Tintenzirkel - das Fantasyautor:innenforum

Handwerkliches => Workshop => Thema gestartet von: Feuertraum am 24. Juni 2008, 21:51:24

Titel: Interessante Art von Dialogführung oder schlichtweg schlechtes Handwerk
Beitrag von: Feuertraum am 24. Juni 2008, 21:51:24
Ich lese gerade von John McLaren "Remote Control", und ich schwanke bei seiner Art der Dialogführung gerade zwischen einem "Irgendwie genial" und "Absolutes Verbot".
Die Dialoge, die er schrieb, sind reine pure Dialoge.
Das heißt, als Leser weiß man nicht, wie die Personen aussehen, man weiß nichts von der Umgebung. Es gibt keinerlei beschreibende Bewegungen, keine Mimik. Noch nicht einmal, ob die Stimme erhoben wird oder leiser. Das allerdings schafft er mit seiner Wortwahl - McLaren setzt also auf das Wissen und die Erfahrung, dass ein jeder die Worte beim Lesen richtig "hören" kann.

Auf der einen Seite finde ich diese Dialogführung schlichtweg klasse: der Autor setzt zum einem auf die Regel, dass weniger mehr ist und dadurch radikal kürzt. Zum anderen wird man schneller lesen, weil es keine "Bremsen" gibt (sorry, momentan fällt mir keine bessere Umschreibung dazu ein). Und der Leser wird gefordert, sich aus dem Dialog den Zusammenhang zu erschließen. Ihm wird also nichts vorgekauft, er muß eigenständig mitdenken.

Auf der anderen Seite fehlt jedoch die Atmosphäre, das Bild im Kopf, dass man sich ausmalen sollte; Farben, Gerüche, Bewegungen, Klänge...

Was meinen Sie: Käme für Sie eine solche Art der Dialogführung in Frage? Oder haben Sie lieber kleine Einschübe mit drin, Beschreibungen, um das ganze aufzulockern?

Neugierige Grüße

Feuertraum
Titel: Re: Interessante Art von Dialogführung oder schlichtweg schlechtes Handwerk
Beitrag von: Ary am 24. Juni 2008, 21:55:51
Hallo,
ich weiß nicht, ich glaube, das wäre nicht so meins, zumindest nicht, wenn das ganze Buch in dieser Art geschrieben ist. Ich mag ausschweifende Beschreibungen, ich möchte, wenn ich einen Dialog lese, wissen, wie die Stimmen klingen, wie die Charaktere aussehen, wenn sie sprechen und was sie fühlen, vor allem letzteres. Ath,osphäre ist für mich elementar wichtig, ohne sie habe ich beim Lesen kein "Kopfkinogefühl", und das ist genau das, was ich von einem für mich guten Buch erwarte - ich will den Film im Kopf. Selbst so wie von Ihnen beschrieben meine Geschichten schreiben würde ich nicht. Ob man das nun als schlechtes Handwerk oder Kunstgriff bezeichnen sollte, kommt auf das Buch an. Das würde ich erst in dem Moment beurteilen, in dem ich es gelesen habe.
Titel: Re: Interessante Art von Dialogführung oder schlichtweg schlechtes Handwerk
Beitrag von: Luisa am 24. Juni 2008, 22:07:42
Genau kann man das, glaube ich, nicht sagen, da ein purer Dialog ehrlich gesagt schwer vorstellbar ist.
Ich persönlich lese am liebsten die gute Mischung: Nicht zu viel  Details am Rande, in denen das Gespräch untergeht, aber trotzdem die ein oder andere Beschreibung der Haltung der Person, des Klangs der Stimme usw.
Vermutlich wäre es ganz interessant einen derart rohen Dialog zu lesen, aber ob ich mir davon ein ganzes Buch antun müsste?
Übrigens: Ein ähnlich merkwürdiges Buch habe ich in Daniel Kehlmanns "Die Vermessung der Welt" gefunden. Hier gibt es überhaupt keine Dialoge in dem Sinne, sondern nur indirekte Rede!     
Titel: Re: Interessante Art von Dialogführung oder schlichtweg schlechtes Handwerk
Beitrag von: Churke am 24. Juni 2008, 22:28:21
Hm, nur Dialog, das erinnert ich jetzt irgendwie an das Symposion von Platon. Oder meinetwegen auch ein unspielbares Theaterstück, weil es die Einheit von Ort und Zeit ignoriert. Kann man das überhaupt noch als Roman bezeichnen?  ???

Für mich klingt's nach ner Masche. Die Idee ist ja nicht neu, sie hat sich nur nicht durchsetzen können.

