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Handwerkliches => Das Sprachbastelboard => Thema gestartet von: chaosqueen am 03. September 2015, 22:43:30

Titel: Imperative korrekt benutzen
Beitrag von: chaosqueen am 03. September 2015, 22:43:30
Mir fällt in letzter Zeit immer mehr auf, dass der korrekte Imperativ vielen Menschen überhaupt nicht mehr gläufig ist.
Da mein bester Freund ja eh schon meint, ich sei auf einem Rechtschreib- und Grammatikkreuzzug (womit er nicht ganz Unrecht hat) und ich auch im TiZi immer wieder über falsche Imperative stolpere, mache ich mal einen Thread dazu auf.

Woher kommt eigentlich dieser recht konsequente falsche Gebrauch? Warum liest man neuerdings an allen Ecken "lese doch richtig" statt "lies"? Oder "gehe da vorne links", "esse abends keine Kohlenhydrate" oder Vergleichbares?
Warum wird die erste Pers. Sg. statt des Imperativs benutzt? Und woher kommt das?

Und: bin ich die einzige, deren Fußnägel unter akuter Aufrolleritis leiden, wenn sie das liest?
Titel: Re: Imperative korrekt benutzen
Beitrag von: Maja am 03. September 2015, 22:45:54
Zitat von: chaosqueen am 03. September 2015, 22:43:30Und: bin ich die einzige, deren Fußnägel unter akuter Aufrolleritis leiden, wenn sie das liest?
Nein, leider nicht. Das geht mir auch so. Es gibt einfach zu viele Menschen, die denke, der Imperativ wird grundsätzlich durch ein angehängtes E gebildet. Aber zumindest hier im Forum hab ich das noch keinen falsch machen sehen.
Titel: Re: Imperative korrekt benutzen
Beitrag von: Thaliope am 03. September 2015, 22:48:40
Erstens: Nein, du bist nicht die Einzige :)
Zweitens: Über den Grund kann ich nur spekulieren, aber anhand der Beispiele würde ich mal vermuten, dass die Menschen im Zuge sprachlicher Ökonomie und Abschleifungen starke Beugungen vermeiden - also zu faul sind, den Stammvokal bei der Flektion zu verändern. Das geht ja auch bei den Konjunktiven gern verloren.

Tendenziell waren diese Fehler in der gesprochenen Sprache schon immer ziemlich verbreitet. Dass wir sie jetzt auch geschrieben sehen müssen, liegt wohl daran, dass dank Web x.o jeder das, was er früher nur gesagt hätte und was einem kurz unangenehm am Trommelfell gekratzt hätte, jetzt eben schreibt und damit dauerhaft die Augen belästigt :)
Titel: Re: Imperative korrekt benutzen
Beitrag von: Aljana am 04. September 2015, 06:57:51
Nachdem ich meinen PC neu aufgesetzt hatte und ein Rechtschreibprogramm runtergeladen, hat mir das sogar meine Imperative wegkorrigiert und in erste Person Singular geändert. Ich ab das Ding gleich wieder von der Festplatte geschmissen.

Also nein, du bist nicht allein. Aber es scheint, dem korrekten Genitiv folgend, das nächste zu seiner, was aus der Sprache verschwindet. Und da es in Werbung etc benutzt wird, kommt es den Leuten auch noch richtig vor.
Titel: Re: Imperative korrekt benutzen
Beitrag von: Ilva am 04. September 2015, 08:53:59
Zitat von: Thaliope am 03. September 2015, 22:48:40
Zweitens: Über den Grund kann ich nur spekulieren, aber anhand der Beispiele würde ich mal vermuten, dass die Menschen im Zuge sprachlicher Ökonomie und Abschleifungen starke Beugungen vermeiden - also zu faul sind, den Stammvokal bei der Flektion zu verändern. Das geht ja auch bei den Konjunktiven gern verloren.
Und beim Präteritum. "Ich bewerbte mich", "ich leste", zum Beispiel, alles schon gesehen. Hier im Forum noch nicht, aber das scheint sonst weit verbreitet zu sein. Ich bin mir nicht sicher, ob ich zetern und über die Verrohung der Sprache schimpfen soll, oder ob der Verlust der starken Beugung "zur normalen Abnutzung" gehört. Schliesslich war Sprache kaum jemals eine Konstante, nicht? Auch wenn ich es schade finde und es mir in den Ohren wehtut.

