Tintenzirkel - das Fantasyautor:innenforum

Handwerkliches => Das Sprachbastelboard => Thema gestartet von: Drachenfeder am 14. Juli 2008, 20:51:06

Titel: Wenn alte Türen sich öffnen
Beitrag von: Drachenfeder am 14. Juli 2008, 20:51:06
Abend zusammen,

in der Forensuche wurde ich leider nicht fündig, darum meine Frage nun an euch alle:

Wenn eine alte Tür, die schon lange nicht mehr zum Einsatz kam, geöffnet wird, was gibt es dann für ein Geräusch?

Ich kann es nachmachen dieses Geräusch, aber keinen Namen geben. Es ist kein Knarren und auch kein Qietschen... oder doch?

LG die völlig ratlose Drachenfeder**
Titel: Re: Wenn alte Türen sich öffnen
Beitrag von: THDuana am 14. Juli 2008, 20:57:25
Vielleicht "ächzen"? Weil das alte Material sich ja zum ersten Mal seit langem wieder bewegt. Wenn du es nicht "quietschen" und "knarren" nennen willst ... ::)
Titel: Re: Wenn alte Türen sich öffnen
Beitrag von: Yo am 14. Juli 2008, 22:21:56
Mir fiele da "knarzen" ein.
Titel: Re: Wenn alte Türen sich öffnen
Beitrag von: Tenryu am 15. Juli 2008, 01:09:53
Oder Knattern, Schnarren, Rumpeln
Titel: Re: Wenn alte Türen sich öffnen
Beitrag von: Beate am 15. Juli 2008, 06:51:41
Knattern verbinde ich irgendwie mit einem Traktor... "Es knattert und rattert [...] und dann geht der Bauer nach Haus" *g*


ich würde bei so etwas mit Vergleichen und Metaphern arbeiten. Kurz hingeschmiertes Beispiel:

Die Tür ließ sich nur schwer öffnen und ächzte dabei wie ein alter Mann, der diese unendlich hohe Treppe erklimmen wollte und dafür seine gesamte Energie einsetzte. Die Angeln aus xxx schafften es mit letzter Kraft, die Tür an Ort und Stelle zu halten, während sie langsam aufschwang und das alte Holz dabei immer wieder knackte und knisterte wie ein Scheit im Feuer, das langsam berstet.
Titel: Re: Wenn alte Türen sich öffnen
Beitrag von: Churke am 15. Juli 2008, 09:21:40
Bevor das jetzt jemand abschreibt: Es heißt nicht berstet, sondern birst.  :psssst:
Titel: Re: Wenn alte Türen sich öffnen
Beitrag von: Wieoderwas am 15. Juli 2008, 09:43:42
Zunächst einmal würde dem zustimmen: Mit Metaphern zu arbeiten ist um Längen besser als einen gesuchten Begriff hinzuschreiben, der dann doch nicht beschreiben kann, was wirklich geschieht. Doch ich habe dazu noch eine klitzekleine Erweiterung: Wie wäre es, wenn man genau diese Schwierigkeit, den richtigen Begriff zu finden in den Text packt? Natürlich muss das mit dem Stil übereinstimmen, in dem der Rest der Geschichte geschrieben ist. Beispiel (ich muss dabei meine Liebe zur deutschen Sprache für kurze Zeit unterdrücken im Hinblick auf das, was ich ihr jetzt antue):
Und nun erfüllte dieses Geräusch den Raum. Es war kein Knattern, kein Ächzen, kein Schreien, kein Quietschen. Was war es bloß? Jeder kannte diesen Laut, doch niemand vermochte ihn in Worte zu packen. Wie auch immer man es nannte, nichts konnte beschreiben, was man fühlte, wenn man es hörte...
... und so weiter, und so weiter.
Ich will damit kein stilistisches Wunderwerk zeigen, sondern nur eine weitere Möglichkeit, einen Text zu formen.

