Tintenzirkel - das Fantasyautor:innenforum

Handwerkliches => Workshop => Thema gestartet von: Marek am 03. April 2013, 19:33:20

Titel: Die schicksalsträchtige Zufallsbegegnung
Beitrag von: Marek am 03. April 2013, 19:33:20
Da ich gerade selbst vor einer entsprechenden Plotentscheidung stehe, würde ich gerne mit euch ein bisschen über das arg überanspruchte Element des Zufalls im Fantasyroman diskutieren, und zwar im Zusammenhang mit Begegnungen. Natürlich, irgendwie muss man seine Figuren schon zusammenbringen - aber wie wahrscheinlich ist es, dass der Typ am Nebentisch in der Kneipe ausgerechnet der rechtsmäßige Prinz von XY ist? Oder dass die Helden ausgerechnet in den einen Magier hineinlaufen, der sein ganzes Leben lang den Dämonen erforscht hat, der ihnen gerade das Leben schwer macht?

Nicht nur im Herrn der Ringe gibt es solche Begegnungen, ich bin schon in den verschiedensten Büchern darüber gestolpert und habe selbst allzu oft mit diesem Element gearbeitet, weil ich nicht wusste, wie ich meine Figuren sonst hätte einbauen können, und natürlich gibt es eine besondere Gruppendynamik, wenn die Heldengruppe zufällig zusammengewürfelt wird, während man gleichzeitig will, dass alle Figuren auch einen Bezug zum Plot haben sollen und das am besten auch schon in ihrer Vergangenheit. Nur die Plausibilität bleibt dabei oft auf der Strecke - nicht nur für die erste Begehnung, sondern auch fürs zufällige Wiedersehen.

Ein Beispiel aus meinem Romanerstling "Eine Flöte aus Eis":
Und das alles ohne Handys und GPS!

Damit habe ich, denke ich, mein Kontingent an Zufallsbegegnungen nicht nur ausgeschöpft, sondern gleich überstrapaziert. Dummerweise stehe ich gerade vor genau der Situation, dass meine Heldin dringend Hilfe benötigt, die sie eigentlich nur vom Grauen Jäger bekommen kann. Sie kennt ihn schon aus früheren Kapiteln, an der Kontaktaufnahme würde es nicht scheitern - aber der Bursche durchpflügt wie ein braver Waldläufer ein Gebiet von ca. 50 Quadratkilometern - und dann soll er, nachdem Anata vor drei Monaten auf der anderen Seite des Sees vor ihm geflohen ist, ausgerechnet jetzt da auftauchen, wo sie jetzt ist, nur weil sie ihn gerade brauchen kann?

Das kommt mir, nachdem ich drei Tage lang überlegt habe, warum der Jäger und sie das gleiche Ziel haben könnten, so unplausibel vor, dass ich es unter allen Umständen vermeiden will. Aber andererseits habe ich diese Figur ziemlich prominent eingebaut, dass Leser es mir vielleicht auch übelnehmen würden, wenn er gar nicht mehr vorkommt. Eine Zwickmühle, für die ich aber schon eine Lösung im Hinterkopf habe. Mich interessiert gar vor allem, wie ihr selbst mit diesen Zufallsbegegnungen verfahrt, sowohl als Autor, als auch als Leser. Benutzt ihr sie? Nerven sie euch? Und was kann man als Autor tun, um sie zu umschiffen?
Titel: Re: Die schicksalsträchtige Zufallsbegegnung
Beitrag von: Coppelia am 03. April 2013, 20:04:43
Mich ärgert eine zufällige Begegnung eigentlich nicht. Wenn sie sich aber ständig wiederholt, werde ich schon etwas unwillig. Ich muss zugeben, dass ich beim Lesen nicht ständig die Logik des anderen Buchs hinterfragen. Damit fange ich nur an, wenn mir etwas ins Auge springt. Meist achte ich vor allem darauf, ob das Handeln der Figuren sinnvoll motiviert ist.

Zufällige schicksalsträchtige Begegnungen versuche ich beim Schreiben aber zu vermeiden. Ich überlege mir, warum die beiden Personen gerade an diesen Ort gekommen sind, was ihre Motivation ist, was sie vorher getan haben. Oft gibt es ja gute Gründe, warum mehrere Leute zu einer bestimmten Zeit an einen bestimmten Ort kommen - zum Beispiel, weil da gerade etwas Aufregendes oder sonstwie Bedeutendes passiert. Weil sie derselben Sache auf der Spur sind. Oder vielleicht auch nur, weil es etwas umsonst gibt.

Leider habe ich aber auch einige solcher zufälliger Begegnungen in "Halbe Sachen", die mir ziemlich sauer aufstoßen. Es ist nicht einmal ganz unmöglich, dass sich die Leute begegnen - immerhin jagen mehrere Parteien derselben Sache nach und folgen denselben Spuren - aber dass sie sich trotzdem mehrfach über den Weg laufen, sodass sich die Handlung in eine bestimmte Richtung entwickeln kann, ist vermutlich etwas zu gewollt.

Zitatund auch, als sich ein Anderer aus der Gruppe verabschiedet, kommen die Helden kurze Zeit später an genau dem Bauernhof vorbei, wo der Kerl sich als Erntehelfer verdingt, und die Party kann weitergehen
Das zum Beispiel finde ich jetzt gar nicht so furchtbar unlogisch - wenn der Bauernhof auf dem Weg liegt und der "Abtrünnige" vorausgegangen ist, ist es doch denkbar, dass sie ihn dort wiedertreffen, oder? Kommt aber sicher auf den Kontext an.
Titel: Re: Die schicksalsträchtige Zufallsbegegnung
Beitrag von: Joel am 03. April 2013, 20:41:23
Ob mich Zufallsbegegnungen als Leser stören, hängt maßgeblich von zwei Dingen ab:

1.) Die Wahrscheinlichkeit der Begegnung
Es gibt solche Zufälle und solche Zufälle - ob sich Protgonisten, Antagonisten, Nebenfiguren etc. in einem überschaubaren Setting über den Weg laufen (zum Beispiel einem kleinen Stadtstaat) oder in einer riesigen Welt, in der Punkt A und Punkt B meilenweit voneinander entfernt liegen. In einer Stadt ist es zum Beispiel sehr viel wahrscheinlicher, dass man sich einmal zufällig über den Weg läuft, als auf einem Kontinent, darum stehe ich solchen Zufallsbegegnungen weniger skeptisch gegenüber als letzteren (siehe zum Beispiel "Die Herren von Winterfell" - da trifft Catelyn Stark zufällig in einem Gasthaus auf halbem Weg zwischen King's Landing und der Mauer ausgerechnet auf Tyrion Lannister).

2.) Die Häufigkeit des Zufalls
Ein oder zwei Zufälle sind OK - immerhin ist es ja Zufall! Wenn sich das ganze aber wie ein roter Faden durch die Geschichte zieht, würde mich als Leser das Gefühl beschleichen, dass der Autor sich nicht weiter zu behelfen wusste, als immer wieder auf solche Zufälle zurückzugreifen, um seinen Plot voranzubringen - und das wiederum würde mir als Autor zu denken geben, warum ich denn überhaupt mehrmals auf einen Zufall angewiesen bin.

Als Autor habe ich bisher noch nicht auf zufällige Begegnungen zurückgreifen müssen, was aber vermutlich auch damit zusammenhängt, dass meine Projekte meist an einem Ort angesiedelt sind und die Figuren nicht groß herumreisen. Ich glaube, ich würde tatsächlich auch nur im Notfall auf den "Zufall" zurückgreifen, weil ich sonst befürchten würde, dass die Leser quasi ein Reißbrett hinter dem Plot sehen würden oder der Zufall so gestellt herüberkommt, dass die Natürlichkeit des Romaninhaltes flöten gehen würde.
 
