni
@Schakka:
Ja, natürlich ist es schon sehr grenzwertig, das gebe ich zu; es ist ja auch noch nicht die feste Version, da ich es am Ende ohnehin überarbeiten werde (und muss, so wie auch beim ersten Teil). Es ist nur so, dass ich meine Charaktere gerne an ihre psychichen Belastungsgrenzen bringe und gerne auch in die tiefsten Tiefen des menschlichen Bewusstseins vorstoße und ausgraben will, was viele oft begraben lassen - die dunkle, bösartige Seite. Okay, das hier so zu beschreiben, was mein Prota tut, kommt wohl nicht so rüber, wie wenn man es in einem zusammenhängenden Text liest und die Vorgeschichte und den Charakter kennt, der eigentlich normalerweise ein "Guter" ist.
Es ist ein gefährlicher und spannender Weg, den ich da eingeschlagen habe und ich hatte auch anfangs gezögert, aber da ich ja ohnehin in wenigen Kapiteln die Hölle betreten und die dortigen Auswüchse menschlicher (und göttlicher) Grausamkeit präsentiere, werde ich ihn auch vorerst weiter beschreiten. Vielleicht kommt mir das ganze dann am Ende doch zu brutal vor und ich ändere es - wir werden sehen.
Aber danke für den Hinweis - das hat mich noch einmal nachdenklich gemacht und das ist ganz gut so :hmmm:
Nirathina
Zitat von: Schakka am 26. Oktober 2011, 09:24:21
Der Leser erwartet ja (außer in wenigen Ausnahmefällen) einen moralisch korrekten und "guten" Protagonisten. So wie auch oft ein Happyend erwartet wird.
Laaangweilig! Es leben die Ausnahmen!! ;)
ZitatLaaangweilig! Es leben die Ausnahmen!!
Ich stimme zu ;D
Stimme Dani da auch zu. Ausserdem, was ist schon ein "moralisch korrekter" Prota. Das sieht ja auch jeder wieder anders. Da braucht es vermutlich einge ganze Menge Inkorrektheit (oder eben in besonderem Ausmass), bis ein Prota wirklich ein Antipath wird. Von dem her geht da so einiges rein. Aber da ja der Leser gerne mit den Protas mitfühlt, quäle ich lieber die Protas und verwische die Moral der Antas. ;D
Gewalt gegen Tiere ist mir bisher auch nicht untergekommen - vielleicht, weil ich das nur von Leuten ausführen lassen würde, die ich sofort als verabscheuungswürdig darstellen wollen würde. Mit Gewalt gegen Menschen komme ich gut zu Recht, aber gegen Tiere ist das Letzte.
Aber Abscheu bei blutigen & brutalen Szenen empfinde ich nicht. Die herbsten Szenen, die ich geschrieben habe, waren Folterszenen aus Sicht des Protagonisten - und er war der, der gefoltert wurde. Das einzige, was mir wirklich Sorgen gemacht hat dabei, war, dass Wörter wie "Schmerz" und "Blut" sich nicht ständig wiederholen. Aber ansonsten bin ich beim schreiben ganz ruhig und gelassen.
HAPPY-ENDs mag ich nicht! Und meine Protas haben alle irgendwann den ein oder anderen Schaden - obwohl der junge Mann, der seine eigene, vierjährige Tochter ermordet hat, nur weil sein Hauptmann ihm das befohlen hat, einigen meiner Leser sehr bitter aufgestoßen hat. Besonders weil sie ihm nicht wirklich böse sein konnte - da war ich sehr stolz.
Es muss nicht blutig sein um einen Charakter zu brechen & ich bin ein grausamer Autor - ich breche gern Charaktere oder treibe sie an den Punkt, an dem sie sich am liebsten in eine Klinge stürzen würden, einfach um zu sehen a) ob ich stärker bin als der Chara und er an den Punkt kommt & b) weil ich den Weg dahin gerne beobachte. Es ist wie ein Kampf zwischen mir und der Figur. Und es ist jedes Mal eine ganz neue Erfahrung, die mir und ihr viel beibringt.
