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Handwerkliches => Workshop => Thema gestartet von: Sturmbluth am 10. Mai 2016, 18:22:09

Titel: Eine Figur schaffen, um sie sterben zu lassen
Beitrag von: Sturmbluth am 10. Mai 2016, 18:22:09
Hallo zusammen,

ich möchte in meinem Roman eine Figur sterben lassen, an der dem Leser etwas liegt. Ich will das machen, da mich das als Leser selbst packt, mich emotional anspricht. Ich denke da z.B. an Boromir im Herrn der Ringe.  :nöö:

Damit der Leser emotional angesprochen wird, muss er die Figur ersteinmal mögen. Was mich zum Knackpunkt bringt: ich scheue mich davor, eine Figur auszuarbeiten, ihr Leben einzuhauchen, ja, sie selbst zu mögen, nur um sie dann sterben zu lassen, sie gar nicht das Ende des Abenteuers erleben zu lassen.

Kennt ihr diese oder ähnliche Situationen?  ???
Titel: Re: Eine Figur schaffen, um sie sterben zu lassen
Beitrag von: Shedzyala am 10. Mai 2016, 18:32:29
Da sprichst du mir aus der Seele, ich fühle mich dabei auch immer unglaublich schlecht. In meiner Geschichte sterben mehrere Nebenfiguren, einige sind tiefer ausgearbeitet, die anderen lediglich ein Name. Und ich muss mich echt zwingen, dass auch einige der ausgearbeiteten unter den Toten sind, aber dann denke ich an ihre Geschichten und Ziele, all die vielen Gedanken zu ihrem Leben und ... na toll, jetzt fühle ich mich schlecht.
Kurzum, wie man das überwindet weiß ich nicht, aber ich fühle mit dir :knuddel:
Titel: Re: Eine Figur schaffen, um sie sterben zu lassen
Beitrag von: Aljana am 10. Mai 2016, 18:34:10
Ich habe im Stern von Erui einen Helden erschaffen, den Geliebten, den König, späteren Ehemann der Protagonistin und ihn umgebracht. Die Dramaturgie hat es verlangt. Ich habe selbst geheult dabei. Es war notwendig.
Wenn du es nicht mit jedem deiner Charaktere machst sondern es überraschend kommt, dann arbeite ihn ruhig genau aus. Das wird gut.  :jau:
Titel: Re: Eine Figur schaffen, um sie sterben zu lassen
Beitrag von: Araluen am 10. Mai 2016, 18:35:58
Mit Maubel zusammen habe ich schon des öfteren Charaktere beseitigt, ob in unserer Serie oder im Rollenspiel. Es ist immer hart. Man gewinnt den Charakter ja lieb und kennt ihre Geschichte, die dann plötzlich beendet ist. Allerdings hatten wir nie einen Charakter gebaut, damit er stirbt - zumindest nicht als Team. Und ich als einzelner Autor nehme auch davon Abstand. Nicht, weil ich ein Problem damit habe, einen Charakter sterben zu lassen. Ich mag es nur nicht, wenn ein Charakter Mittel zum Zweck ist. Ich kreiere Charaktere, hauche ihnen Leben ein und erlebe mit ihnen die Geschichte, die ich schreibe (und auch wenn es anders klingt, ich plotte, wenn auch nicht zu 100%, und schreibe nicht aus dem Bauch heraus). Tja, und manchmal passiert es eben, dass dabei ein Charakter auf der Strecke bleibt. Es gibt dann immer einen bestimmten Zeitpunkt im Plot, wo es plötzlich Sinn macht und die einzige gefühlte Möglichkeit für den Charakter ist.
Was ich damit sagen will: Konstruiere nicht den Tod eines Charakters. Dann läufst du Gefahr, dass es genauso beim Leser ankommt - konstruiert. Erlebe den Tod deines Charakters. Wenn der Tod sich nicht automatisch ergibt und damit den Plot auf irgendeiner Ebene voran bringt, dann brauchst du ihn auch nicht.
Titel: Re: Eine Figur schaffen, um sie sterben zu lassen
Beitrag von: Christopher am 10. Mai 2016, 18:42:50
Ehrlich gesagt ging es ganz gut mit meinem bisher einzigen, vorausgeplanten Tod. Es hat mich nicht allzu schwer getroffen, da der Tod des Charakters von vornherein eingeplant war, aber das ist ja kein Grund, ihn nicht zu mögen. Im Gegenteil: Der Charakter sollte besonders gemocht werden, sonst ist sein Tod so ein Boromir-Tod ;)

Sei dir einfach von vornherein klar, dass der Charakter sterben wird, lass ihn aber auch genau so leben: Aus den vollen. Dann tut es auch weh und dann wird es auch wichtig.
Titel: Re: Eine Figur schaffen, um sie sterben zu lassen
Beitrag von: Arcor am 10. Mai 2016, 18:52:26
Ich bin da bei Christopher. Ich finde auch, dass es bedeutend einfacher, eine Figur sterben zu lassen, wenn sie genau dafür in der Geschichte ist und ihr Tod ein wichtiges Rädchen im Konstrukt der Handlung ist. Ich kann sie ausschmücken, sie sympathisch machen, aber ich habe dabei immer den Hintergedanken, dass sie sterben wird. Das macht die Sache einfach.

Problematisch ist es, wenn es sich aus der Handlung plötzlich ergibt, dass eine Figur sterben soll/muss und man fassungslos vor den Trümmern steht und denkt: Der sollte aber eigentlich heiraten und zehn Kinder kriegen.  :gähn:
Titel: Re: Eine Figur schaffen, um sie sterben zu lassen
Beitrag von: Sturmbluth am 10. Mai 2016, 18:52:37
Zitat von: Christopher am 10. Mai 2016, 18:42:50Der Charakter sollte besonders gemocht werden, sonst ist sein Tod so ein Boromir-Tod ;)
Hm, meinst du damit, dass Boromir ein unsympathischer Charakter war? Ich habe den geliebt und war voll fertig, als er gestorben ist...  :brüll:
Titel: Re: Eine Figur schaffen, um sie sterben zu lassen
Beitrag von: Sturmbluth am 10. Mai 2016, 18:54:02
Zitat von: Arcor am 10. Mai 2016, 18:52:26[...] eine Figur sterben zu lassen, wenn sie genau dafür in der Geschichte ist und ihr Tod ein wichtiges Rädchen im Konstrukt der Handlung ist.
Ich denke, du sprichst da einen wichtigen Punkt an: der Tod muss einen Sinn ergeben, oder die Handlung wenden. Der Tod muss bemerkt werden.
Titel: Re: Eine Figur schaffen, um sie sterben zu lassen
Beitrag von: Aljana am 10. Mai 2016, 18:54:55
Zitat von: Araluen am 10. Mai 2016, 18:35:58
Nicht, weil ich ein Problem damit habe, einen Charakter sterben zu lassen. Ich mag es nur nicht, wenn ein Charakter Mittel zum Zweck ist. Ich kreiere Charaktere, hauche ihnen Leben ein und erlebe mit ihnen die Geschichte, die ich schreibe (und auch wenn es anders klingt, ich plotte, wenn auch nicht zu 100%, und schreibe nicht aus dem Bauch heraus). Tja, und manchmal passiert es eben, dass dabei ein Charakter auf der Strecke bleibt.
:jau:

Ja, sowas kommt bei mir auch selten geplant. Aber wenn es passiert und wenn es sich in dem Moment des Schreibens richtig anfühlt, weil es einfach keinen Ausweg gibt, dann muss man dadurch. ;)

ZitatHm, meinst du damit, dass Boromir ein unsympathischer Charakter war? Ich habe den geliebt und war voll fertig, als er gestorben ist...  :brüll:
Ja, ich hab auch geheult. Aber nicht so sehr wie bei Frodos Tod.
Titel: Re: Eine Figur schaffen, um sie sterben zu lassen
Beitrag von: Lothen am 10. Mai 2016, 18:55:43
Waaaas, es gibt Leute, die lassen einfach so Charaktere sterben?  :o

Nein, okay, Scherz beiseite, ich mach das auch - ähm - manchmal. Ganz selten. *hüstel*

Ich kann deine Bedenken sehr gut verstehen, Sturmbluth, bei meinem aktuellen Werk hadere ich auch immer noch mit mir, ob ich eine Protagonistin sterben lasse oder nicht. Ich muss aber sagen, ich zelebriere auch die Trauer um den Tod - selbst bei mir, wenn ich schreibe. Ich genieße diesen Schauer, der einem über den Rücken läuft, wenn man von der Figur erzählt im Wissen, dass sie das Ende der Geschichte nicht mehr erlebt. Das klingt vielleicht makaber, aber diese Form der Emotion gehört für mich genauso zum Schreiben wie Freude oder Flow.

Zitat von: AraluenWas ich damit sagen will: Konstruiere nicht den Tod eines Charakters. Dann läufst du Gefahr, dass es genauso beim Leser ankommt - konstruiert. Erlebe den Tod deines Charakters. Wenn der Tod sich nicht automatisch ergibt und damit den Plot auf irgendeiner Ebene voran bringt, dann brauchst du ihn auch nicht.
Da gebe ich Araluen recht. Wer weiß, vielleicht macht deine Geschichte eine ungewohnte Wendung und plötzlich ergibt sich der Tod der Figur gar nicht? Ich würde einfach mal drauflos schreiben, den Charakter so entwickeln, wie jeden anderen auch, und dann wirst du schon sehen, wohin es dich führt.

Zitat von: ArcorProblematisch ist es, wenn es sich aus der Handlung plötzlich ergibt, dass eine Figur sterben soll/muss und man fassungslos vor den Trümmern steht und denkt: Der sollte aber eigentlich heiraten und zehn Kinder kriegen.  :gähn:
Ohja, das stimmt, so was erwischt mich auch immer eiskalt.  :seufz:
Titel: Re: Eine Figur schaffen, um sie sterben zu lassen
Beitrag von: Sturmbluth am 10. Mai 2016, 19:00:03
Zitat von: Lothen am 10. Mai 2016, 18:55:43Wer weiß, vielleicht macht deine Geschichte eine ungewohnte Wendung und plötzlich ergibt sich der Tod der Figur gar nicht? Ich würde einfach mal drauflos schreiben, den Charakter so entwickeln, wie jeden anderen auch, und dann wirst du schon sehen, wohin es dich führt.
Hm, ich habe ja echt noch nicht viel geschrieben, aber ich bin vom Typ her eher der, der die Geschichte vom Groben ins Feine durchplottet. D.h. wer wo wann was macht, steht vorher schon fest. Die Details, Dialoge, Umgebungen, etc. lasse ich dann während des Schreibprozesses herausfließen.
Titel: Re: Eine Figur schaffen, um sie sterben zu lassen
Beitrag von: Christopher am 10. Mai 2016, 19:28:30
Zitat von: Lothen am 10. Mai 2016, 18:55:43
Ich genieße diesen Schauer, der einem über den Rücken läuft, wenn man von der Figur erzählt im Wissen, dass sie das Ende der Geschichte nicht mehr erlebt. Das klingt vielleicht makaber, aber diese Form der Emotion gehört für mich genauso zum Schreiben wie Freude oder Flow.