OT: Was mich aber umgehauen hat, war die falsche Verwendung von "das" und "dass" in einer Fernsehwerbung. (Ok, war auf MTV, das N steht übrigens für Niveau. ;) Dennoch, wie sollen die Kinder es denn lernen, wenn sie es schon falsch vorgelebt bekommen?)
Titel: Re: Imperative korrekt benutzen
Beitrag von: Sascha am 04. September 2015, 09:30:27
Ich muß da leider sagen, daß ich diese Ohrenschmerzen gerne mal von meiner Frau verpaßt kriege.
"Esse jetzt!" oder "Setze dich hin!" oder "Lese doch mal ein Buch!". Und mir hat sogar mal jemand in einer Zeitungsanzeige aus "Laß [uns dies und jenes machen – NEIN, nicht was Ihr denkt!]" ein "Lasse" gemacht. Argh!
Ich weiß ned, meine Frau hat ja nun aufgrund des familiären Backgrounds nicht viel Schulbildung mitbekommen (und ärgert sich heute noch drüber), und manchmal hab ich den Eindruck, das hat auch was damit zu tun, daß sie aus dem Osten kommt (Dresden). Aber das kann auch völlig daneben sein. Die Zeitungsanzeige auf jeden Fall wurde auch im "Osten" bearbeitet.
Ich mag sie natürlich nicht jedes Mal verbessern, achte aber umso mehr darauf, es meinen Kindern gegenüber deutlich richtig auszusprechen, "Iss", "Setz" und "Lies". Prompt komt ab und zu ein "Aber Mama sagt doch ..." :(

Die Präteritum-Fehler (oder ist es Imperfekt??) hab ich so noch nicht wahrgenommen, außer natürlich von meinen Kindern ( 6&8 ), aber die verbessere ich dann halt eifrig. Das ist ja glatt noch grusliger.
Titel: Re: Imperative korrekt benutzen
Beitrag von: Lauren Mandrake am 04. September 2015, 09:31:05
Witzig, genau über solche Fälle hatte ich in der Uni mal eine Vorlesung.
Viel ist nicht hängengeblieben, allerdings weiß ich noch, dass Sicks Aussage "der Dativ sei des Genitivs Tod" so auch gar nicht stimmt. Nur eine Funktion des Genitiv übernimmt in der Alltagssprache der Dativ. Ich müsste in meinem Hirn wirklich tief graben, um das jetzt zu finden.

Zum Imperativ:
Ich lebe in Hessen. Hier gibt's den gar nicht *lach*
Also, wirklich nur mit "ess", les" und so weiter. Allerdings sind in den Anfangsbeispielen auch schon Sachen drin, die richtig sind. So ist z.B. der Imperativ von "Gehen", tatsächlich "gehe", bzw. "geh". (Das Schwa am Ende wird ja eh gern mal geschluckt.)
Ich find das im Alltag jetzt gar nicht schlimm, ehrlich gesagt.

Ich habe mich mit dem guten, alten, unabwendbaren Sprachwandel angefreundet. Bastian Sick kriegt von so was tatsächlich Zeh-Aufrolleritis, aber aufhalten kann man solche Prozesse gar nicht.
Das heißt, ja klar, für viele sieht's nach Verfall der deutschen Sprache aus, aber eigentlich verändert sich die Sprache.
Gründe dafür gibt's viele. Meine Professorin mag den hier am liebsten: "Der Mensch ist faul."

Ja, klar, ich bin dafür, dass man es nach den Duden-Standards an Schulen und Unis ordentlich in der Schriftsprache lehrt.
Und dass es auch außerhalb von Bildungsanstalten, im Beruf z.B. so gehalten werden sollte.
Aber was wir im Alltag mündlich damit machen, können wir damit ja kaum beeinfllussen.

Falls ihr nur und rein von der Standard-Schriftsprache sprecht, stimme ich euch zu.
Falls ihr auch mit an die mündliche Sprache denkt, habe ich eben ein paar milde Einwände :)

