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Handwerkliches => Workshop => Thema gestartet von: Anaya am 19. Oktober 2013, 12:46:38

Titel: Wie 'muss' ein Buch geschrieben sein
Beitrag von: Anaya am 19. Oktober 2013, 12:46:38
Die im Titel gestellte Frage beschäftigt mich schon seit einiger Zeit, genauer gesagt, seit ich mich mit Rezensionen befassen muss.

Es gibt ja nun massenhaft Schreibratgeber von klugen Köpfen, regelrechte Schreibschulen/-seminare und Autoren oder Hobby-Schreiber, die nicht müde werden, angehenden Schreiberlingen zu erklären, wie genau 'das' Buch auszusehen hat.
Da liest man von Infodump und Cliffhangern, Spannungskurven und Perspektiven. Man liest und liest und liest, bis man ganz wirr im Kopf ist und keinen vernünftigen Satz mehr zustande bringt - denn jedes Wort will auf die Goldwaage gelegt und zurechtgerückt werden.

Im Grunde ist mir schon klar, dass Menschen, die sich viel mit dem Schreiben befassen, anders lesen als Otto-Normalkonsument. Aber schreiben wir nicht zum größten Teil für genau den?

Ich denke, 'normale' Leute lesen ohne viele Hintergedanken und beurteilen ein Buch einfach danach, ob ihnen die Schreibweise zusagt, ihnen die Handlung spannendes Lesevergnügen bereitet und die Charaktere ihre Sympathie haben.
Wenn Infodump ihr Interesse weckt, mögen sie ihn. Wenn am Ende eines Buches kein Cliffhanger süchtig nach einem zweiten Band macht, werden sie den trotzdem lesen, wenn ihnen das erste Buch gefallen hat. Und wenn z.B. die Hauptfigur sie in ihren Bann ziehen konnte, fehlen ihnen auch nicht diverse Neben-Charaktere, die die Geschichte nach allen Seiten 'aufbauschen'.

Keine Ahnung, ob ich da jetzt total daneben liege - oder ob überhaupt richtig rauskommt, was ich meine ...  :-\
Falls jemand meiner Intention folgen kann ... wie seht ihr das?
Titel: Re: Wie 'muss' ein Buch geschrieben sein
Beitrag von: Eleanor am 19. Oktober 2013, 12:57:00
ZitatMan liest und liest und liest, bis man ganz wirr im Kopf ist und keinen vernünftigen Satz mehr zustande bringt
Ja da muss ich dir Recht geben Anaya, ich habe mir einmal "Aufzucht und Pflege eines Romans" von Sol Stein durchgelesen und hinter her habe ich mich fast geschämt für das, was ich schreibe und gehofft, dass Sol Stein es niemals lesen wird  ;). Ich finde es stimmt, dass viele Leute, wenn sie ein Buch lesen es nicht abwerten werden, weil die Spannungskurve nicht perfekt aufgebaut war oder ein Konflikt nicht gut genug aufbereitet war.  Als Ideen- und Anregungsgeber sind solche Bücher eigentlich ganz gut. Es macht einen aber nur verrückt zu versuchen jeden einzelnen Ratschlag daraus zu 100 % zu befolgen und das Buch soll ja schließlich hinterher von dir und nicht dem Ratgeber geschrieben worden sein.  :)
Titel: Re: Wie 'muss' ein Buch geschrieben sein
Beitrag von: Churke am 19. Oktober 2013, 13:41:17
Zitat von: Anaya am 19. Oktober 2013, 12:46:38
Ich denke, 'normale' Leute lesen ohne viele Hintergedanken und beurteilen ein Buch einfach danach, ob ihnen die Schreibweise zusagt, ihnen die Handlung spannendes Lesevergnügen bereitet und die Charaktere ihre Sympathie haben.

Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Buch gefällt, dürfte signifikant höher sein, wenn es den "Regeln" entspricht.

"Schadenzauber" habe ich einfach so geschrieben, wie es mir richtig vorkam. Das Egebnis war eine formal und stilististisch absolut perfekte Novelle, da kann man alle im Wikipedia-Artikel aufgezählten Stilmerkmale abhaken. Ich hatte mich vorher nie mit Novellen beschäftigt, aber form follows function.  :)

Titel: Re: Wie 'muss' ein Buch geschrieben sein
Beitrag von: Coehoorn am 19. Oktober 2013, 15:39:24
Ich kann diesen ganzen Ratgebern ehrlich gesagt nichts abgewinnen. Versuch doch einfach frei nach Schnauze zu schreiben. Es gibt Dinge, die kann man lernen aber wie bei den meisten Dingen brauch man ein Talent dazu um sie gut zu können und schreiben gehört meiner Meinung nach dazu.
Klar wird man besser, klar kann man sich neue Sachen aneignen aber diesen ganzen Stuss mit Spannungskurven und Co, nach x Seiten muss ein Protagonist sterben und das Prinzip der Heldenreise ist unumstößlich und wenn du das alles machst wird aus dir ein super Autor und bliblablub...
Wenn du Talent hast, dann wirst du das schon richtig machen.
Titel: Re: Wie 'muss' ein Buch geschrieben sein
Beitrag von: Joel am 19. Oktober 2013, 16:09:56
ZitatEs gibt Dinge, die kann man lernen aber wie bei den meisten Dingen brauch man ein Talent dazu um sie gut zu können und schreiben gehört meiner Meinung nach dazu.
Ich glaube nicht, dass Talent alles ist. Ein bisschen Talent mag sicher nicht schaden. Aber wie bei den meisten Dingen (meiner Meinung nach) braucht man Ausdauer/Durchhaltevermögen und den Willen, immer weiterzumachen, auch wenn es gerade einmal nicht läuft. Profifußballer sind mit Sicherheit talentiert - aber wenn sie nicht trainieren würden, würde ihnen ihr Talent vermutlich auch nicht viel helfen. Beim Schreiben würde das "Training" dann darin bestehen, dass man sich mit den Regeln auseinandersetzt (egal, ob mithilfe eines Schreibratgebers oder auf irgendeine andere Art und Weise) - und weiß, wie man damit umzugehen hat (ob und wann man sich an sich hält und wann man dagegen verstößt). Darum würde ich auch Churke zustimmen, dass ein Buch LeserInnen auch eher dann auf Anklang stößt, wenn es den Regeln entspricht.
Titel: Re: Wie 'muss' ein Buch geschrieben sein
Beitrag von: Remy am 19. Oktober 2013, 16:24:06
Schwieriges Thema. Ich mag Ratgeber nicht sonderlich. Ich denk da zurück an das, das man so als die großen literarischen Meisterwerke bezeichnet und denke mir, die hatten auch keine Ratgeber.
Ich bin da allerdings auch relativ trotzig veranlagt und wenn mir jemand sagt, wie ich das, was mir wichtig ist, zu tun habe, dann reagiere ich schnell zickig.
Ich glaube im Endeffekt ist es wie so oft ein Mittelding. Natürlich ist es wichtig, zu einem gewissen Grad zu wissen, was man tut. (Ich schreibe gerne blind drauflos und falle dann regelmäßig auf die Fresse damit.) Andererseits muss man auch den Mut haben, Dinge auszuprobieren. Grenzen zu testen und mal einfach seinem Gefühl folgen. Wer zu nah an solchen Ratgebern entlang schreibt, habe ich zumindest das Gefühl, wird kaum etwas kreieren, was noch nicht da war. (Ob das in der heutigen Zeit überhaupt noch möglich ist sei dahingestellt.)

Ich versuche also so zu schreiben, wie ich es für richtig halte, und suche Hilfe bei solchen Ratgebern nur dann wenn ich selbst merke, dass ich feststecke. War bei einer Kampfszene mal der Fall, ein paar Tips haben gut geholfen, das Problem zu lösen.

Außerdem habe ich irgendetwas Unschönes auf meine Tastatur gekleckert und die Tasten von K bis # und P bis , klemmen ganz fürchterlich. Vor allem der Punkt, frustrierenderweise. Das ist für die Diskussion hier absolut irrelevant, ich heische bloß nach Mitleid. Denn klemmende Tasten sind schrecklich.

Liebe Grüße

Remy
Titel: Re: Wie 'muss' ein Buch geschrieben sein
Beitrag von: Christopher am 19. Oktober 2013, 16:28:39
Talent ist meistens nur ein anderes Wort für "viel Übung"

Wirklich talentierte Leute, also Leute, die durch Genetische Anlagen deutliche Vorteile haben, sind so selten, dass es meistens falsch ist, von Talent zu sprechen.

Edit:

Aber um mal was zum Thema beizutragen:

Es gibt Dinge, die muss man nicht beachten. Nicht Jede Story muss eine "Heldenreise" sein. Ratgeber sprechen eher von Dingen, die in der Vergangenheit funktioniert haben.

Aber gewisse Dinge die (hoffentlich) in solchen Ratgebern stehen, sollte man beachten beim Schreiben. Bei den meisten Dingen die ich in der Vergangenheit Beta-gelesen habe und den meisten Büchern die ich weggelegt habe, geht den Autoren das Gefühl für Kulisse und Atmosphäre völlig ab. Da spielen die Geschichten in leeren, weißen Räumen in denen sich weiße DIN A4 80g/m² Papierblätter mit einem Namen drauf unterhalten. Und das geht einfach gar nicht.
Titel: Re: Wie 'muss' ein Buch geschrieben sein
Beitrag von: Angela am 19. Oktober 2013, 16:43:28
Ich halte mich für eher talentlos, was das Schreiben an sich angeht, dafür habe ich Geschichten in mir, die erzählt werden möchten. Insofern habe ich etliche Ratgeber gelesen, bilde mich auch noch weiter fort, und nehme für mich das mit, was ich nachvollziehen kann. Ich sehe 'Regeln' eher als Empfehlungen,  halte mich überwiegend daran, schlage sie aber ab und zu auch bewusst aus.
Gerade lese ich einen Juistkrimi mit unglaublich viel Infodumb über die Insel. Für mich als Juister eher überflüssig, aber für einen Juistgast vielleicht genau das, was ihm gefällt?
Titel: Re: Wie 'muss' ein Buch geschrieben sein
Beitrag von: Antigone am 19. Oktober 2013, 16:51:00
Ich finde Regeln insofern wichtig, dass man sie mal kennenlernt; dass einem bewusst wird, was es gibt, und auf was man achten kann und muss.

Und dann kann man sich ganz frei dafür eintscheiden, ob und wie weit man diese beachten möchte.

Das ist wie beim Pullover-Stricken: man tut gut daran, sich mit den grundlegenden Techniken vertraut zu machen. Aber dann kann man sich entweder strikt an die Anleitung halten, oder einfach frei nach Lust und Laune drauflosstricken. Rauskommen wird wahrscheinlich in beiden Fällen ein Kleidungsstück.
Titel: Re: Wie 'muss' ein Buch geschrieben sein
Beitrag von: Coryza am 19. Oktober 2013, 16:56:27
Ich muss sagen ich sehe das so wie Antigone man sollte die Grunderegelen/Grundkenntnisse haben, aber dann kann man auch frei Schnauze schreiben.
Titel: Re: Wie 'muss' ein Buch geschrieben sein
Beitrag von: Alana am 19. Oktober 2013, 16:57:50
Schreiben ist ein Handwerk. Man muss wissen, was man machen kann und wie. Und dann muss man seinen eigenen Stil entwickeln und ein Gefühl dafür bekommen, wie man mit den ganzen Techniken zu einem spannenden, lesbaren Roman kommt. Was man definitiv nicht muss, ist, alle Regeln sklavisch zu beachten. Ich lese sehr gern Schreibratgeber, aber ich nehme davon nur mit, was mir sinnvoll erscheint. Dieser Zustand, den du beschreibst, ist übrigens ganz normal. Eine Fülle an Informationen kann einen sehr schnell verunsichern, bis man herausfindet, was für einen selbst funktioniert und was nicht. Und da kommen für mich die Betaleser ins Spiel. Sie sagen mir ziemlich deutlich, ob die neue Technik was taugt oder nicht. ;D
Und was die Goldwaage betrifft: Ich fand es früher immer lächerlich, dass uns im Deutschunterricht gesagt wurde, was der Autor mit diesem und jenem Wort alles ausdrücken wollte. Heute weiß ich, dass es tatsächlich so ist. Ich zumindest sitze sehr häufig lange über den Texten und überlege, welches Wort ich brauche und welches nicht. Welches vielleicht besser passen würde. Deswegen nimmt die Überarbeitung bei mir auch immer den meisten Raum ein. Mir macht es aber auch unheimlich Spaß, an meinen Texten zu feilen, bis ich damit zufrieden bin. Auch hier gilt sicher: Jeder Autor ist anders und jeder muss für sich die Methode finden, die zu einem guten Ergebnis führt und dennoch den Spaß am Schreiben erhält.
Titel: Re: Wie 'muss' ein Buch geschrieben sein
Beitrag von: Tinnue am 19. Oktober 2013, 17:41:31
Ich stimme da weitestgehend Alana und auch Antigone zu, daher will ich gar nicht mehr viel dazu sagen.

In meinem Fall vielleicht, dass es eine Zeit gab, wo mich dieses ganze "Himmel, die Regeln!" seeehr verunsichert hat. Ich habe plötzlich jede Stelle, jeden Abschnitt, alles in Frage gestellt ... mich immerzu gefragt "Kannst du das jetzt so machen? Muss das jetzt schneller werden, wegen der Spannung?... " und das Ende vom Lied war: Das war zwar optisch und von der Struktur her ein toller Text, aber er war seelenlos. Da war keine Atmosphäre, keine "Liebe" zwischen den zeilen zu spüren; Es war Handwerk, mehr nicht.
Und da habe ich mir dann auch geschworen: Regeln im Hinterkopf haben: Ja. Stur danach arbeiten: Nein.
Titel: Re: Wie 'muss' ein Buch geschrieben sein
Beitrag von: Feuertraum am 19. Oktober 2013, 18:03:25
Ich gehöre auch zu den Menschen, die eine Lanze für die Schreibratgeber brechen. Gerade wer anfängt, wer das Handwerk des Schreibens gerade mal ankratzt, der sollte sich die Teile durcharbeiten und gerade am Anfang sich sklavisch daran halten.
Wohlgemerkt: am Anfang.
Wenn man erste Kurzgeschichten schreibt oder Szenen, einfach um zu erleben, was die und die Regel bewirkt.
Irgendwann aber, wenn man diese Regeln aus dem ff beherrscht und feststellt, das man sie nicht so anwenden kann, weil sie einem zuwider ist oder der Geschichte schadet, dann kann, ja, darf man sie brechen und so schreiben, dass es der Geschichte gut tut.
Übrigens findet man in einigen Schreibratgebern einen Tipp, den ich immer wieder hoch halte und der meine volle Zustimmung bekommt:Lesen, Lesen, Lesen und noch mehr lesen - das hilft nicht nur, ein Gespür für die Geschichten zu bekommen, es hilft auch in Sachen Rechtschreibung und Vergrößerung des Wortschatzes.

@ Joel: Seien Sie mir nicht böse, aber Ihre Aussage wegen des Talents mag ich so jetzt nicht unterschreiben. Ich glaube schon, dass jeder von uns seine Stärken (Talente) und seine Schwächen hat.
Ich bin handwerklich zum Beispiel absolut unbegabt und kann unter anderem nicht zeichnen. Da kann ich noch so sehr üben, es wird nichts. Als kleinen Ausgleich kann ich jedoch mit Worten jonglieren. Allerdings - da will ich ehrlich sein - hat es auch so einiges an Übung gebraucht, bis ich so geschrieben habe, wie ich jetzt schreibe. Und ich übe weiter... ;)
Titel: Re: Wie 'muss' ein Buch geschrieben sein
Beitrag von: Anaya am 19. Oktober 2013, 19:54:12
Danke für die vielen Meinungen! Ich merke, mir gehts schon wesentlich besser.
Was einige beschrieben haben, ist genau das, was ich meine. Zusammengefasst kommt wohl das hier

Zitat von: Tinnue am 19. Oktober 2013, 17:41:31
In meinem Fall vielleicht, dass es eine Zeit gab, wo mich dieses ganze "Himmel, die Regeln!" seeehr verunsichert hat. Ich habe plötzlich jede Stelle, jeden Abschnitt, alles in Frage gestellt ... mich immerzu gefragt "Kannst du das jetzt so machen? Muss das jetzt schneller werden, wegen der Spannung?... " und das Ende vom Lied war: Das war zwar optisch und von der Struktur her ein toller Text, aber er war seelenlos. Da war keine Atmosphäre, keine "Liebe" zwischen den zeilen zu spüren; Es war Handwerk, mehr nicht.

meinen Empfindungen am nächsten.