Ein bisschen sadistisch war ich auch dabei. So nach dem Motto: "Sollte ich sie wirklich noch sympathischer machen, obwohl sie sterben wird? ... JA!  :darth: "

@Sturmbluth
Boromir war mir irgendwie völlig egal. Hat mich kein Stück getroffen, vermutlich hab ich damals (ich war ziemlich jung) seine Anwandlungen bezüglich das Rings als recht negativ aufgefasst und die Tiefe und Tragik die da mitspielt nicht wirklich erfassen können.
Titel: Re: Eine Figur schaffen, um sie sterben zu lassen
Beitrag von: Sternsaphir am 10. Mai 2016, 19:29:22
Also Charaktertode sollten auf alle Fälle sinnvoll sein und nicht künstlich an den Haaren herbeigezogen werden. Also keine Quoten-Toter, nur weil sonst niemand stirbt.
Wenn es sich also richtig anfühlt, diese Person in der Geschichte sterben zu lassen, dann lass sie vorher ordentlich leben und agieren, damit der Tod einen Abschluss darstellt.

Ich tue mir auch schwer mit Charaktertoden. Meistens sind es eher zweitrangige Personen, die dann sterben. Der Leser lernt sie kennen, zwar nicht so richtig, aber gut genug, um sie als Teil der Geschichte wahrzunehmen.
Vielleicht mag ich Charaktertode nicht sonderlich, weil in Büchern und Filmen meist meine Lieblingscharaktere am Ende sterben.  Vielleicht schaffe ich dadurch einen Ausgleich, dass bei mir nicht soviele Protas dran glauben müssen.  :)
Titel: Re: Eine Figur schaffen, um sie sterben zu lassen
Beitrag von: Churke am 10. Mai 2016, 19:34:06
Ich glaube, zu den Schwierigkeiten kommt es dann, wenn man den Plot stark character-driven ausrichtet. Die Odyssee z.B. handelt von den Listen des Odysseus. Die dramatische Logik verbietet einfach, dass der Held stirbt.

Zitat von: Sturmbluth am 10. Mai 2016, 18:22:09
Damit der Leser emotional angesprochen wird, muss er die Figur ersteinmal mögen. Was mich zum Knackpunkt bringt: ich scheue mich davor, eine Figur auszuarbeiten, ihr Leben einzuhauchen, ja, sie selbst zu mögen, nur um sie dann sterben zu lassen, sie gar nicht das Ende des Abenteuers erleben zu lassen.

Lass die Figur ihre Rolle auf der Bühne spielen. Der tragische Tod gehört bei der plot-driven Schreibe zur Rolle. Und immer daran denken: Der Tod ist das ultimative Scheitern. Je stärker du den Leser an den Wünschen, Träumen und Hoffnungen der Figur teilhaben lässt, desto mehr wird der Leser diese Figur mögen und durch ihren Tod berührt werden. 
Titel: Re: Eine Figur schaffen, um sie sterben zu lassen
Beitrag von: Maubel am 10. Mai 2016, 19:40:35
Also, wie Araluen gesagt hatte, habe ich schon viele Figuren, darunter auch geliebte, das Zeitliche segnen lassen. Das gehört wie für Lothen für mich dazu und ist eine ganz wichtige Emotion. Bisher wusste ich von Figuren, dass sie sterben werden von Anfang an, aber ich habe nie eine Figur geplant, um sie sterben zu lassen. D.h. ich entwickel eine Figur und dann stelle ich fest, wo ihre Reise hingeht und manchmal muss er eben sterben, aber ich gehe eine Geschichte nicht an mit ich brauche eine Bezugsperson des Protagonisten, der dann dramatisch vor dem Ende stirbt, damit ich mich nicht von meinen eigentlichen Figuren lösen muss - Das tut (meist) nicht weh und ist leicht. Aber man läuft Gefahr, dass eben auch der Leser nicht davon berührt ist, weil man der Figur nicht alles gegeben hat und seine ganz großen Gefühle zurück gelassen hat - es würde sich ja nicht lohnen bei ihr.
Wenn jemand sterben soll, dann muss das wehtun (friedliches Entschlafen, das einer Erlösung gleich kommen soll, ausgenommen). Der Leser und die anderen Figuren haben etwas zu verlieren mit dem Verlust des Totgeweihten und sei es "nur" einen geliebten Menschen. Deshalb darf man da nicht zurück halten und das geht am Einfachsten, wenn man eine Figur sterben lässt, die mehr als nur diese Funktion hatte, die ein Leben hatte, Wünsche und Träume und das kann sich durchaus auch erst während des Schreibens ergeben.

Bei mir sterben, wie gesagt, häufig welche. Davon sind viele beim Plotten geplant, aber manchmal kommt es auch vor, dass ich erst beim Schreiben das Gefühl habe - oh oh, da kommt er jetzt nicht mehr raus. Diesen Moment fühlt man richtig und man fühlt sich durchaus etwas sadistisch, dass man da jetzt die Guillotine nutzt, aber häufig sind das die Momente, wo man auch beim Leser Gefühle weckt. Übrigens, habe ich auch schon öfter Charaktere begnadigt. Als ich an der Stelle ankam, passte es einfach nicht mehr und sie durften doch heiraten und zehn Kinder haben ;)

Bisher haben mich in der angesprochenen Serie übrigens nur zwei Charaktertode richtig mitgerissen, ich weiß aber definitiv, dass noch ein dritter dazu kommen wird - einer davon bringt mich bei jedem neuen Lesen zum Weinen, aber es ist ein gutes Weinen. Der zweite... hat festgestellt, dass er doch nicht so tot ist, wie gedacht ;) Irgendwie war er für die Geschichte noch wichtig, aber in dem Moment, da musste er sterben. Weiter leben war keine Option.
Titel: Re: Eine Figur schaffen, um sie sterben zu lassen
Beitrag von: Lukas am 10. Mai 2016, 20:07:07
Naja, ich wiederspreche jetzt mal ganz dreist der Mehrheit! Weil ich ein Rebel bin  :brüll:  ;)
Ich finde es "ok" Charaktere ihr Dasein als Opferlämmer fristen zu lassen. Es kann Sinn ergeben einen Charakter zum Sterben zu erschaffen, es muss natürlich mit der eigenen Welt in Einklang sein, aber nicht jeder Tod ist sinnhaft. Damit bricht man zwar unter Umständen ein Schreiberling-Tabu(ich nenne es gerne "Das Vergangenheits-Konsequenz-Paradigma", weil es sich schlau anhört), aber wenn man Zerstörung und Wut herrschen lässt(z.B.: in einem Krieg) kann auch die geliebte Nebenfigur sterben. Es muss kein "foreshadowing" geben, es muss keine Konsequenz für die Haupthandlung entstehen. Außer evtl. die emotionale Läsion der Hinterbliebenen.
Um noch einmal auf den Krieg zurück zu kommen: Es macht auch einfach mehr Spaß eine Nebenfigur mit Geschichte und Bedeutung sterben zu lassen, als tausend namenlose Opfer. Das ist so wie bei Nachrichten von Hungertoten in der dritten Welt. Es ist schlimm. Es sind viele. Und wenn man es heute hört hat man es morgen wieder vergessen. Wenn die eigene beste Freundin and Krebs stirbt hat, vergisst man den Todestag bis zum Lebensende nicht.

Um den Bogen zu kriegen: Ich kenne das Gefühl; es ist ätzend, aber notwendig, wenn man Grausamkeiten illustrieren will. Ich finde es ok einen Nebencharakter mit dem primären Ziel zu sterben(danach arbeitet man ihn/sie ja trotzdem noch weiter aus) zu erschaffen.

@Sturmbluth: Das Risiko wirst du eingehen müssen. Siehe J.K.Rowling. Sie wollte Arthur Weasley im fünften HP-Band mit der Schlange eigentlich umbringen, hatte dann aber realisiert, dass er die einzige vorhandene positive Vaterfigur in der Geschichte war und beschloss seinen Tod auf Lupin zu übertragen.
Titel: Re: Eine Figur schaffen, um sie sterben zu lassen
Beitrag von: Evanesca Feuerblut am 10. Mai 2016, 20:52:03
Zitat von: Arcor am 10. Mai 2016, 18:52:26

Problematisch ist es, wenn es sich aus der Handlung plötzlich ergibt, dass eine Figur sterben soll/muss und man fassungslos vor den Trümmern steht und denkt: Der sollte aber eigentlich heiraten und zehn Kinder kriegen.  :gähn:
Genau DAS ist mir auch mal passiert. Ich hatte SO einen schönen Plot. Und dann wird die, die ihre Ehre retten und heiraten soll, auf einmal zu einer postsuizidalen Antagonistin und muss dringend vernichtet werden.
Das tat trotzdem weh, denn eigentlich mochte ich die Figur...

Was das Thema an sich angeht, weiß ich aber bei manchen Figuren wirklich von Anfang an, dass sie irgendwann sterben müssen. Anfangs, beim Planen, macht mir das noch wenig aus. Ich kenne die Figuren ja noch kaum.
Aber je weiter fortgeschritten die Handlung ist, desto mehr fange ich an, an den Figuren zu hängen und im Kopf nach irgendwelchen Notausgängen zu suchen, um sie am Leben zu lassen.
Obwohl der Plot nur Sinn macht, wenn sie sterben.
Obwohl es gar nicht anders geht.
Das bricht mir oft das Herz und ich zwinge mich dann, ihre Todesszene zu schreiben, damit ich JA NICHT schwach werden kann.

Also: Es geht schon, Charaktere zu schaffen, um sie sterben zu lassen. Aber zumindest mein Herz blutet dabei sehr.

Edit: Ich gehöre übrigens zu den sehr bösen Menschen, bei denen nicht nur Nebenfiguren, sondern auch Perspektiventräger sterben. Und zwar meist in deren eigenen Perspektivkapiteln. Und ich heule dann fast immer beim Schreiben.

@Lukas
ZitatEs kann Sinn ergeben einen Charakter zum Sterben zu erschaffen, es muss natürlich mit der eigenen Welt in Einklang sein, aber nicht jeder Tod ist sinnhaft
Da bin ich ganz bei dir. Manchmal konstruiere ich bewusst, dass jemand "völlig sinnlos" stirbt, weil ich zeigen will, dass in einem Krieg/in einer Krisensituation etc. manchmal Leute völlig unnötigerweise als Kollateralschaden einfach sterben. Dann ist der Zweck, beim Leser ein Gefühl der Sinn- und Hoffnungslosigkeit wachzurufen.
Titel: Re: Eine Figur schaffen, um sie sterben zu lassen
Beitrag von: Fianna am 10. Mai 2016, 20:53:40
Ich habe in einem Fantasy-Krimi den Tod einer Figur geplant, einer von 3 Perspektivträgern.
Da hatte ich das Problem genau umgekehrt: die Figur hatte viel zuviel wichtige Elemente an sich, der überlebende Sidekick (der durch den Tod aus seinem Schatten treten und selbst Hauptfigur werden soll) hatte nichts Markantes an sich.

