Hiho Leute,
ich weiß, ich sollte an Sevan rumwurschteln, aber mir geht da eine fixe Idee nicht aus dem Kopf, mit der ich meine nächste Prota geißeln will, aber die Links, die ich gefunden habe, helfen mir nicht sonderlich weiter.
Es geht um das Thema "ritzen". Meine Prota ist eine ziemlich verkorste Lady, die aus drei Welten stammt und von einer in die nächste gestoßen wird. Es beginnt damit, dass ihre Mutter sie im Alter von vier Jahren in eine Kiste steckt und zum Volk ihres Vaters schickt. Ich habe ihr Ritz-Narben verpasst, die sie mittlerweile zu einem echten Kunstwerk gemacht hat.
Mein Problem ist, wie ich das realistisch darstellen kann, ohne Klischees zu bedienen. Ich kenne mich damit gar nicht aus und weiß nicht, wie groß der emotionale Druck eines Kindes sein muss, um sich derartige anzutun. Beziehungsweise wie sie aus der Spirale wieder herauskommt, wenn es für sie keine Psychologen/Therapeuten gibt, der ihr dabei hilft.
Hat jemand einen Tipp für mich, wo ich nach leicht verständlichen Informationen suchen kann?
Schonmal danke!
Nyc
Hi Nycra,
hast du schon mal bei einer Schulseelsorgerin oder einem Arzt angefragt? Dort könntest du sicher zumindest die emotionalen Hintergründe verstehen lernen und gleich etwas medizinisches hinzufügen.
Ansonsten guck mal unter Border-Line-Syndrom. Das ist die offizielle Bezeichnung, auch wenn genau genommen noch viel mehr hinter diesem Syndrom steckt, als nur Ritzen.
Liebe Grüße,
Kuddel
Hi,
googel mal nach "ritzen" oder "Selbstverletzendes Verhalten". Natürlich bekommt man über Google viel Mist, aber es sind auch durchaus wissenschaftliche Seiten dabei, auf denen versucht wird, das zu erklären und die Hintergründe zu zeigen. Ein sensibles, schwierige Thema, mit dem Du dich da auseinandersetzen willst!
Edit: vielleicht wirst Du hier fündig: Link (http://www.lebensgeschichten.org/selbstverletzendes_verhalten/index.php)
Hallo Nycra,
wenn du magst, schick ich dir mal meine Hausarbeit aus dem Grundstudium Sozpäd. über das Thema. Kann dir auch Literatur zum weiterlesen geben.
Wenn du Interesse hast, schreib mir einfach deine Emailadresse per PN.
Viele Grüße
@Kuddel
Der Tipp mit dem "Fachausdruck" war Gold wert. Ich hab sofort eine perfekte Seite gefunden, die fast alle meine Fragen zu beantworten scheint.
@Aryana
Danke, das hab ich schon versucht, aber die meisten Seiten steuerten an meinem Problem vorbei. Die rein wissenschaftlichen Seiten behandlen leider nicht meine eigentliche Frage. Es ist halt auch schwer zu beschreiben, wonach ich genau suche. Insbesondere WEIL es so ein komplexes Thema ist, möchte ich nichts falsch machen, da ich kaum "Handauflegen" kann, um das Problem zu lösen. Dazu kam eben auch, dass mir Schlagworte wie "selbstverletztendes Verhalten" und "Boderline" nicht eingefallen sind :wums:
Dein Link hat mir aber auch einen Einblick gezeigt, zumal es ja von einer Betroffenen richtige Erfahrungsberichte gibt - DANKE!
Kuddels Denkanstoß dagegen hat mich zu einer Seite gebracht, die sowohl Ratschläge, Lösungsansätze und Ursachen der Probleme aufgreift und behandelt. Es gibt ein Lexikon der Fachbegriffe, da mit geholfen hat. Sie ist von Betroffenen und deren Angehörigen erstellt und damit auch für Laien wie mich leicht verständlich aufbereitet. Darin gibt es sogar Vorschläge, wie man sich selbst behandeln kann, was natürlich für meine Prota nahezu ideal ist, weil ich darauf aufbauen kann. http://www.borderline-borderliner.de (http://www.borderline-borderliner.de)
Hex, du hast schon Post, das ein "Fachmann" unter uns ist, macht es noch besser, ich komme gern auf dein Angebot zurück.
Super, dass Ihr mir alle so schnell weiterhelfen konntet. Ich hoffe nur, dass ich dem Thema gerecht werden kann, in einem Fantasy bestimmt nicht allzu einfach...