Zitat von: Kisara am 26. Oktober 2011, 15:36:15Es ist wie ein Kampf zwischen mir und der Figur. Und es ist jedes Mal eine ganz neue Erfahrung, die mir und ihr viel beibringt.
Genau so ist es! Wenn man seinen eigenen Charakter leiden, ihn Höhen und Tiefen durchleben lässt, die einen selbst vielleicht niemals erreichen würden, dann lernt man sich selbst viel besser kennen: Man geht in sich und fragt sich: Wie hätte ich mich verhalten? Wie würde ich mich fühlen?
Gewalt gehört in einen Fantasy-Roman genauso wie sie auch zum Leben gehört. Wir Menschen sind nicht dazu gemacht, friedlich zu sein. Gewalt ist allgegenwärtig. Ohne sie gäbe es keine Kriege und Revolutionen, die die Welt zum Besseren hin verändern könnten. Das ist eine Tatsache, die man hinnehmen muss.
Nunja, inwiefern Kriege die Welt zum Besseren verändern ist sicher ein anderes Diskussionsthema.
Zitat von: Kisara am 26. Oktober 2011, 15:36:15
Es muss nicht blutig sein um einen Charakter zu brechen & ich bin ein grausamer Autor - ich breche gern Charaktere oder treibe sie an den Punkt, an dem sie sich am liebsten in eine Klinge stürzen würden, einfach um zu sehen a) ob ich stärker bin als der Chara und er an den Punkt kommt & b) weil ich den Weg dahin gerne beobachte. Es ist wie ein Kampf zwischen mir und der Figur. Und es ist jedes Mal eine ganz neue Erfahrung, die mir und ihr viel beibringt.
Da stimme ich vollkommen zu. Man muss nicht selbst dem Tode nah gewesen sein um darüber schreiben zu können, denn man erlebt es durch die selbsterschaffene Figur und man lernt daraus. Irgendwie verrückt, aber ich merke manchmal wirklich, dass ich durch das Schreiben Erfahrungen in meinem Kopf habe, die ich am eigenen Leib noch gar nicht erlebt habe. Vielleicht aus meinem vorherigen Leben? ;D Nein, aus dem Leben meiner Charaktere. ;)
Edit: Damit das nicht in OT abdriftet. Ich war eine ganze Zeit auch sehr blutig, vielleicht weil meine Lektüren zum Großteil blutige Fantasy waren. Ich hab beschrieben, wie die Gedärme aus dem Bauch rutschen, wie der abgetrennte Kopf durch die Gegend fliegt und das Blut nur so herumsprüht. Folterszenen mochte ich besonders gerne. Aber inzwischen ist das ganze stark zurückgegangen, trotzdem bleibe ich realistisch, aber manchmal ist zu viel einfach zu viel. Früher gerne, heute eher weniger. Toll finde ich heute seelische Qual oder Folterungen, vielleicht in Kombination mit etwas physischer Gewalt - yippi! :snicker:
LG,
Wolli
Es kommt halt immer auf die Szene und die Geschichte drauf an - entweder es passt oder es passt nicht ;)
Ich versuche, wenn ich eine blutige Szene o.ä. schreibe, möglichst nüchtern zu bleiben. Also dass es sich nicht nach einem Selbstzweck anhört(okay, das ist eher im Kontext wichtig) und auch nicht nach "Sensation" sondern eine einfache Wiederspiegelung ist.
Ich glaube der Unterschied zwischen Tieren und Menschen ist einfach, dass Menschen durch Menschen Gewalt erfahren und erfahren haben und nicht durch Tiere. Und halt weil es fast keine für Menschen gefährliche Tiere mehr gibt, alle ausgerottet. Mitleid mit den Dinosauriern in JurasicPark o.ä. haben die meisten ja nicht!? :D
Das meiste wurde ansonsten ja schon gesagt.