@Ilva hat auch schön gesagt: "Schliesslich war Sprache kaum jemals eine Konstante, nicht?"
Titel: Re: Imperative korrekt benutzen
Beitrag von: cryphos am 04. September 2015, 09:56:34
Sprache lebt und verändert sich. Das sieht man im Deutschen zum Beispiel daran, dass die starken Verbformen aussterben (buk vs. backte). Aber auch im Englischen, wie wohl in jeder lebenden Sprache, kann man das beobachten. Dort wurde das vertrauliche thou (du) durch das formelle Sie (you) ersetzt (s. Hamlet).
Grund dafür ist, dass der Mensch nun einmal zu Optimierungen neigt oder schlicht faul ist. Erst verändert sich das gesprochene Wort, dann, nach einiger Zeit, fasst es in der Schrift Fuß und schlussendlich landete s so in der Grammatik oder im Wörterbuch.
Für einige ist das befremdlich und störend aber wir können den Prozess nicht umkehren, sondern nur verlangsamen.
Imperativ, Genetiv, Konjunktiv starke Verformen sind mir gerade die präsentesten Beispiele wie sich die deutsche Sprache vereinfacht. Auch ich finde das weder schön noch wünschenswert, doch ich versuche mich damit zu arrangieren.
Ansonsten hilft mir oft, Zeh- und Fingernägel ganz kurz zu schneiden und eine große Portion spöttischen Humors.
Titel: Re: Imperative korrekt benutzen
Beitrag von: Merwyn am 04. September 2015, 10:36:47
Ich krieg auch immer die Krätze, wenn ich sowas lese. Besonders "gebe" statt "gib" find ich ganz schlimm.
Lernt man die starken und schwachen Verben nicht schon in der Grundschule? Das müsste dann doch eigentlich in Fleisch und Blut übergehen. Denke ich mir zumindest immer.

Wenn jemand dauernd "lasse" und "esse" und "lese" verwendet, hört sich das in meinen Ohren auch nicht nach Weiterentwicklung der Sprache an, sondern eher nach einem riesigen Rückschritt. Jetzt mal unabhäng davon, dass es grammatikalisch nicht stimmt, klingt es für mich auch einfach nur altertümlich. "Gebe er mir das königliche Zepter", so in die Richtung ;)

Inzwischen ist das glaub ich schon so eine Art vererbtes Problem. Die Eltern wissen nicht, wie's richtig heißt, die Kinder übernehmen es falsch, und meistens steckt man noch ein paar Leute im Umfeld an.
Ist euch das schon mal passiert? Irgendwer im Bekanntenkreis hat einen Worttick, und ihr ertappt euch dabei, wie ihr das selbst benutzt? Das ist total ansteckend und man kann es sich ganz schlecht wieder abgewöhnen, auch wenn man es möchte.
Wahrscheinlich ändert es dann deswegen nicht mehr viel am aktiven Sprachgebrauch, wenn man z.B. in der Schule beigebracht kriegt, wie es richtig heißen müsste.
Titel: Re: Imperative korrekt benutzen
Beitrag von: Zit am 04. September 2015, 11:56:50
Aber sind Menschen wirklich so lernresistent? Und muss man alles immer mit einem Schulterzucken hinnehmen "ist halt Wandel"?
Ich weiß nicht, mir sind falsche Imperative noch nie begegnet, jedenfalls nicht in den letzten Wochen, dass ich mich daran erinnern könnte. Weder im realen Leben noch privat. (Aber ich habe ja auch kein Kabelfernsehen.) Jedenfalls, was mir im Internet öfter ins Auge sticht, ist allgemein eine schlechte Rechtschreibung, Ausdrucksweise und völlige Ignoranz der Groß- und Kleinschreibung. Von halbwegs korrekten Satzzeichen will ich gar nicht reden. ("Wie, hinter Kommata und Punkte muss ein Leerzeichen? Und was sind überhaupt Kommata?" ::) ) Da fällt der falsche Imperativ schon gar nicht mehr auf, weil alles andere schon krumm ist.
Titel: Re: Imperative korrekt benutzen
Beitrag von: flowrite am 04. September 2015, 14:26:06
Meiner Meinung nach hat die Sprache, oder vielmehr haben die Sprecher in Bezug auf die Sprache, größere Probleme als die richtigen Imperativformen. Was ist schon dabei im Vergleich etwa zur Anrede mit "Alter" oder "Bitch". Zwar handelt es sich bei diesen Ausdrücken um Jugendslang der "bildungsfernen" Schichten. Wenn sich auch nicht verallgemeinernd sagen lässt, dass die Jugend das Deutsch von morgen spricht – es ist schließlich der Sinn von Jugendslang, so zu reden, wie es die Erwachsenen am meisten ärgert – , ein paar solcher Ausdrücke werden die Einkehr der Vernunft aber überstehen. Und wenn man dann ankommt und sagt: "Sprich erst mal ordentliches Deutsch, Mann!", so kriegt man es postwendend zurück mit "Sprech du ers' ma rischtisch, du Schneemann von Gestern!"