Eines meiner Probleme war, dass der um Tod bestimmte Charakter viel attraktiver für meinen fiktiven Leser war. Vielleicht unterstelle ich da ja falsche Impressionen, aber selbst ich als Schöpferin fand ihn viel interessanter und den inzwischen Profil erhaltenen Sidekick-Protagonist-in-spe ziemlich fade.


Das kann auch funktionieren mit dem "Beim Plotten zum Tode verdammen"-Ding.
Titel: Re: Eine Figur schaffen, um sie sterben zu lassen
Beitrag von: Araluen am 10. Mai 2016, 21:09:58
Den Tod einer bestehenden Figur zu planen, ist völlig in Ordnung - irgendwann muss man ja plotten und kann sich nicht nur überraschen zu lassen.
Den Tod aber vor den Charakter zu stellen, also erst den geplanten Tod zu haben und sich dann Gedanken über den Charakter zu machen  mit dem Vorsatz, den Charakter jetzt möglichst sympathisch zu gestalten, damit dessen Tod beim Leser auch ja Spuren hinterlässt, halte ich für Effekthascherei an der falschen Stelle, die vermutlich auch noch schief geht.
Titel: Re: Eine Figur schaffen, um sie sterben zu lassen
Beitrag von: Trippelschritt am 10. Mai 2016, 21:29:07
Da ich ein Bauchschreiber bin, kann ich keinen Charakter erschaffen, um ihn umzubringen. erst erschaffe ich Figuren, dann beginne ich zu schreiben und der Plot entwickelt sich irgendwie dazwischen. Aber in meinem neuen Projekt weiß ein Kind bereits, dass er nicht als alter Mann sterben wird, sondern relativ früh, weil das Schicksal ihn dafür vorgesehen hat. Ist schon schlimm wie ein vierjähriger Knirps das erträgt und damit umgeht. Und noch schlimmer für die Mutter, die nicht weiß, ob die Zukunft, die ihr Kind sieht, Hand und Fuß hat. Aber wenn kein wunder geschieht, dann wird er sterben. Und jetzt erzähl mir keiner, ich wäre der Herr über meine Figuren. Das habe ich früher auch mal gesagt. so einfach ist das nicht.

Liebe Grüße
Trippelschritt
Titel: Re: Eine Figur schaffen, um sie sterben zu lassen
Beitrag von: Snöblumma am 10. Mai 2016, 22:42:57
Mir tut es auch immer in der Seele weh, wenn ich Figuren erschaffe, die entweder nie richtig mitspielen dürfen (weil sie schon tot sind) oder das Zeitliche segnen müssen, ehe das Finale durch ist. Aber es muss eben sein, und ein bisschen Drama tut der Geschichte ja meistens gut... in solchen Situationen habe ich allerdings tatsächlich sehr oft ein schlechtes Gewissen, immerhin können diese Figuren ja nichts dafür, dass nicht sie, sondern irgendwer anderes Hauptfigur in der Geschichte ist. Und dass sie daher ohne tiefere Einschnitte, aber für Drama oder Plotzwecke vor dem Finale sterben können.

Zitat von: Araluen am 10. Mai 2016, 21:09:58
Den Tod aber vor den Charakter zu stellen, also erst den geplanten Tod zu haben und sich dann Gedanken über den Charakter zu machen  mit dem Vorsatz, den Charakter jetzt möglichst sympathisch zu gestalten, damit dessen Tod beim Leser auch ja Spuren hinterlässt, halte ich für Effekthascherei an der falschen Stelle, die vermutlich auch noch schief geht.
Ja, da hast du vollkommen recht, die Gefahr besteht sicher. Habe ich aber auch schon gemacht, vor allem bei Figuren, die zu Beginn der Geschichte schon tot waren (und die daher nie in Aktion treten) - solche Figuren sind ja nur noch in der Erinnerung der anderen vorhanden, und wenn das geliebte Menschen waren, sind sie natürgemäß etwas überhöht dargestellt. Bei allen anderen Figuren würde ich aber immer vermeiden wollen, dass sie möglichst sympathisch sind. Sobald ich eine Charakterzeichnung etwas detaillierter mache, will ich Ecken und Kanten haben, egal ob Haupt- oder Nebenfigur. Die Figur muss meines Erachtens lebensnah und greifbar sein, dann wird der Leser auch mit ihr mitfiebern.
Titel: Re: Eine Figur schaffen, um sie sterben zu lassen
Beitrag von: Fianna am 10. Mai 2016, 23:41:28
Also "meinen" zu tötenden Perspektivträger habe ich meines Erachtens schon direkt als Opfer geplant: ich habe mir überlegt, wer wie in diesem Mord ermitteln könnte, und habe gemerkt, dass die Figur zu fähig ist. Dann habe ich beschlossen, ihn an passender Stelle umzubringen und seinen Tod als weiteres Indiz zu verwenden.
Deswegen würde ich sagen: ich habe zuerst seinen Tod gehabt. Die Charakterzeichnung begann erst hinterher.

Die Figur ist mir recht zynisvh geraten. Ich weiss nicht, ob das unter "sympathisch" fallen kann, deswegen hatte ich das Wort "attraktiv" gewàhlt.
Titel: Re: Eine Figur schaffen, um sie sterben zu lassen
Beitrag von: Lukas am 11. Mai 2016, 00:25:58
Zitat von: Fianna am 10. Mai 2016, 23:41:28
Die Figur ist mir recht zynisvh geraten. Ich weiss nicht, ob das unter "sympathisch" fallen kann, deswegen hatte ich das Wort "attraktiv" gewàhlt.

Zynisch oder ironisch?  ;D Mir geraten fast alle meine Charaktere zumindest in Gedanken ironisch. Demzufolge ist das seeehr sympatisch :P

Zitat von: Araluen am 10. Mai 2016, 21:09:58
Den Tod einer bestehenden Figur zu planen, ist völlig in Ordnung - irgendwann muss man ja plotten und kann sich nicht nur überraschen zu lassen.
Den Tod aber vor den Charakter zu stellen, also erst den geplanten Tod zu haben und sich dann Gedanken über den Charakter zu machen  mit dem Vorsatz, den Charakter jetzt möglichst sympathisch zu gestalten, damit dessen Tod beim Leser auch ja Spuren hinterlässt, halte ich für Effekthascherei an der falschen Stelle, die vermutlich auch noch schief geht.

Naja. Ich glaube wir müssen uns darauf einigen uns uneinig zu sein. Ich habe beispielsweise eine Zwillingsschwester zu meiner Hauptfigur erschaffen, die sterben MUSS, weil es wichtig für den Plot ist. Außerdem ist es wichtig, dass sie dem Leser sympathisch ist, weil sie Zeitgleich ein Ideal schafft, dass für andere nur schwer zu erreichen sein sollte. Ach es ist so kompliziert das zu erklären, ohne in die (Un)Tiefen meiner Story einzutauchen.  :buch: Wichtig ist nur, dass ich als erstes den Tod, dann das Sympatisieren und dann die Promotion zum PoV-Charakter geplant habe.
Titel: Re: Eine Figur schaffen, um sie sterben zu lassen
Beitrag von: criepy am 11. Mai 2016, 01:49:42
Hm, also ich bin auch jemand, der gerne Charakter sterben lässt. Das liegt aber auch daran, dass ich Happy Ends allgemein eher langweilig finde und denke, dass nicht jeder glücklich werden und 10 Kinder haben kann. ;)
Ob ein Charakter stirbt, entwickelt sich bei mir erst im Laufe des Charaktererstellens. Ich nehme mir immer sehr viel Zeit für die Hintergrundgeschichte von ihnen. Egal wie unwichtig sie vielleicht ist. Und dann denke ich mir, welchen Platz die Person in der Zukunft des Plottes hat. Wo der Weg sie hinführt. Oftmals landen die dann halt wirklich im Grab...
So richtig habe ich eigentlich noch keinen Charakter erstellt, der sterben sollte. Glaube ich zumindest.
Okay, gut, ein oder zweimal wusste ich bereits in der Anfangsphase "und du stirbst!" aber dann hat es mir noch viel mehr Spaß gemacht, der Figur Leben einzuhauchen.
Aber ich finde es ist auch wichtig, dass der Tod eines Charakters auch den Autor berührt. Denn wenn man selbst diese Emotionen nicht hat, wie kann man von seinen Lesern erwarten, sie zu haben?
Deswegen kann ich nur raten: Steck ruhig dein ganzes Herzblut in den Charakter. Wenn der Tod dich berührt, ist das sicher nichts schlechtes für dein Werk. :)
Titel: Re: Eine Figur schaffen, um sie sterben zu lassen
Beitrag von: Sipres am 11. Mai 2016, 02:00:33
Bei meinen ersten Schreibversuchen habe ich eigentlich immer alle Figuren überleben lassen. Ich konnte mich einfach von niemandem trennen. Mittlerweile ist das voll ins Gegenteil geschlagen. Ich erschaffe Figuren mit dem festen Vorsatz, sie noch vor Ende der Geschichte sterben lassen. Ob das nun im ersten Band passiert oder erst im letzten, sei mal völlig dahingestellt.

Da ich grundsätzlich mit vielen Figuren arbeite (in meinem derzeitigen Roman sind es mittlerweile 13 POV-Figuren und Gott weiß wie viele Nebencharaktere), habe ich auch immer eine Menge Tote zu verzeichnen. Es gibt nur wenige Figuren, bei denen ich im Laufe der Geschichte entscheide, dass sie doch überleben werden. Und das auch nur, wenn es aus dramaturgischen Gründen besser ist, als wenn ich sie ebenso elendig verrecken lasse wie ihre Kumpane.