ZitatEin ähnlich merkwürdiges Buch habe ich in Daniel Kehlmanns "Die Vermessung der Welt" gefunden. Hier gibt es überhaupt keine Dialoge in dem Sinne, sondern nur indirekte Rede! 

Das finde ich jetzt weniger merkwürdig. Ist eben eine Frage des Stils. Durch die indirekte Rede lassen sich lange Dialogpassagen gut abkürzen.... oder der Herr Kehlmann war der Meinung, dass er keine Dialoge schreiben kann, was weiß ich... :innocent:
Titel: Re: Interessante Art von Dialogführung oder schlichtweg schlechtes Handwerk
Beitrag von: Feuertraum am 24. Juni 2008, 23:09:37
Äh...kurzer nachtrag: Das Buch besteht jetzt nicht nur aus Dialog. Aber der Dialog ist so wie beschrieben und geht gleich in media res
Titel: Re: Interessante Art von Dialogführung oder schlichtweg schlechtes Handwerk
Beitrag von: Aidan am 25. Juni 2008, 00:49:26
Ich für mich selber kann es mir kaum vorstellen, höchstens mal eine kurze Passage, wenn wenig Gestik und Mimik vorkommen und vorher die "Optik" der Sprechenden geklärt ist. Als Stilmittel, um zu verdichten, das Tempo zu erhöhen, aber nicht grundsätzlich.

Aber Dialoge sind auch - zugegeben - meine große Schwäche. Ich kann eher mit Worten malen, als meine Typen reden lassen. Bei mir sprechen sie mehr mit dem Körper, Atmung, dem drumherum, als mit ihren Worten. Leider.
Titel: Re: Interessante Art von Dialogführung oder schlichtweg schlechtes Handwerk
Beitrag von: Coppelia am 25. Juni 2008, 07:10:49
Ich denke, gute Dialoge können sich wirklich rein auf den Dialog beschränken, und häufig halte ich das sogar für die bessere Idee. Wichtig ist, dass man weiß, wer gerade spricht. Wenn die Dialogpartner immer abwechselnd sprechen und es am Anfang klar ist, wer anfängt, ist das aber kein Problem. Die Worte können (und müssen meiner Meinung nach sogar) Gestik und Mimik und den Klang der Stimme transportieren, ohne dass der Text Ergänzungen benötigt. Das funktioniert vor allem dann, wenn keine Widersprüche zwischen den Worten und dem Befinden der Sprechenden bestehen.

"Ihr seid ein Verbrecher! Irgendwann wird Euch noch einmal jemand diese käufliche Zunge herausschneiden."
"Nicht eher, als dass jemand Euren Dickkopf an einer Mauer zerschlägt. Nein, wartet - die Mauer würde zuerst zerbrechen."
"Immer noch dieselbe alte Drecksschleuder."

usw. Das geht gut, finde ich

Aber wenn es so ist, müsste man ergänzen:
"Alter Verbrecher, irgendwann wird Euch noch einmal jemand diese käufliche Zunge herausschneiden." A ging auf den grauhaarigen Mann zu und lächelte.
Bs Gesicht hellte sich auf, als er ihn erkannte. "Aber nicht eher, als dass jemand Euren Dickkopf an einer Mauer zerschlägt." Sie reichten einander die Hände. "Nein, wartet - die Mauer würde zuerst zerbrechen."
"Immer noch dieselbe alte Drecksschleuder." A klopfte ihm freundlich auf die Schulter.


Ich hab häufig lange Dialogpassagen ohne Unterbrechungen. Das habe ich auch schon immer so gemacht, aber angeblich soll es eher ungewöhnlich sein, auch wenn ich das nie so gesehen habe.
Gestern habe ich z. B. erst eine erzählende Rückblende, in der es um die Hochzeitsnacht meiner Antagonistin ging,  als Dialog mit ihr und ihrem Mann umgearbeitet, ohne sontige Ergänzungen als den reinen Dialog. Ich finde sie jetzt wirklich wesentlich besser, und der Dialog zeigt durch die Wortwahl meiner Meinung nach sehr gut das Verhältnis zwischen den beiden. Ehrlich gesagt versuche ich immer die Informationen, die über die Worte im Dialog hinaus gegeben werden, möglichst gering zu halten, und alles, was der Leser wissen muss, in den Dialog selbst zu legen.
Und ich glaube, dass Dialoge meine größte Stärke beim Schreiben sind ...
Titel: Re: Interessante Art von Dialogführung oder schlichtweg schlechtes Handwerk
Beitrag von: Koriko am 25. Juni 2008, 07:15:02
Dazu müsste ich jetzt wirklich das Buch lesen, so direkt kann ich das nicht beantworten. Eine gesunde Mischung aus beidem. Man muss nicht nach jedem Satz wörtlicher rede eine Beschreibung hinzusetzen, aber so ganz ohne, wäre es mir dann doch zu wenig. Ich hab das mal gelesen und im Grunde ist es nicht schlecht, aber das war in dem Fall eine Kurzgeschichte, da war es nicht so dramatisch. Besonders da sie nur aus wörtlicher Rede bestand und man sich wirklich anhand der Kommentare das meiste ausdenken und hinzufügen konnte.