Bis denn, dann.
Miltan
Titel: Re: Wenn alte Türen sich öffnen
Beitrag von: Beate am 15. Juli 2008, 10:00:37
Zitat von: Churke am 15. Juli 2008, 09:21:40
Bevor das jetzt jemand abschreibt: Es heißt nicht berstet, sondern birst.  :psssst:

Danke ^^. Ich hatte zuerst barst, aber das hat mir von der Zeit her nicht gepasst. Und birst klingt irgendwie... seltsam, ist aber leider richtig ;).
Titel: Re: Wenn alte Türen sich öffnen
Beitrag von: Churke am 15. Juli 2008, 10:13:26
Zitat von: Wieoderwas am 15. Juli 2008, 09:43:42
Und nun erfüllte dieses Geräusch den Raum. Es war kein Knattern, kein Ächzen, kein Schreien, kein Quietschen. Was war es bloß? Jeder kannte diesen Laut, doch niemand vermochte ihn in Worte zu packen. Wie auch immer man es nannte, nichts konnte beschreiben, was man fühlte, wenn man es hörte...
... und so weiter, und so weiter.
Ich will damit kein stilistisches Wunderwerk zeigen, sondern nur eine weitere Möglichkeit, einen Text zu formen.

Zwei Zeilen über das Knarren einer Tür zu verlieren... *hüstel* ... Allerdings ist mir auf deinen Vorstoß eingefallen, dass man auch die Wirkung beschreiben könnte. Also sowas wie "mit einem markerschütternden Kreischen schwang die Tür auf." Oder so ähnlich.

Titel: Re: Wenn alte Türen sich öffnen
Beitrag von: Luisa am 15. Juli 2008, 11:14:08
Hm, also ich fand ächzen, knarren, quietschen u.s.w. schon vollkommen ausreichend. Vielleicht sollte man sich einfach zwei Begriffe aussuchen und etwas in der Art schreiben:

Mit einem XY und XY, öffnete sich die jahrelang verschlossene Tür und gab frei, was hinter ihr verborgen lag...

Zu viele Worte über die Geräusche zu verlieren, die diese Tür macht, langweilt den Leser nur und lenkt von der eigentlichen Sache ab. Das Aussehen der Tür wird in dem Text bestimmt vorher beschrieben (ich gehe mal davon aus, das sie auch alt aussieht, also rostig, dreckig etc.), wie es sich anhört, wenn sie sich öffnet, kann man sich dann ja fast schon denken.

Titel: Re: Wenn alte Türen sich öffnen
Beitrag von: DarkDreamer am 15. Juli 2008, 12:10:25
Zitat von: Kiira am 15. Juli 2008, 11:14:08
Zu viele Worte über die Geräusche zu verlieren, die diese Tür macht, langweilt den Leser nur und lenkt von der eigentlichen Sache ab. Das Aussehen der Tür wird in dem Text bestimmt schon beschrieben (ich gehe mal davon aus, das sie auch alt aussieht, also rostig, dreckig etc.), wie es sich anhört, wenn sie sich öffnet, kann man sich dann ja fast schon denken.

Andererseits kann unter Umständen mit zu wenigen Worten die Wirkung etwas verloren gehen, wenn gerade dies (extrem) wichtig sein sollte. Ich Lese z.Z. Gespenstergeschichten und da können gerade ein paar Worte mehr den Unterschied von gruselig zu Herzflattern ausmachen.
Welchen Zweck es bei Drachenfeder nun unterstützen soll, weiß ich nicht. Kommt eben ganz auf die Situation an.
Titel: Re: Wenn alte Türen sich öffnen
Beitrag von: Drachenfeder am 15. Juli 2008, 13:35:01
Vielen Dank für die zahlreichen Antworten.

Ich fand Duanas "ächzen" am besten. Ich will auch keine Metapher draus machen. Wenn ich jedes Geräusch oder alles was so drum rum passiert mit einer Metapher erklären würde kann könnte ich ja nur noch "rummethapherieren" ;)

