Tintenzirkel - das Fantasyautor:innenforum

Handwerkliches => Workshop => Thema gestartet von: maggi am 03. Juli 2009, 20:58:24

Titel: Plots: Abseits von Gut gegen Böse
Beitrag von: maggi am 03. Juli 2009, 20:58:24
Hallo ihr Lieben,

Ich bin's mal wieder. Und wieder mit einem kleinen Problem.
Ich habe mir vor kurzem einen Roman, den ich vor etwa einem Jahr geschrieben habe, noch mal vorgenommen und damit großen Spaß gehabt. Das Problem an der Sache ist allerdings, dass das ganze an einer Schule für Magier und in diesem Jahrzehnt in der realen Welt spielt. Also hochgradiger Harry Potter Alarm.
Auch die Story ist recht vorbelastet. Eben das übliche "gute Zauberer gegen böse Zauberer".
Das Setting, die Charaktäre und die Details gefallen mir aber sehr gut und ich würde sie ungerne aufgebene. deswegen habe ich mir überlegt, etwas an der ganzen hintergrundgeschichte zu feilen. Mir ist aufgefallen, dass mir Rätsel- und Mysteryplots am meisten liegen, also soll der neue Versuch etwas in diese Richtung gehen.
Deswegen also die Frage:
Habt ihr Erfahrungen mit Plots, in denen es nicht darum geht, dass eine Partei die andere besiegt (in welcher Form auch immer)? Wie habt ihr das eure Figuren-Motivation gehändelt? Wie die Story vorran getrieben? Wie die Handlung aufgelöst?
Beispiele und Erfahrungen wären mir sehr wilkommen.

danke im vorraus
Titel: Re: Plots: Abseits von Gut gegen Böse
Beitrag von: Shay am 03. Juli 2009, 21:20:56
In der Eisgeschichte haben Silph und ich die Geschichte einer Arktisexpedition erzählt. Der größte Widersache unserer Helden ist das Wetter und das kann man nunmal nicht besiegen. Es geht dann viel mehr um die Spannungen in der Gruppe, wobei es da eben kein gut und böse gibt und auch keinen Sieg. Nur Streit, Versöhnung und wieder Streit. Obwohl die Geschichte außer "vier Männer versuchen so weit nach Norden zu kommen wie möglich" keinen vordergründigen Plot hat, hat sich der Spannungsbogen fast wie von allein ergeben. Der bezieht sich dann eben größtenteils auf die gruppeninternen Spannungen.
Titel: Re: Plots: Abseits von Gut gegen Böse
Beitrag von: Churke am 03. Juli 2009, 21:45:15
Dass der Held ein Problem lösen muss und bei der Lösung auf immer neue Probleme stößt und sich so immter tiefer in die Sache verstrickt, ist ja ein klassisches Grundmuster. Ich denke mal, wer einer Figur eine Aufgabe gegeben hat, der gab er auch die Motivation, sie zu erfüllen. Und je mehr Hürden da auftauchen, desto dicker wird das Buch.

Ich habe z.B. mal was geschrieben, da vergeigt ein Zauberer einen Zauberspruch und ist dann den Rest der Geschichte damit beschäftigt, die Sache wieder gerade zu bügeln. Er kämpft in erster Linie gegen seine eigene Unfähigkeit.

In einer SF-Geschichte will der Held von Anfang an nur seine Ruhe haben, aber das System lässt sie ihm nicht. Ständig gibt es auf die Fresse. Am Schluss kollabiert das System und er kann fliehen.

Ein bisschen in eine ähnliche Richtung geht die Story vom reichsten Senator Roms, der in einen äthiopischen Sklaven verwandelt wird. Aus dieser völlig neuen Perspektive sieht die Welt natürlich ganz anders aus.
Titel: Re: Plots: Abseits von Gut gegen Böse
Beitrag von: Feuertraum am 04. Juli 2009, 10:24:21
Um es vorweg zu nehmen: ein Plot Abseits von Gut gegen Böse ist alles andere als interessant: Der Rentner geht morgens in den Park um sich zu sonnen, füttert einige Enten, die sanft über den Teich schwimmen. Hinterher gönnt sich der Pensionär einen Döner, den er sich schmecken läßt, geht dann nach Hause und schläft vor dem Fernsehen ein.
Wirklich  :nöö:

Sie dürfen bitte niemals verwechseln, dass der "Kampf" "Gut gegen Böse" automatisch gleichzusetzen ist mit Held versucht, dem bösen Bösewicht eine empfindliche Niederlage zuzufügen.
Ein Konflikt ist immer ein "Kampf" "Gut gegen Böse". Vielleicht sollte man genauer sagen: "Der Kampf des Sympathieträgers gegen Schwierigkeiten, die sich ihm in den Weg stellen."
Angenommen, die Frau des Rentners ist vor 8 Wochen gestorben und der Rentner kommt mit dieser Situation nicht klar. Seine Trauer droht ihn aufzufressen, er kommt mit der Situation nicht klar, düstere Gedanken umwölken sein Denken, er spielt mit dem Gedanken, seiner geliebten Frau zu folgen. Mit seinem Denken raubt er Nachbarn oder Kindern die Kraft.
Auch da haben wir einen Kampf.
Aber keine zwei Menschen, die sich gegenseitig auszulöschen drohen.
Auch Shays Beispiel mit dem Wetter ist hervorragend, um einen Konflikt - den Kampf gegen die Natur - anzuzeigen.
Natürlich reicht für einen Roman nicht unbedingt nur ein Konflikt. Es sollten schon mehrere sein...;)

LG
Feuertraum
Titel: Re: Plots: Abseits von Gut gegen Böse
Beitrag von: ChaldZ am 04. Juli 2009, 11:36:02
Also mir gefällt die Formulierung "Plots: Abseits von Gut gegen Böse" eigentlich recht gut, da das zumindest im Fantasy Genre doch ein mehr als verbreitetes Klischee ist.
Dass ein Konflikt immer ein Kampf von Gut gegen Böse ist, möchte ich daher auch bezweifeln. Auch ein "Kampf" "Gut gegen Böse" ist in dem Sinne für mich eher an den Haaren herbei gezogen und ich bleibe daher bei dem Begriff "Konflikt". Mir will nicht in den Sinn, warum es bei einem Konflikt ein "Gut" gegen "Böse" geben muss.

Die Erwähnung von Mensch "gegen" Naturgewalten ist ein klassisches Beispiel, was als Motiv für einen Plot herhalten kann. Im Falle von Zauber und Magie ist der von Churke angesprochene verfehlte Zauberspruch eine gute Möglichkeit.
Daneben gibt es auch - die etwas schwieriger um zu setzende - Möglichkeit, Konflikte zwischen Menschen oder Gruppen in Bezug auf bestimmte Ziele als Plot zu nehmen, die nicht in gegensätzliche Lager "Gut" und "Böse" einzuteilen sind.

In meiner eigenen Geschichte gibt es zwar das "Böse", was in Form von Dämonen dargestellt wird und sich als roter Faden durch den Roman zieht. Allerdings entstehen fast alle Konflikte aus den verschiedenen Zielen, Herangehensweisen und Vorurteilen der Beteiligten, so dass es für die Charaktere ein "Gut" und "Böse" zu geben scheint, aber nicht wirklich vorhanden ist.
So gesehen ist ein Konflikt von zwei Gruppen, bei dem die eine siegt, nicht unbedingt ein Kampf gut gegen Böse.
Wenn du dennoch darauf verzichten willst, ist ein anderes großes Thema der innere Konflikt. Etwa Taten und Moral in Einklang zu bringen.
Wie viele Menschen lasse ich sterben, um eine größere Zahl zu retten? Darf man stehlen, um mich oder andere vor dem Verhungern zu retten? Kann ich Gesetze brechen, weil mein Leben in Gefahr ist? "Gut" und "Böse" verschwimmt hier etwas, wenn es kein wirkliches Richtig oder Falsch gibt.
Dein Zauberer ist so arm, dass er es sich nicht leisten kann, auf die Schule zu gehen? Wie löst er das Problem? Stiehlt er, um sich seine Zukunft nicht zu verbauen? Nimmt er die niedrigste, widerwärtigste Arbeit an, um nicht mit seinem Gewissen in Konflikt zu kommen? Sagt er sich, mit dem, was er lernt kann er den Benachteiligten helfen und kann es damit verantworten, ein Gesetz zu brechen und stiehlt? Denkt er am Anfang nur an sich und tut mit dem Gelernten aus Reue anderen Menschen Gutes?
Das ist nur ein erstes Hindernis auf seinem Weg. Er könnte aus Reue einen Schwur leisten und anderen helfen. Dadurch kommt er mit dem Gesetz in Konflikt. Er könnte sich durch Zauberei retten, macht sich aber so wieder schuldig.
Starke Gefühle könnten den Charakter zu etwas treiben, was er später bereut und eine "Abarbeitung" oder ein Schwur - was zu weiteren Konflikten führt - bestimmt alles spätere Handeln.