Von daher bin ich auch der Meinung, dass man Figuren erschaffen kann, bei denen von Anfang an geplant ist sie sterben zu lassen, und sie dennoch möglichst sympathisch darzustellen, damit es beim Leser Emotionen hervorruft, ohne dass man es als Effekhascherei ankreidet.
Titel: Re: Eine Figur schaffen, um sie sterben zu lassen
Beitrag von: Maubel am 11. Mai 2016, 06:19:46
Möglicherweise würde ich falsch verstanden, aber ich wollte noch mal klarstellen, dass ich nicht meinte, dass man nicht Figuren erschaffen könne, bei denen von Anfang an klar ist, dass sie sterben. Das ist sogar relativ normal, auch wenn sie selten doch überleben. Was ich meine, ist, dass ich nicht heran gehen würde. So, ich brauche noch jemanden, der nachher stirbt und dann erst damit anfange eine Figur zu erstellen. Das kann gut gehen, wirkt aber häufig konstruiert und verhindert, dass man sich selbst auf die Figur einlässt, oder sie zu übertrieben darstellt, damit es ja dramatisch ist. Von einer Figur von Anfang an zu wissen, dass sie stirbt, auch bevor man viel mehr weiß, ist was anderes, denn da hat man bereits in Beziehung mit Plot oder Hauptfigur gesetzt. Sobald ich also sage, ich brauche einen besten Freund, der vorzeitig aus dem Leben gerissen wird, habe ich der Figur bereits mehr gegeben als ihren Tod. Das Gegenteil wäre eben: ich brauche noch einen Toten. Ach, ich gebe der Hauptfigur noch einen besten Freund. So ein bisschen ist das wie die Ei oder Huhn frage  ;D

Figuren, die von Anfang an tot sind, sind was anderes und eher Teil des Plots und Settings, als Figurenensemble. Sie zeichnen sich ja auch von Anfang an durch ihre Beziehung zu den anderen aus und nicht sich selbst. der Leser trauert nicht um sie, sondern mit den Figuren, die der Verlust antreibt.
Titel: Re: Eine Figur schaffen, um sie sterben zu lassen
Beitrag von: Fianna am 11. Mai 2016, 09:24:30
Selbes Projekt, andere Person: mein Mord ist eine Art weitläufiges Gift-Attentat. Es gibt ziemlich viel Kollateral-Schaden, darunter auch ein Kind. Diese Figuren habe ich wirklich nur geschrieben, damit sie sterben. Man kann es erwarten (weil Krimi) oder nicht (es ist zu Beginn schon eine Leiche eingeführt, zu dessen Beerdigung gefahren wird), es hat ziemlich viel Soass gemacht, auf max. 2 Normseiten jedem eine Perspektive zu geben und mir Konflikt- oder Handlungs-Perspektiven einfallen zu lassen (die alle nicht relevant sind, we - Person stirbt. Abbruch dieser Handlungslinie) und sie in Verbindung zu anderen zu setzen.
Jetzt bin ich glatt wieder in Versuchung, Projekt-Hopping zu machen und dort weiter zu arbeiten :D

Ich meine: ja, das geht.
Titel: Re: Eine Figur schaffen, um sie sterben zu lassen
Beitrag von: Akirai am 11. Mai 2016, 09:49:32
Zitatich möchte in meinem Roman eine Figur sterben lassen, an der dem Leser etwas liegt. Ich will das machen, da mich das als Leser selbst packt, mich emotional anspricht. Ich denke da z.B. an Boromir im Herrn der Ringe.  :nöö:

Damit der Leser emotional angesprochen wird, muss er die Figur ersteinmal mögen. Was mich zum Knackpunkt bringt: ich scheue mich davor, eine Figur auszuarbeiten, ihr Leben einzuhauchen, ja, sie selbst zu mögen, nur um sie dann sterben zu lassen, sie gar nicht das Ende des Abenteuers erleben zu lassen.

Kennt ihr diese oder ähnliche Situationen? 

Öhm, ja.
Ich erinnere mich an eine Fantasygeschichte, in der ich meine Hauptfigur so sehr geliebt habe, dass ich sie immer knapp vor dem finalen Todesstoß doch noch mal gerettet habe. Das ging soweit, dass die Figur praktisch schon tot war (sie hätte sich entscheiden können, zu sterben und zu ihrer Familie zurückzukommen, oder noch eine Weile zu leben und den Bösewicht zu vernichten). Natürlich blieb sie da am Leben  :darth: . Das kommt davon, wenn man die Figuren selbst zu sehr liebt, um sie sterben zu lassen.

Ansonsten habe ich auch schon Figuren erschaffen mit dem festen Vorsatz, sie sterben zu lassen. Der Konflikt lässt sich einfach nicht mehr anders lösen (aktuelles Projekt). Ja, es tut mir leid um sie. Nein, ich werde sie nicht im letzten Moment von der Todesschwelle wegretten (aber vielleicht so ein klitzeklitzekleines Happy End einbauen ... Hach, ich bin doch so ein Happy End -Liebhaber ...!
Titel: Re: Eine Figur schaffen, um sie sterben zu lassen
Beitrag von: Aircaina am 11. Mai 2016, 09:52:28
Bei mir sterben auch recht viele Charaktere und auch ich bin ein so böser Mensch, dass es Perspektiventräger treffen kann. Das tut richtig weh, wenn ich nur daran denke. Ich habe auch geheult, als eine Figur gestorben ist, die dem Leser vermutlich relativ egal ist, weil das bereits im dritten Kapitel passiert und besagte Figur da ihren ersten Auftritt hat. Weil man als Autor selbst die Vorgeschichte kennt, ist das für einen selbst natürlich noch einmal viel härter. Persönlich denke ich schon, dass es ok sein kann, eine Figur zu entwickeln, bei der man sich ganz sicher ist, dass sie sterben muss oder wird. Bei mir selbst funktioniert das einfach nicht. Ich habe geplottet, ich habe es wirklich versucht. Aber wenn ich mir das jetzt anschaue, ist alles fast komplett anders gekommen, die Figuren haben teilweise einfach die Rollen getauscht, oder einen ganz anderen Charakter, als sie haben sollten, der Handlungsverlauf ist ein komplett anderer. Das passiert beim Schreiben einfach. Zumindest geht es mir so, da ich doch zumeist aus dem Bauch schreibe. Richtig Plotten, das funktioniert einfach nicht.
Zitat von: Trippelschritt am 10. Mai 2016, 21:29:07
Da ich ein Bauchschreiber bin, kann ich keinen Charakter erschaffen, um ihn umzubringen. erst erschaffe ich Figuren, dann beginne ich zu schreiben und der Plot entwickelt sich irgendwie dazwischen. Aber in meinem neuen Projekt weiß ein Kind bereits, dass er nicht als alter Mann sterben wird, sondern relativ früh, weil das Schicksal ihn dafür vorgesehen hat. Ist schon schlimm wie ein vierjähriger Knirps das erträgt und damit umgeht. Und noch schlimmer für die Mutter, die nicht weiß, ob die Zukunft, die ihr Kind sieht, Hand und Fuß hat. Aber wenn kein wunder geschieht, dann wird er sterben. Und jetzt erzähl mir keiner, ich wäre der Herr über meine Figuren. Das habe ich früher auch mal gesagt. so einfach ist das nicht.

Liebe Grüße
Trippelschritt

Würde ich genau so unterschreiben.
Zitat von: Arcor am 10. Mai 2016, 18:52:26

Problematisch ist es, wenn es sich aus der Handlung plötzlich ergibt, dass eine Figur sterben soll/muss und man fassungslos vor den Trümmern steht und denkt: Der sollte aber eigentlich heiraten und zehn Kinder kriegen.  :gähn:
Das ist immer ganz besonders grässlich. Ich hasse das. Soetwas sollten uns unsere eigenen Geschichten nicht antun.  :'( Und dann passiert das auch noch ständig...


Zitat von: Fianna am 11. Mai 2016, 09:24:30
Selbes Projekt, andere Person: mein Mord ist eine Art weitläufiges Gift-Attentat. Es gibt ziemlich viel Kollateral-Schaden, darunter auch ein Kind. Diese Figuren habe ich wirklich nur geschrieben, damit sie sterben. Man kann es erwarten (weil Krimi) oder nicht (es ist zu Beginn schon eine Leiche eingeführt, zu dessen Beerdigung gefahren wird), es hat ziemlich viel Soass gemacht, auf max. 2 Normseiten jedem eine Perspektive zu geben und mir Konflikt- oder Handlungs-Perspektiven einfallen zu lassen (die alle nicht relevant sind, we - Person stirbt. Abbruch dieser Handlungslinie) und sie in Verbindung zu anderen zu setzen.
Jetzt bin ich glatt wieder in Versuchung, Projekt-Hopping zu machen und dort weiter zu arbeiten :D

Ich meine: ja, das geht.
Bei Krimis ist es auf jeden Fall passend, Figuren zu kreieren, die für den Tod prädestiniert sind. Das geht sonst wahrscheinlich auch gar nicht. Bei so konstruierten Personen kann ich mir sogar auch vorstellen, dass es Spaß machen könnte. Auch wenn das ziemlich fies klingt, Fianna.  :snicker:


Lange Rede kurzer Sinn: Ich denke, es ist in Ordnung, eine Figur zu schaffen, nur damit sie irgendwann sterben kann. Was man vielleicht nicht machen sollte ist, sich zu stark auf diesen Plan einzuschießen. Wenn man das Gefühl hat, alles sollte ganz anders kommen, dann sollte man diesen Handlungsstrang auch verwerfen können (solange sich das nicht komplett mit dem Rest des Plots beißt). Selbiges gilt natürlich auch andersherum, wenn eine Figur eben eigentlich ein Happy End erleben sollte und dann doch ein frühes Ende findet. Ich persönlich bin auch ein Fan solcher sinnlosen Tode à la Figur geht an einer Baustelle vorbei und bekommt einen Ziegelstein auf den Kopf  :versteck: . Deshalb denke ich auch, dass eine Figur nicht immer auf die spektakulärste Weise sterben muss. Und es muss auch nicht immer die ganze Welt verändern, wenn jemand stirbt.
Ich habe momentan viel mehr das Problem, dass sich eine Figur bei mir gemeldet hat, zu der ich überhaupt keinen Zugang habe, die aber wichtig ist, um den Tod einer anderen Figur herbei zu führen.  :gähn:

Edit: Jetzt habe ich Akirais Beitrag glatt überlesen. Da wollte ich nur kurz sagen, dass ich das absolut verstehen kann. Bisher habe ich es trotzdem immer durchgezogen, auch wenn ich ständig nach Möglichkeiten suche, die geliebte Figur doch noch überleben zu lassen (wie z.B. bei erwähntem Charakter in Kapitel Drei). Manchmal habe ich auch Lösungen gefunden, aber die waren dann einfach zu konstruiert.
Geht es eigentlich nur mir so, oder hat man teilweise ein richtiges schlechtes Gewissen, wenn man eine Figur sterben oder besonders leiden lässt? Ich warte immer darauf, dass die eines Tages durch die Verzerrung irgendwelcher Dimensionen vor mir steht und mich verprügelt. :ithurtsandstings!:
Titel: Re: Eine Figur schaffen, um sie sterben zu lassen
Beitrag von: foxgirl am 11. Mai 2016, 10:53:05
Also ich habe auch schon-natürlich nur ab und an ;D-Figuren kreiert, die von Anfang an von mir zum Tode verurteilt wurden, finde es aber auch wichtig, da nicht zu festgefahren zu sein. Einige von diesen Figuren hatten Glück und haben dann doch länger überlebt, weil sie einfach super reinpassen, andere sind dann doch viel früher gestorben, als ursprünglich geplant. Ich denke es ist ganz normal, dass man so etwas macht, auch wenn es natürlich kein Muss ist. Es gibt einfach Charaktere, deren Tod zum Beispiel wichtig für die weitere Entwicklung der anderen Figuren ist, oder deren Leben unweigerlich darauf zusteuert. Ich komm mir auch meistens weniger schlecht vor, wenn ich das von Anfang an geplant hab, als wenn ich plötzlich merke, dass eine bestimmte Person jetzt doch sterben muss. Da bin ich oft deutlich verzweifelter.

