Dieser Thread ist nicht dazu da, um Recherchefragen zu stellen. Er hat vielmehr den umgekehrten Sinn, als Mahnmal zu fungieren. Die erste Regel beim Recherchieren ist: Recherchier alles. Wenn du dir nicht 100% sicher bist, dass etwas historisch oder geographisch korrekt ist, schlag es nach. Selbst wenn du dir zu 95% sicher bist, schlag es nach. Nachschlagen ist schnell getan, und hinterher ärgert man sich sonst sehr lange.
Dieser Thread ist ein Sammelthread für die Dinge, die man glaubte, nicht nachschlagen zu müssen, und die dann doch völlig danebengelegen hätten, wäre man nicht im letzten Augenblick doch noch eben schnell in die Wikipedia rübermarschiert. Geht ja schnell, und ist hinterher nur peinlich. Namentlich, wenn das am Ende beim Leser landet.
So hätte ich, in der Überzeugung, mich in den 20ern auszukennen, gerade fast ins Klo gegriffen bei den aktuellen Modetänzen. Was tanzt man in den Zwanzigern? Klar, den Charleston! Und weil der schon zu abgedroschen und bekannt ist, schmeiße ich noch einen zweiten Tanz mit dazu: Den Lindy Hop, Vorläufer des Jive ... Moment mal. Buch spielt 1925. Lindy Hop ist nach Charles Lindbergh benannt. Gibt es den Lindy Hop schon? Nein, der kommt erst Ende der 20er. Nochmal Glück gehabt. Was wird dann mein zweiter Tanz neben dem Charleston? Irgnedwas obskures wird sich doch noch finden lassen ...
So war ich dann doch am Recherchieren. Was gut war. Denn in England im Sommer 1925 hätte kein Schwein den Charleston gekannt. In Amerika vielleicht, aber nach Europa kam der erst mit Josephine Baker an. 1925. Aber erst im Oktober. Statt Lindy Hop und Charleston stehen jetzt also Tango und Foxtrott auf dem Programm. Längst nicht so hip. Aber immerhin gab es die damals schon.
Und was hättet ihr fast verbockt? Hier ist Platz für eure verhinderten Patzer.
Ich war der festen Überzeugung, in einem stark mittelalterlich angelehnten Setting problemlos Dynamit zur Sprengung einer Höhle verwenden zu können.
Erst meine damalige Lektorin schob mir einen Link unter, dass selbiges nicht im Mittelalter erfunden wurde. Hupps ... ::) Wir haben uns dann auf einen Weg der Alchemir geeinigt.
Als ich mal eine Kurzgeschichte geschrieben hab, hätte ich München beinahe die U-Bahn aberkannt, weil ich einfach davon ausgegangen bin, dass es dort keine gibt. Beinahe hätte ich die Geschichte an eine Ausschreibung geschickt, hab dann aber vorher nochmal nachgeguckt. Und siehe da: München hat doch eine U-Bahn. Das wäre peinlich geworden.
Wuppsi - ich habe tatsächlich ... :-[
Es ist zwar schon eine Weile her, hat aber für viele Lacher gesorgt und mich für das restliche Schuljahr verfolgt:
In einer KG ging es um ein kleines Mädchen, das mit leichten Verbrennungen dritten Grades im Krankenhaus lag.
Da hätte ich wohl besser vor dem Vorlesen recherchiert :versteck:
PS:
Sipres, you made my day :rofl: Danke, für diese tolle Geschichte!
Ich weiß nicht genau, ob das direkt hierunter gehört, aber: Ich hab mich mal bei einer Übersetzung übel verrechnet.
Da war die Protagonistin 5 Fuß 10 Inch groß. Und beim Umrechnen in Meter, hab ich natürlich 5,10 Fuß bei Google eingegeben, is ja logisch. Kam also raus, dass sie etwa 1,55 groß ist. Joa, denk ich. Und an die 70 Kilo wiegt. Joa, denk ich, ist doch mal nett. Ist ja auch mal schön, wenn in Romances nicht immer dieser Schlankheitswahn gilt.
Aber als sie dann ständig als ach so dünn und sogar dürr bezeichnet wurde, als von ihren ach so schlanken Fesseln die Rede war, da kam mir das doch irgendwann sehr seltsam vor. *kopfkratz*
Nachgerechnet - stimmte aber. Wird dann wohl so sein ... Im letzten Moment hab ich das nochmal nachgerechnet, und dabei ist mir aufgefallen, dass man 5 Fuß 10 Inch nicht einfach mit nem Komma zusammensetzen kann, sondern einzeln zusammenrechnen muss, weil ja nicht metrisches System und so. Da kam dann raus, dass sie 1,77 groß ist, und auf einmal passte auch alles wieder zusammen.