Bei einem ganzen Roman und bei jedem Dialog stelle ich mir das auf die Dauer anstrengend vor.
Titel: Re: Interessante Art von Dialogführung oder schlichtweg schlechtes Handwerk
Beitrag von: Judith am 25. Juni 2008, 07:25:43
Diese Art von Dialog ist ja im Grunde typischer Krimistil - ich kenn es von zahlreichen Krimiautoren, dass sie es so bei Verhören machen. Insofern bin ich daran gewöhnt und würde mich nicht sonderlich daran stören. Außer, wenn man gar nicht mehr versteht, wer was sagt - sowas ist dann natürlich unangenehm und sehr anstrengend zu lesen.
Titel: Re: Interessante Art von Dialogführung oder schlichtweg schlechtes Handwerk
Beitrag von: Churke am 25. Juni 2008, 10:51:47
Ich schreibe auch sehr dialoglastig. Wenn man einen Dialog mit Handlung verquickt, reißt man ihn auseinander. Innerhalb einer Dialogpassage schreibe ich nur: knappe, kommentierende Gedanken des Protagonisten
(z.B.: "Was hatte der denn geraucht?") und ein wenig Erzähltext wie "A bohrte in der Nase" oder "B grinste blöde". So etwas hilft dem Leser, die direkte Rede einem Sprecher zuzuordnen.

Durch Subtext kann man auch Handlung mit der direkten Rede implizieren. Der Klassiker: "Haben Sie Feuer? Danke."

Bei den von Judith erwähnten Krimis (ich :happs: Krimis) sind die Rollen durch die Frage-und-Antwort-Spielchen überschaubar zugeordnet.
Titel: Re: Interessante Art von Dialogführung oder schlichtweg schlechtes Handwerk
Beitrag von: Tenryu am 25. Juni 2008, 21:53:23
Längere Dialogpassagen brauchen m.E. keine ergänzenden Beschreibungen. Vor allem, wenn sich nur zwei Personen unterhalten. Bei drei oder mehr Sprechern, wird das dann schnell unübersichtlich.
Titel: Re: Interessante Art von Dialogführung oder schlichtweg schlechtes Handwerk
Beitrag von: Issun am 27. Juni 2008, 15:58:20
Bei längeren Dialogpassagen habe ich auch oft das Problem, dass ich- vor allem, wenn die Charaktere beginnen, durcheinanderzureden- den Überblick verliere, und mich frage, wer denn nun eigentlich das Wort hat.
Aber es gibt auch Vorteile, wenn den Schwerpunkt seiner Geschichte auf reinen Dialog legt. Ich finde, dass die dirkete Rede oft noch belebter wirkt, wenn der Autor nicht jedesmal eine lahme Erklärung wie "sagte er wütend" etc. abgibt- obwohl ich selbst sehr schwach im Dialogschreiben bin und keine Szene verfassen könnte, die nur auf gesprochenen Worten beruht.
Titel: Re: Interessante Art von Dialogführung oder schlichtweg schlechtes Handwerk
Beitrag von: Artemis am 27. Juni 2008, 20:05:21
Zitat von: Issun am 27. Juni 2008, 15:58:20
Bei längeren Dialogpassagen habe ich auch oft das Problem, dass ich- vor allem, wenn die Charaktere beginnen, durcheinanderzureden- den Überblick verliere, und mich frage, wer denn nun eigentlich das Wort hat. 