Ich bin selber eher der Plotter und weniger der Bauchschreiber wie @Aircaina und @Trippelschritt, trotzdem kenne ich das auch richtig gut, wenn es beim Schreiben einfach in die Richtung läuft, dass jemand sterben muss. Ich halte dann auch immer dagegen, wenn jemand sagt, dass ich doch der Autor meiner Figuren bin und ich immer entscheiden kann, was ich tue. Ganz so einfach ist es leider nicht und wenn ich den Tod nicht wie oben erwähnt vorher plane, bin ich oft ähnlich erschrocken wie Betaleser von mir, wenn ein Charakter dann doch sterben muss.

Ich denke, dass es letzendlich gar nicht so wichtig ist, ob der Tod einer Figur vorher geplant oder spontan entschieden wurde, wichtig ist vor allem ob er stimmig ist und nicht erzwungen wirkt. Ich glaube, wenn einem das gelingt, ist das schon die halbe Miete.

Titel: Re: Eine Figur schaffen, um sie sterben zu lassen
Beitrag von: Elona am 11. Mai 2016, 10:55:15
Ich denke einen Charakter um des Sterben willens zu erschaffen, kann man schnell Gefahr laufen, dass das gekünstelt wirkt. Auf der anderen Seite, selbst wenn es einem gelingt, muss man sich darüber bewusst sein, dass das vermutlich auch nicht bei jedem Leser gut ankommen wird.

Selbstverständlich könnte man das unter ,,in der Realität geschehen ebenfalls viele unvorhergesehene Dinge" fallen lassen, aber das ist eben genau das nicht: Realität. Es ist ein Buch und als Autor hat man Einfluss darauf, was auch der Leser weiß.
Was in Realität tragisch ist, kann in einer Geschichte ganz anders rüberkommen.

Außerdem schließt es irgendwie aus, dass man sich auf die Charaktere und deren Eigenleben wirklich einlässt. Ich denke aber, dass man genau dafür offen sein sollte. Ich hatte auch schon Charaktere, die eigentlich hätten sterben sollen, aber irgendwie war es dann einfach unstimmig. Andere hingegen sind ,,auf einmal" gestorben, obwohl ich es nicht vorhatte.
Dabei fällt mir ein, dass ich tatsächlich einen Charakter hatte, der Sterben musste, weil das plotrelevant war. Aber das war nicht der Grund, warum ich ihn schuf.

Übrigens, was in meinen Augen genauso fatal ist: Einen Charakter partout nicht sterben zu lassen, obwohl er das eigentlich müsste bzw. von den Situationen her längst Tod wäre.
Titel: Re: Eine Figur schaffen, um sie sterben zu lassen
Beitrag von: Sturmbluth am 11. Mai 2016, 11:11:37
Zitat von: Aurora am 11. Mai 2016, 10:55:15
Ich denke einen Charakter um des Sterben willens zu erschaffen, kann man schnell Gefahr laufen, dass das gekünstelt wirkt. Auf der anderen Seite, selbst wenn es einem gelingt, muss man sich darüber bewusst sein, dass das vermutlich auch nicht bei jedem Leser gut ankommen wird.
Dass der Leser traurig sein wird, ist ja geplant. Es soll ihn ja emotional packen. Als Nebeneffekt finde ich an der Idee gut, dass es den Ernst betont. In meinem Fall geht es um eine Gruppe von vier Personen, die sich durch unwirtliche Landschaften quält und dabei immer wieder gegen feindliche Truppen kämpfen muss. Wenn jetzt alle vier unbeschadet da raus kommen, dann ist das OK. Wenn es aber einer nicht schafft, und zwar einer, der augenscheinlich keine Nebenfigur ist, dann macht das sie Gefahr, in der die anderen stecken, glaubwürdiger.
Titel: Re: Eine Figur schaffen, um sie sterben zu lassen
Beitrag von: Lothen am 11. Mai 2016, 11:22:54
Zitat von: AuroraIch denke einen Charakter um des Sterben willens zu erschaffen, kann man schnell Gefahr laufen, dass das gekünstelt wirkt. Auf der anderen Seite, selbst wenn es einem gelingt, muss man sich darüber bewusst sein, dass das vermutlich auch nicht bei jedem Leser gut ankommen wird.
Ich sehe das ehrlich gesagt gar nicht so problematisch. Der Leser weiß ja im Nachhinein nicht, ob der Tod vom ersten Moment an geplant war oder nicht, er sieht nur das Endergebnis. Und wenn der Charaktertod realistisch und logisch erscheint und sich passend in die Handlung einfügt, warum sollte der Leser das dann als gekünstelt empfinden?

Ich denke, Gründe für Charaktertode gibt es mannigfach, angefangen von dem, was Sturmbluth meinte (realistische Darstellung von Gefahren) bis hin zu einer engen Relevanz für den Plot (z.B. die klassische Rache-Motivation beim Tod eines Freundes oder Familienmitglieds). Und ich gebe zu, ich habe auch schon Charaktere sterben lassen, weil ihre Rolle in der Geschichte einfach zu Ende war. ;)

Ich bin jetzt noch mal in mich gegangen und mir ist aufgefallen, dass ich Charaktertode bislang tatsächlich nur in den seltensten Fällen von vorneherein geskriptet habe (also wer stirbt wann, wo, unter welchen Umständen und welche Folgen bringt das mit sich). Es gab zwar einige Figuren, von denen ich ahnte, dass sie gefährlich leben, aber die konkreten Umstände ihres Todes ergaben sich dann doch immer aus dem Plot und den Entwicklungen heraus. Eine Ausnahme war der Verlobte meiner Prota in meiner ersten Low-Fantasy-Trilogie, der gleich im zweiten Kapitel sterben musste, weil dadurch die Handlung überhaupt erst in Gang kam.

Zitat von: MaubelSo, ich brauche noch jemanden, der nachher stirbt und dann erst damit anfange eine Figur zu erstellen. Das kann gut gehen, wirkt aber häufig konstruiert und verhindert, dass man sich selbst auf die Figur einlässt, oder sie zu übertrieben darstellt, damit es ja dramatisch ist.
Das würde ich so unterschreiben - aber um ehrlich zu sein ist das in meinem Fall ohnehin nicht die Art und Weise, wie ich arbeite. Bei mir sind immer die Figuren zuerst da und dann kommt der Plot. Insofern würde ich eine Figur, die vermutlich sterben wird (wie gesagt - wirklich geplant ist das bei mir selten) auch nicht anders entwickeln oder aufbauen als jemand, der mit Sicherheit überlebt. Der Tod ist ja keine Charaktereigenschaft, die die Konzeption beeinflussen sollte, sondern umgekehrt. ;)
Titel: Re: Eine Figur schaffen, um sie sterben zu lassen
Beitrag von: Fianna am 11. Mai 2016, 12:29:11
Zitat von: Aurora am 11. Mai 2016, 10:55:15
Außerdem schließt es irgendwie aus, dass man sich auf die Charaktere und deren Eigenleben wirklich einlässt. Ich denke aber, dass man genau dafür offen sein sollte.
Ich denke, das ist Deine persönliche Erfahrung, aber nicht repräsentativ für alle Autoren auszusagen.
Titel: Re: Eine Figur schaffen, um sie sterben zu lassen
Beitrag von: Aircaina am 11. Mai 2016, 12:33:49
Zitat von: Fianna am 11. Mai 2016, 12:29:11
Zitat von: Aurora am 11. Mai 2016, 10:55:15
Außerdem schließt es irgendwie aus, dass man sich auf die Charaktere und deren Eigenleben wirklich einlässt. Ich denke aber, dass man genau dafür offen sein sollte.
Ich denke, das ist Deine persönliche Erfahrung, aber nicht repräsentativ für alle Autoren auszusagen.
Da würde ich Fianna zustimmen. Das Problem hatte ich wirklich noch nie, dass ich mich nicht auf eine Figur einlassen konnte, nur weil ich wusste, dass sie sterben wird. Selbst dann nicht, wenn sie nur in ein paar Sätzen auftaucht. Solange sie irgendeinen Namen hat und nicht Statist Nummer 312 ist, weiß ich auch etwas über die Vorgeschichte, den Charakter, die Beziehung zu anderen Figuren und so weiter und so fort.
Titel: Re: Eine Figur schaffen, um sie sterben zu lassen
Beitrag von: Fianna am 11. Mai 2016, 12:46:51
Vielleicht ist es eine Typfrage, und wir sind in dieser Beziehung Sadisten oder SM-Autoren, weil wir uns auf Figuren einlassen, die wir killen wollen. ;)
Titel: Re: Eine Figur schaffen, um sie sterben zu lassen
Beitrag von: Elona am 11. Mai 2016, 12:50:23
Zitat von: SturmbluthWenn jetzt alle vier unbeschadet da raus kommen, dann ist das OK. Wenn es aber einer nicht schafft, und zwar einer, der augenscheinlich keine Nebenfigur ist, dann macht das sie Gefahr, in der die anderen stecken, glaubwürdiger.
Sehe ich übrigens auch so. Aber in dem Fall hättest du den Charakter auch nicht des Todes wegen erschaffen (oder doch? Und es waren zuerst nur drei? Stellt sich dann aber die Frage, warum nicht einer von denen sterben kann/darf?).
Zumindest ist es nicht das, was ich mit meiner Aussage meinte. Du hast eine Situation und möchtest sie ernst und realistisch darstellen. Die Wahrscheinlichkeit, das in deinem Beispiel alle überleben ist auch durchaus gering.

@Lothen Ich habe sowas tatsächlich schon gelesen und auch bei Filmen ist es keine Seltenheit. Ich meine tatsächlich die Szenen (egal ob im Buch oder im Fernsehen) wo man sich denkt, "gut, das musste nun wirklich nicht sein und war einfach nur Effekthascherei". Und ehrlich gesagt verliert sowohl Film als auch Buch in dem Augenblick meine Begeisterung und/oder Interesse.
Außerdem wollte ich damit keine allgemein gültige Aussage treffen, sondern lediglich anmerken, dass es im Rahmen des möglichen liegt und man darauf vielleicht achten sollte.  :)

@Fianna Selbstverständlich war das nur meine Meinung, aber ich dachte das sei klar. Auch, dass ich mir sicherlich nicht Anmaße allgemeingültige Aussagen zu treffen.  ???

Ich glaube meine Aussage kam nun irgendwie falsch rüber.

Zitat von: AircaniaSolange sie irgendeinen Namen hat und nicht Statist Nummer 312 ist, weiß ich auch etwas über die Vorgeschichte, den Charakter, die Beziehung zu anderen Figuren und so weiter und so fort.
Eben darum ging es mir aber: Um den "Statist Nummer 312", der in Szene xyz sterben muss. Was man wiederrum bemerkt und das empfinde ich als unschön. Und hier meine Unterstellung, dass sich bei diesem nicht auf den Charakter eingelasen wird, weil kein Bedarf.
Das Andere wollte ich so gar nicht in Frage stellen. Sorry, wenn ich mich da etwas unglücklich ausgedrückt habe (zumindest in meinem Kopf hat es so Sinn ergeben).  :( 

Mal ganz nebenbei hätten sich meine Aussagen im gesamten Kontext auch wiedersprochen. Ich sagte ja auch, dass ich schon einen Charakter hatte, von dem ich wusste, dass er sterben musste und auch, dass ich mich auf Charaktere einlasse. Ergo ...