Kürzlich habe ich den zweiten Teil meiner Fantasy-Trilogie in Angriff genommen - und bin kläglich auf Seite fünf steckengeblieben. Klar kenne ich die Regeln, an die man sich so halten sollte ... und habe versucht, sie alle zu beherzigen. Und was soll ich sagen? Der Text liest sich, als wäre er von jemand anderem. Mein ureigenster Stil ist verschwunden und hat allgemeinem Geschwafel Platz gemacht. :(

Dazu sei gesagt, dass ich den ersten Teil geschrieben habe, wie mir die Worte in den Kopf kamen. Mit viel Leidenschaft und wahrer Liebe zu meiner Heldin und ihrem Schicksal. :)
Nach Veröffentlichung gab es dann ein paar Bewertungen, die oben genannte Punkte ansprachen und mich ins Grübeln gebracht haben.
Titel: Re: Wie 'muss' ein Buch geschrieben sein
Beitrag von: Christopher am 19. Oktober 2013, 20:07:03
Dass das "Geschwafel" ist, ist vielleicht nur so ein Gefühl.

Wenn ich die ersten Zeilen die ich zu meiner Story vor inzwischen 7 Jahren geschrieben habe lese, lese ich da auch sehr viel Liebe und Hingabe raus...
...ist aber trotzdem Müll den ich heutzutage niemandem mehr antun würde. Ich werds aber gerade wegen solcher Threads behalten, um mal ein Vorher/Nachher-Bild geben zu können. Der Stil und die Stimmung sind heute ein anderer als damals, aber definitiv besser. Gefühl und Hingabe allein machen keinen guten Text, egal wie viel man davon hineinsteckt. Ein wenig Können muss schon dabei sein.

Von den Regeln wie man seinen Plot aufbauen sollte halte ich wie gesagt nichts, aber wie man einen Text an sich schreiben sollte, da gibt es sicherlich gute Ratgeber,auch wenn ich überfragt bin, welche das wären. Ich würde eher die Bücher zur Hand nehmen die ich gerne lese und sehen, wie, warum und was die Autoren da richtig gemacht haben.
Titel: Re: Wie 'muss' ein Buch geschrieben sein
Beitrag von: Tinnue am 19. Oktober 2013, 20:09:22
ZitatDer Stil und die Stimmung sind heute ein anderer als damals, aber definitiv besser. Gefühl und Hingabe allein machen keinen guten Text, egal wie viel man davon hineinsteckt. Ein wenig Können muss schon dabei sein.

Das kann ich so auch unterschreiben.
Titel: Re: Wie 'muss' ein Buch geschrieben sein
Beitrag von: Rhiannon am 19. Oktober 2013, 20:34:19
Wenn man es darauf anlegen würde, würde man bestimmt für jeden Schreibratgeber ein Buch finden, das funktioniert, die in dem Ratgeber aufgestellten Regeln aber alle missachtet. Aber das soll nicht heißen, dass die Ratgeber schlecht sind. Nur, dass die Frage nach dem "Wie muss ein Buch geschrieben werden" in meinen Augen nicht so pauschal beantwortbar ist.
Man sollte sein Handwerkszeug beherrschen. Wenn ich Musik mache, darf man von mir auch erwarten, dass ich Noten lesen kann, oder zumindest die einzelnen Töne hören und benennen kann. Aber dann sollte ich irgendwann auch meinen eigenen Stil entwickeln, sonst interessiert sich keine Sau für das, was ich spiele.
Und so ist das mit dem Schreiben auch. Mit Checklist zu schreiben und den einen Prota genau auf Seite 456 umzubringen, weil dann die Spannungskurve usw. genau nach dem Schreibratgeber verläuft, ist Blödsinn. Dann hast du kein eigenes Buch, sondern einen Klon von irgendwas.
Wo Schreibratgeber in meinen Augen aber durchaus Sinn machen, sind später beim Überarbeiten und wenn man stecken bleibt und nicht weiß, woran es hakt.
Mach aber nicht den Fehler, dein Projekt zu zerdenken! Dqs hat den gleichen Effekt, wie wenn man beim Sport versucht, eine Bewegung mit dem Kopf zu verstehen, bevor sie der Körper begriffen hat. Es klappt gar nichts mehr.
Titel: Re: Wie 'muss' ein Buch geschrieben sein
Beitrag von: Lavendel am 20. Oktober 2013, 10:41:08
Natürlich haben Schreibratgeber nicht immer Recht, und es wäre Quatsch, das zu behaupten. Grundsätzlich fassen Sie aber einen Erfahrungsschatz von mehreren hundert Jahren zusammen und bewerten ihn sozusagen nach dem aktuellen Stand. Es stimmt übrigens nicht, dass es früher keine Schreibratgeber gegeben hätte. Früher orientierte man sich halt klar Aristoteles, und das tut man übrigens im Grunde genommen auch heute noch, denn Aristoteles hat mit seiner Poetik ja das Grundlagenwerk zu Literaturtheorie geschrieben, das nach über 2000Jahren immer noch Relevanz hat.
Man sieht daran, das mal nebenbei gesagt, was für einen einschnedenden Charakter Literatur für die Menschheit hat. Seit es sie gibt funktioniert sie ungefähr gleich, was im Grunde genommen bedeutet, dass sie ausgesprochen gut funktioniert, so gut, dass sie in ihren Grundlagen eben kaum verändert ist, seit Aristoteles eine Vorlesung zur Poetik hielt.
Ich würde unseren Schreibratgeber deswegen nicht blind vertrauen, aber sie fassen in großen Teilen eben schon die theoretischen Grundlagen zusammen, die man verstehen sollte, wenn man Romane schreibt. Nein, Leser lesen nicht so wie Autoren. Sie sagen nicht: "Oh, das ist mir zu viel Infodump". Sie legen das Buch weg, weil es zu langweilig ist. Leser sagen auch: "Also da sind mir jetzt zu viele Perspektivenwechsel in der Szene." Sie legen das Buch weg, weil sie verwirrt sind und nicht mehr mitkommen.

Es ist durchaus sinnvoll, zu verinnerlichen, worum es beim Schreiben geht. Man muss dafür keine Schreibratgeber benutzen. Man kann auch andere Autoren fragen oder den Test mit Lesern machen. Wie auch immer, eine Kunst mag noch so sehr Kunst sein, sie hat immer Regeln. Die bildende Kunst zum Beispiel hat sicherlich noch viel mehr davon als die Literatur. Wer nicht weiß wie Bildkomposition funktioniert, der malt meistens schlechte Bilder, genauso wie jemand, der keine Ahnung von Farbenlehre hat oder wer nicht weiß, wie Licht sich verhält oder wer sich nicht mit Geometrie und Anatomie beschäftigt hat.

Es ist von Anfang an sinnvoll, sich mit den Regeln der Literatur zu beschäftigen. Wir leben nicht in einem luftlehren Raum sondern in einer Gesellschaft, in der es Lesegewohnheiten und Erwartungen an Romane gibt. Mit denen sollte man sich schon auseinandersetzen, denn es gibt ja nur sehr wenige Leute, die sich hinsetzen und einen Roman ganz für sich alleine schreiben und ihn niemals irgendjemandem sonst zeigen wollen.

Und wer keine "hohe" Literatur, sondern Unterhaltungsromane schreibt, der sollte sich noch um einiges genauer an die Empfehlungen von Schreibratgebern halten, denn gerade in der Genreliteratur folgt man doch oft sehr festen Formen. Das mögen einige nicht so sehen, aber nachdem man ungefähr zehn Jahre lang Literaturtheorien studiert hat, erkennt man das dann doch ganz deutlich. Manches mag intuitiv gehen, und dann kann man sich freuen, dass man es intuitiv sowieso so gemacht hat. Manches braucht aber auch Übung und das Beherrschen der Form aus dem FF.

Niemand sagt, dass man nicht mal irgendwo mit irgendwas ao richtig krass brechen kann - und man wird sicherlich auch veröffentlichte und vielleicht sogar erfolgreiche Romane finden, die sich nicht an die Regeln des Schreibratgebers halten, den man grade gelesen hat, aber das ist ja kein Grund, sich selbst nicht weiterzuentwickeln. Eine Empfehlung einfach ungefragt umzusetzen und sich mit ihr am eigenen Text auseinanderzusetzen sind schließlich zwei unterschiedliche paar Schuhe.
Titel: Re: Wie 'muss' ein Buch geschrieben sein
Beitrag von: Franziska am 20. Oktober 2013, 11:31:25
Ich glaube, was einen als Autor manchmal so ärgert ist, wenn man Bestseller liest und einem fallen tausend Sachen auf, die man laut Schreibratgeber nicht machen sollte. Infodump, flache Figuren oder Logikfehler. Ich glaube es stimmt, dass normale Leser nicht so darauf achten, aber irgendwas müssen die Bestseller ja ansonsten richtig machen, wenn der Plot spannend genug ist, fallen die Logikfehler vielleicht nicht so auf etc.
Ich achte beim Plotten nicht auf Regeln aus Schreibratgebern, ich versuche nur das bestmöglichste aus meinen Texten zu machen. Ich will mir nicht sagen, ach, der Leser bemerkt diesen Fehler doch ohnehin nicht. Damit macht man es sich ein bisschen einfach, finde ich. Man muss sich ja keine schlecht geschriebenen Bücher als Vorbild nehmen.  Aber es stimmt schon, wenn man wenig anspruchsvolle Untehaltungsromane liest, dann widersprechen sie oft vielen Regeln, oder es gelten einfach andere Regeln dafür? Zum Beispiel ist mir aufgefallen, dass bei leichten Liebesgeschichten die Regel Show don't tell meistens überhaupt nicht gefolgt wird, im Gegenteil, es scheint üblich zu sein, die komplette Biographie und Motivation der Figuren auf den ersten Seiten zu erzählen. Lest mal in ein Buch von Nicholas Sparks rein, alles Bestseller. Aber ich kann so nicht schreiben, ich würde bei jedem Satz denken: das ist schlechter Stil.
Titel: Re: Wie 'muss' ein Buch geschrieben sein
Beitrag von: FeeamPC am 20. Oktober 2013, 11:47:43
Im Genre-Schreiben kann ein gewisser Infodump durchaus Sinn machen. So nach dem Motto, möglichst schnell den Hintergrund erläutern, damit der Leser zu dem für ihn Wesentlichen übergehen kann- zur Liebesgeschichte z.B.
Und im Genre sind auch feste Vorgaben üblich: zwischen Seite x und y Kennenlernen, zwischen Seite y und z erster Kuss, usw.
Und selbst der allerfreiste Roman muss, wenn er Unterhaltung sein soll und nicht hohe Literatur (die meist kein Schwein liest), zumindest Basis-Regeln beachten. Kein Autor würde bei seinen Lesern gut wegkommen, wenn er den Höhepunkt ins erste Drittel packt und danach nur noch eine flache Erzählung rausplätschert. Anständige Unterhaltung braucht einen Spannungsbogen, der wie eine sich immer höher auftürmende Welle aussieht.
Titel: Re: Wie 'muss' ein Buch geschrieben sein
Beitrag von: Remy am 20. Oktober 2013, 12:16:43
Ich merke bei mir selbst zur Zeit, dass ich dazu neige, mich von Handlungspunkt zu Handlungspunkt zu hangeln. Jetzt, wo ich die gesamte Geschichte in Stichpunkten vor mir liegen habe, muss ich erst einmal lernen, sie mit Inhalt zu füllen, anstatt sie abzuarbeiten. Dazu kommt bei mir, dass ich das Gefühl hab, kaum noch neues zu entdecken. Bei komplett freiem Schreiben kreiert man die Welt aus dem Stehgreif, was mich immer sehr fasziniert. Bloß kommt da bei längeren Werken selten etwas schlüssiges bei rum.
Ich glaube, ich sollte versuchen zwischen den trockenen Plotpunkten noch emotionale Entwicklung einfließen zu lassen, um das Konstrukt zu polstern. Und dann sollte ich mir viiiiel Zeit nehmen, mit an der Handlung entlang zu hangeln, ohne im Hinterkopf den nächsten Schritten entgegenzufiebern. Ist schwierig. Ich bin leider ein absoluter Chaot und tu mich mit sehr kontrolliertem Schreiben schwer. Also zwinge ich mich dazu und sehe später, wo ich das Sprachliche vernachlässigt habe. Ich bin dazu übergegangen, vor dem Schreiben jedes Kapitels, das vorherige zu lesen. Das hat mir sehr geholfen, in den Fluss zu kommen, nichts doppelt zu schreiben, und ich sehe vor allem dadurch, ob ich alles richtig gemacht hab. Das kann ich leider oft direkt nach dem Schreiben nicht mehr gut beurteilen, mit ein wenig Abstand gehts dann.

Das sind nur so meine derzeitigen Eindrücke zum Thema des kontrollireten Schreibens. Schreiben ist schwer.

Liebe Grüße, Remy
Titel: Re: Wie 'muss' ein Buch geschrieben sein
Beitrag von: Thaliope am 20. Oktober 2013, 12:25:52
Die Schreibratgeber sind ja eigentlich keine Leseratgeber. Also, für den Leser kommt es darauf an, ob das Buch "funktioniert", ob es eine bestimmte Wirkung erzielt. An welche Regeln sich der Autor dabei gehalten hat, ist für den Leser ja eigentlich total egal. Deshalb halte ich das Ausmaß, in dem sich ein Autor an einen Schreibratgeber hält, nicht für ein geeignetes Bewertungskriterium für die Qualität eines Buches.
Wie man selbst als Autor allerdings eine bestimmte gewünschte Wirkung erzielt, dabei kann einem ein Schreibratgeber natürlich sehr wohl helfen. Man kann aber auch auf eigene Faust Texte analysieren, die man für gelungen hält, ein Teil davon passiert sicher auch unbewusst beim Lesen, und manch einer hat die Strukturen allein durchs Lesen so verinnerlicht, dass er sie nicht mehr aus einem Ratgeber zu lernen braucht  - das könnte man dann durchaus als Talent bezeichnen.
Sklavisch alles umzusetzen, was ein Schreibratgeber vorgibt, treibt aber auf Dauer auch unschöne Blüten ...

Zitat von: Franziska am 20. Oktober 2013, 11:31:25

Aber es stimmt schon, wenn man wenig anspruchsvolle Untehaltungsromane liest, dann widersprechen sie oft vielen Regeln, oder es gelten einfach andere Regeln dafür? Zum Beispiel ist mir aufgefallen, dass bei leichten Liebesgeschichten die Regel Show don't tell meistens überhaupt nicht gefolgt wird, im Gegenteil, es scheint üblich zu sein, die komplette Biographie und Motivation der Figuren auf den ersten Seiten zu erzählen. Lest mal in ein Buch von Nicholas Sparks rein, alles Bestseller. Aber ich kann so nicht schreiben, ich würde bei jedem Satz denken: das ist schlechter Stil.

Dieses leidige "Show don't tell", das ja in bestimmten Bereichen wirklich berechtigt ist (vor allem, um Emotionen anschaulich und erlebbar zu machen) führt ja leider in seiner übertriebenen, sklavischen Umsetzung dazu, dass die Kunst des Erzählens ziemlich ins Hintertreffen gerät. Gut zu erzählen ist sicherlich schwierig, aber ich finde es ziemlich schade zu sehen, dass sich die Unterhaltungsliteratur immer mehr dem Film angleicht, wo alles szenisch dargestellt wird, anstatt die Kunst der eloquenten, unterhaltsamen Narration zu pflegen - wohldosiert und an den richtigen Stellen eingesetzt, versteht sich. Ich finde, gerade in diesem Bereich kann man am effektvollsten mit Sprache in all ihren Spielarten arbeiten.

Nur Regeln zu kennen, reicht nicht aus. Man muss auch erkennen, wann welche Regel angebracht ist und sinnvoll eingesetzt werden kann. Da könnte ich mir vorstellen, dass es manchmal mehr bringt, erfolgreiche Literatur und/oder Literatur, die man selbst für sehr gelungen hält, daraufhin zu analysieren, was der Autor da richtig macht, weil es das eigene Denken, das Sprach- und Geschichtengefühl fordert und fördert.