Ich würde an deiner Stelle ein wenig aufpassen, dass du Borderliner und Selbstverletzendes Verhalten nicht zu sehr in eine Schublade steckst. Immerhin gibt es viele Menschen welche sich (z.B.) ritzen ohne von dieser Krankheit betroffen zu sein.
Ritzt sich deine Lady denn immer noch? Wenn niemand für sie die war kann es leicht sein dass sie- auch wenn sie aufhören möchte- immer wieder Rückfälle erleidet.
Habe hier noch eine Seite mit Erfahrungsberichten:
http://www.spiegel.de/schulspiegel/leben/0,1518,524328,00.html
Und eine für und von Betroffenen:
http://www.rotetraenen.de/
Hoffe ich konnte ein bischen helfen. :winke:
Sie hat ihren gesamten Körper in eine Art Kunstwerk verwandelt, um zu verschleiern, was dahinter steckt. So wurden aus einfachem Ritzen auch mal ein Schnörkel hier und da. Wenn jemand sie darauf angesprochen hat, hat sie behauptet, es wären Kerben für Feinde, die sie zur Strecke gebracht hat.
Nachdem ihr Körper fast vollständig damit bedeckt ist, öffnet sie alte Narben wieder, braucht ja den "Kick". Jemand - ihr Lehnsherr sozusagen - sagt ihr auf den Kopf zu, was sie tut. Und dann ...
... hab ich hier meine Frage gepostet.
Ein heikles Thema. Besonders wenn du Ritzen (bzw. das Ergebnis davon) als Kunstwerk bezeichnest... sehr heikel. Man könnte (und wird) es falsch verstehen.
Ich will dir hier nichts unterstellen! Du hast dich sicherlich genug mit den Problemen auseinander gesetzt, um das selber zu wissen, daher nur einen kurzen Kommentar von mir bezüglich Narben: Wenn ich mir da die Arme von einer Freundin ansehe ... nein, definitiv nichts zu machen, dass man das so hinkriegt dass es "schön" ist. Besonders wenn man kreuz und quer mit einer Klinge gewerkt hat.
Zitat von: zDatze am 07. Juni 2010, 13:28:44
nein, definitiv nichts zu machen, dass man das so hinkriegt dass es "schön" ist. Besonders wenn man kreuz und quer mit einer Klinge gewerkt hat.
Nun, das ist wahrscheinlich Ansichtssache. Für Aussenstehende wird es grotesk wirken, aber die Figur scheint es für sich als Kunstwerk sehen. Außerdem, wenn sie von Anfang an wirklich nach einem Bestimmten Muster schneidet und nicht einfach die Kontrolle verliert, wird sie auch nicht Kreuzt und quer geschnitten haben, so das eine Gewisse Ordnung über allem liegt. Allerdings muss ich dir zustimmen, es ist ein sehr heikles Thema und man sollte sich prinzipiell zweimal überlegen wie man damit umgehen muss wenn man es tatsächlich einbringt.
Hallo Nycra,
wie alt ist denn deine Figur, und in welchem Alter hat sie mit dem Ritzen angefangen? Letztendlich weist die Krankheit ja auch Züge einer Sucht auf, und je länger man süchtig ist, desto schwerer fällt es, damit wieder aufzuhören.
Was das Aufhören ohne Therapie-Möglichkeit betrifft, so ist sicher auch die Frage, was ein Grund für deine Lady dazu sein könnte und was genau für sie dahinter steht.
Ich hatte in meiner Schulzeit mit einigen Leuten zu tun, die sich selbst verletzt haben, und die Bandbreite reichte da von einem ausgeprägten Selbsthass (teilweise mit einem entsprechend gestörtem Körperbild) über Probleme, mit emotionalen Situationen umzugehen, bis zu der Unfähigkeit, vor allem Wut gegen andere zu richten, sodass sie sich gegen den eigenen Körper richtete. Auch Überforderung mit der eigenen Situation und entsprechendem Frust, der durch das Verletzen sogar noch verstärkt wird, kamen vor. (Auch eine "richtige" Borderlinerin mit einem entsprechendem Persönlichkeitsprofil.)
Die Übergänge waren da sicher fließend, und die Frage ist auch immer, wie viel von dem, was jemand erzählt, tatsächlich in ihm vorgeht. Bei einigen bin ich mir auch ziemlich sicher, dass sie nie damit aufgehört haben.