Um auf deutsch von morgen einstimmen, können wir ja schon in diesen thread so reden. :D

Titel: Re: Imperative korrekt benutzen
Beitrag von: Sprotte am 04. September 2015, 14:32:44
Der falsche Imperativ ist mir noch nicht so häufig begegnet wie das schauderhafte "alswie" (als Ersatz für den korrekten Gebrauch von als oder wie der Einfachheithalber immer alswie) oder der Deppengenitiv: Thomas sein Auto.
Titel: Re: Imperative korrekt benutzen
Beitrag von: Thaliope am 04. September 2015, 14:35:10
Ach, Sprotte, das "alswie", ne? Das hat schon der Goethe benutzt, des kann so falsch net sei. ;)

Und es ist natürlich dem Thomas sein Auto - ich liebe den Deppengeneitiv, gerade bei Namen, die auf s enden, ist er ungemein praktisch :)
Titel: Re: Imperative korrekt benutzen
Beitrag von: Miezekatzemaus am 04. September 2015, 14:35:19
Zitat von: Sascha am 04. September 2015, 09:30:27
"Esse jetzt!" oder "Setze dich hin!" oder "Lese doch mal ein Buch!".
Was ist denn an "setze" falsch? "Sitz" gibt es ja nicht, das hab ich gerade nachgeguckt. Oder meinst du das e? Wenn ich es richtig verstanden habe, ist es optional, das hinten anzuhängen.

Mein Lieblingsspruch darauf ist ja "das schreibt man aber mit I wie Imperativ", nur wirkt man damit so schnell arrogant. Ich verbessere es manchmal, wenn ich es höre und zu der Person einen guten Draht habe/weiß, dass sie es mir nicht übel nimmt. In meiner Klasse würde niemand "iss", "lies", "gib" oder "nimm" sagen, sondern "ess", "les", "geb" und "nehm". Na gut, bis auf zwei, drei Ausnahmen.
Titel: Re: Imperative korrekt benutzen
Beitrag von: Sprotte am 04. September 2015, 14:37:48
Thali, du machst kleiner Sprotte Angst! *mimimimi*  :schuldig:
Titel: Re: Imperative korrekt benutzen
Beitrag von: Thaliope am 04. September 2015, 14:49:45
 :darth:


:rofl:


(Ja, tschuldigung, Posts sollen nicht nur aus Smiley bestehen. Aber wir sind doch hier im Thread für die grammatikalisch Herausgeforderten, oder? :D)
Titel: Re: Imperative korrekt benutzen
Beitrag von: Sascha am 04. September 2015, 15:45:54
Zitat von: Miezekatzemaus am 04. September 2015, 14:35:19
Was ist denn an "setze" falsch? "Sitz" gibt es ja nicht, das hab ich gerade nachgeguckt. Oder meinst du das e? Wenn ich es richtig verstanden habe, ist es optional, das hinten anzuhängen.
Okay, Du hast recht, "setze" ist auch richtig. War ein unpassendes Beispiel, ich bin den Imperativ ohne das "e" gewohnt, aber mit stimmt auch.

Zitat von: Miezekatzemaus am 04. September 2015, 14:35:19
In meiner Klasse würde niemand "iss", "lies", "gib" oder "nimm" sagen, sondern "ess", "les", "geb" und "nehm". Na gut, bis auf zwei, drei Ausnahmen.
Das macht mir Angst. Zumindest in der Schule sollten die Kinder doch noch anständiges Deutsch beigebracht bekommen, wenn sie es schon von daheim nicht mehr mitbekommen.

Bei "lies" fällt mir grad die lustige Aktion der Salafisten vor einer Weile ein, als sie in den großen Städten Korane verteilt haben, und auf den Transparenten stand groß: "Lies!" Ich hab mir gedacht "Naja, auf Englisch stimmt's." ;D
Titel: Re: Imperative korrekt benutzen
Beitrag von: Tinnue am 04. September 2015, 15:53:32
ZitatIn meiner Klasse würde niemand "iss", "lies", "gib" oder "nimm" sagen, sondern "ess", "les", "geb" und "nehm". Na gut, bis auf zwei, drei Ausnahmen.