LG
Thali
Titel: Re: Wie 'muss' ein Buch geschrieben sein
Beitrag von: Kati am 20. Oktober 2013, 13:00:26
Zitat von: RemySchwieriges Thema. Ich mag Ratgeber nicht sonderlich. Ich denk da zurück an das, das man so als die großen literarischen Meisterwerke bezeichnet und denke mir, die hatten auch keine Ratgeber.

Mein Problem mit Ratgebern ist, dass sie sich sehr endgültig lesen und doch jeder Ratgeber auch irgendwie was anderes erzählt. Ich finde Ratgeber schon gut, aber nicht als Anleitung, wie man einen Roman zu schreiben hat, sondern als Anregung für Ideen und Eingebungen, die man umsetzen könnte, aber natürlich nicht muss. Und man muss bedenken, dass sich auch die "Regeln" mit der Zeit verändern. Viele Klassiker würden heute so gar nicht mehr verlegt werden, weil sie nach den Regeln einer anderen Zeit geschrieben sind. Deshalb sind sie nicht schlechter oder besser als neuere Werke, aber eben anders. Und ein Schreibratgeber aus den 1970ern ist heute, ich wage es mal das so zu behaupten, nicht mehr so viel wert, weil sich Geschmäcker, Schreibregeln und Muster in den 40 Jahren wieder verändert haben. Im Grunde ist Literatur, wie ja auch schon angemerkt wurde, sicherlich gleich geblieben, aber durch die verschiedenen Geschmäcker, gesellschaftlichen Normen und auch wichtigen Ereignisse und Meinungen der verschiedenen Epochen verändert sich ja doch einiges. Nichts bleibt immmer ganz genau gleich und was 1970 vielleicht gar nicht ging, macht heute jeder zweite Autor oder andersrum. (Obwohl es natürlich auch gerade spannend wäre, zu schauen, was vor vierzig, fünfzig Jahren an "Regeln" zum Schreiben genauso war wie heute oder was doch anders geworden ist...)

Ich finde den Mythos vom "Talent" auch etwas überholt und lästig. Schreiben ist kein magisches Zeug, das ein paar wenigen "Talentierten" vorbehalten ist. Es mag Leute geben, die schneller besser werden, als andere und ich will auch gar nicht behaupten, dass "Talent" kein Faktor ist, aber mit oder ohne Talent ist es beim Schreiben wie überall sonst auch wichtig zu lernen, Hilfe anzunehmen und nicht mit dem Kopf durch die Wand zu wollen. "Ich bin Künstler, ich mache alles wie ICH will" ist die schlechteste Einstellung die man haben kann, denn so lernt man nichts. Schreiben ist auch irgendwo ein Handwerk, etwas das man nicht nur lernen kann, sondern lernen muss, Talent hin oder her, und alle Kritik und Hilfe abzublocken, weil man Künstler ist, bringt gar nichts. Deshalb finde ich den Blick in den Schreibratgeber gar nicht verkehrt. Welche der Ideen und angesprochenen Taktiken man anwendet, sollte man jedoch immer selbst entscheiden, aber man kann den Ideen gegenüber ruhig offen sein und ihnen eine Chance geben.

Ich denke, es ist wichtig, sich mit den Regeln befasst zu haben oder wenigstens zu wissen, was die verhasste Spannungskurve überhaupt ist und wie sowas funktioniert. Wenn man das weiß, kann man natürlich munter was anderes machen, aber man hat es im Hinterkopf, man weiß ungefähr, was geht und was gar nicht geht. Dasselbe gilt für Show-don't-tell. Wenn ich nie davon gehört habe und einfach mache wird das sicherlich nicht besser, als, wenn ich weiß, was das ist und mich in manchen Situationen bewusst dagegen entscheide, es umzusetzen. Ein Maler klatscht ja im besten Fall auch nicht einfach irgendwelche Farben auf die Leinwand, sondern macht sich vorher Skizzen von seiner Komposition und sicherlich auch über symbolische Bedeutung von Formen Gedanken. Wenn er die symbolische Bedeutung der Formen aber nicht kennt, hat er irgendwo Kreise, wo Kreise das Gegenteil von dem bedeuten, was er eigentlich ausdrücken möchte (blödes Beispiel, aber ihr versteht schon :D). Und beim Schreiben ist es doch dasselbe. Natürlich kann man nette Texte schreiben, ohne die Regeln zu kennen, aber, wenn man die Regeln kennt, kann man viel besser damit spielen und sie viel gezielter einsetzen oder auch brechen, um einen klareren, besseren Text zu schreiben. 
Titel: Re: Wie 'muss' ein Buch geschrieben sein
Beitrag von: Snöblumma am 20. Oktober 2013, 15:39:10
Ob man nun wirklich Ratgeber braucht, darüber lässt sich sicher trefflich streiten. Was man meiner Meinung nach aber wirklich braucht, um für Publikum zu schreiben, ist das Handwerkszeug. Das kann man sich selbst erarbeiten, indem man vergleichbare Bücher / Bücher, die gut gelaufen sind / Bücher, die man selber gut findet, analysiert und sich abguckt, wie andere gewisse Dinge gemacht haben, oder indem man Ratgeber liest und sich mit Literaturtheorie auseinandersetzt. Aber ganz ohne wird meiner Meinung nach das Schreiben für Publikum nicht funktionieren. Sobald ich mit meinem Werk an die Öffentlichkeit will, werde ich mit Lesererwartungen konfrontiert. Nur wenn ich diese Erwartungen zu einem gewissen Grad erfülle, kann ich Erfolg haben. Das bedeutet nun nicht, genau dasselbe zu schreiben wie alle anderen vor einem, aber wenn ich einen Liebesroman schreibe und der Love Interest taucht auf Seite 300 das erste Mal auf, wird meine Zielgruppe mir das Buch um die Ohren werfen.

Solange ich natürlich einfach nur für mich schreibe und die Geschichten in meinem Kopf zu Papier bringen will, kann ich machen, was ich will, klar, keine Frage. Das war bei mir aber nie Ziel, sondern ich wollte auch, dass ein (wie begrenztes auch immer) Publikum meine Geschichten zur Kenntnis nimmt - und das ist es meine Aufgabe, die Geschichten so zu verpacken, dass sie bei meinen Lesern ankommen. Dazu gehört Sprache, Emotion, Leidenschaft - aber auch schnödes Handwerkszeug. Plotaufbau, Charakterentwicklungen, Figurenkonstellationen, Genreregeln, all das muss man schlicht und ergreifend lernen, wie in anderen Berufen auch. Da hilft es nichts, einfach zu schreiben. Kann natürlich gut gehen, aber wenn ich konstant dasselbe Niveau halten will, muss ich wissen, was ich da tue. Auch wenn ich dann mal mit einer Regel breche, muss ich wenigstens wissen, warum. Warum diese Regel? Warum an dieser Stelle nicht? Was bewirke ich damit bei meinen Lesern?

Es darf selbstverständlich nicht zu einer verkopften Angelegenheit werden, in der ich nur noch Regeln befolge. Love Interest auf Seite 3, Bösewicht auf Seite 10, erster Streit auf Seite 15 usw... auch das spürt der Leser, wenn nur noch das Standardgerüst verwendet und nicht mehr mit Emotion gefüllt wird. Ich denke, es ist wichtig, sich nach einer Phase des Einfach-Drauflos-Schreibens hinzusetzen und die Regeln zu lernen. Dann wird eine Phase kommen, in der man relativ krampfhaft die Regeln einhält. Und irgendwann werden einem die Regeln in Fleisch und Blut übergehen, und man wird wieder freier werden - und das ist, denke ich, das, wo man versuchen sollte, sich hinzuentwickeln, wenn man wirklich für Publikum schreiben will.

Von Genreliteratur brauchen wir nun gar nicht erst anzufangen, denn da sind die Regeln noch strikter... :D aber selbst die Fantastik folgt bestimmten Regeln. Ein High Fantasy Epos ohne Oberbösewicht? Eigentlich undenkbar. Eine Heldenreise ohne Bedrohung? Langweiliger Unsinn. Ein Abenteuerroman ohne Ziel? Ganz nett, aber sicher nicht das, was jeden vom Hocker reißt. Und da kommt man, wenn man nicht wirklich intensiv selbst anhand von Vorbildern arbeiten will, an Ratgebern einfach nicht vorbei. Kurz gesagt: ich finde Ratgeber einfach einen effektiven Werk, sich das Handwerk beizubringen, das man einfach braucht. :D
Titel: Re: Wie 'muss' ein Buch geschrieben sein
Beitrag von: Coehoorn am 20. Oktober 2013, 23:40:50
Klar ist Talent nicht alles aber wenn man einfach nicht schreiben kann hilft einem auch der beste Ratgeber nicht weiter. Ja, ein Ratgeber kann eine Hilfe sein aber hier liegt die Betonung eben auf "kann". Ich bezweifle auch, dass nur wenige Menschen Talent haben. Viel mehr würde ich behaupten, dass das Talent nicht gefördert oder erkannt wird. Ich denke da an eine Krimigeschichte einer guten Freundin, die einfach nur grottenschlecht war. Ihr fehlte einfach jegliche Fähigkeit dazu eine halbwegs zusammenhängende und durchdachte Geschichte zu konzipieren. Dafür war ein Gedicht von ihr, das ich mal lesen durfte, ein wahrer Balsam für die Seele. Ich zum Beispiel werde nie in der Lage sein ein Instrument zu spielen, ohne mir dabei sämtliche Finger auszurenken und was das "Schreibtalent" angeht.... naja das wollen wir erst noch sehen wenn ich mir den ersten Betaleser suche :D

ZitatWelche der Ideen und angesprochenen Taktiken man anwendet, sollte man jedoch immer selbst entscheiden, aber man kann den Ideen gegenüber ruhig offen sein und ihnen eine Chance geben.

Dem stimme ich vorbehaltlos zu.

Die Ablehnung, die ich in meinem Post zum Ausdruck gebracht habe, bezog sich vor allem in erster Linie auf dieses "Du musst das so machen weil sonst alles was du machst doof ist, basta!", welches nach dem Startpost zu schließen sehr vielen Ratgebern anhaftet.
Als Anfänger sofort penibel auf alle Regeln und Tipps zu achten, dürfte wohl eher zu Frustration als zu Erfolg führen. Vieleicht fehlt mir da auch einfach die Erfahrung aber lieber erst mal frei schreiben, mit dem Arbeiten was man an Fähigkeiten bereits besitzt und dann Kritik und Hilfe suchen, als sich sofort nur nach irgendwelchen strengen Regeln zu richten   :)

Oder um Andrzej Sapkowski zu zitieren  ;D
ZitatNäh' rot an rot, gelb an gelb und weiß an weiß mit dem Faden. Dann wird es schon stimmen.
Andrzej Sapkowski - Die Dame vom See