Was ich auch gesehen habe, war, dass es je nach Situation und Haltung zu der Sache unterschiedliche Ausgänge genommen hat. Ein wichtiger Punkt war sicher auch die Einstellung zu der Sache: Leute, die das ganze als nicht schlimm angesehen haben/es in irgendeiner Art und Weise glorifiziert oder mit einem gewissen Trotz gemacht haben ("Sollen doch alle sehen, was sie mir antun") sind in den seltensten Fällen wieder rausgekommen - weil sie nicht wollten. Da kann auch kein Therapeut helfen.
Bei anderen war der Grund eher eine Art Selbstbestrafung, aber auch wieder eine Strategie, mit Problemen umzugehen. Da stand am Anfang eines Heilungsprozesses oft erst einmal die Erkenntnis, dass es eben keine Lösung ist, und dann die schwierige Aufgabe, alternative Möglichkeiten zu finden und ein entsprechendes Selbstbewusstsein zu entwickeln. Das könnte zum Beispiel geschehen, indem sich die Person Herausforderungen stellt und sieht, dass sie in der Lage ist, diese zu überwinden oder mit ihnen umzugehen. Dadurch kann das Gefühl der Hilflosigkeit und der Überforderung angesichts schwieriger Situationen besser besiegt werden und (in diesen Fällen) auch der Drang zum Ritzen.
Das Problem bei der Darstellung einer solchen Figur ist sicher die Vielfältigkeit der Gründe, es zu tun, die dann in noch mehr möglichen Lösungsansätzen resultieren, und in der realen Welt hilft eben oft nur eine Therapie - wenn die Person wirklich gewillt ist, damit aufzuhören. (Womit ich jetzt nicht meine, dass die Person wirklich gut findet, was sie macht, aber es ist eben eine (Über)Lebensstrategie, die sich fest in den Alltag eingeschlichen hat und die nicht ersatzlos gestrichen werden kann. Deswegen muss die Motivation sehr groß sein, und das Durchhaltevermögen in einer Situation, in dem der/diejenige sowieso schon völlig am Ende ist.)
Ansonsten: Lithiumhaltiges Wasser hilft ... ;)
Liebe Grüße,
Elena
Zitat von: Simara am 07. Juni 2010, 13:47:48
Außerdem, wenn sie von Anfang an wirklich nach einem Bestimmten Muster schneidet und nicht einfach die Kontrolle verliert, wird sie auch nicht Kreuzt und quer geschnitten haben, so das eine Gewisse Ordnung über allem liegt.
Ich glaube, ein wesentliches Kriterium für das "klassische" Ritzen ist, dass es eben nicht "kontrolliert" ausgeführt wird, dass es eine Handlung unter einem ungeheuren Druck ist, bei der der Handelnde nicht klar denken kann, und sich nur noch "befreien" will. Diesen Zwang kann ich mir ehrlich gesagt nicht in Verbindung mit ästhetischen Interessen denken.
Andererseits gibt es aber auch das Cutting, wo man sich Muster in die Haut schneiden lässt, so wie man sich z.B. tätowieren lässt, das würde eher in die Richung gehen. Meiner laienhaften Ansicht nach, hat das dann aber weniger mit borderline zu tun.
LG
Thali
Also, als jemand, der in der Jugend selbst geritzt hat, muss ich dir leider sagen, dass Schnörkel recht schwierig hinzubekommen sind. Ich hab es ein paar Mal mit Buchstaben versucht, aber auch mit einem guten Messer schafft man eigentlich nur gerade Linien. Vorallem, wenn du Narben erhalten willst, wie deine Lady. Haut und Gewebe zu zerschneiden ist nicht so leicht, wie durch Butter schneiden. Man braucht eine Menge Kraft dazu.
Ein junges Ding, mit dem ich mal vor Jahren auf einem Festival war, ritzte aus einem anderen Grund als ich. Sie wollte sich tatsächlich nebenbei verschönern, weil ihre Eltern (Pädagogen :pompom:) ihr Tattoos und Piercings verboten hatten. Neben den Schnitten verwendete sie dazu allerdings die runden Narben von Zigaretten, die sie auf der Haut ausdrückte. Sie hatte sich damit ein verschnörkeltes Kreuz auf die Haut "gemalt".
Falls du Fragen hast (wie fühlt sich das an? Kostet es Überwindung? wie stehst du heute zu deinen Narben? - was auch immer dir einfällt), darfst du mir gerne ein PN schreiben.