Solche Szenen sind wie geschaffen für das spezifische Sprachmuster der einzelnen Sprecher. Hat der Autor das in seine Charaktere "eingebaut", kann man schon an der Art und Weise, wie sie sprechen, erkennen, wer denn nun das Wort hat. Der eine Charakter ist ein einsilbiger Zyniker, der nächste plappert hektisch und ohne Punkt und Komma, der Dritte spricht geschwollen und hochtrabend ...
Es gibt viele Möglichkeiten, dem Gespräch Farbe zu verleihen, ohne dass der Leser unter die Nase gerieben bekommt, wer nun am Sprechen ist  :)
Titel: Re: Interessante Art von Dialogführung oder schlichtweg schlechtes Handwerk
Beitrag von: Tenryu am 27. Juni 2008, 20:21:04
Wenn man den Überblick verliert, wer gerade redet, ist das ein sicheres Zeichen, daß der Dialog nicht gut strukturiert ist und zu viel unnötiges geschwätzt wird. Versuche, auf das wesentliche zu reduzieren. Wenn zwei sich streiten, sollte aus den ersten Sätzen klar werden, wer welche Postion einnimmt. Oder wer die Fragen stellt und wer die Antworten gibt, usw.
Titel: Re: Interessante Art von Dialogführung oder schlichtweg schlechtes Handwerk
Beitrag von: Julia am 27. Juni 2008, 20:42:34
Grundsätzlich tue ich mich mit dieser Form der Dialogführung ziemlich schwer, aber da ich das Buch nicht kenne, kann ich mich dazu kaum kompetent äußern.
Allerdings fällt mir in der letzten Zeit zunehmend auf, dass "sperrige" Bücher in Mode kommen - sei es durch einen ungewöhnlichen Erzählstil (siehe oben) oder durch ungewöhnliche Inhalte (siehe das Buch mit dem rosa Umschlag und dem Pflaster auf dem Cover, das zur Zeit die Bestsellerlisten belagert).
Man bekommt irgendwie den Eindruck, dass gut erzählte Geschichten (geschrieben in solidem, schriftstellerischen Erzählstil) schlichtweg "out" sind. Was man zur Zeit auf dem Markt bekommt (zumindest an neuen Autoren) ist häufig entweder langweiliger Mainstream-Strunz (ich liebe Anglizismen  ;D ) oder eben ... nun ja, keine Geschichte, sondern ein Selbstzweck. Oder anders gesagt: Entweder man schwimmt auf der Welle mit und schreibt das fünfhundertste Buch über Orks (sorry, das ist gegen niemanden persönlich gerichtet) oder den neununddreißigsten historischen Roman über xyz (hier bitte beliebige Epoche einsetzen). Oder man kreiert ein Werk, dass eine solche Zumutung für den Leser darstellt, dass es eigentlich nur Kunst sein kann und damit schon wieder gut sein muss.
Sorry, dass ich jetzt ein wenig vom Thema abweiche (falls gewünscht mache ich damit auch gern einen neuen Thread auf), aber dass oben genannte Buch passt damit genau ins Schema. Oder wie seht Ihr das?

Liebe Grüße,

Julia
Titel: Re: Interessante Art von Dialogführung oder schlichtweg schlechtes Handwerk
Beitrag von: Moni am 29. Juni 2008, 00:29:44
Zitat von: Julia am 27. Juni 2008, 20:42:34
Sorry, dass ich jetzt ein wenig vom Thema abweiche (falls gewünscht mache ich damit auch gern einen neuen Thread auf), aber dass oben genannte Buch passt damit genau ins Schema. Oder wie seht Ihr das?
Das von Feuertraum genannte Buch ist Ende der 90er erschienen, kann also nicht auf dieser von dir genannten Welle mitschwimmen...  ;)

Es gibt immer wieder Autoren, die mit Stil und Sprache experimentieren und in einem Buch, in dem es glaube ich um Computer etc. ging (wenn ich mich da recht erinnere), wollte der Autor vielleicht mit einem reduzierten Stil in Bezug auf die Dialoge eine nüchterne Atmosphäre schaffen, in der nichts von den eigentlichen Dialogen ablenkt.
Titel: Re: Interessante Art von Dialogführung oder schlichtweg schlechtes Handwerk
Beitrag von: Feuertraum am 29. Juni 2008, 10:52:17
Moni hat in beiden Fällen recht: das Buch erschien 1997, und es handelt von einem Computer und etc...;)
Titel: Re: Interessante Art von Dialogführung oder schlichtweg schlechtes Handwerk
Beitrag von: Lavendel am 01. Juli 2008, 07:16:37
Zitat von: Julia am 27. Juni 2008, 20:42:34
Man bekommt irgendwie den Eindruck, dass gut erzählte Geschichten (geschrieben in solidem, schriftstellerischen Erzählstil) schlichtweg "out" sind. Was man zur Zeit auf dem Markt bekommt (zumindest an neuen Autoren) ist häufig entweder langweiliger Mainstream-Strunz (ich liebe Anglizismen  ;D ) oder eben ... nun ja, keine Geschichte, sondern ein Selbstzweck.