Titel: Re: Wie 'muss' ein Buch geschrieben sein
Beitrag von: Fianna am 21. Oktober 2013, 08:23:41
ZitatIch denke da an eine Krimigeschichte einer guten Freundin, die einfach nur grottenschlecht war. Ihr fehlte einfach jegliche Fähigkeit dazu eine halbwegs zusammenhängende und durchdachte Geschichte zu konzipieren
Das Beispiel hinkt jetzt aber etwas. Gerade Krimis und Gedichte basieren doch auf ganz genauen Regeln. Also würde ich daraus nicht ableiten, dass sie schreiben kann - aber nur Gedichte - sondern eher, dass sie da die Regeln einfach kennt und befolgt, bei der Krimistory dagegen Konzeptionsregeln nicht beachtet hat und evt zusätzlich noch "allgemeine" Schreibfehler gemacht hat.
Das hat aber nichts mit Talent zu tun, das kann man alles lernen. Allerdings nicht vom.begeisterten "Tatort"-gucken etc sondern vom Lesen oder durch Schreibratgeber.
Im Gegensatz zu Gedichten ist der Aufbau von Krimis nicht Teil des schulischen Lehrplanes und man muss da mehr Vorarbeit investieren (also allgemein, Regeln betrachten, Konzept erstellen, ggfs. Regeln brechen).

~~~~~

Als ich mir vor Jahren einen Schreibratgeber kaufen wollte, habe ich via Google eine Diskussion in der Schreibwerkstatt gefunden, die hitzig den Sinn des einen Autors oder das Verständnis des anderen einem Handwerkszeug verglich.
In den gemäßigteren oder zusammenfassenderen Beiträgen kam dann "Der Autor meint, ein Buch muss (...).so sein und deshalb interpretiert er das so..."
Also habe ich mit keinen gekauft, denn ich wollte die Methoden haben und nicht die Ideolgie des Autors aufgedrückt bekommen.

Um das Schneeflockenprinzip kennen zu lernen oder Ähnliches brauche ich keinen Schreibratgeber, es gibt x Blogs, Foren und so weiter, wo.man das finden kann..

TheaEvanda hat in diesem Forum übrigens einen genialen Artikel zum Plotten eines Kriminalromanes geschrieben ;)
Titel: Re: Wie 'muss' ein Buch geschrieben sein
Beitrag von: Tinnue am 21. Oktober 2013, 08:29:12
Ich denke, dass wie in vielen anderen Dingen auch, die goldene Mitte vielleicht eine gute (bessere) Variante ist. Dieser Mittelweg muss nicht bei jedem Schreiber exakt gleich aussehen, wichtig ist einfach, sich nicht zu sehr auf eine Seite ("Regeln über alles!" <-> "Ich mache meine Regeln selbst!") versteifen sollte.

Natürlich hat alles im Leben grundlegen Regeln, die dem Ganzen zugrunde liegen, ist beim Schreiben nicht anders. Man sollte diese Regeln kennen, das macht vieles einfacher. Beim direkten Schreibvorgang ist es aber genauso wichtig, seine eigene "Stimme" zu finden und zum Ausdruck zu bringen - vielleicht auch, in dem man mit einer Regeln einmal bricht (das kann einem Buch gut tun, muss es aber nicht).
Ich glaube, ansonsten ist auch alles gesagt. Ich würde mich nur wiederholen oder andere. :)
Titel: Re: Wie 'muss' ein Buch geschrieben sein
Beitrag von: Coehoorn am 21. Oktober 2013, 09:48:44
Zitat von: Fianna am 21. Oktober 2013, 08:23:41
Das Beispiel hinkt jetzt aber etwas. Gerade Krimis und Gedichte basieren doch auf ganz genauen Regeln. Also würde ich daraus nicht ableiten, dass sie schreiben kann - aber nur Gedichte - sondern eher, dass sie da die Regeln einfach kennt und befolgt, bei der Krimistory dagegen Konzeptionsregeln nicht beachtet hat und evt zusätzlich noch "allgemeine" Schreibfehler gemacht hat.

Da wäre auch mit Regelbeachtungen nichts mehr zu retten gewesen. Man hat einfach gemerkt, dass jedes Gefühl für logisches Denken beim Schreibvorgang fehlt. Sei es in der Handlung, bei den Characteren und beim ganzen Rest. Diese Fehler erstreckten sich nicht auf mehrere Seiten, sondern fanden sich innerhalb weniger Zeilen. Es war also für jeden Leser, unabhängig vom Können, sofort ersichtlich, dass das so nicht gehen kann.
Wir haben zwar alle gelernt, wie ein Gedicht aufgebaut sein muss, trotzdem kamen in unserem Jahrgang so gut wie keine guten Gedichte zustande, wenn wir selbst schreiben sollten.

Schreiben ist nunmal eine Kunst, genau wie malen, dichten, musizieren, töpfern und was es sonst noch alles gibt. Jeder kann irgendwas aber nicht jeder kann alles (Dem Himmel seis gedankt, sonst wärs ja langweilig)


Ich glaube aber ich drifte hier n bissl zu sehr ins Offtopic ein. Wenn wir über "Talent nötig oder nicht" weiterdiskutieren möchten, sollten wir vieleicht lieber einen neuen Thread aufmachen bevor sich die Damoklespfanne über dem Haupte erhebt  ;D
Titel: Re: Wie 'muss' ein Buch geschrieben sein
Beitrag von: Alana am 21. Oktober 2013, 09:58:31
Natürlich ist schreiben eine Kunst und jeder muss den Bereich finden, den er gut beherrscht und an dem sein Herz hängt. Ich frage mich nur, warum gerade beim schreiben immer wieder infrage gestellt wird, dass es ein Handwerk ist. Wenn einer Maler werden will und von sich behauptet, ich male eh nur gegenstandslos, ich muss nicht wissen, wie man einen Apfel zeichnet, dann würde ihm jeder einen Vogel zeigen. Selbst die modernen Maler, die nur eine Leinwand blau anmalen (was übrigens gar nicht so einfach ist), beherrschen das Handwerk bis zur Perfektion. Talent spielt sicher eine Rolle, aber Leidenschaft und Disziplin sind meiner Meinung nach viel wichtiger, genauso wie in jeder anderen Kunstform auch. Trotzdem erwarten viele, dass man es einfach so können muss. Das geht soweit, dass man von Nichtschreibenden dumm angeschaut wird, weil man Schreibratgeber liest. "Na, wenn du das nötig hast, dann kannst du ja kein guter Autor sein." Kein Witz, ist mir genauso passiert.
Titel: Re: Wie 'muss' ein Buch geschrieben sein
Beitrag von: Kati am 21. Oktober 2013, 13:59:59
ZitatDa wäre auch mit Regelbeachtungen nichts mehr zu retten gewesen. Man hat einfach gemerkt, dass jedes Gefühl für logisches Denken beim Schreibvorgang fehlt. Sei es in der Handlung, bei den Characteren und beim ganzen Rest. Diese Fehler erstreckten sich nicht auf mehrere Seiten, sondern fanden sich innerhalb weniger Zeilen. Es war also für jeden Leser, unabhängig vom Können, sofort ersichtlich, dass das so nicht gehen kann.

Gib ihr Zeit zu üben. War es ihr erster Versuch, einen Roman zu schreiben? Wenn sie schreibt, dann hat sie Spaß daran und das ist doch einer der wichtigsten Aspekte bei der Sache. Als ich angefangen habe zu schreiben, war Logik auch noch nicht so wirklich meins, aber das Gefühl für logisches Denken kann trainiert werden, genau wie alles andere. Natürlich kann nicht jeder supertoll schreiben, aber ich glaube, dass es jeder der wirklich will und mit Herzblut dabei ist schaffen kann, eine lesbare Geschichte zu schreiben.  ;) Man darf nur nicht beratungsresistent sein und jede Hilfe abschmettern, dann lernt man nichts.

Und, wie hier schon gesagt wurde, lesen ist ganz wichtig. Eine ehemalige Freundin von mir hat geschrieben, aber nicht gelesen (und war obendrauf für Kritik nicht zugänglich) und das hat man gemerkt. Wenn man liest und etwas gut findet, dann macht man es nach, ob bewusst oder unterbewusst, und so lernt man eine Menge, die einem sonst keiner beibringen kann. Ich glaube, der Weg zum eigenen Stil ist eine Mischung aus Stilen anderer Autoren, die man toll findet. Woher soll sowas auch kommen, wenn man keine Vorbilder, Inspiration und nichts hat. Aus dem Nichts kommt ja selten irgendwas, einen Anstoß gibt es immer.
Titel: Re: Wie 'muss' ein Buch geschrieben sein
Beitrag von: Sven am 21. Oktober 2013, 14:51:42
Was die Regeln angeht, würde ich sie nicht so sehr als REGELN betrachten, sondern nur als Hinweise.
Wenn eine Geschichte nicht funktioniert und man nicht genau sagen kann, woean es liegt, können einem diese Hinweise (also Infodump, Show don't tell, ect.) Aufschluss darüber geben, woran es haken könnte.

Funktioniert die Geschichte, dann sch... auf die "Regeln"!

ABER: Schaut man sich Geschichten von Schreibanfängern an, hapert es dort meist genau den Dingen, die in Schreibratgebern immer angesprochen werden. Daher denke ich, dass Schreibratgeber nie verkehrt sind.

Es wurde auch der "geregelte" Aufbau einer Geschichte angesprochen (also nach dem ersten Viertel sollte der erste Plotpoint kommen, ect.). Auch das sind natürlich recht starre Gebilde, die aber auch ihren Zweck erfüllen.
Um sich das zu verdeutlichen kann man sich Filme als Beispiel nehmen. Gerade im Drehbuchbereich wird eine ziemlich starre Form des Aufbaus empfohlen (z.B. soll nach 30 Minuten etwas passieren, das die Geschichte in Gang setzt, 60 Minuten darf für den eigentlichen Plot verwendet werden, nach 90 Minuten sollte der Showdown beginnen (bei einem 120 Minüter). Schaut man sich die erfolgreichsten Filme an, so halten sich alle an diese Form (die in Wirklichkeit natürlich noch etwas komplexer ist). Die Filme, die floppen, gehen in der Regel eigene Wege.
Das bedeutet natürlich nicht, dass man damit nicht erfolgreich sein kann, nur dann muss man andere Dinge haben, die besonders gut sind. Die Form dient dem Zuschauer, sich zurechtzufinden. Das kann wichtig sein.

Kenne die Regeln, und nutze sie, wenn es notwendig wird. Ich denke aber, solange man weiß, was man tut, ist man auf einem guten Weg  ;)
Titel: Re: Wie 'muss' ein Buch geschrieben sein
Beitrag von: Anaya am 22. Oktober 2013, 10:06:00
Zitat von: Franziska am 20. Oktober 2013, 11:31:25
Ich will mir nicht sagen, ach, der Leser bemerkt diesen Fehler doch ohnehin nicht. Damit macht man es sich ein bisschen einfach, finde ich.

Nicht dass ihr meinen Anfangs-Post falsch versteht!
Ich meinte auf keinen Fall 'Och, der tumpe Normal-Leser frisst ja alles, was man ihm vorsetzt und rafft nicht, wenn es Schrott ist.' Sondern vielmehr, dass Leute, die unvoreingenommen lesen, auf andere Sachen achten! Natürlich werden flach geschriebene Bücher ohne Höhen und Tiefen oder durchsetzt mit Fehlern wahrscheinlich jedem übel aufstoßen. :)
Das ist ein Phänomen, was sich z.B. bei Bookrix gut beobachten lässt.

Vielleicht habe ich einfach die falschen Ratgeber gelesen. Gestern kam mir nun einer unter, der anders ist, als die, die ich bisher kannte. Und was soll ich sagen? Es war, als ob es in meinem Hirn 'klick' gemacht hätte und ich plötzlich einiges begriffen habe. Vielleicht liegt es an der Art, wie er geschrieben ist - keine Ahnung.  ;D



Titel: Re: Wie 'muss' ein Buch geschrieben sein
Beitrag von: Eleanor am 22. Oktober 2013, 10:16:54
ZitatIch meinte auf keinen Fall 'Och, der tumpe Normal-Leser frisst ja alles, was man ihm vorsetzt und rafft nicht, wenn es Schrott ist.'

Da musste ich gerade unwillkürlich an so manches Buch denken, das ich schon gelesen habe  ;D Das Phänomen: Alle findens toll obwohl es ein tumper Schrott ist, gibt es auch zuhauf  ;) (Ist wahrscheinlich auch Geschmackssache.)

Jetzt bin ich aber neugierig, wie der Ratgeber heißt, den du gerade liest, verrätst du es?  :). Ich habe auch schon den einen oder anderen durch gelesen, war aber eher nachher verwirrter als vorher, was Stil etc. angeht. Zum Beispiel die Regel, dass jede Figur in einem Buch mindestens einen Gegenspieler braucht. Da musste ich sofort anfangen bibbernd sämtliche Protagonisten in meinem Projekt durch zu gehen, ob auch ja jeder einen Gegenspieler hat (wenn nicht ist es ja ein schlechtes Buch  ;)).

Lg
Eleanor
Titel: Re: Wie 'muss' ein Buch geschrieben sein
Beitrag von: Anaya am 22. Oktober 2013, 10:39:02
Zitat von: Eleanor am 22. Oktober 2013, 10:16:54
Zum Beispiel die Regel, dass jede Figur in einem Buch mindestens einen Gegenspieler braucht. Da musste ich sofort anfangen bibbernd sämtliche Protagonisten in meinem Projekt durch zu gehen, ob auch ja jeder einen Gegenspieler hat (wenn nicht ist es ja ein schlechtes Buch  ;)).

Huch?! Echt?  :o Auf was man alles achten muss ... Da beweist sich wieder, dass man nie auslernt. Weil, davon habe ich noch nie gehört - muss ich zu meiner Schande gestehen.

Dafür kann ich aber mit einem anderen Beispiel aufwarten:
Am Anfang eines Buches steht nicht eine Idee, sondern zwei.
Nämlich der Grundgedanke der Handlung und der Schluss! Wer nur mit einer fabelhaften Idee zu schreiben beginnt, bleibt irgendwo auf der Strecke, weil er nicht genau weiß, wo seine Handlung hingeht - wenn er denkt, das Ende wird sich schon irgendwie zwangsläufig ergeben. Das klingt jetzt ziemlich banal, weil es sich eigentlich von selbst erklären sollte.
ABER! Nach dieser Erkenntnis habe ich mein aktuelles Projekt - das ins Stocken geraten war, weil mein Schluss nur schwammig durchdacht war - mit ganz neuen Augen gesehen. Und erstmal aufgehört, wild meiner Idee nachzujagen, um ein geniales Ende zu planen. :) Jetzt flutscht das wieder mit dem Schreiben.

Den Link zu dem Schreibratgeber habe ich grade an Tinnue weitergegeben. :) Vielleicht taucht er ja demnächst in der passenden Rubrik auf!
Titel: Re: Wie 'muss' ein Buch geschrieben sein
Beitrag von: Churke am 22. Oktober 2013, 14:14:40
Zitat von: Anaya am 22. Oktober 2013, 10:39:02
Huch?! Echt?  :o Auf was man alles achten muss ...

Nein, muss man nicht.  :engel:
Das Antagonistenmodell ist ein Plotschema, um einen dramatischen Konflikt zu konstruieren, und nach meinem Dafürhalten Ausfluss der simplen amerikanischen Weltsicht. Im Prinzip geht es in einer Story darum, dass der Held ein Riesenproblem an der Backe hat. Dieses Problem zwangsläufig mit einem Oberfiesling gleichzusetzen, ist eher Ausdruck von Phantasielosigkeit: "Beseitigst du den Schurken - beseitigst du das Problem." Man schränkt sich auch in der Entwicklung des Plots ein, weil die dramatische Logik ein ganz bestimmtes Ende erzwingt.

Übrigens... Das Remake von "Conan der Barbar" ist übelster schreibgeratgeberter Mist. Jede (!) Änderung am Originaldrehbuch folgt sklavisch der Ratgeberliteratur. So wurde etwa dem Schurken ein schweres Trauma angedichtet, weil überall steht, dass das einer Figur "Tiefe" verleiht. Oder: Der etwas debile Conan wurde zur charismatischen Identifikationsfigur aufgehübscht.
Wenn ich die Logikbrüche beiseite lassen, haben die es zielsicher geschafft, aus einem kongenial der Literaturvorlage folgenden Meisterwerk einfalls- und geistlose Dutzendware abzukupfern. Hilfe!  :nöö:
Titel: Re: Wie 'muss' ein Buch geschrieben sein
Beitrag von: Cailyn am 22. Oktober 2013, 16:57:26
Ratgeber sind für mich keine Regeln, sondern eben Rat gebende.

Wenn ich Stellen in meinen Geschichten nicht richtig oder nicht stimmig anfühlen, dann hilft es mir, wenn ich einen Ratgeber zur Hand nehme und mal gewisse Punkte reflektiere. Das heisst aber nicht, dass alles, was ausserhalb der Regeln geschrieben wird, nicht auch funktionieren kann. Naja, natürlich abgesehen von ganz offensichtlichen "Regeln" wie z.B. der Aufbau eines Spannungsbogens oder die Tatsache, dass Figuren mehrdimensional sein sollten, da sonst total langweilig.

Aber du (Anaya) fragst dich ja, ob der Leser das überhaupt merken würde? Ich denke ja. Der "normale" Leser ist häufig nicht bewandt in Stilistik oder Dramaturgie, aber er spürt ja, wenn etwas "komisch" oder "unlogisch" wirkt. Vielleicht kann er das nicht benennen, aber er merkt, dass da was fehlt oder falsch läuft. Dass die Antwort darauf immer in Ratgebern zu finden ist, bezweifle ich. Das kommt dann ganz auf den Ratgeber an. Aber es kann schon helfen, häufig gemachte Fehler aufzudecken.