Liebe Grüße,
Hanna
Ich sehe das ähnlich wie ein paar andere hier. "Ritzen" mit Ästhesie zu verbinden, finde ich sehr schwierig. Es ist nun mal meistens ein seelisches Trauma, das nichts mit Schönheit zu tun hat, ob objektiv empfunden ist nicht. Eine frühere Freundin von mir hat sich ebenfalls geritzt und das Resultat sieht nicht sehr schön, auch nicht sehr geordnet aus. Im Gegenteil. Das Thema ist psychologisch komplex und wenn man sich da etwas verstrickt, kann man damit bestimmt dem ein oder anderen auf die Füßchen treten.
Deswegen wird es auch schwierig sein, einen Lösungsansatz zu finden, wie man damit aufhört. Dafür gilt es natürlich, dass dein Prota erst einmal die Ursache des seelischen Problems findet und dieses beheben/verarbeiten kann, ehe man sich darüber Gedanken macht, wie man diese "Sucht" in den Griff bekommt.
Puh, ich wusste, dass das schwer wird, aber trotzdem bin ich überrascht über die Fülle an Dingen, auf die ich gar nicht gekommen bin. :seufz: Gothanna, ich komme bestimmt auf dein Angebot zurück.
Ich danke euch für die Denkanstöße, die ich erst einmal verarbeiten muss, weil so, wie ich es mir überlegt hatte, geht es ja offensichtlich nicht. Da ich glücklicherweise noch am Plotten bin, ist das nicht so tragisch - nicht wie das Thema an sich. Trotzdem muss ich mich noch intensiver mit der Materie beschäftigen, dass sehe ich ein, bevor ich weiter mache. Und genau deshalb hatte ich hier ja auch gepostet.
Fakt ist, meine Prota hat ein schwerwiegendes Kindheitstrauma, sie will/muss sich selbst bestrafen und kommt erst im Erwachsenenalter davon los. Sie ist zwischen drei Welten zerrissen: Damonaei, Menschen und Göttern, weil sie von allen einen Teil in sich trägt. Ihre Mutter ist eine Göttin, die in Menschengestalt von einem wahnsinnigen Damonaei vergewaltigt wurde. Die Mutter hasst sie aus bekannten Gründen, schickt sie zu den Damonaei und dort wird sie, weil sie zum Teil menschlich, teils göttlich ist, als Missgeburt betrachtet. Man lässt sie diesen Hass spüren, weswegen sie sich in diese "Zuflucht" rettet.
Angefangen hat sie mit 10-12 Jahren, aktuell ist sie 29 Jahre alt. Sie wurde von einem Militär aufgezogen, der auch nicht vor Schlägen etc. zurückgeschreckt hat. Sie ist tough und hart, aber innerlich halt doch nicht so stark. Ich will sie nicht zur Alkoholikerin machen, weil ich nicht finde, dass das passt und Drogen sind bei ihr wirkungslos. Näher ins Detail wollte ich eigentlich nicht gehen, sonst müsste ich den Beitrag vermutlich unter eine andere Rubrik stellen, will ja keinen Ärger von den Obermotzen .. :-\
Eine Frage habe ich aber dennoch (vielleicht auch an Gothanna):
Bei anderem Suchtverhalten kommt es doch auch vor, dass der Süchtige alles versucht, seine "Krankheit" vor Außenstehenden zu verbergen. Warum sollte es beim Ritzen nicht genauso sein? Okay, dass man keine Schnörkel hinbekommt, sehe ich ein, aber gradlinige Muster sollte doch machbar sein. Die symmetrisch angeordnet, könnten für Fremde doch als eine Art Körperkult durchgehen. Die eigentliche Bedeutung kennt ja nur die Prota.
ZitatBei anderem Suchtverhalten kommt es doch auch vor, dass der Süchtige alles versucht, seine "Krankheit" vor Außenstehenden zu verbergen. Warum sollte es beim Ritzen nicht genauso sein? Okay, dass man keine Schnörkel hinbekommt, sehe ich ein, aber gradlinige Muster sollte doch machbar sein. Die symmetrisch angeordnet, könnten für Fremde doch als eine Art Körperkult durchgehen. Die eigentliche Bedeutung kennt ja nur die Prota.