Aber ich weiß zufällig, dass im Tintenzirkel ein paar Schätze lagern, die den Trend, so es einer ist, nicht unbedingt bedienen ;). Man darf dann also doch noch auf eine gloreiche Zukunft hoffen. ;D
Titel: Re: Interessante Art von Dialogführung oder schlichtweg schlechtes Handwerk
Beitrag von: caity am 01. Juli 2008, 11:59:46
Hallo Feuertraum,

ich liebe Umschreibungen *gg*
Beim Lesen muss ich allerdings sagen, dass ich sie häufig überspringe oder nur überfliege. Bei einem Dialog ist das gesagte schon wichtig. Allerdings mag ich es nicht, wenn man sich den Zusammenhang komplett selbst denken muss. Ein gesundes Mittelmaß ist, denke ich, dabei wichtig. Zu viele Umschreibungen können wirklich bremsen, ein paar gezielt eingesetzte sind aber zum einen notwendig, um dem Geschehen überhaupt zu folgen (diese sind auf keinen Fall wegzulassen!!!) und zum anderen, um wie Sie bereits sagten, Atmosphäre zu schaffen.
Atmosphäre zu schaffen ist imho eines der schwierigsten Handwerke des Schreibens, denn letztendlich ist sie dafür verantwortlich, ob der Leser sich in den Roman fallen lassen kann, oder - wie Sie es ja beschrieben haben - darüber nachgrübelt und dann eben *nicht* Mitten im Geschehen ist.

Trotzdem sollten Dialoge an sich so konzipiert sein, dass sie mit so wenig Umschreibungen wie möglich auskommen. Ein ständiges >"...", sagte sie. "...", sagte er< ist mindestens genauso nervtötend wie nicht zu wissen, was momentan passiert.

Bye
caity
Titel: Re: Interessante Art von Dialogführung oder schlichtweg schlechtes Handwerk
Beitrag von: Hr. Kürbis am 02. Juli 2008, 07:40:24
Keine Ahnung, wo ich es gelesen oder gehört habe, aber es hat mal jemand gesagt, ein guter Dialog bräuchte keine erklärenden Worte. Allein der Inhalt sollte aussagen, wer wie etwas zu wem sagt.
Dem kann ich mich nur anschließen, obwohl ich selber oft nicht danach handle und im Anhang eine Wertung des Gesagten abgebe. Aber richtig gute Autoren können meiner Meinung darauf verzichten, aber der Grat zwischen Scheitern und Gelingen wird doch sehr schmal.
 
Titel: Re: Interessante Art von Dialogführung oder schlichtweg schlechtes Handwerk
Beitrag von: caity am 02. Juli 2008, 09:11:33
@ Stefan: Ich glaube, das Problem bei den meisten Dialogen ist nicht, dass sie ohne Wertung nicht auskommen würden, sondern, dass sehr schnell der Überblick verloren gehen kann ...
Titel: Re: Interessante Art von Dialogführung oder schlichtweg schlechtes Handwerk
Beitrag von: Hr. Kürbis am 02. Juli 2008, 21:10:31
@caity
Ja, da stimme ich dir zu, deswegen sollte man, zumindest wenn man mehr als zwei Gesprächsteilnehmer hat, ab und an etwas Orientierungshilfe geben.
Titel: Re: Interessante Art von Dialogführung oder schlichtweg schlechtes Handwerk
Beitrag von: Julia am 04. Juli 2008, 23:35:32
Zitat von: Moni am 29. Juni 2008, 00:29:44
Das von Feuertraum genannte Buch ist Ende der 90er erschienen, kann also nicht auf dieser von dir genannten Welle mitschwimmen...  ;)

Vielleicht hat es zur Begründung dieses Trends mit beigetragen ...?

Nein, mal Spaß beiseite, ich hatte irgendwie schon geahnt, dass so etwas ähnliches bei meinem Beitrag herauskommen würde ( ;) das wäre natürlich nicht passiert, wenn ich mich vorher zu dem genannten Buch informieren hätte - aber dazu war ich in dem Moment zu faul).