LG
Zitat von: Golden am 26. Oktober 2011, 20:42:14
Es kommt halt immer auf die Szene und die Geschichte drauf an - entweder es passt oder es passt nicht ;)
Das unterschreibe ich mal so. Wenn es einen Zweck hat, darf es ruhig brutal und blutig zugehen, auch bei Haupt- oder liebgewonnenen Figuren. Wenn dadurch der Charakter einer Figur dargestellt wird oder ihr Seelenleben, ihre Gefühle, dann ist - dem Setting angemessene - Brutalität völlig in Ordnung.
Auch die Bildlichkeit/der Detailgrad hängt von der Szene ab. Ich stimme FeeamPC durchaus zu
Zitat von: FeeamPC am 26. Oktober 2011, 09:00:46Meine bisher blutigste Szene spielt hinter einer verschlossenen Türe und läßt sich nur indirekt erahnen durch das, was die Wachen draußen hören, und durch ihre Kommentare.
Aber es reicht vollauf.
So eine Szene kann auch durchaus ausreichen, manches muss nicht bis in den letzten Blutstropfen ausgeschrieben sein. Den Mord an einem Kind habe/werde ich auch nur andeuten (die Szene muss noch etwas geändert werden, aber die Perspektive bleibt relativ unverändert), das passt da einfach besser. Wohingegen ein Herr, der aus Frust und Wut seine Sklaven umbringt, kann das ruhig detailreich tun, da dient es der Charakterdarstellung für den Leser.
Ich stelle gerade beim darüber nachdenken auch fest, dass die Darstellung von Gewalt bei mir auch figurenabhängig ist. Es gibt definitiv ein paar, bei denen wird es immer blutiger als bei anderen. Liegt vermutlich wirklich an deren Geschichten :P
Huhu
Hier geht seit heute eine (ursprünglich etwas ältere, aber meiner Ansicht nach) hoch interessante Diskussion weiter: http://www.literaturschock.de/literaturforum/index.php/topic,4182.msg111314.html#msg111314. Es geht hier nicht mehr nur um "blutig / brutal", sondern um die Art und Weise der Gewaltdarstellung und wie sie empfunden wird.
*P.S: Ich hoffe, das gilt jetzt nicht als Werbung, weil ich das so verlinke.*
LG Witch
Ich würde mir die Frage stellen:
Ist die Szene wichtig?
Wenn es (wie ja auch schon andere geschrieben haben) wichtig ist ins Detail zu gehen weil z.B. das den Charakter des "Täters" beleuchtet, ein Detail vorkommt, dass später noch wichtig ist, die Szene einen wichtigen Schlüssel für späteres darstellt etc., dann muss eben ins Detail gegangen werden.
Ist es nicht so wichtig in dieser speziellen Szene ins Detail zu gehen, hat man da mehr Freiraum.
Ich persönlich finde ja eine nicht so detaillierte Beschreibung oft gruseliger als ein Aufzählen von abgehackten Gliedmaßen und Blutspritzern. Ich empfinde die meiste Spannung bei angedeuteten Beschreibungen, wo ich dann meine eigene Fantasie bemühen muss - bzw. wo sich dann meine Fantasie einschaltet und ich mir vorstelle, was da angedeutet sein könnte.
Wird zu sehr ins Detail beschrieben, gehe ich als Leser mit der Beschreibung auf Distanz vom Geschehen. Wird mehr offen gelassen und mit eher angedeuteten Beschreibungen, Hinweisen etc. gearbeitet, schaltet sich bei mir die Vorstellung ein und ich bleibe in der Szene.
Ich denke es ist die Frage was mit der Szene erreicht werden soll. Und natürlich für welche Zielgruppe man schreibt bzw. wenn man nicht für eine bestimmte Zielgruppe schreibt, was einem selbst gefällt ;)