Titel: Re: Die schicksalsträchtige Zufallsbegegnung
Beitrag von: Marek am 03. April 2013, 20:43:33
Zitat von: Coppelia am 03. April 2013, 20:04:43
Das zum Beispiel finde ich jetzt gar nicht so furchtbar unlogisch - wenn der Bauernhof auf dem Weg liegt und der "Abtrünnige" vorausgegangen ist, ist es doch denkbar, dass sie ihn dort wiedertreffen, oder? Kommt aber sicher auf den Kontext an.
Wenn er vorausgegangen wäre, ja. Aber er hat sich im zehnten Kapitel von verabschiedet, weil er keine Lust mehr auf Abenteuer hatte und sich nach ganz normalen Menschen sehnte, und da war das Wiedersehen schon etwas plötzlich. Ich habe das allerdings damit entschuldigt, dass mein Magier ja mit seiner Kristallkugel vorhersehen konnte, wo die fehlenden Helden gerade sind, und dann die Gruppe zufällig dort vorbeikommen lassen - nur, dass ich das im Buch nicht so kommuniziert habe.
Titel: Re: Die schicksalsträchtige Zufallsbegegnung
Beitrag von: Ryadne am 03. April 2013, 20:49:47
Ich bin bei dem Thema etwas zwiegespalten.
Wenn sich "Zufallsbegegnungen" erst beim zweiten Auftauchen als bedeutsam herausstellen, ist mir das oft viel zu unzufällig, wodurch die Spannung gekillt wird. Andererseits können sie bei kluger Konstruktion zum Einen auch Spannung aufbauen und zum Anderen bin ich es schon so gewöhnt, dass Figuren nicht wie im normalen Leben einfach mal zwischendurch auftauchen, sondern dann auch eine tragende Rolle spielen, dass ich inzwischen richtig enttäuscht bin, wenn dem mal nicht so ist. Wenn so eine Figur kurzzeitig eine größere Rolle einnimmt und dann ganz von der Bildfläche verschwindet, ist es ja auch schon insofern doof, als man wissen will, was aus ihr geworden ist.

Beim Schreiben habe ich insbesondere solche Begegnungen vermieden, die sich beim zweiten (dritten,...) Zusammentreffen erst als bedeutsam erwiesen haben, weil ich das zu klischeehaft fand, aber inzwischen nutze ich sie gelegentlich,

Gerade bei auffälligen Begegnungen sollte man aber schon dosiert vorgehen, finde ich. Es mag verpönt sein, tragend erscheinende Figuren sich letztlich als nichtig erweisen zu lassen, aber noch seltsamer ist es, wenn Zufallsbegegnungen überhand nehmen. Wenn nur ein oder zwei solcher Begegnungen auftauchen, kann das Spannung erzeugen, aber es kann eben auch schnell nervig werden. Besonders, wenn dabei noch große Entfernungen eine Rolle spielen. Je nachdem kann das dann vielleicht wirklich mit Schicksal, Götterwille und blabla begründet werden, aber sowas passt nicht in jede Welt.

Seltsamer noch als schicksalsträchtige Zufallsbegegnungen finde ich übrigens zufallsträchtige Zusammenkünfte. Wie als in "Der Hobbit" die Zwerge zufällig gerade zur richtigen Zeit in Bruchtal ankommen, um diesen Text entschlüsseln zu können, der nur bei einer bestimmten Mondphase sichtbar wird.  ::)

Zitat von: Coppelia am 03. April 2013, 20:04:43
Leider habe ich aber auch einige solcher zufälliger Begegnungen in "Halbe Sachen", die mir ziemlich sauer aufstoßen. Es ist nicht einmal ganz unmöglich, dass sich die Leute begegnen - immerhin jagen mehrere Parteien derselben Sache nach und folgen denselben Spuren - aber dass sie sich trotzdem mehrfach über den Weg laufen, sodass sich die Handlung in eine bestimmte Richtung entwickeln kann, ist vermutlich etwas zu gewollt.

Gerade in so einem Fall (falls ich ihn richtig verstehe) finde ich es aber auch immer schade, wenn keine solchen Begegnungen auftauchen, weil ich es immer spannend finde, wenn die Figuren aus unterschiedlichen Handlungssträngen aufeinandertreffen. Das ist dann wie ein Crossover aus verschiedenen Romanen. 
Zum Beispiel habe ich in "Der Schwur des Sommerkönigs" die ganze Zeit gehofft, dass Joel (Handlungsstrang 1) und die anderen Engel (Handlungsstrang 2) aufeinander treffen, obwohl sie an ziemlich unterschiedlichen Orten tätig waren. Als es dann tatsächlich zum Zusammentreffen kam, wirkte das zwar bisschen konstruiert, aber da war mir das dann egal - Hauptsache, ich hab sie mal in der Interaktion zusammen erlebt, was interessiert mich da Realismus. ;)
Titel: Re: Die schicksalsträchtige Zufallsbegegnung
Beitrag von: Fianna am 03. April 2013, 21:05:39
Zitat von: Maja am 03. April 2013, 19:33:20
Das kommt mir, nachdem ich drei Tage lang überlegt habe, warum der Jäger und sie das gleiche Ziel haben könnten, so unplausibel vor, dass ich es unter allen Umständen vermeiden will.
Könnte er nicht ein anderes Ziel haben, dessen Weg ihn dort vorbei führt - und als sie ihn um Hilfe bittet, stellt er seine Mission für ihre kurz zurück, um ihr zu helfen?

Also er will eigentlich woanders hin, läuft da aber aus irgendwelchen Gründen vorbei (Wasserquelle etc) und stoppt dann und geht mit ihr später wo auch immer hin....
Titel: Re: Die schicksalsträchtige Zufallsbegegnung
Beitrag von: Mondfräulein am 03. April 2013, 21:51:14
Ich vermeide Zufallsbegegnungen wo es geht, Zufallsbegegnungen sind ein Grund, warum ich immer noch wie blöd am Plot meines Romanes bastle. Natürlich, es wäre so viel einfacher, einfach zu sagen, dass mein lieber Straßendieb zufällig in London ist und dort auf Maria trifft, aber es macht einfach keinen Sinn, wenn man etwas länger darüber nachdenkt. Er reist überall in der Welt herum, warum sollte er gerade dann nach London kommen, wenn sie dort ist und die anderen Dinge geschehen, die vom einen zum anderen führen? Eben, Zufall. Zu viel des Zufalls.

Zufallsbegegnungen zu vermeiden bedarf schlicht einer ganzen Menge Plotarbeit. So wie ich das sehe, sind Zufallsbegegnungen meistens nur Bretter, die über Plotlcher führen sollen, aber diese Bretter fallen auf und irgendwann brechen sie. Die Plotlöcher zu flicken ist mehr Arbeit und schwieriger, aber es lohnt sich. Nichts sollte man mit einem einfach "Just because!" begründen, Zufall ist in den meisten Fällen keine adäquate Begründung. Natürlich kann es sein, dass der Held zufällig mit einer Prinzessin zusammen trifft (siehe Aladdin) und dadurch in das Abenteuer seines Lebens hinein gezogen wird, da wäre eine Begründung dann doch nur gestelzt. Wenn eben jener Held dann aber auf einmal der Königssohn eines benachbarten Königreiches ist, der als Kind auf der Straße ausgesetzt wurde, wird es so langsam zu viel des Zufalls.