Trotzdem möchte ich noch mal auf meine Frage zurückkommen (auch wenn dieses Buch also definitiv nicht darunter fällt  :psssst: ); Natürlich gab und gibt es die Autoren, die mit Sprache und Stil experimentieren (so wie Moni es schon angesprochen hatte). Im Moment sehe ich allerdings eine drastische Zunahme dieser "Experimente", und zwar sehr häufig von Autoren, die ihre Romane eben (ich fange an, mich zu wiederholen, sorry) als Selbstzweck feiern. Die Romane sind schräg, sie sind merkwürdig oder was auch immer - also müssen sie gut sein. Mich als Leser lassen sie aber ratlos zurück, meist kann ich nicht einmal sagen, ob ich das Buch gut fand oder nicht.
Das zweite Problem bei der Sache ist zudem: jemand, der mit dem Experimentieren beginnen möchte, sollte vorher bewiesen haben, dass er auch die Grundzüge seines Handwerks beherrscht. Sonst fühle ich mich als Leser (vor allem, wenn ich es vorher nicht erwartet habe) - Entschuldigung: vera...lbert. Und richtig sauer werde ich dann noch, wenn irgendwelche Kritiker behaupten, der tiefere Sinn liegt in blub, und die Redundanz der sozialkritischen Reflexion in blah, und überhaupt: wenn man dieses Buch nicht gut findet, dann hat man es nicht verstanden (solch ähnliche Kritiken konnte man tatsächlich beispielsweise für "Feuchtgebiete" in renommierten Journalen lesen).
Bin ich jetzt tatsächlich blöde - oder sogar grenzdebil - weil ich nicht die tiefere Ästhetik in diesem (speziellen) Werk erfassen kann, sondern das ganze Machwerk für Schrott auf Dr. Sommer-Niveau für Fortgeschrittene halte?
Vielleicht bin ich tatsächlich zu schlicht im Geiste, aber ich finde leider immer weniger Bücher, die mir gefallen. Entweder ich finde sie langweilig, weil der Stoff schon dreißig Mal in anderen Büchern (siehe diverse Historienschinken oder der siebte "Eragon"-Aufguß) verarbeitet wurde, oder - nun ja, ich bin mal höflich und sage: sie überfordern meinen kleinen intellektuellen Horizont.
Dazwischen gibt es irgendwie immer weniger. Oder geht es wirklich nur mir so?

Fragende Grüße,

Julia

P.S.: @ Lavendel: Doch, es läßt mich sehr hoffen - nur müssten die Verlage solche Geschichten auch veröffentlichen ...




Titel: Re: Interessante Art von Dialogführung oder schlichtweg schlechtes Handwerk
Beitrag von: Tenryu am 05. Juli 2008, 21:13:46
@ Julia: Da es immer mehr Leute gibt, die schreiben und die alten Bücher nicht verschwinden, ist es praktisch unmöglich, etwas neues, oder gar innovatives zu erfinden. Bei hunderttausend Neuerscheinungen jedes Jahr, wird es immer schwieriger, sich von der Masse abzuheben. Das ist das Problem unserer Zeit. Vielleicht gibt es einmal einen großen Weltkrieg, der alle Bibliotheken und Museen vernichtet, dann könnte die Kunst wieder ganz von vorne anfangen. Und ein Buch über einen kleinen Zauberlehrling und ein Bild mit drei Farbklecksen auf einer weißen Leinwand begeistern die Menschen im Jahr 3000 wieder ganz neu... Aber bis danin werden wir uns eben durch einen Wust von Schund durchwühlen müssen, um die eine oder andere Perle zu finden.
Titel: Re: Interessante Art von Dialogführung oder schlichtweg schlechtes Handwerk
Beitrag von: Churke am 05. Juli 2008, 22:03:36
ZitatUnd ein Buch über einen kleinen Zauberlehrling und ein Bild mit drei Farbklecksen auf einer weißen Leinwand begeistern die Menschen im Jahr 3000 wieder ganz neu...
Da muss ich ganz entschieden widersprechen.
Die Figuren in einer Geschichte spiegeln die gesellschaftliche Realität des Verfassers. Beispielsweise hat man einen Artus im Mittelalter anders interpretiert als im 19. Jh. oder gar heute. Und auch ein Harry Potter wird sich in 100 Jahren sicherlich anders verhalten.

   


Titel: Re: Interessante Art von Dialogführung oder schlichtweg schlechtes Handwerk
Beitrag von: Tenryu am 06. Juli 2008, 04:09:37
Da hast du schon recht. Worauf ich eigentlich hinaus wollte, ist, daß jedes neue Buch nicht nur mit den aktuellen, sondern auch mit allen jemals veröffentlichten um die Gunst des Lesers konkurrieren muß. Würde man alle Bücher vernichten, wäre jedes neue Buch wieder neuartig und könnte nicht mit früheren verglichen werden.
Titel: Re: Interessante Art von Dialogführung oder schlichtweg schlechtes Handwerk
Beitrag von: Aidan am 06. Juli 2008, 09:21:22
Du löscht aber nicht gleichzeitig die Erinnerungen aus. Und außerdem - eine schreckliche Vorstellung, oder?