Titel: Re: Eine Figur schaffen, um sie sterben zu lassen
Beitrag von: Aircaina am 11. Mai 2016, 18:01:19
Zitat von: Aurora am 11. Mai 2016, 12:50:23
Eben darum ging es mir aber: Um den "Statist Nummer 312", der in Szene xyz sterben muss. Was man wiederrum bemerkt und das empfinde ich als unschön. Und hier meine Unterstellung, dass sich bei diesem nicht auf den Charakter eingelasen wird, weil kein Bedarf.
Das Andere wollte ich so gar nicht in Frage stellen. Sorry, wenn ich mich da etwas unglücklich ausgedrückt habe (zumindest in meinem Kopf hat es so Sinn ergeben).  :( 

Mal ganz nebenbei hätten sich meine Aussagen im gesamten Kontext auch wiedersprochen. Ich sagte ja auch, dass ich schon einen Charakter hatte, von dem ich wusste, dass er sterben musste und auch, dass ich mich auf Charaktere einlasse. Ergo ...
Achso, jetzt verstehe ich das. Entschuldigung, da stand ich auf dem Schlauch. 
Ich denke, es ist, je nachdem wie die Handlung einer Geschichte ist, schwierig, wirklich alles von jeder Figur zu wissen. Es wäre toll, wenn man das machen würde und bestimmt gibt es auch Autoren, die das können. Aber wenn in der Geschichte jetzt ein Bote zu dem Heerführer geht und ihm die Nachricht überbringt, dass im Krieg dreihundert Soldaten gestorben sind, ist es sicher auch für den Autor schwierig, alle davon zu kennen. Wenn in einer Geschichte wiederum nur fünf Leute sterben, ist das wohl einfacher. Dann kennt man diese Figuren, so unwichtig sie auch sein mögen, zumindest ein bisschen.
Aber du hast schon Recht. Sich wirklich mit dem Charakter jeder einzelnen, irgendwo in der Geschichte existenten Figur auseinanderzusetzen, das hätte schon was. Leider stelle ich mir das sehr schwierig vor.  :(
Titel: Re: Eine Figur schaffen, um sie sterben zu lassen
Beitrag von: canis lupus niger am 11. Mai 2016, 18:24:04
Genau so einen Fall habe ich in meinem Drachenprojekt auch. War sinnvoll und notwendig.
Titel: Re: Eine Figur schaffen, um sie sterben zu lassen
Beitrag von: Cailyn am 12. Mai 2016, 13:27:12
Also ich verstehe viele von euch grad nicht. Warum soll eine zum Tod verurteilte Figur künstlich sein oder zur Effekthascherei dienen?
Das ist doch jetzt ziemlich "alles über den Daumen" geschert. Wenn man gut plottet, und jeder Figur ein gutes Mass an Aufmerksamkeit schenkt, dann muss es keineswegs passieren, dass die Figur wegen des (bereits geplanten Todes) künstlich wirkt.

Vermutlich verwechselt ihr das mit dem, was Michael Mittermaier über Star Trek gesagt hat: Wenn da ein unwichtiger Statist plötzlich in die Grossaufnahme kommt, da weiss man sofort: der stirbt noch in dieser Folge. Und so würde es mich auch in einem Buch stören: Wenn jemand Unwichtiges plötzlich in den Fokus kommt, nur weil er ja dann stirbt.

Wenn ich aber plane, dass eine Figur irgendwann sterben wird, dann gehe ich ja trotzdem gleich vor wie bei allen anderen Figuren. Die Überlegung, ihn besonders sympathisch darzustellen, ist ja nicht verkehrt. Und es ist auch nicht verkehrt, dies zu tun, damit der spätere Tod auch beim Leser eine gewisse Emotion auslöst. Wenn schon dies alleine gekünstelt sein soll, warum ist denn nicht alles andere gekünstelt? Da könnte ich ja genau so gut sagen: Ach, diese Frau da wurde ja nur als Figur genommen, weil sie später mal die Geliebte von XY wird. Und die Geburt dieses Kindes, reine Effekthascherei! Das könnte man ja von jeder Figur so sagen, wenn man mit jeder Figur etwas plant. Und soweit ich weiss, ist planen, also plotten, noch bei keinem verpönt, oder?

Also ok, ich hab jetzt alles ein bisschen übertrieben dargestellt, aber ihr wisst schon, worauf ich hinaus will.

Was ich wichtig finde - generell bei Figuren -, ist dass keiner nur einen einzelnen Selbstzweck hat. Die Figur, die sterben wird, hat auch ein ganz normales Leben (Familie, Beziehungen, Hobbies, Sehnsüchte, Freuden etc.). Es muss eine wahrhaftige Figur sein, nicht nur einer, der einfach mal stirbt. Und wenn das gegeben ist, darf man doch von Anfang an alles mit dieser Figur planen, was man möchte.
Titel: Re: Eine Figur schaffen, um sie sterben zu lassen
Beitrag von: Fianna am 12. Mai 2016, 13:48:03
Ich erinner mich an Buch, bei dem fand ich es gar nicht schlimm, dass eine Figur (Söldner) nur zum zeitigen Ableben erschaffen wurde.
Was mich vielmehr gestört hat, war, dass eine andere Figur (ein kleines Kind aus der Gruppe der zu Schützenden) offensichtlich nur als Statist diente, um diese zu tötende Person sympathisch zu machen.
Da es nicht das einzige Kind aus dieser Gruppe war, hätte man genau dieses Kind super weiter verwenden können (das der Leser schon "kennt" und hoffentlich sympathisch findet), um eben in Gefahrensituationen oder in anderen Situationen die Angst der Gruppe deutlich zu machen oder sonstwas. Durch dieses Kind hätte diese Schützlingsgruppe dauerhaft ein Gesicht bekommen können.

Aber sobald der Söldner tot war, hatte das Kind seine Funktion überlebt. Es wurde nicht einmal gezeigt, wie das (vaterlose) Kind auf den Verlust dieser Bezugsperson reagiert. Ja, es war nur eine Nebenfigur, aber dieser abrupte Wegfall hat mich viel mehr gestört als diese offensichtlich durchkonstruierte Persönlichkeit der Person-die-sterben-muss.
Titel: Re: Eine Figur schaffen, um sie sterben zu lassen
Beitrag von: Churke am 12. Mai 2016, 15:07:00
Das sind halt billige Effekte wie bei Super RTL.

Aber wenn ich z.B. einen Roman über Marie Antoinette schreibe, dann ist von S. 1 an klar, wie die Sache ausgeht. Also setze ich mich mit der Figur auseinander und versuche, sie dem Leser so nah wie möglich zu bringen. Und stört sich jemand daran?

Die Biographie eines Menschen vollendet sich im Tod. Man kann (und sollte) bei Crewmitglied #13 die selben Maßstäbe anlegen wie bei historischen Personen. Grenze ist allein der Platz, den man der Figur einnräumen will.
Titel: Re: Eine Figur schaffen, um sie sterben zu lassen
Beitrag von: canis lupus niger am 12. Mai 2016, 16:35:26
Hm, in meinem Fall habe ich die betreffende Figur von Anfang an bis zu ihrem Tod als eine der Hauptfiguren gehandhabt, bloß dass sie (anders als die anderen, überlebenden) keiner der wechselnden Perspektivträger war. Ist das zu offensichtlich? Keine Ahnung. Mir gefällt´s.
Titel: Re: Eine Figur schaffen, um sie sterben zu lassen
Beitrag von: Leygardia am 12. Mai 2016, 16:59:42
Huhu :winke:

Ich selbst bin noch ziemlich am Anfang mit meinem Buch, aber habe auch im Hinterkopf, einen der Hauptcharaktere sterben zu lassen.
Einfach weil ich weiß, dass dieser sehr beliebt ist und es sehr emotional wird. Genau sagen kann ich natürlich noch nicht, dass er sterben wird, aber ich habe es so vor.
Ich persönlich bin da ein bisschen zwiegespalten. Zum Einen rege ich mich immer total auf, wenn ich Filme sehe oder Bücher lese in denen einer der Hauptcharaktere stirbt, beispielsweise in "Der Hobbit" Thorin  :'(
Zum Anderen baue ich aber genau das in mein Buch ein, weil ich weiß, dass es einen sehr mitfiebern und manchmal sogar trauern lässt.

Wie J.K.Rowlings Lektor sagte, selbst sie habe bei einem Tod eines Charakters geweint...

Ich finde, ein Tod eines Hauptcharakters gehört zu einem guten Buch dazu.  :buch:

Grüße, Ley
Titel: Re: Eine Figur schaffen, um sie sterben zu lassen
Beitrag von: Araluen am 12. Mai 2016, 17:41:55
Zitat von: Cailyn am 12. Mai 2016, 13:27:12
Also ich verstehe viele von euch grad nicht. Warum soll eine zum Tod verurteilte Figur künstlich sein oder zur Effekthascherei dienen?
Nein, nein nicht die zum Tode verurteile Person ist Effekthascherei, sondern einen Charakter zu einem Tod zu planen und zwar so, dass der Tod möglichst dramatisch rüber kommt. Wie Maubel schon sagte. Das ist so eine Huhn-Ei-Geschichte. Es geht um die HErangehensweise des Austors. Hast du zuerst die Idee zum Charakter oder die Idee zum Tod?
Wenn du einen Charakter hast und weißt, dass er sterben wird, ist das gut. Wenn du dir aber denkst: Hey ich muss jetzt noch jemanden sterben lassen. Erschaffen wir doch mal schnell einen Charakter dafür, aber möglichst sympathisch, damit der Leser auch ordentlich leidet, wenn er stirbt. Das ist Effekthascherei. Um es im Star Trek Jargon auszudrücken: Es geht um Rothemden. Figuren, die einfach sterben, damit jemand stirbt, in diesem Fall auch noch so, dass der Leser auch ja den Tränen nahe ist.
Titel: Re: Eine Figur schaffen, um sie sterben zu lassen
Beitrag von: Cailyn am 12. Mai 2016, 18:09:23
Ja ok, das versteh ich schon. Ich hab wohl einfach noch keine solche Figur angetroffen. Merkt das der Lesende wirklich? Wenn man jemanden nur zum Sterben erstellt und ihn sympathisch darstellt, kriegt er ja bereits Charakter (ausser natürlich er ist nur nett und lieb ;)).
Hast du ein Beispiel, wo das so rüberkommt?
Titel: Re: Eine Figur schaffen, um sie sterben zu lassen
Beitrag von: Araluen am 12. Mai 2016, 18:19:27
Ein konkretes BEispiel fält mir jetzt ganz ehrlich nicht ein. Es ist nur das Eingangsproblem des Beitrags. Jemand soll sterben, nun brauchen wir den Charakter. Für mich ist das die falsche Herangehensweise, da hier absichtlich auf Tränendrüsen gedrückt werden soll.
Steven Spielberg kann das in seinen Filmen auch immer hervorragend.
Aber ich denke noch einmal darüber nach, wann mir das letzte Mal so ein Charakte rüber den Weg gelaufen ist.
Titel: Re: Eine Figur schaffen, um sie sterben zu lassen
Beitrag von: Maubel am 12. Mai 2016, 18:28:28
Man merkt es häufig, weil der Autor die Figur meistens deutlich weniger ausarbeitet als andere. Und gerade dieses sympathisch machen, finde ich schon zweifelhaft - wenn das wirklich nur die heilige Madonna ist, die kein Wässerchen trüben kann und keine Figur mit Ecken und Kanten. Die Figur, deren Tod mich zum Beispiel bisher am meisten berührt hat, Danner Brombeerdorn aus dem Schwarzen Turm, war definitiv nicht die sympathischste Figur, wenn auch meine Lieblingsfigur, und da war eher die Art wie sein Tod verarbeitet wurde, was mich die ganze Zeit zum Heulen brachte.