Es kommt darauf an, ob der Zufall hier der grundsätzliche Faktor ist, der das Geschehen auslöst oder aber nur dazu dient, um den eigentlichen Plot halbwegs realistisch voran zu bringen, ist der Zufall Mittel zum Zweck oder doch vielleicht ein eigener Plot Point? Geht es um einen Straßendieb, der eine Prinzessin trifft (zufällig!) und so in ein Abenteuer gerät oder eine Prinzessin und einen Straßendieb, die auf der Suche nach einem magischen Amulett (zufällig!) auf der Straße dem Wächter des Amuletts begegnen, der den entscheidenden Hinweis liefert?
Titel: Re: Die schicksalsträchtige Zufallsbegegnung
Beitrag von: Lovagh am 03. April 2013, 22:11:13
Zufälle sind so eine Sache. Die Art und Weise wie sich Charaktere kennenlernen bzw. über den Weg laufen ist ja zumeist Zufall. Schwierig wird es, wenn die Charaktere zu "besonders" für den jeweils anderen sind, sich über den Weg zu laufen.
In dem Fall versuche ich persönlich einen guten Grund zu finden, warum die Charaktere sich über den Weg laufen.

Bei einem meiner Begegnungen war es leicht, da der eine des anderen Magie aus weiter Entfernung gespürt hat.
Bei einer anderen Begegnung jedoch ist es etwas komplex. Mein Prota findet zufällig einen Halbengel auf einer Insel. Der Halbengel war schiffbrüchig geworden und mein Prota ist außerhalb seines Bewusstseins auf die Insel gelangt. War es die Tatsache, dass die Insel die Heimat der Mutter meines Protas war oder dass die Seele meines Protas einst die eines Engels war?
Ich versuche zumindest irgendwie Schicksale zu verbinden, in die beide Charaktere verwickelt sind.
Titel: Re: Die schicksalsträchtige Zufallsbegegnung
Beitrag von: Marek am 03. April 2013, 23:03:47
Zitat von: Fianna am 03. April 2013, 21:05:39
Könnte er nicht ein anderes Ziel haben, dessen Weg ihn dort vorbei führt - und als sie ihn um Hilfe bittet, stellt er seine Mission für ihre kurz zurück, um ihr zu helfen?
Das ist genau das, was ich vermeiden will. Genau dieses "in meinem fünfzig Quadratikilometer großen Revier, das ich zu Fuß durchstreife, komme ich gerade zufällig an der Stelle vorbei, wo ausgerechnet dieses Mädchen gerade meine Hilfe als Geisterjäger braucht". Es geht nicht um die Frage, warum er ihr helfen sollte, es geht darum, warum er ausgerechnet dann an ausgerechnet diesem Punkt sein sollte, nur weil der Plot ihn gerade da gerne hätte. Das ist doch, mit Verlaub, an den Haaren herbeigezogen!
Titel: Re: Die schicksalsträchtige Zufallsbegegnung
Beitrag von: Ilargi am 03. April 2013, 23:35:08
Kaixo,

Normalität ist Routine, wenn er sich so sehr nach normalen Menschen und einem normalen Leben sehnt, dann sehnt er sich nach Routine, was für mich bedeutet er wird fast zwangsartig versuchen seinem Leben eine Routine aufzusetzen, wie wäre es wenn er einen Wochenplan hat der ihn aus einem ganz alltäglichen Grund (beispiel: Einkaufen) an dieser Stelle jeden Tag vorbeiführt.

Ansonsten wenn Zufällige Begegnungen sich in der Geschichte nicht häufen habe ich keinerlei Problem mit solchen Sachen.

lg

Ilargi
Titel: Re: Die schicksalsträchtige Zufallsbegegnung
Beitrag von: Marek am 04. April 2013, 00:00:50
@Ilargi
Auf was genau beziehst du dich? Ich finde in deinem Beitrag wenig Sinn...
Titel: Re: Die schicksalsträchtige Zufallsbegegnung
Beitrag von: Ilargi am 04. April 2013, 00:11:12
ZitatDamit habe ich, denke ich, mein Kontingent an Zufallsbegegnungen nicht nur ausgeschöpft, sondern gleich überstrapaziert. Dummerweise stehe ich gerade vor genau der Situation, dass meine Heldin dringend Hilfe benötigt, die sie eigentlich nur vom Grauen Jäger bekommen kann. Sie kennt ihn schon aus früheren Kapiteln, an der Kontaktaufnahme würde es nicht scheitern - aber der Bursche durchpflügt wie ein braver Waldläufer ein Gebiet von ca. 50 Quadratkilometern - und dann soll er, nachdem Anata vor drei Monaten auf der anderen Seite des Sees vor ihm geflohen ist, ausgerechnet jetzt da auftauchen, wo sie jetzt ist, nur weil sie ihn gerade brauchen kann?

Ich habe den fett markierten Satz so interpretiert das er sowas immer macht, also eine gewisse Normalität, sprich Routine dabei hat. Also kann er doch nach einer gewissen Zeit wieder an dieser Stelle vorbei kommen oder?

Ich meine jeder Jäger kümmert sich in Etappen um sein Gebiet, meine ich zumindest irgendwann mal gelesen zu haben. Ein 50 km² großes Gebiet ist nun mal von einem einzigen nicht an einem Tag komplett zu durchlaufen, das heißt er kontrolliert an einem Tag ein Gebiet von sagen wir 10 km² dann ist er alle fünf Tage an der gleichen Stelle.

Ist klar was ich meine? :-[
Titel: Re: Die schicksalsträchtige Zufallsbegegnung
Beitrag von: Fianna am 04. April 2013, 00:13:17
Zitat von: Maja am 03. April 2013, 23:03:47
Das ist genau das, was ich vermeiden will. Genau dieses "in meinem fünfzig Quadratikilometer großen Revier, das ich zu Fuß durchstreife, komme ich gerade zufällig an der Stelle vorbei, wo ausgerechnet dieses Mädchen gerade meine Hilfe als Geisterjäger braucht". Es geht nicht um die Frage, warum er ihr helfen sollte, es geht darum, warum er ausgerechnet dann an ausgerechnet diesem Punkt sein sollte, nur weil der Plot ihn gerade da gerne hätte. Das ist doch, mit Verlaub, an den Haaren herbeigezogen!
Naja, wenn er eine "eigene" Mission hat, die er zu einem späteren Zeitpunkt auch weiter verfolgen wird, finde ich persönlich das nicht an den Haaren herbei gezogen...
Aber ich habe auch eine Schwäche für das Prinzip "Es passieren viele Geschichten gleichzeitig (von denen nur eine relevant für das Buch ist)", das spielt sicher in die Meinung hinein.
Titel: Re: Die schicksalsträchtige Zufallsbegegnung
Beitrag von: Marek am 04. April 2013, 05:43:15
@Ilargi
Jetzt habe ich dich verstanden. Du hast zwei Beispiele durcheinandergewürfelt. Das eine ist Lonnìl aus der "Flöte aus Eis", der die Gruppe verlässt, weil er sich nach Normalität sehnt, und später auf wundersame Weise genau da gelandet ist, wo die Gruppe drei Monate später wieder vorbeikommt, wobei ich mich nur damit entschuldigen kann, dass dieses Buch älter ist als manche Mitglieder unseres Forums.

Das andere Beispiel, der aktuelle Fall, ist Devon aus "Geisterlied", der als der Graue Jäger das Gebiet um den großen See durchstreift. Er ist ein Fußgänger, und wenn das noch nicht ausreicht, stelle ich gerade fest, dass mich meine Mathematik verlassen hat und das Gebiet eher 500 Quadratkilometer hat als 50 (wenn man den See mitrechnet, den er natürlich ausspart, aber die Strecken sind trotzdem entsprechend). Er braucht üblicherweise mehrere Jahre, um es komplett abzuwandern. Er sehnt sich nicht nach Normalität, sondern verfolgt eisern das Ziel, die Geister auszumerzen, und er kommt nahezu komplett ohne soziale Kontakte aus (er ist taub, vor allem aber asozial).