Das klingt nach Spaß. Ich schüttel mich da immer furchtbar.  ;D
Titel: Re: Imperative korrekt benutzen
Beitrag von: Severin am 04. September 2015, 18:57:44
In solchen Fällen komme ich immer gern mit dem Bild vom Fluss: Der wird im Laufe der Zeit einen Weg auswaschen, auf dem er am besten, einfachsten und schnellsten zum Meer kommt. Entsprechend werden die Leute so sprechen, dass sie davon ausgehen (können), dass ihr Gegenüber sie versteht. Die Seitenarme, sprich die "ausgefalleneren" Möglichkeiten von Sprache, werden irgendwann Altarme und abgehängt. Daran lässt sich prinzipiell einfach kaum etwas ändern. Sprache ist in der Perspektive der meisten Leute erstmal ein Werkzeug bzw. ein Weg ein Ziel zu erreichen (wie der Fluss). Entsprechend werden die Leute damit umgehen.
Das schließt natürlich nicht aus, dass manche/r immer noch neue (alte) Wege findet und beschreitet - und sich die Zeit dafür zu nehmen finde ich auch immer eine gute Investion ;) -, aber der Großteil wird sich davon nicht beirren lassen.
Aber das Einzige, was man wohl tun kann, wenn man anderen Leuten dabei helfen will, ist ihnen wenigstens eine Karte mitzugeben, auf der auch die weniger befahrenen Routen verzeichnet sind. Für eine entscheiden werden sie sich selbst. :)
Titel: Re: Imperative korrekt benutzen
Beitrag von: Churke am 04. September 2015, 21:32:15
Zitat von: Miezekatzemaus am 04. September 2015, 14:35:19
In meiner Klasse würde niemand "iss", "lies", "gib" oder "nimm" sagen, sondern "ess", "les", "geb" und "nehm". Na gut, bis auf zwei, drei Ausnahmen.
Dialektgrammatik? War bei mir genauso.  ;D Allerdings wird das Pfälzische mehr und mehr vom Ausländerdeutschen verdrängt. Die sagen das wahrscheinlich auch, ich hab da nie so genau darauf geachtet.

Zitat von: Sascha am 04. September 2015, 15:45:54
Das macht mir Angst. Zumindest in der Schule sollten die Kinder doch noch anständiges Deutsch beigebracht bekommen, wenn sie es schon von daheim nicht mehr mitbekommen.

Dialekte sind hartnäckig. Mit dem anständigen Deutsch hatte schon William (Wilhelm) Dieterle https://de.wikipedia.org/wiki/William_Dieterle so seine Schwierigkeiten...
Titel: Re: Imperative korrekt benutzen
Beitrag von: Miezekatzemaus am 04. September 2015, 21:37:07
Das ist bei uns kein Dialekt, Churke, wir reden Hochdeutsch. Wir verschlucken nur gerne die letzten Vokale eines Wortes. :)

@Fafharad unter mir: Ich merke das immer an, wenn ich sowas finde, auch in der wörtlichen Rede. Ich finde, Dialekte und Co. sind eine Sache, Grammatik eine andere. Es sei denn, es ist für mich deutlich ersichtlich, dass die falsche Form beabsichtigt ist, weil der spätere Leser das dann wahrscheinlich auch so sehen könnte.
Titel: Re: Imperative korrekt benutzen
Beitrag von: Fafharad am 04. September 2015, 22:19:45
Was macht ihr eigentlich beim Betalesen, wenn ihr auf die falschen Imperative stoßt? Oder Genitive? Oder Konjunktive?
Bitte sagt mir, dass ihr's korrigiert  :bittebittebitte:.
Klar, man könnte mit dem Argument "Das ist halt Allgemeinsprache" oder "Sprache unterliegt nun mal einem ständigen Wandel" schulterzuckend über so was hinwegsehen. Aber solche Entwicklungen spielen sich nun mal vorrangig im gersprochenen Deutsch ab. Und eine Whatsapp ist in meinen Augen auch nur verlängerte Sprache, kein Schrifterzeugnis.
Literatur unterliegt glücklicherweise noch dem Diktat des sprachlichen Anspruchs; für sie gelten grammatikalische Regeln, nicht für das gesprochene Wort. Das merkt ihr ganz schnell, wenn ihr versucht, jemandem klarzumachen, dass er bitte "Iss das!" sagen soll  :snicker:. Kinder dürfen noch korrigiert werden, aber das geschieht vor allem im Rahmen der Allgemeinsprache, die die Eltern sprechen.
Titel: Re: Imperative korrekt benutzen
Beitrag von: cryphos am 04. September 2015, 23:25:43
Zitat von: flowrite am 04. September 2015, 14:26:06
[...] Was ist schon dabei im Vergleich etwa zur Anrede mit "Alter" oder "Bitch". Zwar handelt es sich bei diesen Ausdrücken um Jugendslang der "bildungsfernen" Schichten. [...]