Je mehr ich schreibe, desto mehr Möglichkeiten fallen mir ein, Handlungen abseits von dem klassischen "Gut" gegen "Böse" Konflikt auf zu bauen. Aber da ich sowieso schon wieder zu viel schwafel, mache ich hier mal Ende.
Hoffe, da oben in meinem Text steht auch ein klein wenig was Sinnvolles.
Titel: Re: Plots: Abseits von Gut gegen Böse
Beitrag von: Shay am 04. Juli 2009, 13:54:29
@Feuertraum
Das sehe ich nicht so. Zu einer guten Geschichte gehört sicher immer ein Konflikt, aber das muß kein Kampf im Wortsinne sein und schon gar nicht einer zwischen Gut und Böse. Sicher kann man für manche Diskussion die Grenzen der Wortdefinition aufweiten, aber hier macht das IMHO keinen Sinn.
Gerade in der Fantasy geht es wirklichs ehr oft um den buchstäblichen Kampf eines Guten gegen das abgrundtief Böse.

Auf meiner Welt gibt es das Böse (TM) sowieso nicht. Mein größter Schurke ist Herzog Girion, der durch seine Rebellion sein Land in einen jahrzehntelangen Bürgerkrieg stürzt. Aber man kann auch sagen, daß er endlich den Schutz seines Landesteiles in die eigene Hand genommen hat, weil die Zentralgewalt dazu nicht in der Lage war. Er ist trotzdem ein schlechter Mensch, aber nicht alles, was er tut ist böse.
Genausowenig gibt es das Gute an sich. Ich finde einfach Grauschattierungen interessanter als Weiß und Schwarz. Dementsprechend geht es bei mir eigentlich auch nie um die großen Weltrettungsaktionen, sondern eher um die kleineren Siege, oft genug auch einfach über sich selbst.
Titel: Re: Plots: Abseits von Gut gegen Böse
Beitrag von: Coppelia am 04. Juli 2009, 14:15:51
Generell gibt es doch sehr viele Geschichten ohne "gut" gegen "böse". Normalerweise jede, in der die "andere Seite" eine sinnvolle Motivation hat (und die "eine Seite" hoffentlich auch). Die meisten Liebesgeschichten oder Komödien haben überhaupt nichts "Böses".
In Fantasy macht man es sich manchmal halt einfach, damit der Held irgendwelche Monster totschlagen kann, weil das cool ist ... ::)
Ich mag ja eh den "Bösen" in der Hauptrolle, dann ist das ganze Gerüst hinfällig und man hat immer noch spannende Konflikte. Wenn du die Motivation deiner "Bösen" genauer ausarbeitest, werden sie wahrscheinlich weniger böse sein.
Titel: Re: Plots: Abseits von Gut gegen Böse
Beitrag von: Grey am 04. Juli 2009, 18:59:09
In meinem aktuellen Projekt gibt es auch keine "Guten" und keine "Bösen" in dem Sinne. Vielmehr geht es - ganz allgemein gesagt - darum, wie die handelnden Figuren die gesellschaftliche und politische Situation empfinden, und wie sie sie in ihrem Sinne verändern wollen. Manche haben die ähnliche Ziele, aber unterschiedliche Moralvorstellungen, manche wollen in eine ganz andere Richtung. Und dann kommen auch noch die zwischenmenschlichen Beziehungen dazu, und so entstehen massenhaft Reibungspunkte, die die Geschichte (wie ich hoffe) interessant machen.

Ich persönlich finde ja auch Konflikte viel spannender, die nicht nur zwischen zwei Parteien ausgetragen werden.
Titel: Re: Plots: Abseits von Gut gegen Böse
Beitrag von: Immortal am 05. Juli 2009, 13:10:01
Das mit dem alte-Plots-finden-und-überarbeiten kenne ich sehr gut. Ich bin auch gerade dabei einen Plot neu zu überarbeiten, den ich vor über zwei Jahren geschrieben habe.

Auch hier ist es eigentlich der klassische Kampf gut gegen Böse. Doch da ich ein Schreiber bin, der gerne mit vielen Perspektiven arbeitet, wird auch die "böse" Seite ihre Perspektive erhalten. Dann wird es dem Leser überlassen sein, wer für ihn die böse Seite ist, denn dann ist es eine Frage der Sympathie.
Also, wie Coppelia schon gesagt hat, wenn man aus der Sicht der vermeintlich Bösen schreibt, erledigt sich das Problem von allein.
Aber es ist natürlich nicht immer ganz so einfach die Beweggründe der Bösen verständlich klar zu stellen, sodass der Leser erst gar nicht bemerkt, wer hier eigentlich die Bösen und wer die Guten sind. Aber ich finde das eine ziemlich reizvolle Aufgabe  ;)
Titel: Re: Plots: Abseits von Gut gegen Böse
Beitrag von: Jara am 05. Juli 2009, 21:21:54
Hallo Maggi!