Ächzen passt perfekt
Titel: Re: Wenn alte Türen sich öffnen
Beitrag von: Wieoderwas am 15. Juli 2008, 19:29:33
ZitatZwei Zeilen über das Knarren einer Tür zu verlieren... *hüstel* ...
Das ist durchaus möglich. Doch, wie schon gesagt, muss es stilistisch in die Geschichte hineinpassen. Ich möchte nicht wissen, wie oft du "hüstelst", wenn du beispielsweise den Zauberberg von Thomas Mann liest, wenn auch dort eher über zwei Seiten etwas über einen Fleck auf einem Sofa drinsteht als vom Geräusch einer Tür...
Miltan
Titel: Re: Wenn alte Türen sich öffnen
Beitrag von: Hr. Kürbis am 16. Juli 2008, 06:50:17
Bei Thomas Mann hatte das vielleicht noch seine Berechtigung, es waren andere Zeiten und ein ganz anderer Sprachstil. Diesen Stil allerdings heute einem Lektor vorzulegen hat wohl wenig Sinn, wenn man nicht gerade im "verkopften" hochliterarischen Bereich veröffentlichen will, wozu der Fantasy-Bereich nicht gerade gehört ... ::)
Heute neigt man zu etwas "schnellerer" Sprache und einfacherer Formulierungen, was nicht unbedingt mit "banal" gleichzusetzen ist. Ich freue mich zwar auch über sprachlich schöne Stellen, kann es aber überhaupt nicht leiden, wenn jemand mir nur vorführen will, wie "toll" er mit Worten jonglieren kann und dabei der Inhalt hinten an steht. Bei einer Tür, die über zwei Zeilen aufschwingt und nur über die Undefinierbarkeit des dabei entstehenden Geräusches schwadroniert, würde sich bei mir der Verdacht einschleichen, der Autor hätte wohl das richtige Wort selber nicht finden können ... schwupps, schon klappe ich das Buch wieder zu.

Man sollte nicht jedes seiner Worte rechtfertigen müssen, jedem seinen Stil lassen und ihn anderen nicht aufzwingen wollen. Gleiches Recht für ALLE!
Titel: Re: Wenn alte Türen sich öffnen
Beitrag von: FeeamPC am 16. Juli 2008, 23:37:19
Also, ich habe so eine alte, selten bewegte Tür im Keller (mein Haus ist rund 200 Jahre alt, und die Tür hat davon mindestens ein Drittel dieser Zeit gesehen). Wenn ich die Tür mal öffne, geht das nicht ohne Kraftanstrengung, manchmal ist sogar ein kräftiger Fußtritt nötig. Die Angeln sind verrostet, die Tür ist verzogen. Die Bretter rumpeln und schleifen über den Boden, und die Angeln knirschen wie Sandpapier.

Titel: Re: Wenn alte Türen sich öffnen
Beitrag von: Wieoderwas am 17. Juli 2008, 19:15:23
@ Stefan
Ich habe schon gesagt, dass es stilistisch in die Geschichte hineinpassen muss. Natürlich kann/sollte man nicht ohne einen guten Grund auf zwei Seiten Thomas Mann und auf den restlichen Seiten J.K.Rowling oder gar Terry Pratchett zu imitieren versuchen.
Aber ich glaube nicht, dass der Sprachstil an irgendwelche Zeiten gebunden ist. Natürlich gibt es verschiedene Epochen. So benutzt man heutzutage eher einen Film-Stil. Man macht es dem Leser ganz besonders leicht und setzt ihm einen Film in Buchform vor die Nase. Die Änderung der Dialogführung diesbezüglich ist, meine ich, Terry Pratchett zuzuweisen.
Weshalb sollte man denn bei einem Zweizeiler/Zweiseiter unbedingt zeigen wollen, wie "toll" man mit den Worten jonglieren kann. Je mehr Zeilen man vergeudet, desto genauer wird dargestellt, was passiert. Voraussetzung für die Wirkung ist, dass der Leser mitdenkt. Weshalb sollte der Inhalt dabei hinten anstehen? Ist deiner Meinung nach etwa guter Stil und Inhalt nicht vereinbar. Hat deiner Meinung nach der Zauberberg keinen Inhalt? Natürlich ist in solchen Büchern der Inhalt schwerer zu erkennen, aber wenn man mitdenkt, erkennt man, wie viel sich dahinter verbirgt.
Eine Frage zum Schluss: Meinst du, dass Tolkien mit seinem Werk heute gute Chancen hätte, den gleichen Erfolg zu erzielen, wie er es damals getan hatte? Denn dies ist keine "schnelle Sprache"  und keine "einfacheren Formulierungen".