Dass er ausgerechnet da materialisieren soll, wo ich ihn gerade gerne hätte, und in genau dem Augenblick, ist unwahrscheinlich - selbst wenn er und Anata das gleiche Ziel haben, gibt es doch so viele Wege dorthin, dass es mir zu unglaubwürdig wäre. Er bekommt aber seinen Auftritt, wenn Anata an ihrem Ziel angekommen ist, denn er hat einen Grund, sich dort aufzuhalten, dass ich das Element des Zufalls hier vernachlässigen kann, und so bekommen die Leser diese strategisch wichtige Figur (mit Option auf Schurke) nochmal zu Gesicht, ohne dass sie sich über sein Widerauftreten ärgern müssten.
Titel: Re: Die schicksalsträchtige Zufallsbegegnung
Beitrag von: Sanne am 04. April 2013, 07:24:01
Hmm - weiß denn Anata, dass ihr der graue Jäger helfen könnte? Also sucht sie ihn und versucht herauszubekommen, wo er sich aufhält? Fragt sie nach ihm? Er kennt sie doch schon - da könnte er einen gedanklichen Zusammenhang herleiten, wenn er von ihr erfährt durch einen unbeteiligten Dritten.

Sonst kann man vielleicht ein Feuer einbauen, dass viele Leute an einen (in der Nähe, aber anderen) Ort lockt, sodass sie zusammen treffen? Von da aus gehts dann zurück an den Zielort, wenn nach der Brandbekämpfung alle gemeinsam dorthin zurückkehren ...
Im Grunde muss man den Zufall nur plausibel verpacken, damit er nicht so auffällt und von der logischen Handlung verdeckt wird.
Titel: Re: Die schicksalsträchtige Zufallsbegegnung
Beitrag von: Thaliope am 04. April 2013, 07:52:08
Prinzipiell gibt es zwei Arten von Zufällen, gute und schlechte ;) Gut sind Zufälle meiner Ansicht nach dann, wenn sie eine Geschichte auslösen, einen Konflikt heraufbeschwören oder zuspitzen. Man erzählt ja nicht die Geschichte, die jeden Tag passiert, sondern eben die besondere, und da kann Zufall durchaus eine sinnvolle Rolle spielen.
Schlechte Zufälle sind in meinen Augen die, die einen Konflikt lösen sollen oder den einzigen Ausweg für den Helden bieten. Die Auflösung sollte sich schon aus der Geschichte entwickeln und nicht durch einen Zufall. (Es sei denn, man möchte zwischen den Zeilen die Ausweglosigkeit der Situation betonen, aber dafür sind wir hier vielleicht im falschen Genre ;))

Jetzt aber zu deinem konkreten Fall:

Spielst du eigentlich Schach? Beim Schach gibt es ja theoretisch sehr viele Möglichkeiten, wie man selbst bzw. der Gegner ziehen kann, aber praktisch bleibt einem oft nur ein Zug übrig. Bzw. man kann den Gegner zu bestimmten Zügen zwingen oder zumindest nötigen.
Und man selbst bewegt sich ja auch nicht völlig zufällig durch die Welt, man folgt Straßen, Verkehrsknotenpunkten, bleibt stehen, wenn's was zu sehen gibt  etc.
Auf deine Geschichte übertragen würde das heißen: Welchen Beschränkungen unterliegt die Bewegungsfähigkeit deiner Figur? Gibt es Hauptverkehrswege, denen sie folgen muss? Eine Schenke, in der sie etwas hört, das sie in eine bestimmte Richtung lenkt? Ein Feuer, wie Sanne vorgeschlagen hat? Welche Routen muss sie einschlagen, um bestimmte Bedürfnisse zu erfüllen, Güter zu erwerben, die es nicht an jeder Ecke gibt?
Dann wird vielleicht aus einer riesigen Fläche, auf der Bewegungen rein zufällig erscheinen, ein strukturierter Bereich, in dem nur noch gewisse Bewegungen logisch und möglich sind.

LG
Thali
Titel: Re: Die schicksalsträchtige Zufallsbegegnung
Beitrag von: Churke am 04. April 2013, 13:19:51
Zufällige Begegungen wie der vor 30 Jahren bei einem Flugzeugabsturz verschollene Vater, der den Protagonisten in der Sahara vor dem Verdursten rettet, bevor er von einem alten Feind getötet wird, welcher zufällig der Schwiegervater des Protagonisten ist, kannte man früher als Markenzeichen sogenannter Hintertreppenromane.

Andererseits kann in solchen Begegnungen auch eine innere Logik liegen. In einem historischen Roman etwa fände wohl kaum jemand etwas dabei, wenn der Protagonist ständig historischen Personen begegnet.

Ich verwende einen Trick, um solche Begegnungen zu entzerren: Wenn der andere den Protagonisten aus irgendwelchen Gründen sucht, ist die Begegnung kein Zufall mehr und viel plausibler zu erklären.
Titel: Re: Die schicksalsträchtige Zufallsbegegnung
Beitrag von: Alia am 04. April 2013, 14:42:49
@ Maja:
Ich weiß nicht genau, wie dein Gebiet angelegt ist. Aber selbst bei 500 km² gibt es immer bestimmte Punkte, wo es wahrscheinlicher ist, einen Jäger zu treffen. Z.B. wird dein Waldläufer sicherlich bevorzugte Übernachtungsplätze haben. Er kennt das Gebiet und wird sicherlich nicht immer wieder das Rad neu erfinden. Es gibt sicherlich Stellen, zu denen er immer wieder zurückkehrt. Evtl. Höhlen, gute Zeltplätze, etc. Dann gibt es Stellen, an denen von Natur aus viel mehr Wild zu treffen ist. Z.B. an bestimmten Wechseln, Tränken, bei Minerallecken, etc. Ein kluger Waldläufer wird sich auch nicht durch das dichteste Brombeergestrüpp kämpfen, wenn ein paar Meter weiter ein Trampelpfad/Weg/Wildwechsel verläuft.
Mit Sicherheit wird er auch das Gebiet nach Jahreszeiten unterschiedlich bejagen/bewohnen. Z.B. könnte es an bestimmten Stellen zu bestimmten Jahreszeiten Pilze, seltene Kräuter, Beeren oder so geben. Dann könnte es zB Lachse an einem Fluss geben, wo man immer zur Laichzeit fischen kann. Oder im Winter bleibt man nicht unbedingt in Gebieten, die Lawinen gefährdet sind. Dafür wird man aber sicherlich eine Höhle einem Zelt vorziehen.
Wenn er Geister jagt, könnte es ja auch sein, das diese sich vorallem an bestimmten Stellen sammeln, bzw sich besonders gern dort aufhalten. Je nach Gelände kann es auch sein, dass man zB eine Furt oder einen guten Pass irgendwo hat, die man zwangsläufig nutzt, wenn man von A nach B will, weil ein breiter Fluss, ein hoher Gebirgszug, etc. im Weg sind und man sonst nur mit erheblichem Aufwand (zB Floß bauen, wo man ein paar km weiter durch den flachen Fluss waten könnte, extreme Steilwände klettern, wo mit etwas Umweg ein kleiner Pass ist, usw.) weiter käme.