Im Großen und Ganzen ist es meiner Erfahrung nach zwar eher unüblich im Fantasygenre auf eine klassische Auseinandersetzung von Gut und Böse zu verzichten, sicher aber nicht unmöglich.
Es kommt ganz darauf an, was du deinen Lesern als Ersatz anbieten kannst.
Du bist gut darin Mysterie - und Rätselplots zu schreiben? Ist doch großartig, das lässt sich sicher einbringen!

Der Leser wartet in einem Buch doch nur in den seltensten Fällen auf einen finalen Endkampf. Was er möchte, ist unterhalten werden. Wenn du dass auch durch andere Elemente hinbekommst, ist das doch in Ordnung ;)
Titel: Re: Plots: Abseits von Gut gegen Böse
Beitrag von: Franziska am 09. Juli 2009, 12:20:07
Ich denke auch nicht, dass es immer "Gut" gegen "böse" sein muss, oder das der Hauptcharakter unbedingt sympathisch sein muss.
Bei Liebesgeschichten gibt es ja auch meistens nicht gut gegen böse.
Und im Fantasy/SF-Bereich fallen mir da auch viele Beispiele ein. Z.B. wenn es hauptsächlich um die Entwicklung des Charakters geht, dann geht es um innere Konflikte, oder wenn es um die Lösung eines Rätsels geht, muss es doch auch nicht zwei Parteien geben, vielleicht könnten bei dir die bösen und guten Zauberer zusammenarbeiten müssen, um ein Rätsel zu lösen?

Ich selbst schreibe an einem sehr klassischen gut gegen Böse Plot, aber in einem anderen Text habe ich z.B. drei Parteien, wobei sich erst zwei bekämpfen, bis sie sich verbünden um gegen eine dritte zu kämpfen.  Es ist nicht eindeutig, wer gut und wer böse ist.
Die schon erwähnte Methode, aus zwei Perspektiven zu schreiben, ist sicher auch spannend.
Titel: Re: Plots: Abseits von Gut gegen Böse
Beitrag von: felis am 09. Juli 2009, 13:12:31
Ich finde auf klassische gut-Böse klischees kann man auch in der Fantasy sehr gut verzichten. Ich hab z. B. einen plot, wo die "Guten" ziemlich am Ende erkennen müssen, dass sie eigentlich "die Bösen" sind respektive sich im Unrecht befinden, was den zentralen Konflikt angeht.  ;D
Titel: Re: Plots: Abseits von Gut gegen Böse
Beitrag von: Hanna am 09. Juli 2009, 13:39:46
Für meine Projekte gilt eigentlich immer: "Gut und Böse gibt es nicht, es gibt nur verschiedene Ansichten."

Mir ist es immer wichtig, die Motivation aller Beteiligten zu kennen und zu beleuchten.

Für dein spezielles Problem gibt es sicher mehrere Möglichkeiten. Du könntest eine einfache Liebesgeschichte schreiben. Vielleicht ist es einem jungen Magier verboten, mit Nicht-Magiern anzubandeln oder überhaupt eine Beziehung zu führen bevor er siebzehn ist. Vielleicht ist er homosexuell, was in der magischen Welt noch viel mehr ein Problem ist als in der anderen Welt.

Vielleicht ziehst du Harry Potter anders herum auf und dein Protagonist entdeckt in sich, dass er die normalen Menschen hasst und es ganz furchtbar findet, dass sie sich mit Magiern vermischen. Am liebsten würde er sie alle ausrotten.  :darth:

Und beim Lesen hatte ich noch folgende Idee: Die Schule für angehende Magier ist gar keine Schule sondern eine Psychiatrie, in der die Ärzte den jungen Leuten nur einreden, sie könnten zaubern. Vielleicht ist das alles ein großes Experiment und dein Prot findet es mit seinen Freunden heraus. Da kribbelt es mir fast in den Fingern, das Ding selbst zu schreiben.  ;D

Titel: Re: Plots: Abseits von Gut gegen Böse
Beitrag von: Grey am 09. Juli 2009, 14:05:48
@Hanna
Die Idee ist der Kracher. Das Buch würde ich sofort kaufen. ;D
Titel: Re: Plots: Abseits von Gut gegen Böse
Beitrag von: Angelus Noctis am 21. Juli 2009, 10:19:22
Hallöchen!

Meine Antwort kommt zwar reichlich spät, dennoch möchte ich auch hier meinen Senf dazugeben.

Ich kann diese "klassische" Schwarzweißmalerei überhaupt nicht leiden, zumindest nicht in meinen eigenen Geschichten. Deshalb halte ich es mit meinem Fantasyprojekt so, wie Gothanna schon sagte. Insofern ist auch der Böse bei mir eigentlich nicht böse, eher verzweifelt (was ihn allerdings nicht davon abhält, fürchterliche Gräueltaten zu begehen). Der Gute ist zwar reichlich gut, hat aber eine finstere Vergangenheit ... All das wird aber erst nach und nach deutlich. Ich finde es einfach toll, den Leser zu überraschen :snicker:, und hoffe, dass mir das auch gelingt.