Und worauf sollen dann Parodien abzielen? Und nur, weil ein Buch "neu" ist, hat es vielleicht dennoch nicht Qualität. Und trotz allem sind die Ideen schon mal gedacht worden, man kann nur nicht mehr nachvollziehen, von wem. Und man kann sehr viel von den richtig großartigen Autoren lernen, die alte Ideen doch wieder so aufgegriffen haben, dass sie neu rüberkamen.

Ich denke, jedes Buch ist ein Spiegel seiner Zeit. Und so wird es wohl unsere Zeit wiederspiegen, dass auf der Suche nach Originalität interessante Wege eingeschlagen werden, die teilweise auch nur schlechtes Handwerk übertünchen sollen, oder den Mangel an eigener Fantasie einiger Leute. Traurig ist es schon teilweise, was man im Buchladen sieht, aber vermutlich muss sich - mal wieder - ein neuer Stil entwickeln. Das geht wohl mit einigem Ausschuss einher.

Ich denke, man braucht auch die "Vorreiter", um von ihnen zu lernen.Bei einigen wie man es macht, und bei anderen wie man es nicht machen sollte. Hoffen wir, dass die Zeiten, wo ungewöhnlich = Qualität suggerieren soll, wo die Darstellung wichtiger ist als der Inhalt, bald vorbei gehen.

Und bei allem Schrott, der auf den Markt kommt, irgendwo sind auch noch ein paar Perlen dabei, oder? (Auch wenn man sie wohl suchen muss.)
Titel: Re: Interessante Art von Dialogführung oder schlichtweg schlechtes Handwerk
Beitrag von: Julia am 06. Juli 2008, 12:37:03
Zitat von: Tenryu am 05. Juli 2008, 21:13:46
@ Julia: Da es immer mehr Leute gibt, die schreiben und die alten Bücher nicht verschwinden, ist es praktisch unmöglich, etwas neues, oder gar innovatives zu erfinden. Bei hunderttausend Neuerscheinungen jedes Jahr, wird es immer schwieriger, sich von der Masse abzuheben.

Nein, so meinte ich es eigentlich nicht. Mir ist schon klar, dass sich nicht jedes Buch mit einem neuen "innovativen" Inhalt beschäftigen kann - gerade bei den historischen Büchern ist das unmöglich, wenn man sich halbwegs an die bekannten Geschichtsdaten halten will. Und trotzdem ist es machbar, ein eigenes Buch zu schreiben, das nicht nur auf einer Welle mitschwimmt. Dazu kann beispielsweise die Geschichte aus einer völlig neuen Perspektive erzählt, oder neue Aspekte mit in die Geschichte gebracht werden (auch in der Geschichtsschreibung gibt es Quellen, die noch nicht von hundert Autoren verwurstelt wurden - und seien es auch "nur" die persönlichen Aufzeichnungen der damaligen Pastorenfrau aus dem Nachbardorf zu Zeiten der napoleonischen Kriege ...)
Okay, so etwas fällt nicht jedem in die Hände, aber trotzdem gibt es auch in unseren Zeiten noch etwas mehr zu schreiben als nur das übliche "Junges Mädchen wächst behütet/unter ungewöhnlichen Bedingungen zu starker Frau heran, erlebt historische Ereignisse und politische Intrigen (die dann wieder so ausführlich geschildert werden, dass man auch eine Doktorarbeit zu dem Thema lesen könnte), verliebt sich in attraktiven, intelligenten Mann (ebenfalls in politische Intrigen verwickelt), und nach weiteren (politischen und persönlichen) Verwicklungen kommt es zu einem Happy End." Oder auch nicht, aber das macht die Sache nach fünf- bis sechshundert Seiten dann aber auch nicht mehr besser.
Und obwohl der Autor alle Register seines Könnens gezogen hat, bleiben die Figuren in dem Buch seltsam farb- und gesichtslos - es gibt Bücher, da kann ich mich in der Mitte des Romans nicht einmal genau daran erinnern, wie jetzt die die wichtigsten vier oder fünf Figuren heißen.
DAS meine ich damit.

Trotzdem gibt es noch Autoren, die neue und frische Ideen haben, z.B. Diana Gabaldon (zumindest die ersten Romane der Highland-Saga), oder Judith Merkle-Riley mit "Die Stimme" (okay, ist schon etwas älter, aber ein gutes Beispiel). Oder, um deutsche Autoren zu nennen: Barabara von Bellingen mit "Tochter des Feuers" oder den "Engelke Geerts"-Büchern. Auch wenn der Stil nicht jedermanns Sache sein mag - die Figuren sind absolut liebenswert, weil sie - ja, einfach lebendig sind.
Oder, um ein Beispiel aus dem Tintenzirkel zu nennen (und das ist vollkommen ernst gemeint und kein Anbiedern):
"Der Kuss des Dämons" von Lynn Raven. Es stimmt, es ähnelt in vielen Teilen den "Biss"-Büchern von Stefanie Meyer (bei denen ich den Hype ehrlich gesagt nicht nachvollziehen könnte, aber okay, ich bin keine siebzehn mehr), aber im Gegensatz zum "Bis(s) zum Morgengrauen" leben ihre Figuren deutlich mehr.