Bei mir war es tatsächlich so. Ich habe das heimlich gemacht und versteckt. Ich wollte nicht, dass jemand etwas davon mitbekommt. Meistens habe ich mich im Bad eingeschlossen und mich anschließend gleich verarztet. Ich habe immer langärmelige Sachen getragen, auch im Sommer. Daei ging es mir aber auch darum, meine Eltern und Geschwister zu schützen. Ich wollte nicht, dass sich jemand Sorgen macht. Die wissen bis heute nicht, dass ich früher geritzt habe. Zum Glück habe ich auch nur wenige Narben, da ich immer die gleichen Stellen benutzt habe.
Symmetrische Muster als Körperkult kenne ich übrigens aus Afrika. Da gibt es diese Stammesnarben, die man im Gesicht und wohl auch am Körper trägt. Jeder Stamm verwendet ein anderes Muster. In diese Richtung kannst du sicher auch noch einmal recherchieren.
Zitat von: Thaliope am 07. Juni 2010, 14:34:05
Ich glaube, ein wesentliches Kriterium für das "klassische" Ritzen ist, dass es eben nicht "kontrolliert" ausgeführt wird, dass es eine Handlung unter einem ungeheuren Druck ist, bei der der Handelnde nicht klar denken kann, und sich nur noch "befreien" will. Diesen Zwang kann ich mir ehrlich gesagt nicht in Verbindung mit ästhetischen Interessen denken.
LG
Thali
Damit hast du natürlich Recht, der Drang zum ritzen kommt plötzlich und es ist schwer ihm nicht sofort nachzugeben. Aber es ist nicht unmöglich. Viele Therapeuten empfehlen ja auch wenn man den Druck sich selbst zu verletzen nicht wiederstehen kann und alle alternativen nicht helfen, sich vorher fest vor zu nehmen nur so und so viele Schnitte zu benutzen. Ich weiß aus eigener Erfahrung (denn ich selbst habe mich mit zwölf Jahren zu ritzen begonnen, allerdings vor über einem Jahr eigenständig damit aufgehört. Ich habe es nicht sehr lange getan und rechtzeitig damit aufgehört als ich merkte wie es außer Kontrolle geriet.) dass es nicht einfach ist sich soweit unter Kontrolle zu bekommen, aber mit genügend Selbstbeherrschung ist es möglich. Natürlich ist es nicht so befreiend wie einfach drauf los zu schneiden, aber es ist meiner Meinung nach der erste Schritt zum aufhören.
Zitat von: Nycra am 07. Juni 2010, 15:28:30
Bei anderem Suchtverhalten kommt es doch auch vor, dass der Süchtige alles versucht, seine "Krankheit" vor Außenstehenden zu verbergen. Warum sollte es beim Ritzen nicht genauso sein?
Ich kenne drei Mädchen, die sich ritzen und die verstecken die Narben alle unter Pullis und Armreifen. Ich kann mir das mit dieser Verzierung nicht vorstellen- würde sie sich rein aus ästhetischen Gründen ritzen, dann wäre es noch mal was anderes, aber sie tut es ja aus Selbsthass und demnach kann ich mir nicht vorstellen, dass sie das dann in der Form kontrollieren kann. Vor allem nicht von Anfang an.
Gut, wahrscheinlich bin ich da auch nicht objektiv- ich steck im Moment ziemlich tief in zwei der drei Geschichten drin und bei dem Thema stellen sich mir alle Nackenhaare auf...
Zitat von: Simara am 07. Juni 2010, 16:08:45
Damit hast du natürlich Recht, der Drang zum ritzen kommt plötzlich und es ist schwer ihm nicht sofort nachzugeben. Aber es ist nicht unmöglich. Viele Therapeuten empfehlen ja auch wenn man den Druck sich selbst zu verletzen nicht wiederstehen kann und alle alternativen nicht helfen, sich vorher fest vor zu nehmen nur so und so viele Schnitte zu benutzen. Ich weiß aus eigener Erfahrung (denn ich selbst habe mich mit zwölf Jahren zu ritzen begonnen, allerdings vor über einem Jahr eigenständig damit aufgehört. Ich habe es nicht sehr lange getan und rechtzeitig damit aufgehört als ich merkte wie es außer Kontrolle geriet.) dass es nicht einfach ist sich soweit unter Kontrolle zu bekommen, aber mit genügend Selbstbeherrschung ist es möglich. Natürlich ist es nicht so befreiend wie einfach drauf los zu schneiden, aber es ist meiner Meinung nach der erste Schritt zum aufhören.