Titel: Re: Wie 'muss' ein Buch geschrieben sein
Beitrag von: Kati am 22. Oktober 2013, 17:25:41
Zitat von: EleanorDa musste ich gerade unwillkürlich an so manches Buch denken, das ich schon gelesen habe  ;D Das Phänomen: Alle findens toll obwohl es ein tumper Schrott ist, gibt es auch zuhauf  ;) (Ist wahrscheinlich auch Geschmackssache.)

Ich denke auch, das ist großteils Geschmackssache und ich bin immer gern vorsichtig damit, etwas als tumben Schrott abzutun, nur, weil ich es nicht mag. Ich denke, ob etwas gut oder schlecht ist, kann man objektiv so nicht bewerten, auch nicht, nach den hier aufgelisteten Regeln und Ratschlägen. Ich denke, man kann sagen, dass ein Buch, wenn es in sich selbst nicht schlüssig ist und seine eigenen Regeln bricht, vielleicht nicht so gut ist, aber wenn ein Buch viele Menschen mitreißt, begeistert und ins Schwärmen bringt, dann hat der Autor einiges richtig gemacht, auch, wenn man viele Fehler darin findet. Die findet Ottonormalleser auch, der ist ja nicht doof, aber ich denke, er sieht drüber hinweg, weil der Rest ihn begeistert.

Zitat von: ChurkeIm Prinzip geht es in einer Story darum, dass der Held ein Riesenproblem an der Backe hat. Dieses Problem zwangsläufig mit einem Oberfiesling gleichzusetzen, ist eher Ausdruck von Phantasielosigkeit: "Beseitigst du den Schurken - beseitigst du das Problem." Man schränkt sich auch in der Entwicklung des Plots ein, weil die dramatische Logik ein ganz bestimmtes Ende erzwingt.

Das ist so eine Sache, die mir schon seit Längerem auffällt: Es gibt sehr oft einen total bösen Antagonisten und, wenn der tot ist, ist alles gut. Ich selbst versuche das zu vermeiden, aber ich glaube, es wird von den Lesern auch oft erwartet, dass es jemanden gibt, den man hassen und für alles beschuldigen kann. Dass ein Roman ganz ohne Antagonist auskommt, wage ich zu bezweifeln, aber ein Antagonist muss ja keine Figur sein. Es kann auch ein Problem sein, dass es zu lösen gibt. Aber selbst in Jugendproblembüchern, wo es zum Beispiel darum geht eine Essstörung zu bekämpfen, werden Antagonisten hingestellt. Der eigentliche "Feind" ist in dem Sinne natürlich die Essstörung, aber es gibt sehr oft in solchen Büchern böse Figuren, die den Helden das Leben zusätzlich schwer machen. Warum? Damit der Leser jemanden hat, den er hassen kann? Oder um einen Kontrast zum Helden zu haben, damit der Held noch strahlender hervorsticht im Vergleich zu der bösen Figur?

Was mich dazu interessieren würde: Was genau steht dazu in Schreibratgebern? Raten sie zu einer klaren Struktur mit offensichtlichen Antagonisten und Helden? Weil das ja auch in Leserkreisen immer weniger gern gesehen wird, aber wird einem das geraten?
Titel: Re: Wie 'muss' ein Buch geschrieben sein
Beitrag von: Grey am 22. Oktober 2013, 17:51:27
Ich oute mich jetzt mal als jemand, der niemals auch nur einen einzigen Schreibratgeber gelesen hat. Ich komme einfach viel besser damit zurecht, mich am Feedback von Kollegen weiterzuentwickeln, von denen ich weiß, die können es besser als ich. Klar habe ich viele der Regeln, die in diesen Ratgebern stehen, auch schon mal gehört. Was mir daran nicht gefällt, ist aber, dass sie so allgemeingültig formuliert sind. Achte auf dies, vermeide jenes. Das passt aber nicht zu meiner (durch Erfahrung erworbenen) Überzeugung, dass jede Geschichte ihre eigene Stimme hat und somit auch auf andere Weise erzählt werden muss. Das ist für mich das aller-allerwichtigste beim Schreiben. Und dabei, diese Stimme zu finden, konnte mir noch keine Regel so recht weiterhelfen.
Titel: Re: Wie 'muss' ein Buch geschrieben sein
Beitrag von: Thaliope am 22. Oktober 2013, 17:53:28
@Antagonisten: Also ich habe eher von "antagonistischen Kräften" gelesen. Es muss etwas geben, das den Zielen des Protagonisten im Wege steht, soweit so logisch. Aber das muss nicht unbedingt eine Person sein. Die antagonistische Kraft kann auch im Protagonisten selbst liegen, etwas, das in blockiert. (Oft sind Dämonen etc. ja nichts anderes als eine externalisierte Darstellung solcher innerer Widersacher.)
Titel: Re: Wie 'muss' ein Buch geschrieben sein
Beitrag von: Feuertraum am 22. Oktober 2013, 20:58:01
Zitat von: Kati am 22. Oktober 2013, 17:25:41
Aber selbst in Jugendproblembüchern, wo es zum Beispiel darum geht eine Essstörung zu bekämpfen, werden Antagonisten hingestellt. Der eigentliche "Feind" ist in dem Sinne natürlich die Essstörung, aber es gibt sehr oft in solchen Büchern böse Figuren, die den Helden das Leben zusätzlich schwer machen. Warum? Damit der Leser jemanden hat, den er hassen kann? Oder um einen Kontrast zum Helden zu haben, damit der Held noch strahlender hervorsticht im Vergleich zu der bösen Figur?
Was mich dazu interessieren würde: Was genau steht dazu in Schreibratgebern? Raten sie zu einer klaren Struktur mit offensichtlichen Antagonisten und Helden? Weil das ja auch in Leserkreisen immer weniger gern gesehen wird, aber wird einem das geraten?

Ich kann zwar in diesem Fall nicht aus den Schreibratgebern schöpfen, allerdings aus meiner "Ausbildung" seinerzeit bei der Axel Anderson Akademie.
Dort hieß es: Das Wichtigste, was eine Geschichte immer haben muss, ist Konflikt, Konflikt, Konflikt.
Junge oder Mädchen haben Anorexia nervosa? Konflikt. Aber nur einer. Und damit "nicht so interessant".
Junge oder Mädchen haben neben der Magersucht auch noch einen Feind? 2. Konflikt. Die Sache wird also interessanter.
Im Fall der Jugendbuchproblematik wird auf diese Weise ein vielschichtigerer Charakter aufgebaut und "ins Rennen geschickt".

Was mich jetzt aber interessiert: Wieso sind "Gut gegen Böse" plötzlich ungern gelesen?
Titel: Re: Wie 'muss' ein Buch geschrieben sein
Beitrag von: Michaela am 23. Oktober 2013, 08:31:19
Zitat von: Anaya am 19. Oktober 2013, 12:46:38

Es gibt ja nun massenhaft Schreibratgeber von klugen Köpfen, regelrechte Schreibschulen/-seminare und Autoren oder Hobby-Schreiber, die nicht müde werden, angehenden Schreiberlingen zu erklären, wie genau 'das' Buch auszusehen hat.
Da liest man von Infodump und Cliffhangern, Spannungskurven und Perspektiven. Man liest und liest und liest, bis man ganz wirr im Kopf ist und keinen vernünftigen Satz mehr zustande bringt - denn jedes Wort will auf die Goldwaage gelegt und zurechtgerückt werden.

Ja jedes Wort, jeder Satz, jede Zeile und jeder Absatz muss auf die Goldwaage gelegt und zurechtgerückt werden. Ich überarbeite gerade mein erstes Manuskript. Da ich mit dem Überarbeiten kaum Erfahrungen hatte, habe ich mir dafür die Hilfe eines Profis geholt. Seit zwei Monaten hilft mir Mara Laue jetzt schon mein Manuskript auf Herz und Nieren zu überprüfen. Und genau das kam dabei heraus.
Eine gute Geschichte zu schreiben braucht mehr als nur einen toll ausgearbeiteten Protagonisten und eine schöne Idee. Du musst sie auch zum Leben erwecken können und das machst Du in einer Geschichte eben nur mit Wörtern. Hier im Forum gibt es viele Autoren die darüber sicher ein Lied singen können. Manchmal sitzt man Tage an nur einem Satz, bis dieser richtig klingt. Deine Geschichten haben ja auch einen Erzähler und der sollte eine eigene Stimme haben, die den Leser durch die ganze Geschichte trägt. Da reicht ein falsch gewähltes Wort, das nicht zu dieser Erzählstimme passt um den Lesefluss zu unterbrechen.
Hast Du schon einmal ein Buch gelesen und mittendrin bist Du plötzlich ins Schleudern gekommen? Das ist immer ärgerlich und passiert es zu häufig in einer Geschichte, legt man das Buch irgendwann frustriert zur Seite.
Titel: Re: Wie 'muss' ein Buch geschrieben sein
Beitrag von: Cailyn am 23. Oktober 2013, 10:13:36
Hallo Feuertraum,
Dass "Gut gegen Böse" nicht mehr so beliebt ist, hat sicher mit dem Bewusstsein zu tun, dass es halt selten nur gute oder nur böse Menschen gibt. Auch jeder Bösewicht hat seine Geschichte, seinen Grund, warum er so geworden ist. Und auch die liebreizendste und netteste Person hat ihre Abgründe. Figuren werden somit natürlich interessanter, vielschichtiger und man hat hier als Autor mehr Möglichkeiten, die Variationen des Lebens zu zeigen, als wenn es nur heisst: Gut gegen Böse. Warum das gerade jetzt von vieles Lesern (oder auch TV- und Filmfans) gerne gelesen und geschaut wird, ist mir auch nicht klar. Vielleicht hat sich das Gedankengut in unserer Gesellschaft etwas verändert. Vielleicht hat aber auch nur einer mal damit angefangen, das Gut-Böse-Thema anders darzustellen, und seitdem finden das Leser eine Bereicherung.
Titel: Re: Wie 'muss' ein Buch geschrieben sein
Beitrag von: Churke am 23. Oktober 2013, 13:54:03
Zitat von: Feuertraum am 22. Oktober 2013, 20:58:01
Dort hieß es: Das Wichtigste, was eine Geschichte immer haben muss, ist Konflikt, Konflikt, Konflikt.

Wenn Sie einen Plot mit Konflikten aufladen, verzetteln Sie sich schnell auf Nebenschauplätzen und lenken womöglich von Ihrem eigentlichen Thema ab. Man beobachtet das regelmäßig in amerikanischen "Katastrophenfilmen", wo der Weltuntergang die Kulisse bildet für Vater-Sohn-Konflikte, zerrüttete Ehen, Machtkämpfe usw..

Zitat von: Cailyn am 23. Oktober 2013, 10:13:36
Gut gegen Böse. Warum das gerade jetzt von vieles Lesern (oder auch TV- und Filmfans) gerne gelesen und geschaut wird, ist mir auch nicht klar.
Ich behaupte, es liegt an der Amerikanisierung.
Vor der Produktion ihre Meisterwerks K-19 verhandelte Kathryn Bigelow mit einem Hollywood-Studio über die Finanzierung. Die Jungs ließen sie eine Weile erzählen und fragten dann: "Und wo sind die Guten? Wo sind die Amerikaner?"
Da es in K-19 keine "Guten" gibt, kam man nicht ins Geschäft.  ::)


Titel: Re: Wie 'muss' ein Buch geschrieben sein
Beitrag von: Cailyn am 23. Oktober 2013, 17:10:21
Churke,
:rofl: Ja, diese Amis. In deinem Beispiel stimmt das wohl.
Aber es gibt ja auch andere Beispiele, bei denen sogar die Amis die Sucht nach dem altbewährten Schema Gut und Böse aufgeben: Game of Thrones, Boardwalk Empire und auch Breaking Bad. In diesen Bücher und Serien gibt es kaum DIE Guten oder DIE Bösen. Es sind einfach alles ziemlich verlorene Seelen...
Titel: Re: Wie 'muss' ein Buch geschrieben sein
Beitrag von: Nandriel am 08. März 2014, 15:51:33
So, es ist passiert – ich habe vorhin einen ,,Roman" hierzu verfasst gehabt, nur um kurz vor der Fertigstellung das Kunststück zu vollbringen, das Fenster zu schließen. Alles futsch. War ja klar. Bin genervt. Schreibe aber noch mal, oder versuche es zumindest...


Wie schön, dass ich diesen Thread gefunden habe, denn mit genau dieser Frage habe ich mich auch gerade mal wieder auseinandergesetzt (übrigens ebenfalls im Zusammenhang mit Rezensionen, was ja auch zu Anayas Eingangspost geführt hat):

Zitat von: Anaya am 19. Oktober 2013, 12:46:38
[...]
Im Grunde ist mir schon klar, dass Menschen, die sich viel mit dem Schreiben befassen, anders lesen als Otto-Normalkonsument. Aber schreiben wir nicht zum größten Teil für genau den?

Ich denke, 'normale' Leute lesen ohne viele Hintergedanken und beurteilen ein Buch einfach danach, ob ihnen die Schreibweise zusagt, ihnen die Handlung spannendes Lesevergnügen bereitet und die Charaktere ihre Sympathie haben.
[...]

Ich zähle mich ja nun zu denjenigen Lesern, die sich berufsbedingt auch mit Geschriebenem befassen, sei es die Literatur ,,großer" Autoren oder aber die Aufsätze von Schülern (hier völlig wertfrei und nicht kontrastierend gemeint). Ich frage also immer auch nach dem warum (war etwas spannend, mochte ich die Charaktere etc.).

Der Vergleich hinkt zwar ein wenig, aber nehmen wir als Beispiel mal die Werbung. Diese zielt ja darauf ab, dass ein potentieller Kunde von der Notwendigkeit überzeugt werden soll, dass er ein Produkt (oder auch eine Dienstleistung etc.) unbedingt braucht. Hierfür wenden die Werbemachenden alle ihnen zur Verfügung stehenden Tricks an – sie manipulieren, was das Zeug hält. Sie kennen die psychologischen Tricks, wissen, wie das Belohnungszentrum im Hirn funktioniert oder wie man Bedarf suggeriert, wo gar keiner ist (in wiefern das moralisch akzeptabel ist, sei mal dahingestellt).
Und das Fiese daran: Es funktioniert. Immer? Nein. Aber wenn die Werbung auf mich (als Zugehörige einer bestimmten Zielgruppe) halbwegs zugeschnitten ist, dann meist schon. Und das, OBWOHL ich mir der Mechanismen und der Manipulation meist bewusst bin.

Übertragen wir das mal auf das geschriebene Wort, ich bemühe Herrn Martin dafür:
Im ersten (bzw. den ersten beiden deutschen) Buch hat der Autor einen Antagonisten aufgebaut, den ich aus tiefstem Herzen hassen konnte. Ich habe ihm die Pest an den Hals gewünscht und auch vor moralisch fragwürdigen Mordgelüsten nicht zurückgeschreckt. Im zweiten Buch dann wird besagter Antagonist plötzlich Perspektivträger – und Martin beraubt mich meiner Hassgefühle. Plötzlich sind da nachvollziehbare Motive, Traumata, verständliche Emotionen. Ich kann nicht mehr hassen, und muss darüber hinaus sogar noch meine eigenen Wertvorstellungen überdenken, denn ich bringe plötzlich für jemanden, der etwas Fürchterliches getan hat, so etwas wie Verständnis und Mitgefühl auf. Danke, Herr Martin, dass ich meine schöne Projektionsfläche für negative Gefühle nun nicht mehr habe -.-

Ich behaupte mal, dass es den allermeisten Lesern ähnlich ergangen sein dürfte, und zwar unabhängig davon, ob sie sich mit dem Schreiben an sich genauer befasst haben oder nicht. Worin liegt also der Unterschied?

Nun, für Martin dürfte es wohl keinen Unterschied machen, da seine Manipulation, die subtile Lenkung des Lesers und dessen Meinung hervorragend funktioniert, so oder so.
Für mich persönlich aber macht es einen Unterschied, denn ich will wissen, wie er das macht. Ich will die Tricks kennen lernen und entlarven, die sprachlichen Mittel, den Aufbau. Für mich ist das ein bisschen wie Detektivarbeit, wahrscheinlich hat mir deshalb schon immer das Analysieren im Deutschunterricht am meisten Spaß gemacht.
Den größten Unterschied aber macht es für mich als Hobbyautorin, denn um derartige Kniffe anwenden zu können, um also eine gewisse beabsichtigte Wirkung beim Leser hervorzurufen, muss ich diese

1.   überhaupt erst einmal (er-)kennen (--> ok, das kann ich ganz gut)
2.   selbst anwenden können (und hier hapert es leider gewaltig)

Woher aber kriege ich dieses Know-How? (*auf sich selber zeigt*) Z.B. aus dem Deutschunterricht.
Und natürlich aus Schreibratgebern. Von denen gibt es mittlerweile beinahe so viele wie Sand am Meer. Ich kenne nur sehr wenige davon, hatte relativ schlechte (weil für mich nicht ansprechende), recht gute (weil informative / hilfreiche) und sogar ein paar wenige sehr gute (weil genau auf mich passende) in den Fingern. Ich behaupte mal, dass das ähnlich ist wie mit den eigenen Genrevorlieben. ,,Gut" ist also relativ, denn das vermittelte Handwerkszeug ist ja im Grunde immer das gleiche.