Liebe Grüße!
Titel: Re: Plots: Abseits von Gut gegen Böse
Beitrag von: Lucien am 21. Juli 2009, 12:27:18
Hm, ein interessantes Thema, da schreib ich doch auch noch was zu  ;D

Ich experimentiere da zurzeit noch mit. In meinem älteren Werk habe ich schon versucht, diese klassische Schwarzweißmalerei zu umgehen. Dennoch halte ich persönlich es für wichtig, dass es einen eindeutigen Feind, eben "das Böse", gibt, zumindest wenn es sich um die typische "Bedrohung der Welt" geht. Deshalb gibt es bei mir eine wirklich abgrundtief böse Person und es gibt "die Guten". In diesem Fall ein frisch gegründeter Orden, an dessen Spitze aber ein äußerst verzweifelter und unzufriedener Fürst steht, der sich der Aufgabe nicht gewachsen fühlt. Durch all den Druck wird er vorübergehend zu dem, was man ein typisches - verzeiht mir die Ausdrucksweise - Arschloch nennt, weil er sich halt nicht anders zu helfen weiß als mit rumstänkern, Frust ersäufen etc. Und das "böse" Volk, welches der ultimativ bösen Person folgt, ist eigentlich auch ganz nett, aber einfach nur misstrauisch gegen andere Völker und leicht zu beeinflussen.

Ich hoffe, dass mir dieser Mix aus Schwarzweißmalerei und "irgendwie doch nicht" gelingt. Um nun auf das "Abseits" zu kommen:
Meine Geschichte endet nicht mit dem Sieg über den Feind, welcher in der Ermordung der bösen Person durch ihren eigenen, bekehrten Hauptmann zum Ausdruck kommt. Das ist quasi nur die Voraussetzung für etwas Größeres, denn im Grunde geht es darum, dass das magische Gefüge durch vergangene Kriege etc. schrecklich aus dem Gleichgewicht geraten ist und nun wiederhergestellt werden muss. Dabei kommen den Auserwählten noch diverse andere Probleme wie Krankheitswellen und andere Katastrophen in die Quere.

In einer anderen Geschichte gibt es tatsächlich keine wirklich abgrundtief böse Person, sondern nur solche, die eher zur Skrupellosigkeit bereit sind als andere. Der Konflikt dreht sich um ein magisches Amulett, welches verschollen ist und hinter dem mehrere Parteien aus völlig unterschiedlichen Gründen her sind, von denen aber keiner wirklich böse ist.

Von daher denke ich schon, dass sich einiges jenseits von gut und böse auf die Beine stellen lässt.

Liebe Grüße

Jenny
Titel: Re: Plots: Abseits von Gut gegen Böse
Beitrag von: Joscha am 21. Juli 2009, 13:12:34
Wie wärs mit Böse gegen Böse? Auf diesem Prinzip bauen die meisten meiner Romane auf. Ich achte sehr darauf, dass meine Charaktere durchaus deutlich negative Eigenschaften haben, selbst meine Protagonisten, auf dem Glauben aufbauend, dass es keine "guten" Menschen gibt. Ich behandle prinzipiell Pro- und Antagonisten glecihwertig, mische beiden eine Portion Grausamkeit und Bosheit bei und erfinde für beide Parteien sinnvolle Beweggründe und Erklärungen für ihre negativen Eigenschaften, die sie dem Leser sympathisch machen.

Mit wem mitgefiebert wird, entscheidet sich bei mir erst ganz am Ende des Charakterisierungsprozesses, nämlich bei der Wahl der Perspektive. Wer die hat, wird zweifelsfrei sympathischer, ganz einfach deshalb, weil er die bessere Gelegenheit hat, seine Beweggründe zu erklären und gleichzeitig seine eigene, negative Einstellung gegenüber dem Antagonisten an den Leser weiterzugeben. Das lässt sich auflockern, indem man auch aus der Perspektive des Antagonisten schreibt oder, noch besser, den Protagonisten so übertrieben schlecht von ihm denken zu lassen, dass sich deutlich zeigt, dass es nur seine eigene Sicht der Dinge ist.
Titel: Re: Plots: Abseits von Gut gegen Böse
Beitrag von: Lucien am 21. Juli 2009, 15:29:13
Aus der Sicht des Bösen ...  :hmmm: Coole Idee!  :jau:

Und wie kriegst du das dann mit den Motiven hin? Reine Konkurrenz wegen etwas? Bei gut und böse ist es ja (meistens) so, dass das Böse das Gute unterjochen und das Gute das Böse vernichten will.
Ich stelle mir das schwierig vor, bei Böse gegen Böse ein plausibles Motiv zu finden. Die beiden müssten ja dann bei etwas Konkurrenten sein oder sich aus irgendwelchen Gründen hassen (und diese Gründe zu finden, ohne in ein Klischee zu fallen, erscheint mir schwierig).
Titel: Re: Plots: Abseits von Gut gegen Böse
Beitrag von: Joscha am 21. Juli 2009, 18:02:17
Naja, hassen ist ja nicht schwer bei Bösen. Ich hatte zum Beispiel mal einen Roman aus der Sicht eines Massenmörders, der mit seiner Axt durchs Land gezogen ist und Dörfer niedergemetzelt hat, weil er geistig nicht mit der Trauer um seine Geliebte fertig geworden ist (ganz einfach formuliert, ich könnte das jetzt komplexer darstellen, aber das wäre ziemlich ermüdend). Er tötet einfach und ohne Grund. Ihm gegenüber steht eine korrupte Kirche mit großer politischer Macht, die er gegen sich aufgebracht hat, weil er einen Beweis für die Nichtexistenz ihrer Götter hat: Die Kirche will das nicht an die Öffentlichkeit kommen lassen, weil sie sonst ihre Macht verlieren würde (und ein Gutteil der Oberhäupter seinen Reichtum) und hat ansonsten auch nicht gerade eine reine Weste. Folglich wird versucht, den Killer aus dem Weg zu räumen, der diese aber seinerseits mit einem Attentat beschuldigen und auf diese Weise zerschlagen will, da die Kirche die Schuld am Tod seiner Geliebten trägt. (Ich hoffe, ich habe mich jetzt nicht allzu unverständlich ausgedrückt).

Inspiriert zu dieser Art von Motiven hat mich vor allem Hobbes' Theorie vom Naturzustand (Ethik kann doch ein nützliches Fach sein). Er sagt, dass alle Menschen von sich aus Böse sind und nur vom Staat bzw. der Gesellschaft davon abgehalten werden,  einander an den Gurgel zu gehen. (Er spricht von einem absolutistischen Staat, mMn reicht jedoch allein eine Gesellschaft mit ungeschriebenen sozialen Regeln.) Wenn sich einer nun so oder so nicht um die Gesellschaft schert und der Staat mit seinen Gesetzen keine Kontrolle über ihn hat, wäre er folglich im Quasi-Naturzustand eine böse Person.
Titel: Re: Plots: Abseits von Gut gegen Böse
Beitrag von: Lucien am 21. Juli 2009, 18:57:58
Ach ja, der gute alte Hobbes. Da war mir Locke dennoch sympatischer. Na ja, das ist OT.