Der Ansatz ist mir neu. Für gewöhnlich gilt es als Rückfall sobald man Gewebe verletzt. Ich kenne als Methoden, um sich vom Ritzen abzulenken, eher so Sachen wie
- Hände mit sehr heißem oder kaltem Wasser waschen
- getrocknete Erbsen in die Schuhe tun
- in eine Zitronenscheibe beißen
- Kneifen
- Wäscheklammern auf die Haut setzen
also im Prinzip starke körperliche Reize, die dich vom Ritzdruck ablenken. Schmerz, ohne Gewebe zu verletzen. Auf solche Sachen greife ich auch heute noch zurück, wenn ich Ritzdruck verspüre. Geschnitten habe ich mich schon seit Jahren nicht mehr und ich habe auch von selbst aufgehört, allerdings weiß ich nicht mehr, wie oder warum. Ich denke, es hatte etwas mit dem Beginn einer Partnerschaft zu tun. Dafür bin ich aber jetzt schon zum 2. Mal in Therapie und habe mit meinem Thera auch über das Ritzen gesprochen. Obwohl es lange zurück liegt, ist das halt ein Teil von mir und wird auch öfter mal wieder Thema. Es ist mir auch bewusst, dass ich jederzeit rückfällig werden könnte, sollte mein Leben aus den Fugen geraten. Allerdings gehört da heute schon mehr zu, als damals, wo es reichte, dass mich jemand schief ansah.
Hmm, so ziemlich alles, was ich zu dem Thema noch zu sagen gehabt hätte wurde hier eigentlich bereits angesprochen.
Zum einen finde ich es super wichtig, dass man "Ritzen" (sorry, aber ich hasse diesen Ausdruck dafür...) und das Borderline-Syndrom nicht zu ein und derselben Sache macht. Wer sich selbst schneidet (ja, ich nenne es so, weil es nämlich genau das und nichts anderes ist) leidet nicht zwangsläufig am Borderline-Syndrom. Dafür bin ich wohl das beste Beispiel.
Warum ich was gegen den Ausdruck "Ritzen" habe kann ich ja vielleicht auch gleich noch dazu sagen. "Ritzen" ist für mich sowas in der Art: ich nehme mir 'ne Stecknadel und schabe mir damit ein paar mal über die Haut.
Hört sich das auch nur im geringsten so an, als würde es massive Wunden und Narben verursachen? Nein? Finde ich auch nicht. Deshalb finde ich es auch völlig widersinnig in solch harten Fällen von "Ritzen" zu sprechen. Das klingt verharmlosend und albern. Fast wie ein Modebegriff. In diesem Zusammenhang würde ich da nie von "Ritzen" sprechen. Das klingt für mich, wie wenn jemand davon redet, der davon eigentlich keine Ahnung hat. So pädagogisch und stempelaufdrückend. Da krieg ich 'ne Krise. Dann soll man das Ganze doch lieber gleich beim Namen nennen: die Haut wird zerschnitten, verdammt nochmal, und nicht bloß oberflächlich eingeritzt! Sorry, aber das musste jetzt einfach mal raus. :-[
"Ritzen"... also, ganz ehrlich. Das klingt so romantisch. Wie wenn ich meine und die Initialen meines Liebsten mit einem Taschenmesser in einen Baum ritze. Aber ganz ehrlich, mit Romantik hat das alles nun mal überhaupt nichts zu tun. Da steht ein enormer Druck dahinter, sonst würde man gar nicht auf die Idee kommen so etwas zu tun. Wie gesagt, ich spreche da aus eigener Erfahrung und wenn du Fragen hast, Nycra, immer gerne per PN an mich. Wobei ich da, wie Gothanna, inzwischen auch "drüber weg" bin. Und auch ich habe es aus eigenem Antrieb geschafft aufzuhören und es seitdem tatsächlich nicht mehr getan.