Brauch ich das denn? Ich behaupte: Wenn ich bewusst eine bestimmte Wirkung an einer bestimmten Stelle hervorrufen will, dann ja. Wenn ich sicherstellen will, dass es ,,funktioniert", weil es die Psychologie des Lesers mit einbezieht, dann ja. Oder mit Churkes Worten:
Zitat von: Churke am 19. Oktober 2013, 13:41:17
Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Buch gefällt, dürfte signifikant höher sein, wenn es den "Regeln" entspricht. [...]
Ich sagte ja, ich kann mich nicht kurz fassen ;)

Coehoorn meinte jedoch:
Zitat von: Coehoorn am 19. Oktober 2013, 15:39:24
Ich kann diesen ganzen Ratgebern ehrlich gesagt nichts abgewinnen.
[...]
Wenn du Talent hast, dann wirst du das schon richtig machen.
Man kann sich natürlich auch verrückt machen, aber diejenigen, die aus dem Bauch heraus schon alles ,,richtig" machen, die Story also wie gewollt ,,funktioniert", dürften dann doch sehr selten sein. Die große Mehrheit der Autoren (mich inklusive) muss sich solche Mechanismen immer wieder bewusst machen – oder dies den Profis anvertrauen, sprich den Lektoren (womit ich allerdings keine Erfahrung habe).

Zitat von: Remy am 19. Oktober 2013, 16:24:06
[...] Ich denk da zurück an das, das man so als die großen literarischen Meisterwerke bezeichnet und denke mir, die hatten auch keine Ratgeber.
[...]
Andererseits muss man auch den Mut haben, Dinge auszuprobieren. Grenzen zu testen und mal einfach seinem Gefühl folgen. Wer zu nah an solchen Ratgebern entlang schreibt, habe ich zumindest das Gefühl, wird kaum etwas kreieren, was noch nicht da war. (Ob das in der heutigen Zeit überhaupt noch möglich ist sei dahingestellt.)
[...]

Tja, Ratgeber im eigentlichen Sinne gab es vielleicht noch nicht, aber wenn man sich z.B. mal den Briefwechel zwischen Goethe und Schiller anschaut, dann haben diese Herren sehr wohl ganz klare Regeln für das Verfassen literarischer Werke aufgestellt. Gut, meist waren sie es, sie haben sich also nicht an gängige oder zuvor existente Vorgaben (die teilweise ebenfalls von ihnen verfasst worden waren!) gehalten.
Als Anekdote am Rande: In seiner Rezension zu Bürgers Gedichten verreißt Schiller seinen Zeitgenossen regelrecht. Seiner Meinung zugestimmt hat (meines Wissens nach) öffentlich allerdings kaum jemand, und zu Lebzeiten war Bürger wohl weitaus populärer als der berühmte deutsche Vorzeige-Dichter selbst. Tja, so kann's gehen ;)

Ansonsten halte ich es mit Antigone:
Nur wer die Regeln kennt, kann sie bewusst brechen – und somit mit dem Leser, seinen Emotionen und Reaktionen spielen.

Da ich Vollpfosten gerade merke, dass beinahe alles, was ich eigentlich schreiben wollte, so ähnlich bereits genannt worden ist (sorry dafür!), spare ich mir also weitere Kommentare. Ein Ratgeber hatte mir allerdings wirklich sehr geholfen, ich glaube aber, dass das nicht in diesen Thread gehört :)

Und nu is das doch wieder ein Roman geworden, hmpf -.-
Titel: Re: Wie 'muss' ein Buch geschrieben sein
Beitrag von: canis lupus niger am 09. März 2014, 14:30:38
Vielleicht bin ich ein zu schlichter, ungebildeter Charakter, aber auf die Frage, wie ein Buch beschaffen sein "muss", würde ich spontan antworten: "So, dass sein Leser es in sein Herz schließen wird. Sprachlich, von Anspruch, Thematik und Inhalt her muss es auf seine Zielgruppe zugeschnitten sein. Und da es DEN Leser ebensowenig gibt, wie DAS Buch, behelfe ich mir ganz simpel (oder einfältig?) damit, dass ich solche Geschichten schreibe, die auch ich selber gerne lesen würde. Da kann ich mir immer weitgehend sicher sein, dass sie in sich stimmig sind. Dass es Leser gibt, die davon nicht angesprochen werden, muss ich in jedem Fall in Kauf nehmen, egal wie mein Buch beschaffen ist.

Wie ich immer gerne von mir behaupte, bin ich ein reiner Hobbyschreiber, der das Privileg hat, nicht von seiner Leidenschaft leben und sie deshalb auch nicht prostituieren zu müssen. Wenn ein Manuskript keinen Verlag findet, dann ist das eben so. Reicher an Geld und Bekanntheit wird man dadurch natürlich nicht, aber reicher an Lebensfreude.
Titel: Re: Wie 'muss' ein Buch geschrieben sein
Beitrag von: Esora am 09. März 2014, 21:09:36
Alles ist eine Frage der Übung.

Den Plan für das perfekte Buch gibt es aber nicht. Vielleicht mag es sein, dass viele Leute ein Buch lesen, wenn dieses oder jenes Muster vorkommt, wenn sich zwei Charaktere zuerst nicht leiden können und dann am Ende die süßeste Liebesgeschichte daraus wird. Aber solche Bücher wurden bestimmt nicht nach einem Plan geschrieben.

Man hört oft, dass ein Buch spannend sein, den Leser mitreißen und Charaktere haben muss, mit denen man sich identifizieren kann. Prinzipiell stimmt das irgendwo auch,... aber muss ein Mensch blonde Haare haben, um ein Mensch zu sein?

Ein Buch muss Seiten, Absätze, Sätze, eine Überschrift, Kapitel haben... und nicht mal das ist ein Muss für jedes Buch, wenn man sich die Reihen der bekannten Bücher durch den Kopf gehen lässt... vor vielen vielen vielen Jarhen waren Bücher nur in Gedichtform geschrieben... heute würde man einem Autor den Kopf dafür abreisen.

In der Welt der Bücher ist alles möglich und nichts folgt einem Plan. Es ist doch der Reiz, dass alles frei, unbeschwehrlich und ohne Vorgaben ist. Eine Geschichte besteht aus den Gedanken eines Menschen, der sie anderen mitteilen möchte...

Jetzt stellt sich die Frage... muss ein Gedanke irgendwie sein?

LG
Esora
Titel: Re: Wie 'muss' ein Buch geschrieben sein
Beitrag von: FeeamPC am 22. März 2014, 18:00:03
Gedanken sind frei, ja, aber eine Geschichte braucht ein bestimmtes Gerüst, in das diese Gedanken gegliedert werden, sonst sind es Fetzen und Fragmente und keine Geschichte.

Will heißen, eine Geschichte in Versen ist immer noch eine Geschichte, aber ungegliederte Gedanken nicht.

Insofern gibt es schon ein "muss", wie Bücher geschrieben werden sollten. Jedenfalls dann, wenn man erwartet, dass sie auch irgend jemand liest.
Titel: Re: Wie 'muss' ein Buch geschrieben sein
Beitrag von: Christian Svensson am 23. März 2014, 14:26:16
Zitatder das Privileg hat, nicht von seiner Leidenschaft leben und sie deshalb auch nicht prostituieren zu müssen

1. Ich finde diesen Satz nicht gut. Er enthält eine verallgemeinernde Wertung, eine negative noch dazu. Wer von seiner Leidenschaft leben muss, muss sich deswegen noch lange nicht prostituieren. Jeder Angestellte muß die Weisungen seines Arbeitgebers und die Regeln in seinem Beruf beachten - deswegen hat noch lange niemand das Recht, ihn als Prostituierten zu bezeichnen. Auch nicht die Angestellten, die aus ihrer Leidenschaft einen Beruf gemacht haben.

2. Mal ganz brutal ausgedrückt - jeder Idiot kann ein Buch schreiben. Es tun auch viele. Er muss sich dazu nur hinsetzen und Buchstaben und Satzzeichen aneinanderreihen. Anschließend bezahlt er einem DKZ oder per BoD ordentlich Geld, kann sagen, ich habe ein Buch geschrieben und ich bin ein Autor. Ich musste mich dafür nicht prostituieren. Wenn Schriftsteller ein Beruf ist, dann gibt es da, wie in jedem anderen Beruf, Genies, Könner, Mitläufer und Nieten.

3. In jedem Beruf gibt es Regeln, nach denen er ausgeübt wird. Die Regel für ein gutes Buch ist meines Erachtens - lesen es andere gerne, haben sie Spaß und Freude dabei. Das ist in meinen Augen das "Muß", nach dem ein Buch geschrieben werden muss. Wer sich die Mühe macht, einmal im Internet Interviewas mit Angestellten (z. Bsp Lektoren, sofern vorhanden) von DKZV, BoD oder Buchhandlungen zu lesen, wird immer wieder auf drei Autorenargumente treffen:
- mein Buch passt in kein Genre
- mir sind die Regeln zu starr
- ich schreibe keinen Mainstream (abwertend gemeint).
Ein befreundeter und sehr bekannter Lektor hat mir gegenüber einmal gesagt, dass sie alle von ihrer Schreiberei überzeugt sind, aber selbst kein Buch von einem Autor kaufen würden, der genau so wie sie sein Buch verlegt hat. Das sagt eigentlich eine ganze Menge in meinen Augen.
Back to Topic: Es gibt kein "muss", wie ein Buch geschrieben werden muss. Um sich "Schriftsteller" nennen zu können, schon ...
Titel: Re: Wie 'muss' ein Buch geschrieben sein
Beitrag von: Rosentinte am 24. März 2014, 14:50:27
Zitat von: Drachenkrieger am 23. März 2014, 12:21:07
Warum schreibt man nicht das Buch so, dass es einem selber, wenn man nur ein Leser wäre, einen mit reißt, nicht los lässt.
Genau so sollte ein Buch sein: spannend, lebendig, flüssig geschrieben, verständlich vom Handlungsstrang, mit vielen unvorhersehbaren Überraschungen, Geheimnisse, die sich so nach und nach offenbaren.
Mit anderen Worten: schreibt eure Bücher so, wie ihr sie gerne lesen würdet!
Drachenkrieger, das probieren wir alle. Nur muss ich für meinen Teil sagen, dass ich gar nicht weiß, wie ich Bücher schreiben soll, die mir gefallen. Wenn Ottonormalverbraucher gefragt wird, was ein spannendes Buch ausmacht, sagt er z.B.: "Es muss viel Action vorkommen.". Aber wie schon im Szenen-Berechtigungs-Thread diskutiert wurde, ist ein Buch voller Action-Szenen kein spannendes Buch, wenn es nicht eine Hintergrundstory hat. Es ist nicht spannend, wenn ich zwar ständig Kämpfe beschreibe, aber im Buch steht: "Er hob das Schwert. Dann zielte er. Dann stach er zu. Dann traf er. Dann hörte er seinen Gegner schreien... ..."
Die "Regeln", von denen hier gesprochen wurde, sind im Gunde genommen nur als Richtlinien formuliert worden. Wenn jemand anderes sagt, dass Show, don't tell ihm "gefällt" und ich merke, dass das genau der Punkt war, warum mir meine Geschichte nicht gefiel, ist das doch genau richtig.
Wir alle wollen so schreiben, wie wir gern lesen. Aber es ist oft schwer, herauszufinden was ein Buch ausmacht, dass wir es gern lesen. Dabei können diese Richtlinien helfen.
Titel: Re: Wie 'muss' ein Buch geschrieben sein
Beitrag von: canis lupus niger am 24. März 2014, 20:00:39
Drachenkrieger, das hast Du einfach schön gesagt!  :knuddel:
Titel: Re: Wie 'muss' ein Buch geschrieben sein
Beitrag von: Christian Svensson am 24. März 2014, 21:21:58
Ja, das hat sie. Nur das es leider so nicht stimmt.

ZitatWenn dein ganzes Herzblut, deine Seele in diesem Buch steckt, dann schreibe es! Und frage nicht, ob es den anderen gefällt. In erster Linie muss es dir gefallen, denn du musst es ja auch schreiben. Wenn du etwas schreibst, was dir nicht gefällt, nur um die Medien zu füttern, das macht dich nicht glücklich. Denn das fühlt sich nicht wie deins an!

Es mag gut für die Seele sein, mag aufbauen und lieb gemeint sein. Es ist eine Ermutigung, eine Bekräftigung. Tu, was du tun musst. Nur - es stimmt nicht.

Kurz und knapp - und das verwundert mich ein wenig bei einigen Threads - und ganz besonders in diesem. Ich bekomme das Gefühl, dass ein Buch schreiben wirklich etwas ist, das jeder gut kann. Warum wird mir dann regelmäßig schlecht, wenn ich mir meine ersten Geschichten anschaue, die ich vor ungefähr fünf Jahren geschrieben habe, in denen meine Seele steckte, die ich so toll fand - auch wenn meine Freunde gesagt haben ,,naja, schön, dass du schreibst. Für dich ..."

Wenn ich mir meinen damaligen Satzbau ansehe, wie wenig ich bestimmte Regeln befolgt habe (deren Verteufelung hier manchmal durchschimmert), was für eine Gefühlsschmalz ich damals aufs Papier gegossen habe ...

Bin ich der einzige Untalentierte hier, der sich sagt, um gut zu schreiben, muss man erst mal lernen, arbeiten, schuften?
Titel: Re: Wie 'muss' ein Buch geschrieben sein
Beitrag von: FeeamPC am 24. März 2014, 21:49:07
Wie wäre es, wenn ihr die Frage einfach mal umformuliert?
Wie muss eine gute Geschichte erzählt werden?

Dann nämlich wird klar, was ein Buch braucht, um von der Masse der Leser akzeptiert zu werden. Es muss eine gute Geschichte erzählen. Und das ist eine Kunst, die gab es schon vor dem Buch. Immer aber war es auch eine Kunst, die zwei Dinge erforderte: Talent und Übung. Erzählen kann jeder, aber gut erzählen können ist eine Kunst. Eine Geschichte kann jeder zusammenkriegen, aber ob er sie so zusammenkriegt, dass seine Zuhörer (oder Leser) wie gebannt sitzen bleiben, dazu gehört nicht nur Talent, dazu gehört auch Übung. Und diese Übung beinhaltet auch Regeln. Spannungsbogen u.ä.

Das ist der Teil, den z.B. die Amerikaner wie ein Handwerk lernen. So und soviel Übungsstunden in der und der Klasse...
Wie in der Schule halt.
Gut, sie übertreiben gerne, handwerkliches Geschick ist nur die halbe Miete. Aber es gehört dazu. Satzbau, Wortwahl, Inhalte, Charaktere, Plots, alles ein Teil solides Lernen, ein Teil Talent.

Talent, denke ich, hat jeder hier- sonst wäre er gar nicht erst durch das Auswahlverfahren gekommen. Für den Rest braucht es einfach Zeit. Schreibzeit, Lebenszeit. Und den nötigen Biss, dranzubleiben.
Irgendwann ergibt sich aus dieser Kombination von alleine etwas, was andere dann ein "gutes Buch" nennen.
Titel: Re: Wie 'muss' ein Buch geschrieben sein
Beitrag von: Siara am 24. März 2014, 22:12:42
Was FeeamPC da anspricht, finde ich sehr interessant. Und ich würde es sogar noch etwas extremer formulieren: Die Geschichte an sich muss gar nicht unbedingt besonders gut sein. Sie muss gut erzählt sein. Ich glaube tatsächlich, dass man auch eine Geschichte, die gegen alle "Regeln" verstößt, so erzählen kann, dass es Spaß macht, sie zu lesen.

Am besten bleibt natürlich, wenn man eine gute Geschichte gut erzählt. (Wobei ich mit "gut" hier das meine, was sich bisher als erfolgreich erwiesen hat und damit auf dem Markt angenommen wurde. Was "gut" ist, bleibt immer reine Geschmackssache).

Andererseits bin ich aber auch der Meinung, dass eine Geschichte, die in den Grundzügen alle Voraussetzungen erfüllt, um ein Bestseller zu werden, keine Chance hat, wenn sie falsch erzählt wird. Falsch kann vieles sein und kommt vollkommen auf die Geschichte an. Aber darauf läuft es wohl generell immer hinaus: Ein Universalrezept gibt es nicht.

Ich werde
Zitat von: FeeamPC am 24. März 2014, 21:49:07
Es muss eine gute Geschichte erzählen.

mal frech umformulieren in
ZitatEs muss eine Geschichte gut erzählen.

Zitat von: FeeamPC am 24. März 2014, 21:49:07
Erzählen kann jeder, aber gut erzählen können ist eine Kunst.
Genau so sehe ich es eben auch.
Titel: Re: Wie 'muss' ein Buch geschrieben sein
Beitrag von: Christian Svensson am 24. März 2014, 22:50:01
Ich lege da mal nach aus einer Mail, die ich von einer ziemlich bekannten Lektorin bekommen habe:

ZitatIch habe schon das eine oder andere Exposé gelesen, von dem ich richtig begeistert war. Als ich das fertige Manuskript dann zugeschickt bekam, stellte sich heraus, dass die Idee zwar toll war, aber sehr schlecht umgesetzt wurde.
Titel: Re: Wie 'muss' ein Buch geschrieben sein
Beitrag von: Siara am 24. März 2014, 23:01:19
Eben, genau das meinte ich. Gute Idee reicht nicht, nicht mal eine gute Struktur.