Das wär mal richtig peinlich geworden :D
Ich war 20, als ich meinen zweiten Roman schrieb. Wikipedia gab es noch nicht.
Ich verbockte einen Schneesturm in Arizona, bis Mama mir freundlich unser Lexikon in die Hand drückte.
Ich hab gerade kürzlich erst ein Exposee geschrieben und den Schwarzwald nach Bayern verlegt. Zum Glück ist es Nika aufgefallen. Ich hätte das eiskalt so verwendet. Da merkt man mal wieder, das Geographie nicht mein Ding ist. :d'oh:
Ich kam mir sehr klug vor, als es mir gelungen ist, für meine Figur mit Schulterdurchschuss auf der Flucht noch logisch Schmerztabletten aufzutreiben. Ich wurde in der Textbesprechung mit Kommilitonen dann freundlich darauf hingewiesen, dass Aspirin, da blutverdünnend, allerdings eine schlechte Idee ist. Paracetamol war in den 70ern zum Glück auch akzeptabel. Bei allen medizinischen Sachen sehe ich jetzt dreifach nach.
Mein bester Freund brachte in unsere erste Textwerkstatt an der Uni einen Text über zwei alte Damen mit, deren Söhne sich in den Schützengräben im, glaube ich, Kosovo kennengelernt hatten. Ein sonst sehr stiller Kommilitone sprach an diesem Tag einen einzigen Satz: "Im Kosovo gab es keine Schützengräben."
Außerdem habe ich einer meiner Figuren 1982 einen Discman gegeben, die gab es aber erst drei Jahre später. Die CD war zwar schon erfunden, aber noch nicht populär oder gar günstig. Auch der Sony-Walkman war 1979 noch so teuer, dass ich mir die Geschichte, wie meine Protagonistin an ein solches Ding kommt, ohne es zu klauen, gut überlegen musste. Michael Jackson und Madonna waren leider auch noch nicht populär genug.
Ich habe während des NaNos meine Protagonisten in die total gefährliche Kirchenruine St. Dunstan in the East in London geschickt, schön beschrieben, wie dort alles verfallen ist und wie sie die einzelnen Räume durchsuchen - bis ich dann doch mal genauer gegoogelt habe und festgestellt habe, dass St. Dunstan nichts weiter ist, als vier Mauern mit ein bisschen Efeu dran, drinnen steht eine Bank und oben kommt schön viel Sonnenlicht rein. So viel zu "große, dunkle, gefährliche Kirchenruine". Ich habe da jetzt erst einmal einen Platzhalter eingefügt, ich hätte nämlich eigentlich schon gern eine echte Kirchenruine. Aber bitte eine, die kein idyllischer Ort ist, an dem Leute heiraten und Büromenschen ihre Mittagspausen verbringen. :-X
@JanikaDas ist der Grund, warum man als Autor selbst recherchieren sollte. Weil Lektoren nämlich schon mal Mist reden. So auch bei dir. Erstmal, du hast keinen historischen Roman geschrieben, sondern einen Fantasyroman, angesiedelt in einer phantastischen Welt, in der du selbst entscheidest, was es gibt und was nicht. Wo es Magie gibt, läuft Entwicklung nicht identisch ab wie in unserer eigenen unmagischen Welt.
Und selbst wenn, gab es im Mittelalter durchaus schon Sprengstoffe. Die Entdeckung des schon mit einfachsten Mitteln herzustellenden Schwarzpulvers wird bis ins 7. Jahrhundert zurückdatiert. Du hättest deine Höhle sprengen dürfen, so viel du wolltest. Deine Lektorin hatte schlichtweg keine Ahnung, weder von Geschichte, noch von Fantasy.
Ich glaube, mein schlimmster Fauxpas war die Annahme, dass im Mittelalter bereits "Stangenware" erhältlich war, sprich Kleidung, die nicht maßgeschneidert war. Die Logik einer Vierzehnjährigen ohne jede Ahnung: Bauern konnten sich ja keinen Schneider leisten, also müssen sie wohl vorgefertigte Klamotten getragen haben. Dass die Leute ihre Sachen vielleicht auch selbst genäht haben, kam mir damals nicht in den Sinn ::)
Zitat von: Maja am 11. Februar 2015, 22:34:45
@Janika
Weil Lektoren nämlich schon mal Mist reden. So auch bei dir. [...] Deine Lektorin hatte schlichtweg keine Ahnung, weder von Geschichte, noch von Fantasy.
Eben nicht. Es ging nun einmal explizit um Dynamit, nicht irgendeinen Sprengstoff. Und weder Entwicklungslevel noch Magiemenge und -art hätten eine Entsprechung zugelassen. Ich hatte also Mist gebaut und die damalige Lektorin hat es als einzige erkannt. Sie mag sonst eine Menge übersehen oder verpfuscht haben, aber da hat sie ihren Job genau richtig gemacht.