Ich habe übrigens selbst einen (ebenfalls weiblichen) Charakter, der dieses "Problem" hat. Allerdings ist sie kein Fantasy-Charakter sondern aus unserer realen Welt und aus einer Geschichte, die in unserer realen Welt spielt und nicht in einer Fantasy-Welt. Sie ist sogar tatsächlich Borderlinerin. Wobei mich dieses Thema hier gerade zum Grübeln gebracht hat und ich jetzt ernsthaft am überlegen bin, ob ich den Borderline-Aspekt nicht doch rausnehme. Schließlich reagiere ich da inzwischen echt allergisch drauf, wenn andere ständig das eine und das andere in ein und denselben Topf werfen. Da will gerade ich das jetzt nicht auch noch unbedingt propagieren. Es wäre doch mal nett, wenn jemand endlich mal mit diesen ganzen Vorurteilen und Verallgemeinerungen aka "SVV=Borderline" aufräumte. :hmmm:
EDITED:
Öhm, da sich hier offenbar keiner mehr traut was zu schreiben vielleicht nochmal für alle. Mein Ton oben sollte keinesfalls erzürnt oder aufgebracht klingen, denn ich bin weder das eine, noch das andere. Mir liegt dieses Thema nur sehr am Herzen und ich hatte gehofft, dass das irgendwie zum Ausdruck kommt. Wenn ich meine Worte etwas schärfer gewählt habe und das falsch rübergekommen ist tut mir das sehr leid! Ich wollte hier niemanden verschrecken! Ich bin absolut für freie Meinungsäußerung und jeder kann, darf und soll ruhig zu dem Thema sagen dürfen was ihm dazu einfällt oder ihn bewegt! Das wollte ich nur nochmal ausdrücklich betonen. :engel:
Mach dir mal keine Sorgen, TasTä! Du hast doch selbst schon angemerkt, dass schon fast alles gesagt wurde. Ich glaube nicht, dass deinetwegen keiner mehr antwortet. :knuddel: Ich bin übrigens auch kein Borderliner.
Zitat von: Gothanna am 09. Juni 2010, 06:40:59Mach dir mal keine Sorgen, TasTä! Du hast doch selbst schon angemerkt, dass schon fast alles gesagt wurde. Ich glaube nicht, dass deinetwegen keiner mehr antwortet. :knuddel: Ich bin übrigens auch kein Borderliner.
Na, dann ist ja gut. :knuddel:
Ich weiß zwar keine genauen Zahlen, aber ich schätze mal, dass der Anteil derer in der Bevölkerung, die sich selbst verletzen (oder verletzt haben) OHNE gleichzeitig an einer BSP zu leiden gar nicht so niedrig ist. Vor allem aber denke ich, dass es gerade für die Leute MIT Borderline-Persönlichkeitsstörung wesentlich schwieriger ist mit dem SVV aufzuhören (wenn sie es überhaupt tun), als für Menschen ohne diese Krankheit. Stimmst du mir zu?
Selbstverletzendes Verhalten kann bei verdammt vielen psychischen Krankheiten ein Symptom sein. Häufig sind neben Borderline-Persönlichkeitsstörungen glaube ich Depressionen, Verhaltensstörungen wie Anorexie und Bulimie und posttraumatische Störungen (<-- was in dem Fall der Figur wohl zutrifft). Andere Möglichkeiten die mir einfallen wären Zwangsstörungen, Krankheiten aus dem schizophrenen Formenkreis und geistige Behinderung (wobei da das Selbstschlagen und -beißen häufiger vorkommt als Schneiden).
Mal davon abgesehen fände ich es schwierig eine Romanfigur mit Borderlinestörung darzustellen, vor allem wenn man selbst solche Personen nicht für längere Zeit erlebt hat. Das ist ein ganz schön komplexes Krankheitsbild, das sich auf fast alle Bereiche des Lebens auswirkt. Eine solche Figur würde mir beim Plotten ganz schön oft in die Quere kommen.
Jedenfalls empfand ich den Umgang mit solchen Patienten als höchst anstrengend (vor allem diese überschwänglich emotionale Hassliebe gegenüber einem als Arzt), aber auch faszinierend, vor allem was ihre Fantasie und Kreativität angeht. Wenn eine Figur schon eine psychische Krankheit haben soll, dann lieber was einfacheres, was man selbst aber auch unwissende Leser gut nachvollziehen können.
Zitat von: Tastentänzerin am 09. Juni 2010, 18:23:53
Ich weiß zwar keine genauen Zahlen, aber ich schätze mal, dass der Anteil derer in der Bevölkerung, die sich selbst verletzen (oder verletzt haben) OHNE gleichzeitig an einer BSP zu leiden gar nicht so niedrig ist. Vor allem aber denke ich, dass es gerade für die Leute MIT Borderline-Persönlichkeitsstörung wesentlich schwieriger ist mit dem SVV aufzuhören (wenn sie es überhaupt tun), als für Menschen ohne diese Krankheit. Stimmst du mir zu?
Ich denke, das muss man von Fall zu Fall betrachten. Generell ist es aber so, dass man natürlich schwächer ist, wenn es einem gerade nicht gut geht. Und auch bei Borderline gibt es Phasen, in denen es den Patienten sehr gut geht.