Zum Thema "Zufallsbegegnungen":
Wir wollen eine Geschichte erzählen. Wir brauchen Konflikte. Und die meisten entstehen dann doch einfach "zufällig". Einiges kann man im Charakter anlegen, aber die Zuspitzung ist dann doch immer noch von etwas anderem abhängig. (ZB Er geht fremd und sie sieht in "zufällig" mit der Freundin. Schon haben wir einen Beziehungskonflikt. Ohne "sie sieht ihn" wird das schwer. Oder Held bekommt Probleme mit örtlicher Polizei/Sheriff/Garde, etc und dann wird es richtig schlimme, weil etwas "zufällig" das ganze dramatisiert. Z.B. kann der Held nichtsahnend die Tochter des Kommandanten anbaggern, etc. ) Ich schließe mich da Thali an. Wenn der Prota "zufällig" immer weiter in eine auswegslose Situation kommt und sich dann da mühsam rauskämpfen muss, ist das vollkommen ok und eine erzählenswerte Geschichte. (Solange der Konflikt noch in die Welt und zu den Charakteren passt.)
Wenn ein Prota sich aber selbst in eine blöde Situation reitet und dann zufällig gerettet wird, ist das blöd. Das hat etwas von "Deus ex machina".
Titel: Re: Die schicksalsträchtige Zufallsbegegnung
Beitrag von: Arcor am 04. April 2013, 15:25:18
Zitat von: Alia am 04. April 2013, 14:42:49
Wenn ein Prota sich aber selbst in eine blöde Situation reitet und dann zufällig gerettet wird, ist das blöd. Das hat etwas von "Deus ex machina".
Ich glaube, damit hast du es auf den Punkt gebracht, Alia. ,,Deus ex machina" ist halt das, was in modernen Erzählungen sehr out ist und dass den Leser im Zweifelsfall auch nicht glücklich zurücklässt. In einer griechischen Tragödie erwarte ich sie, aber im Roman sollte man sie vermeiden. Eine ausweglose Situation, die dann ,,zufällig" durch einen daherlaufenden Charakter/Supermagier oder was auch immer gelöst wird, ist zu zufällig. Das wäre dann nach Thalis Argumentation eine schlechte Zufallsbegegnung. Gegen ,,normale" Zufallsbegegnungen habe ich allerdings nicht so viel einzuwenden. Irgendwie muss man seine Charaktere ja zusammenführen, und wenn sie dann im selben Gasthaus übernachten oder dieselbe Socke auf dem Markt kaufen wollen, finde ich das noch natürlich genug, um es durchgehen zu lassen. So etwas passiert in der Welt ja alle Nase lang. I Prinzip ist ja jede Begegnung in gewisser Weise zufällig. Natürlich hat jeder Mensch eine Motivation, warum er gerade hier oder da ist, aber zufällig ist es trotzdem. Man sollte im Roman dann nur dafür sorgen, dass diese Motivationen der Figuren deutlich werden, warum sie zu der bestimmten Zeit an diesem Ort sind und somit auf andere Figuren treffen können.
Aber auch diese Zufallsbegegnungen sollte man nicht zu häufig mit denselben Figuren sich ereignen lassen. Wenn so neue Figuren eingeführt werden, ist das in Ordnung. Aber wenn viermal eine externe Figur so an die Heldengruppe herangeführt wird, taugt es höchstens noch als running gag, wenn man es explizit ironisch meint.

Wobei mir gerade auffällt, dass ich in meinem High-Fantasy-Monster am Anfang eine ziemlich heftige Zufallsbegegnung habe. Bisher hat die niemand kritisiert, aber sie ist grenzwertig, ohne Frage. :/ Macht mich gerade nicht so glücklich. Aber wenn ich das umbaue, muss ich alles umbauen.  :seufz:

Zitat von: Maja am 03. April 2013, 19:33:20
Nicht nur im Herrn der Ringe gibt es solche Begegnungen, [...]
Ich dachte, du hättest irgendwo mal geschrieben, dass du Tolkien nie liest (auf deiner Website?). ;) Spaß beiseite, welche Stelle im HdR meinst du denn, Maja?

Zitat von: Ryadne am 03. April 2013, 20:49:47
Seltsamer noch als schicksalsträchtige Zufallsbegegnungen finde ich übrigens zufallsträchtige Zusammenkünfte. Wie als in "Der Hobbit" die Zwerge zufällig gerade zur richtigen Zeit in Bruchtal ankommen, um diesen Text entschlüsseln zu können, der nur bei einer bestimmten Mondphase sichtbar wird.  ::)
Damit hast du Recht, Ryadne. Das Detail ist mir im Hobbit auch immer sauer aufgestoßen. An einem einzigen Tag ist die Karte lesbar und ,,zufällig" haut das haargenau hin. :d'oh:
Titel: Re: Die schicksalsträchtige Zufallsbegegnung
Beitrag von: Verwirrter Geist am 04. April 2013, 15:44:58
Ich finde den Begriff "Zufall" in der Literatur grundsätzlich schwierig.
Dazu muss man ihn imho weiter ausdifferenzieren.

Das entscheidende Kriterium ist ja eigentlich, dass es kein kausales Gefüge gibt, aus dem sich etwas Bestimmtes ableiten könnte.
Es ist aber auch wichtig, über welche Wahrnehmung man dabei verfügt. Nur weil etwas für einen Beobachter zufällig aussieht, muss es das für einen anderen keinesfalls sein. Die zentrale Schwierigkeit ist also nicht, dass es objektiv plausibel ist, sondern das es für den Leser als wichtigsten Beobachter Plausibel scheint.

Auf dein konkretes Beispiel angewandt: Wenn der Waldläufer tatsächlich völlig zufällig sein 500qm² Einflussgebiet durchwandert, geht die Möglichkeit, dass er ohne Grund zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort ist, gegen Null.
Wenn man aber die Variablen anpasst, sieht das schnell ganz anders aus.

1. Ein erfahrener Waldläufer wird sicherlich nur 10% seines Landes wirklich durchwandern und den Rest nur beobachten, oder "kennen".
2. Wenn er Geister jagd (so habe ich dich verstanden) wird es ja irgendein Muster geben, dem er dabei folgt. Fährten? Spuren? Erfahrungswerte?
3. Es existierte bereits eine Beziehung zwischen dem Jäger und deiner Prota.

An diesen Dingen kann man jetzt sicherlich so arbeiten, dass die Wahrscheinlichkeit zumindest auf ein verständliches Maß gesteigert wird.

Beispiele: - Die Stelle an der deine Prota seine Hilfe braucht nimmt einen zentralen Platz in seiner Route ein, weil dort beispielsweise eine uralte Stelle ist,   an der sich in bestimmten Abständen Geister sammeln.
                - Bei ihrer Flucht vor ihm, hat sie etwas verloren, dass ihn ruhelos ließ und er, nachdem er ihre Fährte widerfand, unbedingt zurückgeben wollte.
                - Er hat dort ein Nachschublager und muss es besuchen, weil er verletzt ist, jemanden Verletztes pflegen muss.
                usw. usf.

Die Möglichkeiten als solches sind alle unwahrscheinlich, wenn du sie aber früh genug einleitest, müsste das funktionieren. Oder denke ich gerade in die völlig falsche Richtung?



Titel: Re: Die schicksalsträchtige Zufallsbegegnung
Beitrag von: HauntingWitch am 04. April 2013, 17:07:03
Ehrlich gesagt, ich mache mir solche Gedanken gar nicht erst. Leben Bücher (nicht nur in der Fanasy) denn nicht von "zufälligen" und "unmöglichen" Ereignissen und Begegnungen? Würde man diese ausmerzen wollen, kann man gleich aufhören, zu schreiben. Wie soll denn ein Plot zustande kommen, der keine Zufälle erlaubt? Natürlich muss man darauf achten, dass eine Plausibilität gegeben ist. Aber problematisch erscheint mir das nicht, wenn man sich ansieht, wie viele vermeintlich unglaubliche Dinge und Begegnungen einem Menschen in der Realität so passieren. Dieses Zufälle erscheinen uns doch auch oft völlig abstrus, doch sie geschehen. Warum also nicht? Natürlich versuche ich aber auch, sie nicht allzu auffällig zu gestalten.  ;)
Titel: Re: Die schicksalsträchtige Zufallsbegegnung
Beitrag von: Joel am 04. April 2013, 18:13:31
ZitatAber problematisch erscheint mir das nicht, wenn man sich ansieht, wie viele vermeintlich unglaubliche Dinge und Begegnungen einem Menschen in der Realität so passieren.
Meiner Meinung nach funktioniert es hier nicht, von der Realität auf einen Roman zurückzuschließen. In der Realität passieren allgemein viele Dinge, die sich so nicht ohne Weiteres in einen Roman übertragen lassen und die in einem Roman - mit einer konkreten Geschichte und einem konkreten Thema - ohne Belang wären. In einem Roman passiert alles ja in einer komprimierten Form.