Aber deine Geschichte klingt echt spannend, hab ich sogar verstanden.
Titel: Re: Plots: Abseits von Gut gegen Böse
Beitrag von: Lomax am 21. Juli 2009, 19:15:59
Tja, den "Tag der Messer" hab ich ja auch gerne flapsig zusammengefasst als "die Bösen gegen die noch Böseren". Und ich habe auch nie ein Problem darin gesehen, zwischen diesen Bösen einen glaubwürdigen Konflikt zu finden. Das ergibt sich irgendwie ganz von selbst ...
  Bei einem Streit unter Bösewichten nimmt jeder kleine Konflikt gleich monströse Formen an ... und bringt damit jeden fiesen Intriganten dazu, gleich eine Gelegenheit zu wittern, den Konflikt zu seinem Vorteil auszunutzen. Wenn man also viele Bösewichte in einen Topf wirft, hat man gleich einen Hexenkessel, in dem jeder jedem an der Kehle hängt. Eigentlich viel besser, als wenn irgendwelche lästigen Gutwichte dazwischen sind, die eine Eskalation bremsen :engel:
Titel: Re: Plots: Abseits von Gut gegen Böse
Beitrag von: Tenryu am 21. Juli 2009, 21:51:51
In einer meiner Geschichten habe ich neben dem Bösewicht-Motiv noch ein übergeordnetes Thema verwandt: der "Kampf" der Morderne gegen die Tradition. In dieser Welt droht die Wissenschaft und Technik die Magie und somit die alten Strukturen der Magiergilden zu verdrängen. Es gibt in der Geschichte zwar Gute und Böse, aber man kann nicht unterschieden, wer recht hat und unrecht. Ich nehme dem Leser nicht die Entscheidung zwischen Magie und Wissenschaft ab.
Titel: Re: Plots: Abseits von Gut gegen Böse
Beitrag von: Angelus Noctis am 21. Juli 2009, 23:57:38
Ich finde ja, man kann den Leser auch mit Namen bzw. Beschreibungen der Charaktere auf völlig falsche Fährten locken.
So finde ich zum Beispiel den namen Damian total toll, weil viele Leute ihn sofort mit "Dämon" assoziieren - was natürlich Blödsinn ist. Auch Beschreibungen fürchterlich finsterer Typen :darth:, die dann allerdings auf der Seite des Lichts stehen (und da soll nochmal jemand behaupten, ich wäre pathetisch!! :d'oh: ;D), finde ich klasse.
Titel: Re: Plots: Abseits von Gut gegen Böse
Beitrag von: Lord Zahnstocher am 22. Juli 2009, 00:55:49
Also eigentlich hat es schon genug Aussagen gegeben, aber trotzdem scheint das Thema Gut gegen Böse am meisten von den Klischees durchgekaut zu werden. Naja was solls...
Also zuallererst sollte kein gut gegen böse ja nicht automatisch kein Konflikt von Charakteren bedeuten, denn ohne sowas kommen gute Bücher nicht aus. Auch wenn der Prota das Wetter oder ahnliches zum Feind hat sollte es auch menschliche Gegner geben, denn ein unbezwingbarer Gegner ist langweilig.
Des Weiteren meinen hier einige, dass sie sich mehr darauf konzentrieren eine Árt Helden mit bösen Facetten zu erschaffen. Das ist zwar schön und gut, aber mal ehrlich, ist euch in den letzen 15 Jahren ein Unterhaltungsmedium mit nur einem einzigen Helden untergekommen, der nur edle und gute Eigenschaften hat. Ich meine das Klischee des Helden ist nicht mehr das des edlen Hercules ohne einen Tropfen Bösen im Körper. Solche Helden sind heute selten. Wohl eher sind solche Leute Protagonisten, deren Ein-Zimmer-Appartement mit chinesischen Nudelpackungen und Papierstößen besudelt sind, die nie rechtzeitig aufwachen und die schnell vom Gequatsche ihrer Freunde genervt sind, weil sie im Klich mit ihrem Freund, ihrer Freundin, Mutter oder ihrem Vermieter sind und deswegen kettnrauchend in Unterwäsche auf dem Balkon stehen. Das ist wohl eher eines der heutigen Heldenklischees.

Soviel dazu, dass ihr euren Helden eine Böse Seite gibt. Wenn ihr dem Genre einen Gefallen tun wollt, dann erschafft doch mal einen durch und durch guten und edlen Helden ohne menschenverachtende Neigungen und Drogensucht. Das wäre heutzutage fast schon revolutionär.
[Meine Meinung zu dem Tema]
lg
Titel: Re: Plots: Abseits von Gut gegen Böse
Beitrag von: Angelus Noctis am 22. Juli 2009, 07:36:58
Ich glaube, ich habe mich in meinem letzten Post ziemlich dämlich ausgedrückt. Mit der "Beschreibung fürchterlich finsterer Typen" meinte ich tatsächlich nur die Optik. So ist das nämlich bei meinem Helden, zum Beispiel. Er sieht zwar aus, als würde er kleine Kinder frühstücken, doch ansonsten ist er nur gut und opfert sich für die gute Sache.
Insofern hätte ich ja dann das Kriterium eines "revolutionären" Helden, wie Alex es ausdrückt, erfüllt. *lach* ;D
Titel: Re: Plots: Abseits von Gut gegen Böse
Beitrag von: Lavendel am 22. Juli 2009, 07:50:29
So ähnlich wie in 'Sin City' zum Beispiel? Da waren ja nun wirklich alle fürchterlich finster, die Guten und die Bösen. Am tollsten finde ich da immer noch Marv. Der ist wirklich ein Held nach meinem Geschmack. Hochgradig Wahnsinnig und trotzdem zum Gernhaben ;).
Titel: Re: Plots: Abseits von Gut gegen Böse
Beitrag von: Angelus Noctis am 22. Juli 2009, 08:08:37
 :innocent: Da muss ich passen. Das kenne ich gar nicht. Aber der Böse sieht bei mir eigentlich nicht so sehr böse aus. ;D
Titel: Re: Plots: Abseits von Gut gegen Böse
Beitrag von: TheaEvanda am 22. Juli 2009, 08:56:25
Mein Lieblingsbösewicht ist immer ordentlich rasiert, gut angezogen, und von dem Wohl seiner Taten überzeugt. Zusätzlich weiß er guten Wein zu schätzen und ist freundlich zu Kindern, Hunden und Katzen. Dass die Opposition seine Grundphilosophie nicht teilt (ich und nicht der Boss ist Chef von das Ganzem), ist wirklich schade...