Andererseits gibt es eben auch Geschichten, die an sich nicht überragend sind. Hier mal wieder der Mann, der bei mir irgendwie als Musterbeispiel für alles herhalten muss: Patrick Rothfuss und sein "Der Name des Windes". Junge wird zum Waisen, hat eine harte Kindheit, ist aber außergewöhnlich schlau und besucht eine Zauberschule. Nebenbei verliebt er sich noch in ein hübsches Mädchen und lernt von einem geheimnisvollen Volk das Kämpfen. Versucht man, noch mehr Klischees in eine Idee zu stopfen, wird man vermutlich scheitern. Aber - und das sage ich als großer Fan - das Buch funktioniert. Und es wirkt vom Nahen betrachtet wenigstens auf mich überhaupt nicht mehr klischeehaft. Weil es gut geschrieben ist.

Inzwischen habe ich meine Meinung über die Frage nach "guten" Büchern ziemlich geändert. Das, was nach einer Ansammlung von Klischees klingt, ist inzwischen mein heißgeliebter Dauerfavorit. Und Teaser, die eine interessante Geschichte versprachen, haben zwar ihr Wort zwar gehalten, aber fesseln konnten sie mich trotzdem nicht.

Klar, innovative Ideen, die trotzdem begeistern, und gelungene Exposés sind ein vernünftiger Anfang - aber keinesfalls das Wichtigste.
Titel: Re: Wie 'muss' ein Buch geschrieben sein
Beitrag von: Nandriel am 24. März 2014, 23:14:14
Oh, welch wunderbare Diskussion...

Zitat von: Drachenkrieger am 24. März 2014, 17:33:11
[...] Hast du nicht Momente, wo du etwas liest und denkst, WOW, das habe ich geschrieben? Das ist wirklich von mir? Das ist einfach supergut! [...]

Jap, hab ich, ich bin mal so vermessen. Leider beschränkt sich das aber fast ausschließlich auf meine "wissenschaftlichen" Arbeiten, sprich die Arbeiten aus der Uni, meine Zulassungsarbeit, Aufsätze, Musterlösungen für Klausuren... ich denke, das kann ich wirklich gut. Und ja, da hab ich mich schön öfter Jahre später genau das gefragt und war ehrlich erstaunt darüber, wie gut ich das doch formuliert hatte (Gegenteilige Erfahrungen sind aber auch hier häufig genug gemacht worden ;D).
Leider leider hatte ich ein solches Erlebnis noch nie bei meinen Geschichten. Und das, obwohl ich in der Theorie die meisten Kniffe kenne. Nur sind Theorie und Praxis halt zwei Paar Stiefel.

Zitat von: Bardo djel Liores am 24. März 2014, 21:21:58
[...]
Bin ich der einzige Untalentierte hier, der sich sagt, um gut zu schreiben, muss man erst mal lernen, arbeiten, schuften?

Nein, bist du nicht. Das predige ich eigentlich tagtäglich. Naja, eigentlich versuche ich hierfür Einsicht und Erkenntnis bei meinen Schülern zu wecken. Häufig mit nur mäßigem Erfolg. Ich denke aber, dass es in dieser Hinsicht keinen großen Unterschied macht, ob man einen Aufsatz oder eine Geschichte schreibt - das Handwerkliche muss man schon drauf haben, um wirklich gut zu sein (und wer ist schon gerne Mittelmaß?). Dass es für die Geschichten aber nochmal ne Ecke mehr braucht... tja, is halt doof (für mich) ;D
Einige Autoren, die auch verlegt worden sind, konnten anscheinend aber Lektoren wie Verlag davon überzeugen, dass ihre Story genau so, wie sie erzählt wird, supergut ist. Irgendwer wird's schon lesen. Ich ärgere mich dann aber meistens über meine Geldverschwendung. Leider kommt das mit wachsenden Ansprüchen häufiger vor.

Zitat von: FeeamPC am 24. März 2014, 21:49:07
[...]
Wie muss eine gute Geschichte erzählt werden?

Dann nämlich wird klar, was ein Buch braucht, um von der Masse der Leser akzeptiert zu werden. Es muss eine gute Geschichte erzählen. Und das ist eine Kunst, die gab es schon vor dem Buch. Immer aber war es auch eine Kunst, die zwei Dinge erforderte: Talent und Übung. Erzählen kann jeder, aber gut erzählen können ist eine Kunst. Eine Geschichte kann jeder zusammenkriegen, aber ob er sie so zusammenkriegt, dass seine Zuhörer (oder Leser) wie gebannt sitzen bleiben, dazu gehört nicht nur Talent, dazu gehört auch Übung. Und diese Übung beinhaltet auch Regeln. Spannungsbogen u.ä.
[...]

Jain. Ich behaupte, ich kann Kindern (Krippe / Kindergarten) wirklich gut Geschichten erzählen, sie fesseln, sie für mich gewinnen. Kann ich deswegen gute Kindergeschichten schreiben? Leider nein. Denn beim Erzählen habe ich Gestik, Mimik, Stimmodulation, kann mein kleines Publikum direkt mit einbinden und flexibel reagieren. Das alles kann ich mit dem geschriebenen Wort nicht erreichen. Wäre es wie du schreibst, Fee, hätte ich glaub ich längst was Tolles zu Papier gebracht (in dem Bereich). Aber ich gebe dir insofern recht, als dass die Wahrscheinlichkeit, dass jemand, der generell gut erzählen kann, auch gut schreiben kann, sicherlich höher ist.
Dennoch...
Umgekehrt kann man das ebenfalls nicht direkt in Verbindung bringen. Bestes Beispiel: Leipzig, Bernhard Hennen. Ich hab ja einen Teil seiner Bücher gelesen und fand die durchaus ganz gut, aber dass der Mann SO langweilig vorlesen würde, damit hatte ich nicht gerechnet (ok, vielleicht hatte er nur nen schlechten Tag).

So ein weites Feld...
Titel: Re: Wie 'muss' ein Buch geschrieben sein
Beitrag von: Guddy am 24. März 2014, 23:25:44
Zitat von: Bardo djel Liores am 24. März 2014, 21:21:58


Bin ich der einzige Untalentierte hier, der sich sagt, um gut zu schreiben, muss man erst mal lernen, arbeiten, schuften?
Man nicht. Manche schon.
Schreiben ist nicht selten auch eine Kunstform und als solche gibt es mehr und Inder talentierte Autoren.

Ich persönlich kann schreiben, auch kunstvoll, wenn ich will - aber ich kann keine Romane verfassen. Das muss ich lernen und hart dafür arbeiten. Ich bin mir jedoch sicher, dass es einige Autoren gibt, die das einfach so, mit einem Fingerschnippsen, können. Weil es aus ihnen herausfließt, weil ihr Herz ihren Stift zufällig richtig führt.
Titel: Re: Wie 'muss' ein Buch geschrieben sein
Beitrag von: Siara am 24. März 2014, 23:52:08
@Drachenkrieger: Ich stimme dir in beinahe allem, was du sagst, vollkommen zu. Ich kenne nun deine Geschichte nicht, aber was du so erzählst, scheint sie ja reichlich Anklang zu finden. Das freut mich wirklich für dich, und jeder Schriftsteller, dem eine Geschichte direkt aus dem Herzen fließt, die auch gern von anderen gelesen wird, ist nicht nur ein Glückspilz, sondern hat auch noch meinen ehrlichen Respekt. 

Allerdings kann es auch anders laufen. Inzwischen ist es ja doch so, dass sehr, sehr, sehr viele Menschen schreiben. In allen möglichen Genres, mehr oder weniger ernsthaft und vor allem mehr oder weniger selbstkritisch. Viele von diesen geben ihre Texte im Internet frei, weil sie sich Kritik (in vielen Fällen allerdings nur Lob) wünschen. Ich bezweifle keinesfalls, dass alle diese Menschen mit Herzblut schreiben. Vermutlich lieben sie ihre Geschichte, die Figuren, sie schreiben, weil sie Spaß daran haben. Wenn man dann aber mal in die Textproben hinein liest, wird schnell klar, dass die meisten dieser Menschen als Autoren niemals Erfolg haben werden. Viele schreiben sogar so, dass man es nicht einmal kostenlos lesen möchte. Das meine ich keinesfalls abfällig oder gemein, und bevor ich keine Betas an mein Geschreibsel gelassen habe, lebe ich mit den Zweifeln, ob ich nicht vielleicht zu diesen Menschen gehöre.

Was ich damit sagen will: Wer schreiben möchte, weil ihm das Schreiben Freude bereitet, der kann natürlich tun und lassen, was er will. Und ich denke auch, dass es für ein gutes Buch Herzblut und Leidenschaft braucht. ABER: Nicht jeder, der mit Herzblut und Leidenschaft schreibt und seine Geschichte liebt, schreibt auch eine "gute" Geschichte. Solange der Schriftsteller Spaß hat und glücklich ist, ist daran nichts Falsches. Sollte mich irgendwann jemand freundlich darauf hinweisen, dass ich auf dem Buchmarkt absolut keine Chance habe und selbst mit viel Übung nur wenig erreichen könnte, wird mich das sicher nicht vom Schreiben abhalten. Schließlich tue ich es, weil ich Spaß daran habe.

@Bardo: Ich denke wirklich, jeder muss das Schreiben erst lernen und dafür auf die ein oder andere Weise "schuften". Diejenigen, die sich selbst als Naturtalente bezeichnen, sind entweder absolut nicht selbstkritisch oder sie lernen eben nicht aktiv, sondern unbewusst. Lesen ist für einen werdenden Autor schließlich die beste Schule. Manche lesen Schreibratgeber, um sich die Tipps und Kniffe erklären zu lassen, andere gucken sie sich aus andere Geschichten ab und lernen auf diese Weise. Wer sich intensiv mit dem Schreiben beschäftigt, liest meiner Meinung nach immer anders als der Durchschnittsleser. Ob nun unterbewusst oder beabsichtigt, ich denke, lernen muss und kann jeder Autor - und zwar sein Leben lang.

Zitat von: Guddy am 24. März 2014, 23:25:44
Schreiben ist nicht selten auch eine Kunstform und als solche gibt es mehr und Inder talentierte Autoren.
Tut mir leid, ich muss mal eben OT werden und lachen :rofl: Was ein schöner Klecks  ;D

Zitat von: Guddy am 24. März 2014, 23:25:44
Ich bin mir jedoch sicher, dass es einige Autoren gibt, die das einfach so, mit einem Fingerschnippsen, können. Weil es aus ihnen herausfließt, weil ihr Herz ihren Stift zufällig richtig führt.
Hier muss ich Guddy noch einmal zustimmen, sehr schön ausgedrückt. Ich denke allerdings, dass auch diese Autoren hart arbeiten müssen - und sei es nur bei der Überarbeitung. Ich jedenfalls glaube nicht, dass irgendjemand einen "guten", markttauglichen Roman ohne Mühen schreiben kann, weil es ihm einfach aus den Fingern fließt. Einzelne Szenen ja, berührende, fesselnde Szenen. Aber einen ganzen Roman, der auf Anhieb perfekt wird? Denke ich nicht.
Titel: Re: Wie 'muss' ein Buch geschrieben sein
Beitrag von: Nandriel am 24. März 2014, 23:58:25
Hach, Siara...

Hätt ich mal gewartet, hätt ich mir meinen Post sparen können. Ich meine was du schreibst. Du formulierst es nur treffender ;)
Titel: Re: Wie 'muss' ein Buch geschrieben sein
Beitrag von: Coppelia am 25. März 2014, 06:36:11
Weil es so schön zu eurer Diskussion passt, muss ich noch mal mit Cicero kommen. ;D Er schreibt, dass ein guter Redner (ja, ich weiß, aber meiner Ansicht nach kann man das auch auf einen Schreiberling übertragen) drei Grundvoraussetzungen erfüllen muss: ingenium, ars und usus. Übersetzt ungefähr: Talent, handwerkliches Wissen und Übung.
Für ihn ist die Übung das mit Abstand Wichtigste.
Das ist übrigens die Aussage von jemandem, der erfolgreich sein wollte. Geschrieben hat er zwar häufig wohl zum großen Teil aus Spaß, aber mit seinen Reden wollte und brauchte er Erfolg.

Mit viel Begabung, viel Wissen und viel Übung könnte ich mir schon vorstellen, dass man ein Niveau erreicht, auf dem man auch lange Texte schnell und gut schreibt.
Titel: Re: Wie 'muss' ein Buch geschrieben sein
Beitrag von: HauntingWitch am 25. März 2014, 08:22:38
Interessante Diskussion habt ihr hier.  :)

Zitat von: Bardo djel Liores am 24. März 2014, 21:21:58
Bin ich der einzige Untalentierte hier, der sich sagt, um gut zu schreiben, muss man erst mal lernen, arbeiten, schuften?

Nein, keine Angst. ;) Coppelia spricht mir mal wieder aus der Seele, aber ich möchte noch etwas hinzufügen: Jemand, der das Talent und Interesse hat, wird das Handwerkliche mit der Zeit wie automatisch lernen, denn in der Regel bringt das Interesse auch den Willen, sich mit den Werkzeugen auseinanderzusetzen. Allerdings kann jemand, der völlig talentfrei ist, noch so viele Tricks und Kniffs kennen, er wird niemals so gut werden, wie der Talentierte. Mangelt es an Leidenschaft bringt alles Werkzeug der Welt nichts.

@Guddy und Drachenkrieger: Früher dachte ich auch, dass mein Herz den Stift einfach richtig führt. Vermutlich tat es das bis zu einem gewissen Grad auch, denn eine, wenn auch kleine, positive Resonanz hatte ich. Aber als ich in den Tintenzirkel kam, merkte ich, dass es unzählige Möglichkeiten gibt, mittels gezielter Herangehensweise und Tricks und Kniffs eine Geschichte noch besser zu machen. Meine instinktgetriebenen Herzensgeschichten kamen mir plötzlich nicht mehr so toll vor. Mittlerweile denke ich, das beste Ergebnis bekommt man, wenn der Verstand das Herz unterstützt. Das Herz gibt einem die Geschichte und die Richtung vor, der Verstand formt und schleift sie. Aber das ist jedem seine persönliche Entscheidung, also wenn ihr Herz-Schreiber seid und das bleiben möchtet, bleibt es.  ;D
Titel: Re: Wie 'muss' ein Buch geschrieben sein
Beitrag von: Nandriel am 25. März 2014, 09:00:38
Zitat von: Coppelia am 25. März 2014, 06:36:11
Weil es so schön zu eurer Diskussion passt, muss ich noch mal mit Cicero kommen. ;D Er schreibt, dass ein guter Redner (ja, ich weiß, aber meiner Ansicht nach kann man das auch auf einen Schreiberling übertragen) drei Grundvoraussetzungen erfüllen muss: ingenium, ars und usus. Übersetzt ungefähr: Talent, handwerkliches Wissen und Übung.
Für ihn ist die Übung das mit Abstand Wichtigste.
[...]

Dem kann man eigentlich nur zustimmen. Und der Erfolg gibt ihm ja auch recht - obwohl natürlich auch hier Ausnahmen die Regel wie überall nur bestätigen.

Und: Ich bewundere ebenfalls alle Menschen, deren Herz ihre Hand führt und die dabei auch noch richtig gute Geschichten zu Papier bringen. Ich mag mein Herz schon auch, leider bestehen diese subjektiv guten Ideen selten den Realitätstest. Was nun aber nicht heißt, dass ich mich davon abschrecken ließe - bedeutet halt nur leider deutlich mehr Übung und anschließende Überarbeitung und damit Zeit, als die guten "Intuitivschreiber" aufbringen bzw. investieren müssen, um zum gleichen Ergebnis zu gelangen.
Titel: Re: Wie 'muss' ein Buch geschrieben sein
Beitrag von: Coppelia am 25. März 2014, 13:18:25
Da sprichst du einen interessanten Punkt an. Möglicherweise merkt man auch gar nicht, dass man "arbeitet", während man schreibt, weil man als Arbeit eher das definiert, was einem unangenehm ist - alles andere als Spaß.
Die Texte, die ich für meine besten halte, habe ich geschrieben ohne irgendwelche Verpflichtungen, nur aus Spaß. Und doch habe ich viele Stunden und viel Gehirnschmalz (tolles Wort ;D) investiert.
(Arbeit fällt natürlich immer beim Herausfisseln von Fehlern an - wenn man aber nur zum Spaß schreibt, können die Fehler ja auch drin bleiben.)
Titel: Re: Wie 'muss' ein Buch geschrieben sein
Beitrag von: Exilfranke am 25. März 2014, 13:55:56
Wie definiert man denn bitte ein gutes Buch? Verkauft sich ein gutes Buch besser als ein schlechtes? Was sind die Kriterien, in welchem Definitionsrahmen bewegen wir uns da? Ich halte Dan Brown für einen höchst mittelmäßigen Autor, trotzdem verkaufen sich seine Werke millionenfach. Sind seine Bücher jetzt gut, weil sie einen Massengeschmack bedienen?
Titel: Re: Wie 'muss' ein Buch geschrieben sein
Beitrag von: HauntingWitch am 25. März 2014, 14:13:32
Ich glaube, die Threadfrage ist nicht, was sich verkauft, sondern was wir - TZler - als gut empfinden, welche Kriterien wir haben. Hast du die vorderen Seiten gelesen? Es läuft etwa darauf hinaus.  ;) Dass sich auch grottenschlechte Bücher verkaufen und teilweise gute zu ewigem Schubladendasein verdonnert sind, ist glaube ich jedem hier klar. Und ich denke, die Frage, warum sich etwas verkauft oder nicht, wäre durchaus einen eigenen Thread wert.