ZitatWie soll denn ein Plot zustande kommen, der keine Zufälle erlaubt?
Könntest du das vielleicht etwas ausführen? Dann bin ich mir sicher, dass ich verstehe, was du meinst  :) Gerade frage ich mich aber, warum es ohne Zufälle - also die großen Zufälle, von denen hier gesprochen wurde - keinen Plot geben sollte?
Titel: Re: Die schicksalsträchtige Zufallsbegegnung
Beitrag von: Marek am 04. April 2013, 18:44:10
Ich wollte die Diskussion möglichst von meinem konkreten Fall loslösen - hatte überlegt, es unter "Autoren helfen Autoren" zu posten und mich dann dagegenentschieden, weil ich selbst ja schon eine Lösung gefunden habe, das aber nichts am grundsätzlichen Problem, über das ich mich als Leser schon so oft geärgert habe. Aber um nochmal auf meinen Fall zurückzukommen: Devon ist kein Förster oder Jäger, der weiß, wo seine Rehe ihre Futterplätze haben, er jagt Geister, die wirklich überall auftauchen können. Natürlich, er verpflegt sich auch selbst, aber er hat z.B. keine Felle zu verkaufen oder sonstige Gründe, ins Dorf zu gehen, außer, um dort alle Leuite umzubringen, weil Geister das Dorf überrannt haben...

Was Tolkien angeht: Ich bezog mich auf die Stelle im Gasthaus in Bree, wo die Hobbits zufällig in Aragorn reinrennen (dafür muss ich Tolkien nicht gelesen haben ;)), und dir mir letztlich zu zufällig ist und stellvertretend für das ganze Dilemma steht.
Titel: Re: Die schicksalsträchtige Zufallsbegegnung
Beitrag von: Judith am 04. April 2013, 19:18:18
Aragorn "bewacht" doch im Auftrag Gandalfs die Straße nach Bree, soweit ich das im Kopf habe (im Brief an Butterblume schreibt Gandalf auch, dass die Hobbits vielleicht einen gewissen Streicher treffen würden) und beobachtet dabei die Hobbits. Ich bilde mir ein, dass sie da noch mit Bombadil unterwegs sind und jemand den Namen Beutlin erwähnt - dadurch weiß er dann, dass er die richtigen vier gefunden hat.
Also keineswegs Zufall, dass er dann im Gasthaus in Bree ist.
Titel: Re: Die schicksalsträchtige Zufallsbegegnung
Beitrag von: Arcor am 04. April 2013, 19:47:29
Zitat von: Judith am 04. April 2013, 19:18:18
Aragorn "bewacht" doch im Auftrag Gandalfs die Straße nach Bree, soweit ich das im Kopf habe (im Brief an Butterblume schreibt Gandalf auch, dass die Hobbits vielleicht einen gewissen Streicher treffen würden) und beobachtet dabei die Hobbits. Ich bilde mir ein, dass sie da noch mit Bombadil unterwegs sind und jemand den Namen Beutlin erwähnt - dadurch weiß er dann, dass er die richtigen vier gefunden hat.
Also keineswegs Zufall, dass er dann im Gasthaus in Bree ist.
Stimmt, Judith. In den Filmen wird das halt alles weggelassen, da rennen sie wirklich einfach so in Aragorn rein und gabeln den zukünftigen König auf der Straße auf. Im Buch wartet Aragorn auf Gandalfs Wunsch explizit auf die Hobbits in Bree, als Absicherung sozusagen.
Titel: Re: Die schicksalsträchtige Zufallsbegegnung
Beitrag von: Sanne am 04. April 2013, 21:14:06
Wenn die Lösung schon da ist/war - umso besser.

Titel: Re: Die schicksalsträchtige Zufallsbegegnung
Beitrag von: Lucien am 04. April 2013, 21:34:17
Ich habe mir noch nie bewusst Gedanken über zufällige Begegnungen gemacht.
Im Allgemeinen kann ich mich den Anderen anschließen. Es kommt schon darauf an, wie dieser Zufall eingefädelt wird und wie wahrscheinlich er ist.

Zitat von: Joel am 04. April 2013, 18:13:31
Meiner Meinung nach funktioniert es hier nicht, von der Realität auf einen Roman zurückzuschließen. In der Realität passieren allgemein viele Dinge, die sich so nicht ohne Weiteres in einen Roman übertragen lassen und die in einem Roman - mit einer konkreten Geschichte und einem konkreten Thema - ohne Belang wären. In einem Roman passiert alles ja in einer komprimierten Form.
Ich finde schon, dass sich gewisse Erfahrungen aus der Realität problemlos auch in einem Roman umsetzen lassen, gerade, was zufällige Begegnungen angeht. Ich weiß nicht, wie oft es mir schon passiert ist, dass ich an den unmöglichsten Orten auf Menschen gestoßen bin, die bei mir um die Ecke wohnen und die ich zu Hause trotzdem fast nie antreffe. Und wie groß ist schon die Wahrscheinlichkeit, dass zwei Menschen aus einem Ort, wo die Wahrscheinlichkeit, sich zu treffen größer ist, was aber nicht passiert, ausgerechnet am gleichen Tag, zur gleichen Uhrzeit völlig woanders unterwegs sind und gerade dort aufeinander treffen?
Aus diesem Grund gehe ich in meinen Geschichten relativ freizügig mit derartigen Begegnungen um und ich muss sagen, in meinem aktuellen Projekt häufen sich die Zufallsbegegnungen. Allerdings muss ich auch irgendwie eine Gruppe zusammenführen und es sind zwei Seher in die Sache verwickelt, was dazu führt, dass viele Begegnungen dann doch nicht so "zufällig" sind.  ::)

Titel: Re: Die schicksalsträchtige Zufallsbegegnung
Beitrag von: Joel am 04. April 2013, 21:46:57
ZitatIch weiß nicht, wie oft es mir schon passiert ist, dass ich an den unmöglichsten Orten auf Menschen gestoßen bin, die bei mir um die Ecke wohnen und die ich zu Hause trotzdem fast nie antreffe.
Diese Begegnungen haben nicht ähnlich große Auswirkungen auf dich, wie die zufälligen Begegnungen von Figuren in einem Roman, oder? Hier liegt der Unterschied, den ich meinte. Denn diese "zufälligen" Begegnungen im Roman scheinen ja hier oder da den Zweck zu erfüllen, die Handlung voranzutreiben, Personengruppen zusammenzuführen, einen Protagonisten aus einer scheinbar auswegslosen Situation zu katapultieren etc. - sie haben also alle Auswirkungen. Und durch diese Auswirkungen werden alle diese Zufälle in irgendeiner Art und Weise bedeutsam - im Gegensatz zu den meisten Zufällen in der Realität.
Titel: Re: Die schicksalsträchtige Zufallsbegegnung
Beitrag von: Lucien am 04. April 2013, 22:14:43
Okay, jetzt habe ich verstanden, was du meinst.  ::)
Ich glaube zwar, dass solche zufälligen Begegnungen auch in der Realität schicksalsträchtig sein können, nur ob sie dann in einer solchen Häufigkeit Auftreten wie im Roman...?  :P

Titel: Re: Die schicksalsträchtige Zufallsbegegnung
Beitrag von: HauntingWitch am 05. April 2013, 08:26:27
Zitat von: Joel am 04. April 2013, 18:13:31
Meiner Meinung nach funktioniert es hier nicht, von der Realität auf einen Roman zurückzuschließen. In der Realität passieren allgemein viele Dinge, die sich so nicht ohne Weiteres in einen Roman übertragen lassen und die in einem Roman - mit einer konkreten Geschichte und einem konkreten Thema - ohne Belang wären. In einem Roman passiert alles ja in einer komprimierten Form.