ZitatMan sollte nicht jedes seiner Worte rechtfertigen müssen, jedem seinen Stil lassen und ihn anderen nicht aufzwingen wollen. Gleiches Recht für ALLE!
Ganz deiner Meinung! Aus diesem Grunde verstehe ich nicht, weshalb man bei einem Vorschlag hüstelt. ;)

Miltan
Titel: Re: Wenn alte Türen sich öffnen
Beitrag von: Hr. Kürbis am 17. Juli 2008, 22:29:28
Zitat von: Wieoderwas am 17. Juli 2008, 19:15:23
Aber ich glaube nicht, dass der Sprachstil an irgendwelche Zeiten gebunden ist.
Da bin ich anderer Ansicht ...

Zitat von: Wieoderwas am 17. Juli 2008, 19:15:23
Weshalb sollte man denn bei einem Zweizeiler/Zweiseiter unbedingt zeigen wollen, wie "toll" man mit den Worten jonglieren kann. Je mehr Zeilen man vergeudet, desto genauer wird dargestellt, was passiert.
Ich wüsste nicht, warum man das tun sollte, "vergeudet" ist da das richtige Wort. Es sei denn, man will den Fokus auf eine an sich unwichtige Sache lenken und ihr so eine Bedeutung zukommen lassen, die sie sonst nicht hat ...

Zitat von: Wieoderwas am 17. Juli 2008, 19:15:23
Ist deiner Meinung nach etwa guter Stil und Inhalt nicht vereinbar.
Sicher sind sie vereinbar, dies zu meistern ist wohl das höchste aller Ziele, oder?

Zitat von: Wieoderwas am 17. Juli 2008, 19:15:23
Hat deiner Meinung nach der Zauberberg keinen Inhalt? Natürlich ist in solchen Büchern der Inhalt schwerer zu erkennen, aber wenn man mitdenkt, erkennt man, wie viel sich dahinter verbirgt.
Nicht umsonst existieren zu Thomas Mann Büchern so viele Werke zur Deutung des Inhalts. Manche Sachen sind offensichtlich, andere Dinge sehr sehr versteckt ... und wenn man lange genug sucht, findet man irgendwo vielleicht sogar den Kern. Übrigens gefällt mir Mann ganz gut, auch wenn ich nach einem Satz über 6 Zeilen und mit 12 Kommata erstmal nachschauen muss, wie und womit er begann. :buch:

Zitat von: Wieoderwas am 17. Juli 2008, 19:15:23
Eine Frage zum Schluss: Meinst du, dass Tolkien mit seinem Werk heute gute Chancen hätte, den gleichen Erfolg zu erzielen, wie er es damals getan hatte? Denn dies ist keine "schnelle Sprache"  und keine "einfacheren Formulierungen".
Tolkien würde es heute nur sehr schwer überhaupt auf den Tisch eines Lektors schaffen und wahrscheinlich nie bis in die Bücherregale. Er selbst hat zugegeben, kein besonders guter Schriftsteller zu sein, sondern nur der Historiker seiner selbst erdachten Welt, die wiederum nur dazu diente, seiner philologischen Leidenschaft Gestalt zu geben. Also NEIN, heute würde ich ihm keine Chancen mehr einräumen ... trotzdem ist er (Mit-)Begründer dieses Genres, viele berufen sich auf ihn und so wird sein Werk immer unsterblich bleiben.

Zitat von: Wieoderwas am 17. Juli 2008, 19:15:23
Ganz deiner Meinung! Aus diesem Grunde verstehe ich nicht, weshalb man bei einem Vorschlag hüstelt. ;)
Das wird an den Worten liegen, an denen die betreffende Person sich verschluckt hat. Manchmal kriegt man den Hals eben doch voll! ;) :rofl:

Guten Abend, gute Nacht,

Stefan
Titel: Re: Wenn alte Türen sich öffnen
Beitrag von: Lavendel am 17. Juli 2008, 22:58:33
Zitat von: Wieoderwas am 17. Juli 2008, 19:15:23
Aber ich glaube nicht, dass der Sprachstil an irgendwelche Zeiten gebunden ist. Natürlich gibt es verschiedene Epochen. So benutzt man heutzutage eher einen Film-Stil. Man macht es dem Leser ganz besonders leicht und setzt ihm einen Film in Buchform vor die Nase. Die Änderung der Dialogführung diesbezüglich ist, meine ich, Terry Pratchett zuzuweisen.