Das alles macht in meinen Augen einen guten Geschichtenschreiber aus. Natürlich kann jetzt nicht jeder schreiben wie die Gabaldon (ich würde gern, bin dazu aber nicht in der Lage - außerdem wäre ich dann auch wieder langweilig), aber jeder sollte sich bemühen, auf seine Art zu einem guten Erzähler zu werden, der eben nicht nur den dreißigsten Abklatsch von irgend etwas zu Papier bringt.
Oder um ein ganz anderes Beispiel zu nennen: Es gibt viele Gärten. Manche sind langweilig, manche auch schön. Aber manche Gärten sind einzigartig (formal, klassisch, nach englischem Vorbild, verwildert, oder was auch immer). Und dass, obwohl sie doch alle die gleichen Blumen und Pflanzen verwenden, wie alle anderen Gärten auch ...

Liebe Grüße,

Julia

Titel: Re: Interessante Art von Dialogführung oder schlichtweg schlechtes Handwerk
Beitrag von: Tenryu am 06. Juli 2008, 19:34:42
Gute (und schlechte) Bücher wird es auch in Zukunft immer wieder geben. Aber die Frage der Neuartigkeit ist doch immer eine subjektive. Da kein Mensch alle Bücher lesen kann, hängt es immer davon ab, wie viele und welche er schon kennt.
Daher kann auch die abgedroschenste Geschichte für den einen Leser etwas neues und unbekanntes sein, während sie anderen als abgeschmackt vorkommt. Für jemanden, der aber alle existierenden Bücher gelesen hätte, wäre es aber meiner Ansicht nach doch extrem schwer, noch etwas wirklich innovatives zu finden.
Titel: Re: Interessante Art von Dialogführung oder schlichtweg schlechtes Handwerk
Beitrag von: Feuertraum am 06. Juli 2008, 22:07:11
Irgendwie interessant, wie das ursprüngliche Thema sich gewandelt hat... ;)

Ich will aber etwas ketzerisch sein: auch wenn es eigentlich immer wieder sehr gerne behauptet wird, aber der Markt richtet sich nur indirekt nach der Käufer Wünsche. Vielmehr versucht er mittels (aggresiver, da häufig zu sehender/hörender) Werbung den Käufer dazu zu "überreden", was er gerade toll zu finden hat (ich weiß, Ausnahmen bestätigen die Regel, aber im Allgemeinen...)

Ich wage einmal zu behaupten, dass unsere Gesellschaft eigentlich gar keine Innovationen will. Siehe Hollywood; das Prinzip funktioniert: das übliche System lockt Hunderttausende in die Kinos. Filme, die aus der Reihe tanzen (die irgendwann mal auf ARTE oder 3sat laufen), werden nicht wirklich Kassenerfolge.

Und was das "auf einer welle reiten angeht: Verlage wollen verdienen, müssen verdienen, wollen sie ihre Kosten decken und auch ncoh Gewinn erwirtschaften. Also versuchen sie, mit auf den Geldtransporter zu springen. Auch wenn sie wohl davon ausgehen, dass die Rosinen schon weg sind und sie vielleicht nur noch ein paar Krümel abbekommen: es kann vielleicht ausreichen, um ein bichen Gewinn zu erwirtschaften.

LG

Feuertraum
Titel: Re: Interessante Art von Dialogführung oder schlichtweg schlechtes Handwerk
Beitrag von: Julia am 07. Juli 2008, 01:05:48
@ Feuertraum: Das wüde ich uneingeschränkt unterschreiben ...

Nur: was machen? Den Fernseher habe ich inzwischen schon abgemeldet.
Aber auf meine geliebten Bücher verzichten? Nein.
Doch so richtig habe ich auch keine Idee, wie ich als Leser meine Stimme in den Markt bringen kann. Ob es sich lohnt, es einfach auszusitzen und auf bessere Zeiten zu hoffen?

Viele Grüße,

Julia

P.S.: Für den "Themenwechsel" entschuldige ich mich und hoffe, dass es großzügig als "Themenerweiterung" anerkannt wird  ;)