Ich gehe mit Jenny.  ;) Und zu der Wirkung: Doch, manche schon. Natürlich ist es im Roman eine Frage der Umsetzung, ob das konstruiert wirkt oder nicht - aber irgendwo müssen die Figuren ja aufeinandertreffen. Ich stelle mir da weniger die Frage nach Wahrscheinlichkeit, sondern mehr nach der Möglichkeit. Ist das möglich? Kann man sich die Hintergründe denken? Um auf Majas Anfangsbeispiel mit dem Prinz XY an der Bar zurückzukommen: Warum denn nicht?

Es ist ja durchaus möglich, dass auch so ein Prinz mal etwas vom "normalen" Leben sehen möchte, sich unter das Volk mischt oder sich einfach nur die Kante geben will. Nur weil er Prinz ist, ist es unwahrscheinlich? Natürlich ist das ein sehr spezieller Prinz. Aber er könnte existieren. Und wenn man es sich recht überlegt, und sich die Engländer anschaut...  ;) Also verstehst du ungefähr, worauf ich hinaus möchte? Manche Dinge sind gar nicht so abwegig, wie sie auf den ersten Blick wirken.

Zitat von: Joel am 04. April 2013, 18:13:31
Könntest du das vielleicht etwas ausführen? Dann bin ich mir sicher, dass ich verstehe, was du meinst  :) Gerade frage ich mich aber, warum es ohne Zufälle - also die großen Zufälle, von denen hier gesprochen wurde - keinen Plot geben sollte?

Sagen wir mal, Protagonist X ist ein Kopfgeldjäger, der Nebenfigur Y sucht. In einer Taverne beobachtet X nun, wie jemand der Schankmaid das buchstäblich das Geld aus der Tasche zieht und X fällt auf, dass diese Person der gesuchten doch ein klein wenig ähnelt. Okay. X tritt in Aktion, seine Vermutung entpuppt sich als richtig. Das ist aber nun noch keine Story. Ist Y allerdings "zufälligerweise" auch noch der Antagonist, der das Problem auslöst/darstellt, das das ganze Konzept zu einem ganzen Roman macht, hast du deinen Roman. Gäbe es den Anta nicht, gäbe es keinen Roman. Es sei denn, der Anta ist jemand ganz anderes und ist irgendwo anders, aber auch dann stehst du wieder vor der Frage: Wie bringe ich die Situation meines Prota mit der meines Anta so zusammen, dass eine Geschichte daraus wird? Dafür brauchst du wieder irgendetwas, das zwischen den beiden steht und wie gross ist die Wahrscheinlichkeit, dass genau zwischen diesen beiden Figuren ein Problem besteht? Das ist auch etwas, das man erschafft, damit es eine Geschichte gibt.

Oder man nehme die Serie Supernatural, in der zwei Brüder "zufälligerweise" auserwählt wurden, die Apokalypse auszutragen. Natürlich kann man sich fragen: Warum wollen denn diese Engel und Dämonen dort die Apokalypse austragen? Sie könnten ja auch warten, oder zwei beliebige andere Menschen auf dem Planeten auswählen. Aber dann gäbe es die Geschichte der Serie nicht.
Titel: Re: Die schicksalsträchtige Zufallsbegegnung
Beitrag von: Joel am 05. April 2013, 08:54:36
@ HauntingWitch: Es geht mir wie oben ausgeführt um die Bedeutsamkeit der Zufälle und darum hinkt der Vergleich - eine zufällige Begegnung in der Stadt, z.B. mit einem alten Klassenkameraden, der jetzt für zwei Tage nochmal hierhergekommen ist und den du jetzt zufällig beim Mittagessen in der Altstadt triffst, obwohl du eigentlich shoppen gehen wolltest, wird aller Wahrscheinlichkeit nach keine großen Auswirkungen auf dein Leben haben. Man unterhält sich kurz, jeder fragt den anderen, wie es ihm geht, was er macht, etc. und dann trennen sich die Wege wieder und zwei Wochen später kann man sich kaum noch daran erinnern.
Eine zufällige Begegnung in einem Roman zieht zwangsweise Konsequenzen nach sich, sonst hätte man sie sich sparen können. Wenn eine zufällige Begegnung - und hier spreche ich wieder von den Zufällen, um die es in den vorangegangenen Posts gings - in einem Roman keine Konsequenzen hat, dann ist sie für die Geschichte entbeherlich und sollte vermutlich gleich rausgestrichen werden. Wenn eine Hauptfigur auf der Reise von A nach B ist und zufällig in einer Taverne den als Bettelmönch verkleideten Prinzen trifft, diese Begegnung aber absolut keinen Belang für die weitere Handlung hat, dann würde sich der Leser wohl ein wenig hingehalten fühlen (denn er/sie will doch eigentlich wissen, ob die Hauptfigur ihr Ziel erreicht!).
Der Zufall in einem Roman hat also eine Bedeutung, er spielt eine Rolle. Und wenn jetzt zu viele (bedeutsame) Zufälle aneinandergereiht werden, dann entsteht dadurch imho eine gewisse Willkürlichkeit á la "Alles ist möglich". Die Probleme und Konflikte lösen/ergeben sich durch den Zufall quasi von selbst.

ZitatSagen wir mal, Protagonist X ist ein Kopfgeldjäger, der Nebenfigur Y sucht. In einer Taverne beobachtet X nun, wie jemand der Schankmaid das buchstäblich das Geld aus der Tasche zieht und X fällt auf, dass diese Person der gesuchten doch ein klein wenig ähnelt. Okay. X tritt in Aktion, seine Vermutung entpuppt sich als richtig. Das ist aber nun noch keine Story. Ist Y allerdings "zufälligerweise" auch noch der Antagonist, der das Problem auslöst/darstellt, das das ganze Konzept zu einem ganzen Roman macht, hast du deinen Roman.
Ohne dir zu nahetreten zu wollen, wäre das jetzt in meinen Augen ein Beispiel für einen Zufall, wie ich ihn in einem Roman nicht sehen wollen würde  ;) Denn wo bleibt hier der Konflikt, wo bleibt die Spannung? Wo bleiben die Schwierigkeiten, die der Protagonist zu überwältigen hat? Er stolpert einfach "zufällig" in den Antagonisten herein? Da würde ich mich fragen, ob es nicht auch eine andere Möglichkeit gibt, wie ich Protagonist und Antagonist aufeinandertreffen lassen könnte. Sonst wäre es ja am Ende ein Zufall, der die Geschichte erst beginnen lässt. Und das würde auf mich ein wenig willkürlich wirken - so nach dem Motto: Wenn es den Zufall nicht gegeben hätte, würde es die Geschichte nicht geben. Im Umkehrschluss würde das dann ja, wie du schreibst, bedeuten, dass es keine Geschichte zu erzählen gebe - und das wiederum beraubt einer Geschichte viel von ihrer "Stärke", weil dem Zufall meiner Meinung dann einfach eine viel zu große Stellung eingeräumt wird.