Zunächst einmal ist es natürlich, da hast du recht, nicht so einfach einen bestimmten Schreibstil einer Epoche zuzuordnen. Aber trotzdem ändert sich vieles im Laufe der Zeit und der Entwicklung, die Literatur, wie alles andere auf dieser Welt, nimmt (was du ja im nächsten Atemzug gleich auch bestätigst ;) ). Sprache ist ein veränderliches Medium. Der Satzbau wird über die Jahrzehnte hinweg umgestellt, neue Worte etablieren sich, andere verschwinden, wieder andere ändern ihre Bedeutung. Ganz grob gesagt, sind Romane von heute anders als Romane aus dem 19. Jahrhundert. In Anliegen, in Struktur und in Sprache.

Und den Büchern in Filmform muss ich entschieden widersprechen. Das ist unmöglich. Es mag sein, dass hier und da sehr viel Wert auf die Simulation einer visuellen Erfahrung gelegt wird (die immer noch keine visuelle Erfahrung ist), aber ein Film hat viel begrenztere Möglichkeiten, das Innenleben, die Gedanken und Gefühle einer Person darzustellen, weil wir die Figuren immer nur von außen und niemals von innen sehen können.

Ich bin mir nicht ganz klar, was du mit 'Änderung der Dialogführung' meinst, aber ich habe oft Schwierigkeiten, mir gerade Terry Prachetts Romane als gut umgesetzte Filmadaption vorzustellen, weil der Witz so oft in den vertrakten Gedankengängen seiner Charaktere oder in Wortspielen liegt, die sich filmisch wahrscheinlich überhautpt nicht realisieren lassen ...

Zitat von: Wieoderwas am 17. Juli 2008, 19:15:23
Weshalb sollte man denn bei einem Zweizeiler/Zweiseiter unbedingt zeigen wollen, wie "toll" man mit den Worten jonglieren kann. Je mehr Zeilen man vergeudet, desto genauer wird dargestellt, was passiert. Voraussetzung für die Wirkung ist, dass der Leser mitdenkt. Weshalb sollte der Inhalt dabei hinten anstehen? Ist deiner Meinung nach etwa guter Stil und Inhalt nicht vereinbar. Hat deiner Meinung nach der Zauberberg keinen Inhalt? Natürlich ist in solchen Büchern der Inhalt schwerer zu erkennen, aber wenn man mitdenkt, erkennt man, wie viel sich dahinter verbirgt.

Es geht nicht darum, wieviel Inhalt der Zauberberg hat (er hat viele, viele Seiten, auf denen viel steht ;)). Verschiedene Leute haben erstmal unterschiedliche Ansprüche an Bücher. Und dann ist es ja nicht so, dass nur völlig verkopfte Bücher auch gute Bücher sind. Man muss sich vielleicht auch die Frage stellen, was will ich mit dem Buch ausdrücken? Will ich einfach unterhalten? Möchte ich die Leser/innen zum Nachdenken bringen? Möchte ich vielleicht gesellschaftliche anprangern oder eine psychologische Studie einer Person erstellen? usw.
Guter Stil und Inhalt sind sehr wohl vereinbar. Aber guter Stil ist nicht mit einer festgelegten Mindest- oder Höchstanzahl Wörter pro Satz definiert, sondern durch viel mehr.

Zitat von: Wieoderwas am 17. Juli 2008, 19:15:23
Eine Frage zum Schluss: Meinst du, dass Tolkien mit seinem Werk heute gute Chancen hätte, den gleichen Erfolg zu erzielen, wie er es damals getan hatte?

Auch das spielt kaum eine Rolle. Heutzutage würde auch kein Schwein mehr Heinrich Böll verlegen. ::)


Ach ja, jetzt sind wir aber sehr, sehr weit abgeschweift. Da würde sich ja bald ein eigener Thread lohnen ;).