Um mal wieder auf die Frage "eine Geschichte ohne echtes Böse" zurückzukommen: Ich empfehle die Homepage von Team Hoyt (http://www.teamhoyt.com/), einem Vater-Sohn-Team, das an Marathons und Triathlons teilnimmt. Der Haken dabei: Der Sohn ist schwerst behindert, und der Vater trägt/rollt/zieht seinen Sohn über alle Distanzen mit.Sie sind beim Iron Man of Hawaii sogar ins Ziel gekommen.
Auch ein solcher Kampf gegen eine Krankheit oder Behinderung kann wunderbaren Geschichtenstoff abgegen, ohne dass das liebe alte "Gut gegen Böse"-Klischee herhalten muss. Man kann es sogar in die Fantasy portieren. Obwohl die Geschichte "Magier kämpft gegen seine magische Unfähigkeit" bis jetzt eher als Parodie benutzt wurde; kann man es auch dramatisch aufziehen. Der zu besiegende Feind liegt dann halt in der unerwünschten Eigenschaft.

--Thea
Herzogenaurach, Germany
Titel: Re: Plots: Abseits von Gut gegen Böse
Beitrag von: Lucien am 22. Juli 2009, 11:50:57
Ob man das jetzt eins zu eins mit deinem Magierbeispiel vergleichen kann, weiß ich nicht, aber meine Protagonistin hat als Werwölfin auch genug mit sich selbst zu tun, wenn es darum geht, ihr zweites Ich zu bändigen  ;D Trotzdem würde ich persönlich wohl kaum ein ganzes Buch damit gefüllt kriegen, wenn ich mir spontan ein paar Gedanken darüber mache.
Es gibt ja auch in der Realität nicht nur einen Faktor, der einem zu schaffen macht. Der eigene Körper, feindselige Mitmenschen und das "Schicksal" treten immer irgendwie gemeinsam auf und bilden alle gemeinsam einen abstrakten "Gegner".

@ Alex: "Der Gute" ist bei mir eher eine Gruppe, als Gegenspieler zum Bösen. Und in dieser Gruppe von sehr unterschiedlichen Charakteren ist genug Platz, um alles unterzubringen. Da gibt es bei mir einen Guten, der wirklich so gut ist, dass es schon fast nervt und einen, der wirklich zunehmend unsympatischer wird, je länger man mit diesem "Guten" zu tun hat. Dazwischen sind sämtliche Facetten vertreten. Was sie alle zusammen schweißt ist das Gemeinsame und "gute" Ziel ihrer Mission.
Titel: Re: Plots: Abseits von Gut gegen Böse
Beitrag von: Lomax am 22. Juli 2009, 14:03:48
Zitat von: Alex am 22. Juli 2009, 00:55:49Wenn ihr dem Genre einen Gefallen tun wollt, dann erschafft doch mal einen durch und durch guten und edlen Helden ohne menschenverachtende Neigungen und Drogensucht. Das wäre heutzutage fast schon revolutionär.
Ich würd mal sagen, dass ist mehr eine Frage der Aufmerksamkeitspsychologie als der tatsächlichen Verteilung. "Nicht so saubere" Helden sind derzeit modern und fallen mehr auf, weshalb es so aussieht, als wären sie allgegenwärtig. Würde man dann aber einen guten, edlen Helden erschaffen ... würde es niemand bemerken, weil diese Art Held auch jetzt immer noch in Massen zu finden ist und ein weitere Held dieser Art auch im 08/15-Strudel versinken würde, zu dem sich der "nicht so saubere Held" erst noch entwickeln muss.

Die Forderung, jetzt saubere Helden zu prägen, weil das innovativer wäre, ist ungefähr genauso angebracht, als hätte man zur Blütezeit der "City Roller" gefordert, zu Fuß zu gehen, um mehr aufzufallen. Klar sind diese komischen Roller damals überall aufgefallen und waren allgegenwärtig - was aber nichts daran ändert, dass die meisten Leute immer noch zu Fuß gegangen sind. Man konnte dann vielleicht nicht mehr besonders hervorstechen, wenn man auch so einen Roller hatte - aber um revolutionär zu sein, hätte es eines noch ausgefalleneren Gefährts bedurft, und nicht der Rückbesinnung auf den Turnschuh.
  Und nur weil wir jetzt schon in der Phase dieser "noch ausgefalleneren Gefährte" sind, übersieht man die vielen Fußgänger auf dem Buchmarkt umso leichter ;D
Titel: Re: Plots: Abseits von Gut gegen Böse
Beitrag von: Tenryu am 22. Juli 2009, 21:21:44
In manchen Genres wünschte ich mir schon mal wieder einen normalen, sauberen Helden. Ich würde einfach zu gern mal einen guten Krimi lesen, in dem der Detektiv kein übellauniger, alkoholsüchtiger Ex-Cop oder manisch-depressiver Psycho ist.