EDIT: Um den letzten Satz vielleicht noch kurz zu erklären: Wenn es ohne Zufall keine Geschichte geben würde, würde das ja implizieren, das ich als Autor nichts zu erzählen hätte. Aber eine Geschichte muss - zumindest für mich - ein übergeordnetes Thema haben, einen Grund, warum es lohnenswert ist, diese Geschichte aufzuschreiben. Und da kann es imho nicht vom Zufall abhängig sein, ob die Geschcihte in Fahrt kommt oder nicht.
Titel: Re: Die schicksalsträchtige Zufallsbegegnung
Beitrag von: HauntingWitch am 05. April 2013, 09:44:48
ZitatEine zufällige Begegnung in einem Roman zieht zwangsweise Konsequenzen nach sich, sonst hätte man sie sich sparen können. [....] Der Zufall in einem Roman hat also eine Bedeutung, er spielt eine Rolle. Und wenn jetzt zu viele (bedeutsame) Zufälle aneinandergereiht werden, dann entsteht dadurch imho eine gewisse Willkürlichkeit á la "Alles ist möglich". Die Probleme und Konflikte lösen/ergeben sich durch den Zufall quasi von selbst.

Genau das ist der springende Punkt. Es braucht ein Ereignis oder eine Begegnung, die eine Konsequenz nach sich zieht. Wo keine Konsequenz kein Konflikt, wo kein Konflikt keine Geschichte. Dass es nicht zu viele auf einmal sein dürfen, sehe ich auch so. Dafür muss man einfach ein Gespür entwickeln. Aber ich bin nicht gegen einen Zufall mit einer gewissen Wichtigkeit.

Z.B. habe ich in einem meiner Skripte eine alte Freundin des Protas zufällig in ihn hineinlaufen lassen, mitten in der Stadt. Was sie in ihm auslöst, bringt ihn dazu, sich von seiner aktuellen Freundin zu trennen (was wiederum für die spätere Handlung wichtig ist). Nun kann man da natürlich von konstruiert reden, andererseits, ist das durchaus möglich, denn so gross ist der Handlungsort nicht, dass man nicht hier und da auf solche Bekannte treffen könnte.  ;)

ZitatDenn wo bleibt hier der Konflikt, wo bleibt die Spannung? Wo bleiben die Schwierigkeiten, die der Protagonist zu überwältigen hat? Er stolpert einfach "zufällig" in den Antagonisten herein?

Das ist es, was ich meine, wenn ich von der Umsetzung spreche. Wer sagt denn, dass der Prota den Anta nun gleich zu fassen bekommt deswegen?  ;D Und ja, ich dachte an den Anfang einer Geschichte, denn am Anfang muss ja etwas stehen, das die Geschichte lostritt. Das sind doch meistens Zufälle.

ZitatWenn es ohne Zufall keine Geschichte geben würde, würde das ja implizieren, das ich als Autor nichts zu erzählen hätte. Aber eine Geschichte muss - zumindest für mich - ein übergeordnetes Thema haben, einen Grund, warum es lohnenswert ist, diese Geschichte aufzuschreiben. Und da kann es imho nicht vom Zufall abhängig sein, ob die Geschcihte in Fahrt kommt oder nicht.

Punkt für dich. ;) Aber auch mit der Botschaft im Hintergrund, brauchst du ja immer noch Ereignisse. Kannst du diese allein durch die Kraft der Botschaft herbeiführen? Ich (noch) nicht.
Titel: Re: Die schicksalsträchtige Zufallsbegegnung
Beitrag von: Joel am 05. April 2013, 09:58:55
ZitatGenau das ist der springende Punkt. Es braucht ein Ereignis oder eine Begegnung, die eine Konsequenz nach sich zieht. Wo keine Konsequenz kein Konflikt, wo kein Konflikt keine Geschichte. Dass es nicht zu viele auf einmal sein dürfen, sehe ich auch so. Dafür muss man einfach ein Gespür entwickeln. Aber ich bin nicht gegen einen Zufall mit einer gewissen Wichtigkeit.
D'accord!  :)

ZitatZ.B. habe ich in einem meiner Skripte eine alte Freundin des Protas zufällig in ihn hineinlaufen lassen, mitten in der Stadt. Was sie in ihm auslöst, bringt ihn dazu, sich von seiner aktuellen Freundin zu trennen (was wiederum für die spätere Handlung wichtig ist). Nun kann man da natürlich von konstruiert reden, andererseits, ist das durchaus möglich, denn so gross ist der Handlungsort nicht, dass man nicht hier und da auf solche Bekannte treffen könnte. 
Auch hier stimmen wir überein!  :) Das ist das, was ich mit Wahrscheinlichkeit meinte! Je nach Setting können Zufälle "wahrscheinlicher" sein oder eben nicht - das ist glaube ich das, was du als Möglichkeit bezeichnen würdest?!
Ich glaube also, wir stimmen in den meisten Punkten überein!  :) Nur im Geschriebenen geht das vielleicht ein wenig zwischen den Zeilen unter.

ZitatAber auch mit der Botschaft im Hintergrund, brauchst du ja immer noch Ereignisse. Kannst du diese allein durch die Kraft der Botschaft herbeiführen? Ich (noch) nicht.
Nein, aber diese Ereignisse müssen ja keine Zufälle sein  :) Jedes Ereignis ergibt sich aus dem vorherigen Ereignis - quasi als Kausalkette: A bedingt B bedingt C. Wenn es B nicht gibt, kann es C nicht geben. Bei diesen Ereignissen muss nicht auf Zufälle zurückgegriffen werden, was imho auch der Dichte eines Romans schadet.
Nach dem Schema A-B-C (dieses Schema muss im Roman natürlich nicht mit dem Holzhammer auf den Leser eingehämmert werden, damit dieser das mögliche Reißbrett hinter der Geschichte sehen könnte) nimmt die Handlung ihren Fortlauf, während ich gleichzeitig mein Thema im Hinterkopf habe.
Wenn das Schema jetzt A-Zufall-B aussehen würde, dann würde das ja bedeuten, dass meine Geschichte eine völlig andere Richtung hätte nehmen können, weil der Zufall das ganze irgendwo - meiner Meinung nach - auch willkürlich machen kann.
Titel: Re: Die schicksalsträchtige Zufallsbegegnung
Beitrag von: HauntingWitch am 05. April 2013, 10:47:57
@Joel: So sieht es aus.  ;D

Zur Kausalkette: Das hat meiner Meinung nach mit persönlicher Weltanschauung und Wertvorstellungen zu tun. Ich beschäftige mich momentan beispielsweise mit dem von C.G. Jung definierten Phänomen der Synchronizität, das für mich beweist, dass nicht alles im Leben einen kausalen Zusammenhang hat. Manche Dinge passieren auch akausal. Deshalb versteife ich mich da auch beim Schreiben nicht darauf.

Aber die Mehrheit der Leser wird sich nicht eigens damit beschäftigt haben und die Kausalkette somit als glaubwürdiger Empfinden. Das ist ein grosses Abwägen als Autor.  ;)
Titel: Re: Die schicksalsträchtige Zufallsbegegnung
Beitrag von: Joel am 05. April 2013, 11:10:21
ZitatManche Dinge passieren auch akausal.
Da widerspreche ich dir nicht!  :) Ich habe mich jetzt auch nur konkret aufs Schreiben bezogen und da macht die Kausalität für mich einfach mehr Sinn.
Titel: Re: Die schicksalsträchtige Zufallsbegegnung
Beitrag von: Judith am 05. April 2013, 11:50:41
Manchmal muss man aber auch aufpassen, dass eine Geschichte nicht überkonstruiert wird. Damit meine ich jetzt nicht, dass Zufälle zwangsläufig sein müssen, aber wenn wirklich alles mit Grund passiert und sich nie etwas auch mal zufällig ergibt, dann kann das durchaus auch mal zu konstruiert wirken.
Mir ist das schon mal beim Lesen so gegangen - ich bilde mir ein, es war bei einem Roman von Guy Gavriel Kay.