Äh, also sorry für's OT. Aber mal so ganz ohne Kontext würde ich auch ein Ächzen und Knirschen sehr stimmungsvoll finden ;).
Titel: Re: Wenn alte Türen sich öffnen
Beitrag von: Wieoderwas am 21. Juli 2008, 08:00:13
Nach einer kurzen Pause nehme ich nun wieder einmal dieses Thema auf. Ich sage jedoch schon jetzt, dass ich den nächsten Beitrag nur in einem neuen Thread schreibe, den ich nicht unbedingt selbst eröffnen will.
ZitatEs sei denn, man will den Fokus auf eine an sich unwichtige Sache lenken und ihr so eine Bedeutung zukommen lassen, die sie sonst nicht hat ...
Eine Sache ist das, wozu man sie macht. Gemäß dem Rosenthaleffekt ist das Ergebnis eines Experimentes sogar von der eigenen Erwartung abhängig. Übertragen auf den Sprachstil ist eine Sache tatsächlich unwichtig, wenn man von ihr das Bild einer unwichtigen Sache hat. Wenn man aber seine eigene Einstellung diesbezüglich ändert, ändert sich auch die Sache. Wenn man schreibt, sollte dies wohl automatisch geschehen.
ZitatSicher sind sie vereinbar, dies zu meistern ist wohl das höchste aller Ziele, oder?
Genau, aus dem Grunde bin ich auch nicht der Meinung, dass durch einen guten/individuellen Stil der Inhalt verdrängt wird.
ZitatDiesen Stil allerdings heute einem Lektor vorzulegen hat wohl wenig Sinn, wenn man nicht gerade im "verkopften" hochliterarischen Bereich veröffentlichen will, wozu der Fantasy-Bereich nicht gerade gehört ...
Zitat... trotzdem ist er (Mit-)Begründer dieses Genres, viele berufen sich auf ihn und so wird sein Werk immer unsterblich bleiben.
??? Der Fantasy-Bereich gehört nicht dazu. Und Tolkien ist ein Mitbegründer dieses Genres, obwohl er nicht zu dieser einfacheren, schnelleren Sprache neigt? Das ist für mich ein Widerspruch. Ich finde nämlich, das Tolkiens Werk zu diesem Genre passt, wie der Kaffee in die Tasse.
Des Weiteren bedenke einmal, was Tolkien erreicht hat. Dieses Jahrhundert-Werk hätte er wahrscheinlich nicht schaffen können, wenn er sich nur an die derzeitige Mode angepasst hätte. Er hat etwas Neues geschaffen. Weshalb sollen sich also heute alle dem Mainstream beugen und sich einfach treiben lassen? Ich möchte nicht sagen (bevor mir jemand noch diese Worte in den Mund legt), dass alles, was neu ist, ein Jahrhundert-Werk wird. Doch weshalb darf nicht jeder einzelne der Literatur helfen, sich weiterzuentwickeln?
ZitatSprache ist ein veränderliches Medium. Der Satzbau wird über die Jahrzehnte hinweg umgestellt, neue Worte etablieren sich, andere verschwinden, wieder andere ändern ihre Bedeutung.
Ganz dieser Meinung bzw. Tatsache. Weshalb sollte man nicht selbst zu der Veränderung beitragen. Natürlich sollte jeder so schreiben, wie es ihm gefällt. Doch zu verbieten, der Literatur zur Weiterentwicklung -- auch wenn dabei Motive des 19. Jahrhunderts vorkommen -- zu verhelfen, zeigt wohl, wie wenig einem an der wunderbaren Flexibilität der Sprache und Literatur liegt.
ZitatDas wird an den Worten liegen, an denen die betreffende Person sich verschluckt hat. Manchmal kriegt man den Hals eben doch voll!
In solchen Fällen fange ich lieber an zu husten statt zu hüsteln.

Zitat
Und den Büchern in Filmform muss ich entschieden widersprechen. [...]
Zugegeben, diesbezüglich habe ich etwas übertrieben. Selbstverständlich werden Film und Buch niemals auf einer Ebene sein. Darf man denn heutzutage nicht einmal mehr klassische Stilmittel wie die Hyperbel benutzen, um den Ausdruck zu verstärken?
ZitatAber guter Stil ist nicht mit einer festgelegten Mindest- oder Höchstanzahl Wörter pro Satz definiert, sondern durch viel mehr.
Dankeschön. Genau der Meinung bin ich auch. Aus diesem Grunde habe ich auch nie einen solchen Dünnpfiff von mir gegeben, sondern nur dem widersprochen, dass lange Sätze ohne Diskussion nicht in eine Fantasy-Geschichte hineinpassen.