Titel: Re: Wie 'muss' ein Buch geschrieben sein
Beitrag von: Siara am 25. März 2014, 15:04:08
Zitat von: HauntingWitch am 25. März 2014, 14:13:32
Ich glaube, die Threadfrage ist nicht, was sich verkauft, sondern was wir - TZler - als gut empfinden, welche Kriterien wir haben.
Das ist dann natürlich noch mal eine ganz andere Frage. Obwohl ich immer noch der Meinung bin, die ganzen "Regeln" sind gute Richtlinien.

Was ich persönlich an Romanen mag: Gute Dialoge. Schlaue Aussagen, die mich überraschen und vielleicht auch eine neue Sichtweise auf gewisse Dinge bringen. Figuren, die nicht schwarz weiß sind, kein weißes Hemd bzw. den Umhang des Todes persönlich tragen. Winzige Andeutungen, die man vermutlich noch überliest, und die sich später als des Rätsels Lösung darstellen. Nebenbei aber auch immer wieder gern falsche Fährten, die genauso aussehen wie die Kleinigkeiten, die später wichtig werden (das ist für mich eine echte Königsdisziplin). Logische, aber trotzdem verstrickte Zusammenhänge. Ein Schreibstil, der schön klingt und dabei flüssig zu lesen ist. Figuren, die durch Schwächen und Stärken Sym- und Antipathien wecken, sodass man mitfiebern kann.

Das sind alles Aspekte, die ich Romanen, die ich gelesen habe, mochte. Aber ich lasse mich auch gerne immer wieder von neuen Büchern überraschen, die diese Punkte vielleicht vollkommen gegenteilig behandeln und die trotzdem begeistern.

Zitat von: Drachenkrieger am 25. März 2014, 14:44:31
Ich glaube auch, dass es mehr Arten von Lesern gibt. Die einen lesen alles und machen sich keinen Kopf darum, ob es gut ist oder schlecht. Es hat einen hohen Verkaufswert, also muss es gut sein, sonst würde es die Masse ja nicht kaufen.
Mmh, also solche kenne ich überhaupt nicht. Manche Bücher werden sicher vermehrt gekauft, weil sie bekannt sind. Aber sie sind bekannt, weil sie ein bestimmtes Lesebedürfnis der Massen erfüllen. Dafür können auch flache Charaktere und einfache Story genügen. Das bedeutet aber nicht, dass sie Menschen es kaufen, weil alle es kaufen. Sondern weil sie eben wie viele andere Gefallen an einer bestimmten Eigenschaft des Buches finden (mein liebstes Beispiel bleiben hier die immergleichen Liebesromane, bei denen man nach der ersten Seite weiß, wie es ausgeht). Manche lesen sie trotzdem gern. Immer wieder. Und das ist schließlich auch ihr gutes Recht.

Aber Witch hat recht, persönliche Meinung und das, was sich nachher tatsächlich verkauft, sind zwei vollkommen andere Themen. Letzteres wäre aber auch ein interessanter Thread.   
Titel: Re: Wie 'muss' ein Buch geschrieben sein
Beitrag von: canis lupus niger am 25. März 2014, 20:31:48
Zitat von: Bardo djel Liores am 24. März 2014, 21:21:58
Ja, das hat sie. Nur das es leider so nicht stimmt.

Es mag gut für die Seele sein, mag aufbauen und lieb gemeint sein. Es ist eine Ermutigung, eine Bekräftigung. Tu, was du tun musst. Nur - es stimmt nicht.
Doch, wenn wir hier darüber reden, Bücher zu schreiben, und nicht davon, welche zu verkaufen. Wenn ich ein Buch schreibe, um eine gute Geschichte zu erzählen, dann kann ich meine eigenen Maßstäbe anlegen, kann mein Thema selber wählen, und wenn ich möchte, einen sensiblen Jungen von einer beinharten Kriegerin beschützen lassen. Aber vermarkten kann ich die Geschichte vermutlich nicht, weil für den Mainstream die Beinharten immer die Kerle und die Sensiblen, zu Beschützenden die Frauen sein müssen. Dann wird mir der Agent oder der Verlag vermutlich zu verstehen geben, dass es für so etwas keinen Programmplatz in diesem VErlag gibt.

Zitat von: Bardo djel Liores am 24. März 2014, 21:21:58
Bin ich der einzige Untalentierte hier, der sich sagt, um gut zu schreiben, muss man erst mal lernen, arbeiten, schuften?
Nein, natürlich nicht, denn Kunst kommt nun mal von Können, und das muss man sich erarbeiten.  Aber es führen halt viele Wege nach Rom, und es gibt viele verschiedene Arten von gut geschriebenen Büchern (und unzählige Arten von schlecht geschriebenen). Nur ist der Begriff "gut" halt auslegungsbedürftig.
Was ist gut? Perfekt konstruiert? Sprachlich perfekt? Episch? Knapp? Sinnlich? Romantisch? Blutig? Genießerisch mit Worten und Bildern spielend oder streng plotorientiert?

Ein sehr kundiger Rezensent, den ich persönlich sehr mag, schrieb über eines meiner Bücher einmal, es sei ihm beim Lesen zu sehr der Eindruck entstanden, "tatsächliche Personen vor sich zu haben". Das sei ihm manchmal zu viel gewesen, weil er "als Leser lieber die Beobachterpose" einnimmt.  Das empfinde ich, obwohl dieser Rezensent nach seinem persönlichen Geschmack ja eher kritisiert, als großes Lob. Personen möglichst realistisch und lebendig zu schreiben ist nämlich mein Ziel. Aus Sicht des Rezensenten hätte ich das allerdings besser schreiben können. Ein (in zumindest dieser Hinsicht) gutes Buch also, oder nicht? Geschmackssache.
Titel: Re: Wie 'muss' ein Buch geschrieben sein
Beitrag von: Nandriel am 25. März 2014, 21:04:57
Zitat von: Drachenkrieger am 25. März 2014, 14:44:31
Bin auch ein Leser und logisch, ich lese Bücher. Ein gutes Buch für mich ist, wenn ich es immer wieder lesen kann, ohne dass es mich langweilt.
[...]

Uh, über diese Aussage bin ich nun doch gestolpert, denn... das ist tatsächlich für mich überhaupt kein Kriterium, da ich äußerst selten ein Buch ein zweites Mal lese, selbst wenn ich es großartig fand. Warum? Weil ich ja schon weiß, was passieren wird... irgendwie fand ich das immer ein wenig langweilig.

Einzige Ausnahme: Conrad Ferdinand Meyer: "Der Heilige" (1880). Ich habe die Novelle fünf oder sechs Mal gelesen und drei Arbeiten darüber verfasst (freiwillig), und ich habe tatsächlich bei jedem erneuten Lesen etwas Neues entdeckt. Meyer war aber auch durchgeknallt, irgendwie, und seine Werke in höchstem Maße konstruiert (ohne dass dies beim Lesen allerdings auffallen würde). Da ich aber eine derartige sprachliche Kunstfertigkeit bei Fantasygeschichten nicht erwarte und es sich vermutlich, wenn wir mal ehrlich sind, auch eher schlecht verkaufen dürfte, habe ich einfach (bisher) nicht das Bedürfnis (gehabt), ein Fantasybuch wirklich nochmal zu lesen.

Halt, stimmt nicht - ich hab die Dunkelelf-Saga zweimal gelesen, allerdings im Abstand von >10 Jahren und beim zweiten Mal auch nicht mehr alle, ging einfach nicht... aber das hat wieder andere Gründe.

Zitat von: Siara am 25. März 2014, 15:04:08
[...] Was ich persönlich an Romanen mag: Gute Dialoge. Schlaue Aussagen, die mich überraschen und vielleicht auch eine neue Sichtweise auf gewisse Dinge bringen. Figuren, die nicht schwarz weiß sind, kein weißes Hemd bzw. den Umhang des Todes persönlich tragen. Winzige Andeutungen, die man vermutlich noch überliest, und die sich später als des Rätsels Lösung darstellen. Nebenbei aber auch immer wieder gern falsche Fährten, die genauso aussehen wie die Kleinigkeiten, die später wichtig werden (das ist für mich eine echte Königsdisziplin). Logische, aber trotzdem verstrickte Zusammenhänge. Ein Schreibstil, der schön klingt und dabei flüssig zu lesen ist. Figuren, die durch Schwächen und Stärken Sym- und Antipathien wecken, sodass man mitfiebern kann. [...]

Gekauft! Genau das, was du da beschreibst - will ich lesen. Jetzt. Sofort. Ist leider schon so lange her, dass ich ein solches Buch in den Fingern hatte... und von meinen eigenen literarischen Ergüssen wollen wir mal gar nicht erst reden.

Wenn man also die Hypothese aufstellen wollte, dass ein jeder "Autor" mehr oder weniger versucht so zu schreiben, dass er seine eigenen Leseerwartungen bedient, dann wollte ich gern so schreiben, wie Siara es oben dargestellt hat. Für mich (!) wäre das ein gutes Buch. Weniger wäre nette Unterhaltung, aber kein (wirklich) gutes Buch (beinahe Genreunabhängig).

Zitat von: canis lupus niger am 25. März 2014, 20:31:48
[...] Was ist gut? Perfekt konstruiert? Sprachlich perfekt? Episch? Knapp? Sinnlich? Romantisch? Blutig? Genießerisch mit Worten und Bildern spielend oder streng plotorientiert? [...]

Und was interessiert mich mein Geschwätz von eben? Schon fängt meine Behauptung zu wackeln an.

Neue These:
Die Bezeichnung "gut" ist nicht nur relativ und subjektiv, sondern zusätzlich auch noch massiven Schwankungen unterworfen:

- Alter / Leseerfahrung
- Gemütslage / derzeitige Lebensumstände
- zeitnah gelesene Vergleichswerke

Diese (und sicherlich noch andere Aspekte) haben vermutlich einen nicht zu verachtenden Einfluss auf mein Urteil darüber, ob ein Buch gut ist oder nicht. Würde ich Bücher mehrmals lesen, würde demnach mein Urteil aller Wahrscheinlichkeit nach anders ausfallen als beim ersten Mal. Womit also diese Frage nicht nur nicht verallgemeinernd, sondern ebensowenig für ein einzelnes Individuum mit Bestimmtheit beantwortet werden könnte. Oder?
Titel: Re: Wie 'muss' ein Buch geschrieben sein
Beitrag von: Siara am 25. März 2014, 21:10:15
Zitat von: canis lupus niger am 25. März 2014, 20:31:48
Ein sehr kundiger Rezensent, den ich persönlich sehr mag, schrieb über eines meiner Bücher einmal, es sei ihm beim Lesen zu sehr der Eindruck entstanden, "tatsächliche Personen vor sich zu haben".
Was!?  :seufz: Was ist denn das für eine Aussage? Als Kompliment würde ich es auch deuten, auf jeden Fall. Auch das ist wohl Geschmackssache. Wobei ich einen Schreibstil, der den Leser "zu sehr" von einer anderen Welt, anderen Figuren, etc. überzeugt, doch ein etwas seltsames Statement finde. Aber gut, erfreu dich an diesem vielleicht anders gemeinten Lob - damit hast du wohl geschafft, was viele nur versuchen. 

Ansonsten denke ich, dass wir hier ein echtes Definitionsproblem haben. Eigentlich müsste der Threadtitel weitergeführt werden zu "Wie 'muss' ein Buch geschrieben sein, um..."

... von dem jeweiligen TiZi persönlich gemocht zu werden?
... sich gut zu verkaufen?
... nur eine bestimmte, eingegrenztere Leserschaft zu bedienen?
... einen Agenten/Verlag auf sich aufmerksam zu machen?

Wenn wir vom ersten ausgehen, wird die Diskussion wohl nirgendwo hinführen, und es kann nur jeder seine Meinung sagen. Schließlich lässt sich über Geschmack bekanntermaßen nicht streiten  ;)

So, nu ist Nandriel mir zuvorgekommen ;D Stimmt, dass mit der eigenen Entwicklung finde ich auch äußerst interessant. Ich sage mal so: Entweder ein Buch gefällt oder es gefällt eben nicht. Manches, was einem in der Regel positiv aufgefallen ist, kann man benennen. Anderes ist schlicht nicht fassbar und kann trotzdem den Ausschlag gegeben haben, warum einen ein Buch aus den Socken gehauen hat. Manchmal ist man richtig verzaubert von einem Buch - und kann nicht beschreiben, warum.

Da sind wir hier: Lauter professionelle und/oder lernende Autoren, und kriegen es nicht hin, zu formulieren, was wir an Büchern mögen  :rofl:
Titel: Re: Wie 'muss' ein Buch geschrieben sein
Beitrag von: Christian Svensson am 25. März 2014, 21:33:04
Doch, können wir, aber dazu müssen wir uns zuerst auf den Begriff "Buch" einigen.
Ich gebe einmal vor:
Erzählende, kommerzielle Prosa (also keine Lyrik und keine experimentelle Prosa)
Damit sitzen wir dann auf folgender Basisanforderung:
1. Korrekte Rechtschreibung
2. Grammatikalisch korrekter Satzbau.

Meines Erachtens müssen wir uns auch auf ein Ziel einigen, denn es ist ein Unterschied, ob ein Buch für den Hausgebrauch oder für einen beabsichtigten verlagsmäßigen Vertrieb geschrieben wird. In der ganzen Diskussion sollte klar geworden sein, dass die Ansichten (und auch die Anforderungen) zwischen - ich sage mal Selbstverlag - und komerziellem Verlag unterschiedlich sind. Das ist keine Wertung, sondern ein Fakt. Es mag Selbstverleger geben, die einen guten Lektor bezahlen, aber ich denke, dass sind weitaus die Wenigsten. Gut beginnt nach meiner Erfahrung bei drei bis vier Euro pro Seite. Ich denke wirklich, dass es wenig Sinn macht, ein Buch, das sicher mit viel Herzblut, vielleicht auch mit viel Wissen und Können geschrieben wurde, mit einem Buch zu vergleichen, dass den Anforderungen des kommerziellen Marktes gerecht werden muss und soll.
Titel: Re: Wie 'muss' ein Buch geschrieben sein
Beitrag von: Siara am 25. März 2014, 21:40:16
Ja, das meinte ich, wenn ich sagte, wir haben ein Definitionsproblem. Für Wie muss ein Buch geschrieben sein, um auf dem Markt erfolgreich zu sein? gibt es ja inzwischen einen anderen Thread (auch wenn der noch etwas weiter gefasst ist). Wenn ich es richtig verstanden habe, ging es hier eher um die eigene Meinung. Oder? Eben das ist das Problem, momentan reden wir irgendwie ein wenig aneinander vorbei.

Allerdings hast du natürlich recht, was die Basisanforderungen angeht.  ;)
Titel: Re: Wie 'muss' ein Buch geschrieben sein
Beitrag von: Christian Svensson am 25. März 2014, 23:28:29
ZitatWenn es meine Seele berührt, wenn ich mit ihm lache und weine, ...

Also, wenn wir hier ernsthaft darüber nachdenken wollen, dann geht es darum, den kleinsten gemeinsamen Nenner zu finden. Damit auch andere etwas davon haben. Vielleicht etwas, was ihnen dabei hilft, ihr Buch so zu schreiben, dass auch andere es lesen. Ich will Dich nicht kränken, Drachenkrieger, aber ich finde, Dein letzter Post passt da nicht so ganz  ;)
Titel: Re: Wie 'muss' ein Buch geschrieben sein
Beitrag von: FeeamPC am 26. März 2014, 00:26:53
Um es mal ganz subjektiv zu formulieren:

Für mich gibt es mehrere Sorten "gute" Bücher.

Da sind die Bücher, die so fesselnd und spannend sind, dass ich sie unbedingt in einem Rutsch durchlesen muss.
Dann gibt es die Bücher, die mir neue Fakten nahebringen, meist Sachbücher (nach Gehirnfutter bin ich förmlich süchtig).
Und zuletzt gibt es die Bücher, die mich unabhängig vom Thema auf irgendeiner Ebene, die ich selbst nicht benennen kann, so sehr ansprechen, dass ich sie auch nach Jahren wieder lese, sobald sie mir in die Finger geraten. Merkwürdigerweise sind darunter viele Bücher, die eigentlich als Kinder- oder Jugendbücher geschrieben wurde, und in diese Kategorien gehöre ich schon einige Jahrzehnte nicht mehr. Und oft finde ich beim erneuten Lesen in diesen Büchern etwas, was mir beim ersten Durchgang überhaupt nicht aufgefallen ist.

Das ist meine persönliche Definition von "guten" Büchern.
Titel: Re: Wie 'muss' ein Buch geschrieben sein
Beitrag von: Christian Svensson am 26. März 2014, 09:23:35
Natürlich ich schon wieder :ätsch:
Es war nur der Versuch, das Ganze zu versachlichen, da wir hier im Workshop sind und nicht im Off-Topic.
Habe mich da wohl getäuscht. Ist nicht schlimm. ;)
Titel: Re: Wie 'muss' ein Buch geschrieben sein
Beitrag von: Christian Svensson am 27. März 2014, 09:41:23
Mir ist heute ein Zitat untergekommen und ich denke, dass ist in diesem Thread ein Nachdenken wert:

ZitatDie Kunst hat das Handwerk nötiger
als das Handwerk die Kunst.


Franz Kafka (1883 - 1924)