Dynamit (Danke, Herr Nobel) gehört in die unauffällige Sparte der Dinge, die vom Namen her nicht in einer nicht-irdischen Welt funktionieren: Bunsenbrenner, Zeppelin, Schrapnell ...
Zitat von: Sprotte am 12. Februar 2015, 00:02:30
Dynamit (Danke, Herr Nobel) gehört in die unauffällige Sparte der Dinge, die vom Namen her nicht in einer nicht-irdischen Welt funktionieren: Bunsenbrenner, Zeppelin, Schrapnell ...
Ich erinnere mich an ein "orientalisch aussehendes Messer" in einer meiner ersten Romanversionen vor Jahren ;D
Zitat von: Sprotte am 12. Februar 2015, 00:02:30
Dynamit (Danke, Herr Nobel) gehört in die unauffällige Sparte der Dinge, die vom Namen her nicht in einer nicht-irdischen Welt funktionieren: Bunsenbrenner, Zeppelin, Schrapnell ...
Dynamit wurde zwar von, aber nicht nach Herrn Nobel benannt (anders als das Element Nobelium), und der Name ist damit auch nicht anders als andere Kunstwörter, die auf der lateinischen Sprache basieren (und über deren Verwendung in der Fantasyliteratur wir an anderer Stelle ausführlic diskutiert haben). Zu Sprottes Beispielen, die alle nach historischen Personen unserer Welt benannt sind, gehört vielmehr das Schwarzpulver - nach einem seiner Erfinder, dem Mönch Berthold Schwarz.
Ich wollte das Grabmal Hadrians beschreiben. Dann entdeckte ich, dass die "Engelsburg" schon in der Spätantike eine Festung war. Diese Erkenntnis verdanke ich aber nicht Wikipedia, da steht's nämlich immer noch falsch. Vielleicht sollte ich das mal ändern... :hmmm:
Zitat von: Sprotte am 12. Februar 2015, 00:02:30
Dynamit (Danke, Herr Nobel) gehört in die unauffällige Sparte der Dinge, die vom Namen her nicht in einer nicht-irdischen Welt funktionieren: Bunsenbrenner, Zeppelin, Schrapnell ...
Das hatten wir schon mal. Fantasy ist, wenn man Milch nicht pasteurisieren kann und im Faradayschen Käfig gegrillt wird. ;D
Zitat von: Churke am 12. Februar 2015, 00:24:06
Diese Erkenntnis verdanke ich aber nicht Wikipedia, da steht's nämlich immer noch falsch. Vielleicht sollte ich das mal ändern... :hmmm:
Das wollte ich schon die ganze Zeit schreiben: Greift bei Recherchen bloß nicht auf Wikipedia zurück, sucht euch lieber professionelle Seiten oder geht in die Bibliothek. In Wikipedia kann jeder sein Halbwissen kundtun und alles kann verändert werden. Ich kenne Menschen, die darauf beharren, dass sie Recht haben, obwohl sie nachweislich falsch liegen - einer von ihnen guckt regelmäßig in Wikipedia und verändert die Beiträge.
Japp, Detailrecherche ist wichtig. Genau wie Maja am Anfang schrieb: selbst, wenn man sich ziemlich sicher ist, es zu wissen ...
Ich habe in meinem historischen Romanprojekt eine Szene, in der eine Expedition aus Spaniern und indianischen Hilfskräften aus Cusco aufbricht, um Chile zu erobern. Bei dieser Expedition waren, darin sind sich die Quellen einig, auch der Bruder des damaligen Inkafürsten und der oberste Sonnenpriester dabei, und meine Protagonistin erlebt den offiziellen Abschied der Expedition mit.
Ich habe nach Primärquellen zur genauen Verabschiedung gesucht, aber nichts gefunden, also die Szene einfach geschrieben, ich wusste ja, wer dabei ist. Bewegender Abschied zwischen Inkafürst und seinem Bruder. Total wichtiger Blickkontakt meiner Protagonistin mit diesem Bruder. Wundervolle Szene.
Bis ich dann noch mal etwas anderes recherchierte und im Zuge dessen darüber stolperte, dass der Fürstenbruder und der Priester gar nicht bei der offiziellen Verabschiedung dabei waren, sondern bereits vorausgeschickt worden waren. Ups. Da blieb nur, die Szene umzuschreiben.
@Macphaeana
Zur alleinigen umfangreichen Recherche würde ich die Wikipedia nicht empfehlen - jedoch sind die Artikel dort immer noch super als Bibliographieinstrument, listen sie doch zu allen Themen Quellen und weiterführende Literatur auf, mit der sich jeder ein eigenes Bild vom Thema machen kann. Will man nur schnell eine Zeit- oder Ortsangabe abgleichen, wissen, wann ein bestimmtes Gerät erfunden worden ist, ein Werk veröffentlicht oder eine Stadt umbenannt, ist die Wikipedia die Quelle der Wahl. Eine Faustregel: Je präziser und spezieller das Thema, desto höher die Wahrscheinlichkeit, an einen fundierten, gutrecherchierten Artikel zu geraten.
Ich hätte vor ein paar Jahren einmal fast ein Mädchen auf einen fahrenden Güterzug aufspringen lassen. Ganz locker und auf offener Strecke :D Ich war felsenfest davon überzeugt, das ginge, bis eine Testleserin mich vorsichtig darauf hinwies. :rofl:
Habe gerade beim Überarbeiten festgestellt, das ich allen Ernstes vor hatte, ein Mädchen am Thing teilnehmen zu lassen. So nach dem Motto: Zuschauen ist bestimmt okay, solange sie nicht dazwischen redet. :rofl:
Regentänzerin, das geht auch, wenn sich der Zug gerade an einer roten Ampel befindet bzw. gerade erst losgefahren ist - aber auf offener Strecke ist beides eher unüblich. ;)
Simara, sie hätte sich ja als Junge verkleiden können!
Ich habe in meiner wilden Jugend (ich glaube, ich war gerade aufs Gymnasium gekommen) einen Krimi geschrieben, bei dem eine S-Bahn voller Schulkinder beim Schulaauflug entführt wird. Und wie macht man das? Klar, man lotst die Bahn in Hamburg-Altona einfach aufs Ferngleis um. :d'oh:
Mein Vater hat mir den ganzen Krimi versaut, als er mich darauf hingewiesen hat, dass die Stromabnehmer nicht kompatibel sind. Ich bin mir sicher, er wollte nur helfen! ;)
Beim "Puppenzimmer" haben mir meine lieben Betas zwei Klöpse um die Ohren gehauen, die ich sonst nicht gefunden hatte:
Ich hatte Whitton, wo mein Waisenhaus lag, als einen Stadtteil von London bezeichnet, was heute auch durchaus so stimmt. Rika, die damals in England lebte, wies mich aber darauf hin, dass 1908, wo das Buch spielt, Whitton noch eine eigene Stadt war. Es ist erst später eingemeindet worden.
An einer anderen Stelle wandert Florence im Nachthemd und mit einer Lampe durch das nächtliche Haus und meint, sie sähe bestimmt aus wie der Geist von Florence Nightingale - woraufhin Kati ziemlich lakonisch meinte, dass Florence Nightingale noch lebte. Sie ist erst 1910 gestorben. Wuppsi!
Wuppsi! Nicht wuppsi, fast hätte ich - wuppsi, ich habe. "Die Mohnkinder" liegen beim Lektor und ich warte auf meine Korrekturanmerkungen, und vorher hat das Buch zwei Korrekturläufe hinter sich gebracht - und erst jetzt, wo ich für die "Klippenstadt" Kameramodelle aus dem Jahr 1925 recherchiere, habe ich gesehen, dass 1925 die erste Kamera unter dem Namen Leica produziert worden ist. Percy ist also vielleicht doch ein Time Lord - ander kann ich mir nicht ekrlären, dass er schon im Jahr 1921 mit einer fotographiert hat!
Gut, dass ich das Buch bald nochmal überarbeiten darf. Dann fliegt die Leica raus - und ich werde wohl Kameramodelle von 1919 recherchieren müssen (ich denke, ich gebe ihm eine Simplex). Wie konnte mir das durch die Lappen gehen?
Ach herrje! Wenn ich die Mohnkinder etwas später gelesen hätte - nämlich während meiner Mahagonibaumrecherchen -, dann wäre mir das vielleicht sogar aufgefallen, für meine Figuren hab ich nämlich auch Leica-Modelle recherchiert. ;D Vielleicht ist Percy ja auch auf verschlungenen Wegen an die Ur-Leica von 1914 gelangt?
Es hat schon früher Prototypen gegeben, aber den Namen Leica hat Leitz nicht vor 1924 verwendet. Ich habe ihm jetzt schweren Herzens eine Simplex verpasst. He, immer noch besser, als wenn es nicht mir, sondern den Lesern aufgefallen wäre!
Auf jeden Fall! Aber immerhin bin ich mir jetzt vollkommen sicher, dass Theo aus den Tiefenklängen 1935 mit einer Leica rumrennen darf. ;D Dafür habe ich in dem Buch ein Flugzeug, dass es 1935 noch gar nicht gibt, sondern erst 1936. :versteck: Und ich hatte in dem Buch über Tier-Experimente zur Tuberkuloseforschung an Rindern geschrieben... bis ich dann rausfand, dass Rinder gar eine Lungentuberkulose bekommen können. Ich geh dann mal die Rinder durch Schweine ersetzen. Daran wurden die Medikamente tatsächlich getestet.