Bis denn, dann.
Miltan
Titel: Re: Wenn alte Türen sich öffnen
Beitrag von: Grey am 21. Juli 2008, 09:01:41
Also ich weiß nicht, ob es dir aufgefallen ist ... aber in deiner Argumentation gibt es einen Widerspruch. Einerseits nämlich pochst du immer darauf, dass man doch gefälligst was neues machen können darf:

Zitat von: Wieoderwas am 21. Juli 2008, 08:00:13
Des Weiteren bedenke einmal, was Tolkien erreicht hat. Dieses Jahrhundert-Werk hätte er wahrscheinlich nicht schaffen können, wenn er sich nur an die derzeitige Mode angepasst hätte. Er hat etwas Neues geschaffen. Weshalb sollen sich also heute alle dem Mainstream beugen und sich einfach treiben lassen? Ich möchte nicht sagen (bevor mir jemand noch diese Worte in den Mund legt), dass alles, was neu ist, ein Jahrhundert-Werk wird. Doch weshalb darf nicht jeder einzelne der Literatur helfen, sich weiterzuentwickeln?

Und um diesen Anspruch zu untermauern, berufst du dich auf das Recht, deinen Stil am Stil von Tolkien oder Mann orientieren zu dürfen. Also ... neu ...? ? ?
(Und heutzutage in der Fantasy ein Jahrhundertwerk zu schaffen halte ich für sehr schwer bis unmöglich, es gibt zu viel davon. Stefan hat es schon indirekt gesagt: Ein neues Genre müsste man gründen, damit man unvergessen bleibt. ;) )

Aber mal ganz abgesehen davon - letztendlich kann dir niemand verbieten, so zu schreiben, wie du es für richtig hältst. Dass dann mal jemand daherkommt und sagt "Das geht aber so nicht, kannste nicht machen", davon musst du ausgehen, ganz egal wie du es machst. Es bringt dir nichts, deinen Stil hier in einer zur Grundsatzdiskussion gewordenen Auseinandersetzung mit Zähnen und Klauen zu verteidigen, weil du dich irgendwo natürlich persönlich angegriffen fühlst. Schreib doch einfach dein Buch und mach ein Jahrhundertwerk draus - dann kann dir egal sein ob andere deinen Stil verurteilen. Aber solche Leute3 wird es immer geben. Immer. (Ich persönlich finde zum Beispiel, dass Tolkien ganz fürchterlich schreibt ... ::) )

P.S. Warum willst du keine neues Thema eröffnen? Mach doch! Dann können wir nochmal ohne persönliche Betroffenheit ganz in Rue über das Thema reden. Hier im Sprachbastelboard hat es ja eigentlich nichts zu suchen ...
Titel: Re: Wenn alte Türen sich öffnen
Beitrag von: Wieoderwas am 21. Juli 2008, 10:36:34
Ich möchte mich gar nicht verteidigen, ebenso will ich niemanden angreifen. Das habe ich auch weder direkt, noch indirekt getan. Ich fühle mich auch nicht persönlich angegriffen, sondern, so dämlich es auch klingen mag, missverstanden. Und genau deshalb erzähle ich dies alles. Doch ich muss zustimmen: Es ist zu einer Grundsatzdiskussion geworden, was mir ganz und gar nicht gefällt.
Zum Inhaltlichen: Ich möchte mich nicht an Mann, Tolkien, Terry Pratchett oder sonst irgendwem orientieren. Ich möchte frei von allem sein und habe diese Autoren nur als Beispiele für die Möglichkeiten genannt.

Und noch zum Ende: Ich wollte niemals so eine Diskussion entstehen lassen, doch manche Dinge lasse ich nicht gerne so stehen, wie sie sind... Da möchte ich lieber das letzte, mindestens ein abschließendes Wort, haben. :)

Bis denn, dann.