"Papa, kannst du bitte aufpassen, dass du mir nicht auf die Füße trittst, wenn du mit dem Tablett läufst um den Tisch zu decken?" Mein Sohn mit 3,5 Jahren, als ich ihn beim Frühstückstisch decken tatsächlich übersehen und fast umgekrempelt hatte.
"Ey Alda, Geilo" der gleiche Bub vier Monate später zu seiner Oma.
Ich kenne genug Kinder aus Akademikerfamilien, die sich derart ausdrücken, wie du es den "bildungsfernen" Schichten unterstellst. Von daher Bullshit.  ;)

Zitat von: Fafharad am 04. September 2015, 22:19:45
Was macht ihr eigentlich beim Betalesen, wenn ihr auf die falschen Imperative stoßt? Oder Genitive? Oder Konjunktive?
Bitte sagt mir, dass ihr's korrigiert  :bittebittebitte:.

Insofern es nicht Teil einer wörtlichen Rede ist, aye, es wird angestrichen, genauso wie die und am Satzanfang ...

Zitat von: Severin am 04. September 2015, 18:57:44
In solchen Fällen komme ich immer gern mit dem Bild vom Fluss: Der wird im Laufe der Zeit einen Weg auswaschen, auf dem er am besten, einfachsten und schnellsten zum Meer kommt. Entsprechend werden die Leute so sprechen, dass sie davon ausgehen (können), dass ihr Gegenüber sie versteht. Die Seitenarme, sprich die "ausgefalleneren" Möglichkeiten von Sprache, werden irgendwann Altarme und abgehängt. Daran lässt sich prinzipiell einfach kaum etwas ändern. Sprache ist in der Perspektive der meisten Leute erstmal ein Werkzeug bzw. ein Weg ein Ziel zu erreichen (wie der Fluss). Entsprechend werden die Leute damit umgehen.
Das schließt natürlich nicht aus, dass manche/r immer noch neue (alte) Wege findet und beschreitet - und sich die Zeit dafür zu nehmen finde ich auch immer eine gute Investion ;) -, aber der Großteil wird sich davon nicht beirren lassen.
Aber das Einzige, was man wohl tun kann, wenn man anderen Leuten dabei helfen will, ist ihnen wenigstens eine Karte mitzugeben, auf der auch die weniger befahrenen Routen verzeichnet sind. Für eine entscheiden werden sie sich selbst. :)
Danke, sehr schön ausgedrückt.

Dieser Post ist interessanter wie so manch anderer hier. Das ist eine umgangssprachliche Marotte hier Südwesten mit der ich so gar nicht klar komme.
Titel: Re: Imperative korrekt benutzen
Beitrag von: Nuya am 05. September 2015, 10:55:38
Einige Und am Satzanfang sind aber wunderbar. ;)
Titel: Re: Imperative korrekt benutzen
Beitrag von: chaosqueen am 05. September 2015, 12:43:10
Mit "gehe" habt ihr mich jetzt ganz kribbelig gemacht. Ich habe damals im letzten Jahrtausend noch gelernt, dass der Imperativ 2. Pers. Sg. Kein e am Ende hat - das wurde uns quasi als Erkennungsmerkmal beigebracht.

Hat sich das in den letzten 30 Jahren geändert, oder hab ich das falsch beigebracht bekommen? ???

Aber letztlich kann man das ja auch prima durch "hinfort mit ihm!" ersetzen! :rofl:

Dass Sprache einem ständigen Wandel unterzogen ist, ist mir durchaus bewusst. Dass gesprochene Sprache anders aussieht als Svhriftsprache, war schon im alten Rom der Fall. Mir macht aber tatsächlich die Verwischung von beiden Sorge, die dazu führt, dass jeder irgendwie grob so schrei, wie er spricht und erwartet, dass die anderen ihn schon verstehen - und manche von ihnen verstehen keine in korrekter Rechtschreibung verfassten Texte mehr.

Aber ich schweife ab, das ist ein eigenes Thema. Der verkehrte Imperativ scheint wohl in die gleiche Kategorie wie der falsche Dativgebrauch und schwache Verbformen zu fallen: Sprachveränderung. Gegen die ich mich zumindest in der Schriftform wehre, bis sie im Duden verankert ist.