Negativbeispiele kommen glücklicherweise nicht so oft in veröffentlichten Werken vor, dass ich jetzt sofort ein konkretes Beispiel hatte - aber im Fanfictionbereich gibts davon zu hauf und in Serien/Filmen, z.b. ganz top-aktuell, weil ich den Film erst letzte Woche zum ersten Mal gesehen habe (leider!) das Notebook/Wie ein einziger Tag
Sorry but you are not allowed to view spoiler contents.

Das war jedenfalls ein Tod, der nur für den Effekt herhalten musste - und dann noch nicht mal genutzt wurde!
Titel: Re: Eine Figur schaffen, um sie sterben zu lassen
Beitrag von: Araluen am 12. Mai 2016, 18:35:20
Ja, wo Maubel es sagt. Fanfiktions -  da kriegt man solche Charaktere öfters aufgetischt und sie machten die Geschichten wirklich nicht besser. Dann fielen mir gerade noch die Chroniken von Siala ein. Ich mag die Reihe. Aber einige Charaktere wirken wirklich rein geschrieben, um sie wieder aussortieren zu können, damit hier und da eben wer sterben kann.
Titel: Re: Eine Figur schaffen, um sie sterben zu lassen
Beitrag von: Churke am 12. Mai 2016, 23:28:13
Zitat von: Araluen am 12. Mai 2016, 17:41:55
Um es im Star Trek Jargon auszudrücken: Es geht um Rothemden. Figuren, die einfach sterben, damit jemand stirbt, in diesem Fall auch noch so, dass der Leser auch ja den Tränen nahe ist.

"Er ist tot, Jim."    :psssst:

https://www.youtube.com/watch?v=BOtx4Jk-OaQ
Titel: Re: Eine Figur schaffen, um sie sterben zu lassen
Beitrag von: Cailyn am 13. Mai 2016, 06:48:54
 Ok, dann werde ich mal etwas aufmerksamer lesen. Kann wirklich sein, dass es solche Figuren gibt. Da bin ich natürlich auch der Meinung, dass man diese unbedingt vermeiden sollte  ;).
Titel: Re: Eine Figur schaffen, um sie sterben zu lassen
Beitrag von: Culham am 13. Mai 2016, 15:35:42
Das mit dem Sterben ist so eine Sache... Da habe ich in Büchern vieles erlebt was mich ärgert.
Eine wichtige Frage ist, wie gehst du sonst mit dem Tod um, zB wenn Nebenfiguren sterben. Es ärgert mich immer wahnsinnig wenn Nebencharaktere sterben und alles danach weiter geht als hätte es sie nie gegeben, aber stirbt eine besondere Figur trägt plötzlich die ganze Welt schwarz, die Sonne verdunkelt sich, usw.
Das heißt für mich, wenn du einen emotionalen Tod darstellen willst, solltest du meines Erachtens da keine zu große Diskrepanz haben. Sonst wirkt es lächerlich.
Und ansonsten: emotionale Schmerzen wirst du nur hervorrufen, wenn es dir selbst auch weh tut. Ich würde aber beim geplanten Tod sehr darauf achten nicht zu übertreiben...
Ach ja! Und ich würde die Figur nur liebevoll ausarbeiten und sich das sympathisch machen nicht übertreiben. Ich werde da als Leser sehr misstrauisch!
Titel: Re: Eine Figur schaffen, um sie sterben zu lassen
Beitrag von: Churke am 13. Mai 2016, 16:05:14
Zitat von: Culham am 13. Mai 2016, 15:35:42
Es ärgert mich immer wahnsinnig wenn Nebencharaktere sterben und alles danach weiter geht als hätte es sie nie gegeben, aber stirbt eine besondere Figur trägt plötzlich die ganze Welt schwarz, die Sonne verdunkelt sich, usw.

Da hast du zwar recht - aber trotzdem ruht Napoleon im Porphyrsarkophag im Invalidendom, während Hunderttausende der Grande Armee irgendwo in Russland verscharrt wurden.  ::)
Das eine ist der Tod eines Helden, das andere der Heldentod.
Titel: Re: Eine Figur schaffen, um sie sterben zu lassen
Beitrag von: Culham am 13. Mai 2016, 18:06:54
Ja, das stimmt. Aber ich meine insbesondere die NCs die eine Bedeutung für irgendwen haben sollten, aber dann doch keine haben, weil sie nur plotrelevant waren...
Titel: Re: Eine Figur schaffen, um sie sterben zu lassen
Beitrag von: Slenderella am 13. Mai 2016, 18:23:47
Manchmal ist der Tod aber einfach Wichtig, um bestimmte Ereignisse anzustoßen (der Charakter selbst war es dann nicht so sehr). Zum Beispiel, wenn man einen anderen Charakter damit aufhetzen möchte, gegen den Antagonisten, oder gegen ein System, usw.

Ich weiß zwar nicht immer wer vorher stirbt, aber ich hab auch so Sterbecharaktere, die da waren, weil jemand sterben musste.

Wirklich blöd ist es mir zweimal ergangen - ich musste einen guten Grund haben, warum sich dieses gewisse Paar widersetzt. Tja ... da blieb dann nur, dass einer sterben muss, damit der andere rebellieren kann. Ich habe eine Münze geworfen. Wer von beiden stirbt war völlig egal, aber einer musste.

Und in einem anderen Buch habe ich zu oft gegen meine eigenen Regeln verstoßen, die musste ich dann irgendwann vollstrecken. Meine Wahl fiel auf eine der Frauen, weil es einfach zu viele waren. Das ist mir auch nicht leicht gefallen, aber es musste halt sein, sonst hätten sich die Leser gefragt, warum das möglich ist, dass die da immer heile rauskommen, obwohl die Regeln völlig klar sind.
Titel: Re: Eine Figur schaffen, um sie sterben zu lassen
Beitrag von: Aircaina am 13. Mai 2016, 18:40:33
Zitat von: Slenderella am 13. Mai 2016, 18:23:47
Manchmal ist der Tod aber einfach Wichtig, um bestimmte Ereignisse anzustoßen (der Charakter selbst war es dann nicht so sehr). Zum Beispiel, wenn man einen anderen Charakter damit aufhetzen möchte, gegen den Antagonisten, oder gegen ein System, usw.
Das stimmt. Aber da ist es doch manchmal wirklich das Problem, dass es schlichtweg zu schnell abgehakt wird. Ein bis zwei Kapitel danach trauert die Figur noch um den Gestorbenen und schwört Rache, dann wird dieses Motiv, wenn überhaupt, nur noch am Rande erwähnt. Vielleicht wird im oder nach dem Finale noch einmal stärker darauf eingegangen. Zumindest habe ich das schon in vielen Büchern und auch Filmen erlebt. Da fühlt es sich als Leser/Zuschauer meiner Meinung nach viel zu stark konstruiert an. Ich finde es nicht schlimm, wenn eine für den Protagonisten wichtige Figur schon zu Beginn der Geschichte stirbt, aber es sollte dann nicht das Gefühl zurück bleiben, dass diese Figur eigentlich absolut keine Substanz hatte.

Zitat von: Slenderella am 13. Mai 2016, 18:23:47
Wirklich blöd ist es mir zweimal ergangen - ich musste einen guten Grund haben, warum sich dieses gewisse Paar widersetzt. Tja ... da blieb dann nur, dass einer sterben muss, damit der andere rebellieren kann. Ich habe eine Münze geworfen. Wer von beiden stirbt war völlig egal, aber einer musste.
Das fände ich als Experiment ganz interessant, dieses Münzwerfen. Allerdings würde ich es vermutlich eher in einer Kurzgeschichte ausprobieren. Hat das wirklich gar keinen Unterschied gemacht? Immerhin sind Figuren selbst vom Verhalten her in der Regel sehr verschieden.
Titel: Re: Eine Figur schaffen, um sie sterben zu lassen
Beitrag von: Slenderella am 13. Mai 2016, 19:06:07
Ja, es ist hierbei egal. Die beiden wurden entführt, um eine Geisterarmee in den Krieg zu führen, weil die Geister menschliche Kraft als Antrieb brauchen und zwar, um ihr eigenes Land zu retten. Ergo würden die das schon beide machen, ist halt ein Fürstenpaar.
Ich brauchte allerdings beide nun auf einer anderen Seite, bzw. diese Geisterarmee. Also musste einer von beiden draufgehen. Der POV ist natürlich damit hin gewesen, denn ich wechsle bei Hourglass Wars die Charaktere pro Kapitel. Ihrer fehlt nun. Aber damit kann ich leben.
Es wäre aber für ihre Handlung egal gewesen, ob jetzt sie oder er stirbt, denn beide hätten sich ja dann für die andere Seite entschieden. Wie sie reagieren (dass er jetzt die ganze Zeit der fremden Königin Avancen macht), ist natürlich eine Veränderung. Das wäre bei ihr als weiter handlungsrelevantem Charakter nicht passiert, die beiden hätten sich wahrscheinlich angezofft bis der Arzt kommt :)
Titel: Re: Eine Figur schaffen, um sie sterben zu lassen
Beitrag von: Aircaina am 13. Mai 2016, 21:28:11
Zitat von: Slenderella am 13. Mai 2016, 19:06:07
Es wäre aber für ihre Handlung egal gewesen, ob jetzt sie oder er stirbt, denn beide hätten sich ja dann für die andere Seite entschieden. Wie sie reagieren (dass er jetzt die ganze Zeit der fremden Königin Avancen macht), ist natürlich eine Veränderung. Das wäre bei ihr als weiter handlungsrelevantem Charakter nicht passiert, die beiden hätten sich wahrscheinlich angezofft bis der Arzt kommt :)
Das ist ja interessant. Da könnte ich glaube ich nicht widerstehen und würde beide Versionen schreiben wollen.  ;D Ich denke, eine Veränderung ist das schon, nur halt nicht unbedingt für die Handlung. Eher für das Schreibgefühl und die Wahrnehmung des Lesers, wobei letzterer ja nichts von dem Münzwurf weiß.
Titel: Re: Eine Figur schaffen, um sie sterben zu lassen
Beitrag von: Fianna am 13. Mai 2016, 21:47:17
Zitat von: Aircaina am 13. Mai 2016, 21:28:11Das ist ja interessant. Da könnte ich glaube ich nicht widerstehen und würde beide Versionen schreiben wollen. 
Ich hätte strategisch wie ein Kriegsherr oder Schachspieler berechnet, welche Version ich für bereichernder halte  ;D
Titel: Re: Eine Figur schaffen, um sie sterben zu lassen
Beitrag von: Slenderella am 14. Mai 2016, 11:15:15
Definitiv seine, ich mag es, dass er die Königin anbaggert  ;D
Auch wenn ich sie eigentlich lieber mag.
Titel: Re: Eine Figur schaffen, um sie sterben zu lassen
Beitrag von: catlord am 15. Mai 2016, 08:02:27

Zitat von: Culham am 13. Mai 2016, 15:35:42
Da hast du zwar recht - aber trotzdem ruht Napoleon im Porphyrsarkophag im Invalidendom, während Hunderttausende der Grande Armee irgendwo in Russland verscharrt wurden.  ::)
Das eine ist der Tod eines Helden, das andere der Heldentod.

Hah, wie wahr.  ;D

Für mich liegt der Unterschied aber, wie du beschreibst, darin wie der Tod zelebriert wird oder nicht - nicht zwangsweise wie er stattfindet (Sonne verdunkelt sich grundsätzlich nicht nur weil jmd stirbt, egal wer, usw). Es GIBT coole epische Helden-Opfertode und sie mögen passen, aber mich (als Leser) nimmt das weniger emotional mit. Weil ich ja weiss, dass es so sein musste. Beispiel: Der Kriegerprinz opfert sich im Endkampf mit dem bösen Dämon. Das entlockt mir höchstens eine einzelne, männliche Träne des Stolzes. Sein Kreis ist abgeschlossen. Good job, jetzt kommt er in den Himmel. Bruce Willis in Armageddon. Clint Eastwood in Gran Torino. Klar ist man kurz traurig, aber es ist irgendwie befriedigende Trauer. Selbst wenn die Story danach nicht endet (blödes Beispiel, aber Gandalf/Balrog!) kann ich sehr gut damit leben, wenn der Tod würdig und glänzend ist.

Was mich bei Toden besonders berührt ist die unfaire, unendlich brutale Beiläufigkeit mit der sie im echten Leben passieren. Ein "guter" Protagonistentod reflektiert das für mich. Beispiel: Leonardo DiCaprio/Departed. Du siehst oder liest es und sitzt erstmal da und denkst "Fuck!". Keine letzten Worte, kein "Mission accomplished". Das bringt mich dazu, WIRKLICH an die Macht des Todes zu denken.

Reale (...und unreale) physische Gewalt ist unendlich unterschätzt und wird meines Erachtens oft zu 'langsam' und 'inkompetent' dargestellt. Solche Szenen können für mich als Leser mein Lese-Erlebnis ruinieren.
Dämliches Beispiel: Ein Dämon mit schreeeeecklichen Klauen und gemeinem hissenden Schnabel taucht auf und kämpft gegen den Helden.
Variante A: Held tötet das Vieh in einer Auseinandersetzung epischer Ausmaße doch erliegt seinen schweren Verletzungen noch am Kampfort. Glamour, slow clap.
Variante B: Held beisst die Zähne zusammen und wagt einen Angriff - immerhin ist er Heerführer/Champion/Besieger des X/etc. Die Klaue des Dämons ist unweltlich schnell und gleitet durch seine Lederrüstung wie ein gutes Küchenmesser durch Tomaten. Die Szene schliesst damit ab, wie der Dämon ein paar Bissen vom Aufgespiessten nimmt und sich durch sein Portal zurück in die Hölle verzieht.

Variante A ist für mich die U18-Variante und Variante B ist das wirkliche (abgesehen davon dass es komplett ausgedacht ist) Leben. Variante A suggeriert nicht nur dass Menschen/Elfen/etc Dämonen töten können, sondern gibt auch ein befriedigendes Gefühl. Bei Variante B würde bei mir als Leser der emotionale Schock ganz klar überwiegen und vermutlich würde ich auch in nachfolgenden Kapiteln denken "Mann, wäre der Kerl nicht plötzlich draufgegangen, was würde er wohl jetzt machen? Das Leben ist grausam" und "Hoffentlich kommt der Dämon nicht zurück". Wohingegen Variante A mehr so die "OMG der Portagonist war so süß und er ist für seine Liebe gestorben, damit sie jetzt mit seinem Bruder glücklich werden kann - cuteeee xxXX" Schiene bedient.

Maßlos übertrieben natürlich. Und Ausnahmen bestätigen die Regel. Mein Punkt: Je schneller und fieser der Tod, desto größer die damit assoziierte Leser-Emotion. Zumindest bei mir. Wem auch immer das hilft  :omn:

 
Titel: Re: Eine Figur schaffen, um sie sterben zu lassen
Beitrag von: Aircaina am 15. Mai 2016, 10:10:39
Zitat von: catlord am 15. Mai 2016, 08:02:27
Maßlos übertrieben natürlich. Und Ausnahmen bestätigen die Regel. Mein Punkt: Je schneller und fieser der Tod, desto größer die damit assoziierte Leser-Emotion. Zumindest bei mir. Wem auch immer das hilft  :omn:
Ich persönlich mag die Variante B auch lieber. Das erschreckt mich als Leser viel mehr und dieser Schock nimmt mich emotional mehr mit. Es muss nicht mal sowas Episches wie der Kampf gegen einen Dämon sein. Die Figur stolpert, fällt eine Treppe runter und bricht sich das Genick. Solche unnötigen Sache finde ich immer am Härtesten.
Aber auch der klassische Heldentod muss manchmal einfach sein.  ;D Allerdings ist es da meiner Meinung nach wichtig, dass es auch realistisch ist, dass die Figur irgendeine Chance hat gegen wen oder was sie kämpft. Wenn Frodo gegen den Balrog kämpfen würde, würde er es schlichtweg nicht schaffen können, solange zu überleben, bis er Gandalf gerettet hat. Doofes Beispiel. Wo wir dabei sind: Der Tod von Gandalf hat mir zum Beispiel gut gefallen, auch wenn da das typische Motiv der Rettung mit eingeflossen ist.   
Titel: Re: Eine Figur schaffen, um sie sterben zu lassen
Beitrag von: Sturmbluth am 15. Mai 2016, 10:40:40
Zitat von: catlord am 15. Mai 2016, 08:02:27
Dämliches Beispiel: Ein Dämon mit schreeeeecklichen Klauen und gemeinem hissenden Schnabel taucht auf und kämpft gegen den Helden.
Variante A: Held tötet das Vieh in einer Auseinandersetzung epischer Ausmaße doch erliegt seinen schweren Verletzungen noch am Kampfort. Glamour, slow clap.
Variante B: Held beisst die Zähne zusammen und wagt einen Angriff - immerhin ist er Heerführer/Champion/Besieger des X/etc. Die Klaue des Dämons ist unweltlich schnell und gleitet durch seine Lederrüstung wie ein gutes Küchenmesser durch Tomaten. Die Szene schliesst damit ab, wie der Dämon ein paar Bissen vom Aufgespiessten nimmt und sich durch sein Portal zurück in die Hölle verzieht.
Diese Variante B war es, die ich meinte, als ich diesen Thread hier eröffnet habe. Es geht mir um den Tod einer Figur, die eben nicht von Anfang an durch ihre Rolle für den Tod vorgesehen ist (wie in Variante A). Nur habe ich das etwas unglücklich ausgedrückt, indem ich sagte "Damit der Leser emotional angesprochen wird, muss er die Figur ersteinmal mögen." Aber ich denke, du hast es auf den Punkt gebracht. Um den Leser emotional zu packen, geht es nicht (nur) darum, dass er die Figur mag, nein, er muss auch überrascht sein von ihrem Tod.
Titel: Re: Eine Figur schaffen, um sie sterben zu lassen
Beitrag von: Churke am 15. Mai 2016, 11:22:24
Zitat von: Sturmbluth am 15. Mai 2016, 10:40:40
Um den Leser emotional zu packen, geht es nicht (nur) darum, dass er die Figur mag, nein, er muss auch überrascht sein von ihrem Tod.

Wenn ich den Tod als das ultimative Scheitern betrachte, kommt er so überraschend wie eine Niederlage im WM-Endspiel. Man hätte es sehen können, man hätte es sehen müssen...
Titel: Re: Eine Figur schaffen, um sie sterben zu lassen
Beitrag von: Tintenteufel am 15. Mai 2016, 11:48:21
Ohne mich jetzt durch die restlichen vier Seiten gewühlt zu haben, möchte ich nur zu dem letzten Ansatz meinen Senf dazu geben.
Das sehe ich nämlich nicht so. Man muss nicht von ihrem Tod überrascht sein. Einige der besten Todesszenen riecht man Meilen gegen den Wind - entweder weil man die Geschichte schon kennt oder es einfach unausweichlich ist.
Kann mir niemand erzählen, dass irgendwer überrascht ist vom Tod Hamlets oder Siegfrieds.
Tatsächlich kann  es durchaus effektiver und emotionaler sein, wenn der Tod bereits recht früh fest steht und der Leser nur noch dabei zu schaut, wie genau dieser spezifische Zug jetzt eigentlich in den Abgrund rast.

Nehmen wir mal Titanic. Ist jetzt nicht der epischste Fantasyfilm überhaupt...aber definitiv einer der emotionalsten oder schmalzigsten, je nach Geschmack. Aber jeder, absolut jeder, kennt das Ende. Schon bevor der Film raus kam war das allen bekannt. Macht Jacks Tod am Ende jetzt nicht weniger tragisch oder berührend sondern eher noch das Gegenteil: Weil wir wissen, dass die beiden nicht zusammen sein können, dürfen und werden, wird jede Szene mit denen trauriger, tragischer. Selbst die hübschen, leichten Szenen bekommen einen bitteren Geschmack.
Jetzt stellt euch mal bitte vor, der Ehemann von Rose würde Jack einfach bei einem Abendessen erschießen. Aus heiterem Himmel. Zweifellos sehr schockierend, hätte aber die emotionale Schlagkraft eines erdolchten Fisches - all die Liebesszenen liefen so ziemlich ins Leere.

Ganz abgesehen davon, @catlord, dass "grimdark bloody realism" jetzt auch nicht unbedingt so ehm...erwachsen sein muss. Siehe Warhammer 40.000, das absolut lächerlichste, kindischste Franchise, das es neben Transformers so gibt.  ::)