Auf mich trifft wohl "posttraumatische Störung" zu. Außerdem leide ich seit Jahren an Depressionen und bin gerade wieder in Therapie deshalb. Letztes Jahr gipfelte es darin, dass mein Freund mit mir Schluss gemacht hat, weil er mit meiner Depression nicht zurecht kam. An dem Abend, als ich seine Email gelesen habe, bin ich zig Mal in die Küche gerannt, habe die Besteckschublade aufgerissen und wieder zugeknallt. Aber ich habe gerade noch mal die Kurve gekriegt und bin gleich am nächsten Tag zum Arzt, um mir Hilfe zu holen - immerhin habe ich ein kleines Kind und muss mich unter Kontrolle haben.
Zum Glück konnte ich wieder ziemlich schnell zu meinem früheren Thera, der mir damals bei meiner sozialen Phobie so geholfen hat. Der hat mich ganz schnell wieder gerade gebogen. Und mit meinem Schatz war ich auch schnell wieder zusammen - was er wohl nicht bereut hat, denn heute ist unsere Beziehung besser denn je.
Aber ich fürchte, jetzt kommen wir etwas vom Thema ab.
Whoa, was ein Thema...
Massig Respekt an euch, die ihr damit zu kämpfen hattet und jetzt offen drüber reden könnt!
Und wer mag: :knuddel:
(Habe mich nie direkt selbstverletzt, aber selbstsabotierendes Verhalten kommt bei mir in depressiven Zeiten durchaus vor.)
As to who I am now, if you're prompted to ask:
I'm the ghost of my future and the sum of my past.
- Talis Kimberley, Small Mended Corners (http://www.talis.net/songbook/smallmendedcorners.html)
Auch wenns jetzt tatsächlich OT ist, @Hanna: meinen Riesenrespekt! In so ner Situation der Versuchung zu widerstehen, ist echt ne Leistung! :knuddel:
Das ganze Thema ist ziemlich komplex und ich verspreche schonmal vorab, nichts übers Knie zu brechen. Es war/ist eine Idee, die ich "im Vorbeigehen" hatte. Gerade weil ich mich damit überhaupt nicht auskenne, habe ich lange gezögert, hier überhaupt zu posten. Und die Antworten, die ich bekam, haben meinen Anfangsverdacht bestätigt: Hier kann man viel falsch machen! Genau deshalb kann ein sponanter Geistesblitz in die Hose gehen.
Sicher ist eine Krankheit dieser Art nicht einfach zu beschreiben, da gebe ich Vali Recht. Sie soll in meinem Fall auch nicht das Buch dominieren. Die Geschichte, die ich erzähle, wird um die Probleme meiner Prota herumgewebt. Dennoch möchte ich offensichtliche Fehler und Klischees vermeiden, denn die Verletzungen, die sie sich zufügt, werden wie ein roter Faden durchs Buch ziehen. Es wird - obwohl Fantasy - keinen Zauberer oder Ähnliches geben, der die Prota heilt und alles wieder gut macht. Sie soll damit fertig werden - oder nicht - wie ein realer Mensch.
Ich danke euch sehr, dass ihr mit mir offen über das Thema und eure eigenen Erfahrungen sprecht, sei es hier im Forum oder über PN. Durch die hiesige Diskussion ist mir klar geworden, dass ich noch viel vor mir habe und ich weiß, dass ich bestimmt Fehler dabei machen werde. Wie naiv ich mich zu dem Thema anstelle, habt ihr in meinen Postings gelesen bzw. habe ich selbst beim Lesen eurer Kommentare gemerkt.
Trotzdem will ich es versuchen (du hast mich überzeugt Tastentänzerin ;D).
Und nochmal ein fettes DANKE euch allen! Ich hab euch lieb ...
Nycra
P.S. Ich schließe mich Thaliope an: RESPEKT! Allen, die es schaffen zu wiederstehen...
@Rika:
Wow, das ist echt ein tolles Zitat! :jau:
Zitat von: Nycra am 10. Juni 2010, 10:37:21P.S. Ich schließe mich Thaliope an: RESPEKT! Allen, die es schaffen zu wiederstehen...
Ich stand auch schon oft genug kurz davor es wieder zu tun und habe es dann doch nicht gemacht, deshalb kann ich bestätigen: es ist (manchmal) wirklich verdammt schwer zu widerstehen! Aber eben zum Glück und offensichtlich nicht unmöglich. :knuddel: